1306/AB XXIII. GP

Eingelangt am 06.09.2007
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0081-Pr 1/2007

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1218/J-NR/2007

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Akteneinsicht im Fall Aribert Heim“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:
Die Tätigkeit des Simon Wiesenthal-Zentrums Jerusalem halte ich für überaus wertvoll und unverzichtbar, schon um die mahnende Erinnerung an jenes Kapitel unserer Geschichte wach zu halten, das die überwiegende Zahl der Menschen nicht mehr persönlich erlebt hat. Die Operation „Last Chance“ ist ein Versuch, alle Mittel auszuschöpfen, um doch noch an Informationen über allenfalls noch lebende NS-Kriegsverbrecher zu gelangen.

So weit mir bekannt ist, hatten die im Rahmen dieser Initiative gesammelten Informationen nur in einem Fall einen unmittelbaren Bezug zu Österreich: Es handelt sich dabei um die auch öffentlich bekannte Strafsache gegen Dr. Milivoj Aschner, dessen Auslieferung von den kroatischen Behörden beantragt wurde. Die Erhebungsergebnisse des Simon Wiesenthal-Zentrums führten zwar zur Einleitung eines Inlandsstrafverfahrens und zur Durch­führung eines Auslieferungsverfahrens beim Landesgericht Klagenfurt. Nachdem jedoch im Auslieferungsverfahren zwei gerichtliche Sachverständige unabhängig voneinander feststellten, dass der Beschuldigte derzeit nicht vernehmungsfähig ist, musste das Auslieferungsverfahren abgebrochen werden, weil die gesetzlich zwingend vorgesehene Anhörung des Betroffenen daher nicht möglich war. Es ist in Aussicht genommen, die Vernehmungsfähigkeit in regelmäßigen Abständen überprüfen zu lassen.

Zu 2 bis 4:
Zur Unterstützung des Grundanliegens der Operation „Last Chance“ habe ich im Hinblick auf die besondere Bedeutung dieser Fälle veranlasst, dass das Bundes­ministerium für Justiz - entgegen der bislang geübten Praxis - eine Belohnung von je 50.000 Euro für Hinweise ausgelobt hat, die zur Ergreifung und Verurteilung der NS-Kriegsverbrecher Alois Brunner und Aribert Heim durch österreichische Gerichte führen.

Zu 5:
Anknüpfend an die Beantwortung der schriftlichen Anfrage 22/J-NR/2006 durch meine Amtsvorgängerin Mag. Karin Gastinger (11/AB, XIII. GP) ist vor allem auf die persönlichen Besuche des Direktors des Simon Wiesenthal-Zentrums Jerusalem, Dr. Efraim Zuroff, am 15. September 2003 und am 31. Jänner 2006 bei meinen Amtsvorgängern Dr. Dieter Böhmdorfer und Mag. Karin Gastinger sowie auf die mit der Fachabteilung meines Hauses geführte Korrespondenz zu verweisen, die dem gegenseitigen Meinungs- und (soweit möglich auch) Informationsaustausch dienten.

Was die Weitergabe von Informationen an das Simon Wiesenthal-Zentrum betrifft, so ist auf die grundsätzliche Problematik hinzuweisen, dass es sich dabei um keine staatliche Strafverfolgungsbehörde handelt, weshalb die Leistung von „Amtshilfe“ nicht möglich ist. Vielmehr entspricht es der Praxis der letzten Jahre, dass das Simon Wiesenthal-Zentrum Jerusalem dem Bundesministerium für Justiz in Form von umfangreichen Listen die Namen möglicher Tatverdächtiger im Zusammenhang mit Gräueltaten von Wehrmachts- bzw. SS-Einheiten bekannt gegeben hat und auch Hinweise auf laufende Strafverfahren in Deutschland liefert. Demgegenüber können die vom Simon Wiesenthal-Zentrum gleichsam „im Gegenzug“ begehrten Informationen aus österreichischen Strafverfahren mit Blick auf die zu wahrende Amts­verschwiegenheit nur in sehr eingeschränktem Umfang gegeben werden.

Zu 6, 8 und 11:
Das Gericht hat sich bei seiner im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung zu treffenden Entscheidung an die Bestimmung des § 82 StPO zu halten, wonach zur Gewährung von Akteneinsicht an eine verfahrensfremde Person bzw. Institution ein rechtliches Interesse des Antragstellers erforderlich ist. Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass es nach Auffassung des Gerichts offenbar an dieser Voraussetzung gefehlt hat.

Im Zuge der Korrespondenz wurde der Antrag auf Akteneinsicht zwar hilfsweise auch auf § 82a StPO – über den von der Justizverwaltung zu entscheiden ist – gestützt, wobei jedoch ausdrücklich hervorging, dass eine personenbezogene Auswertung des Aktes beabsichtigt ist. § 82a StPO ermöglicht aber Akteneinsicht nur zum Zweck der nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen. Ich gehe davon aus, dass nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 82a StPO auch einer Antragstellung des Simon Wiesenthal-Zentrums entsprochen werden könnte, sofern die Akteneinsicht der nicht personenbezogenen Verwertung dient. 

Zu 7, 9 und 12:

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz hat am 20. Juni 2007 für namentlich genannte wissenschaftliche Projektmitarbeiter der Firma epofilm gemäß § 82a StPO Einsicht in die relevanten Akten des Landesgerichtes Linz für eine wissenschaftliche, bzw. eine im öffentlichen Interesse liegende Untersuchung genehmigt, die am 18. Juli 2007 durch eine Historikerin vorgenommen wurde.

Zu 10.:
Nach den mir vorliegenden Informationen führt auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg Ermittlungen gegen Aribert Heim.

 

 

 

Zu 13. und 14.:
Aktuelle Hinweise auf den mutmaßlichen Aufenthaltsort von Aribert Heim sind Gegenstand einer Prüfung durch die Sicherheitsbehörden. Im Übrigen ersuche ich um Verständnis, dass ich in laufenden Strafverfahren grundsätzlich keine Details zu einzelnen Ermittlungsschritten bekannt geben kann.

 

. September 2007

 

(Dr. Maria Berger)