907/A XXIII. GP

Eingebracht am 12.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Strache, Dr. Bösch und weiteren Abgeordneten

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI.Nr. 1/1930 geändert wird.

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz,   mit  dem   das   Bundes-Verfassungsgesetz,   BGBI.Nr. 1/1930 geändert wird.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI.Nr. 1/1930 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008 wird wie folgt geändert:

Artikel 50 B-VG lautet wie folgt:

„Artikel 50. (1) Der Abschluss von

1.   politischen Staatsverträgen und Staatsverträgen, die gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art. 16 Abs. 1 fallen, sowie

2.      Staatsverträgen,    durch    die    die    vertraglichen    Grundlagen    der Europäischen Union geändert werden,

bedarf der Genehmigung des Nationalrates.

(2) Für Staatsverträge gemäß Abs. 1 Z 1 gilt darüber hinaus Folgendes:

1. Gemäß Abs. 1 Z 1 genehmigte Staatsverträge bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regeln.

2.        Anlässlich der Genehmigung eines Staatsvertrages kann der Nationalrat beschließen,   in   welchem   Umfang  dieser Staatsvertrag  durch  Erlassung  von Gesetzen zu erfüllen ist.

(3) Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 ist Art. 42 Abs. 1 bis 4 sinngemäß anzuwenden.

(4) Staatsverträge gemäß Abs. 1 Z 2 dürfen unbeschadet des Art. 44 Abs. 3 nur mit Genehmigung    des    Nationalrates    und   mit   Zustimmung    des    Bundesrates abgeschlossen werden. Diese Beschlüsse bedürfen jeweils der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

(5)           Der Abschluss von Staatsverträgen gemäß Abs.  1 Z 2, ist jedenfalls einer Volksabstimmung   zu   unterziehen,    wenn   die   vertraglichen   Grundlagen   der Europäische Union wesentlich geändert werden sollen.

(6)           Der Nationalrat und der Bundesrat sind von der Aufnahme von Verhandlungen über einen Staatsvertrag gemäß Abs. 1 unverzüglich zu unterrichten.“

Begründung:

Der neue EU-Vertrag von Lissabon hat in vielen Staaten Europas zu einer sehr kontroversiellen Diskussion geführt. Auch in Österreich wurde dieser Vertrag vor der Ratifizierung im Parlament ausführlich debattiert. In diesen Diskussionen wurde ein Unbehagen mit der Europäischen Union und ihrer Politik artikuliert, das uns allen zu denken geben muss. Dieses generelle Unbehagen fand auch im irischen Referendum über den Lissabon-Vertrag seinen Ausdruck.

Auch in Österreich besteht gegenwärtig eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der EU. Nachdem eine überwältigende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher 1994 für einen Beitritt zur Europäischen Union gestimmt hat, begegnen wir heute einer Stimmung der Verunsicherung und manchmal auch Ablehnung. Viele Menschen sind enttäuscht und verärgert über die geringen Fortschritte, die die EU auf dem Weg zu einer Sozialunion erreicht hat.

Viele Menschen beklagen das Demokratiedefizit der EU und die mangelnde Transparenz. Und viele Menschen haben den Eindruck, dass sich die EU nicht mit ihren tatsächlichen Problemen beschäftigt, sondern primär mit sich selbst. Österreich soll sich als aktives Mitglied dafür einsetzen, dass die EU zu einer echten Sozialunion wird. Die Auswirkungen europäischer Entscheidungen auf Arbeitnehmer und klein- und mittelständische Unternehmen müssen wesentlich stärker berücksichtigt werden. Der österreichische Arbeitsmarkt, der sich nun wieder so positiv entwickelt, muss durch Übergangsfristen geschützt bleiben. Im Rahmen des Kampfes gegen den Klimawandel muss auch das Transitproblem endlich gemeinsam gelöst werden.

Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion wäre es sinnvoll, dass Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Sollte also ein geänderter Reformvertrag neuerlich von Österreich ratifiziert werden müssen, sollte diese Vorgangsweise gewählt werden. Dies gilt auch für einen möglichen Beitritt der Türkei, der die derzeitigen Strukturen der EU überfordern würde. Wir wollen an einem Europa arbeiten, das sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen auf diesem Kontinent orientiert, und damit das Vertrauen in dieses große Einigungswerk wiederherstellen.

Konkret handelt es bei der Änderung des Art. 50 B-VG darum, die Wirkung des sogenannten „vereinfachten Änderungverfahren“, welches im Vertrag von Lissabon vorgesehen ist, zu entkräften, sowie in Zukunft jede grundlegende Änderung der Grundlagenverträge der Europäischen Union einer Volksabstimmung zu unterziehen.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung zum Verfassungsausschuß vorgeschlagen.