3585/AB XXIII. GP
Eingelangt am 22.04.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag. Barbara Prammer Wien, am April 2008
Parlament
1017 Wien GZ: BMF-310205/0028-I/4/2008
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3587/J vom 22. Februar 2008 der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Befriedigung der AMIS-Geschädigten beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Da in der vorliegenden parlamentarischen Anfrage von der „AMIS Gruppe“ die Rede ist, möchte ich eingangs klarstellen, dass nicht die AMIS Gruppe ("Die AMIS"), sondern immer nur ein bestimmtes AMIS Unternehmen – zuletzt die AMIS Financial Consulting AG – über eine Konzession nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) verfügte und daher unter Aufsicht der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) stand.
Was das – behauptete – Ergebnis des parlamentarischen Untersuchungsausschusses betreffend Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe Adria und weitere Finanzdienstleister anlangt, ist festzuhalten, dass es keinen akkordierten Schlussbericht des Ausschusses gibt, der ein Verschulden der Aufsicht konstatiert. Vielmehr hält der Berichtsentwurf meiner Fraktion fest, dass Aufsichtsfehler nicht festgestellt wurden.
Zudem trifft es
nicht zu, dass die Anleger durch „Ausreizen der rechtlichen
Möglichkeiten" durch die Finanzprokuratur in "langwierige und
teure Gerichtsverfahren" gezwungen werden. Genau das Gegenteil ist der
Fall: Mit den Anlegeranwälten wurde eine Einigung auf die
Führung einer geringen Anzahl von Musterprozessen mit geringem Streitwert erzielt; in allen anderen Fällen wurden Verjährungsverzichtserklärungen abgegeben. Weiters wurden in einigen Verfahren Ruhensvereinbarungen getroffen bzw. einer Verfahrensunterbrechung zugestimmt, um im Interesse der Anleger einen zusätzlichen Verfahrensaufwand zu vermeiden. Von einem "wenig kooperativen Verhalten" kann daher keine Rede sein. "Kooperation" mit Ersatzwerbern kann nicht so weit gehen, dass ein potentieller Amtshaftungsfall wie AMIS mit 16.000 Geschädigten und einem Haftungspotential von bis zu 80 Mio. Euro ohne gerichtliche Klärung der Haftungsfrage erledigt wird, zumal ein derartiges Vorgehen des Bundes eindeutig gesetzwidrig wäre. Ich möchte hier insbesondere auf die Bestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes sowie das auch damit in Zusammenhang stehende Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung hinweisen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass bis dato sämtliche Anlegerforderungen auch in den Insolvenzverfahren von den Masseverwaltern bestritten worden sind.
Zur Korrespondenz des Büros des Bundeskanzlers mit den Geschädigten ist festzuhalten, dass diese ohne vorherige Befassung des Bundesministeriums für Finanzen erfolgte und daher nicht bekannt ist, auf Basis welcher Unterlagen dort eine mangelhafte Tätigkeit der Aufsicht angenommen worden ist.
Zu 1.:
Nach dem derzeitigen Stand beträgt die Anzahl der Ersatzwerber rund 12.000. Die Mehrzahl davon ist in Sammellisten erfasst, die von einzelnen Anlegeranwälten vertreten werden.
Zu 2.:
Dazu muss
grundsätzlich festgehalten werden, dass es der Republik Österreich
(Bund) – wie jedem anderen Beklagten in einem gerichtlichen Verfahren
auch – gestattet sein muss, seinen Rechtsstandpunkt vor einem
ordentlichen Gericht in einem umfangreichen Beweisverfahren einer
Klärung zuführen zu lassen. Es mag zwar – aus Sicht der durch
die Folgen der AMIS-Insolvenzen Betroffenen – legitim sein, Forderungen
nach einer Entschädigung durch die öffentliche Hand zu stellen.
Derartige Leistungen können aber nicht ohne Rechtsgrundlage erfolgen,
weil damit zwingend zu beachtende gesetzliche Bestimmungen verletzt
würden. Jene Mittel, die im Falle von Leistungen aufzubringen sind,
stammen immerhin aus dem Abgabenaufkommen aller in Österreich
Steuerpflichtigen: eine Leistung ohne Rechtsgrundlage kommt daher nicht in
Frage.
Was die Dauer der Gerichtsverfahren anlangt, so wird diese primär durch den komplexen Sachverhalt bestimmt; die Finanzprokuratur hat hierauf keinen Einfluss.
Zu 3.:
Die durchschnittliche Höhe der begehrten Ersatzansprüche ist mit rund Euro 7.500,-- anzusetzen.
Zu 4. und 5.:
Bisher wurden sämtliche Ersatzansprüche abgelehnt.
Zu 6.:
Derzeit sind insgesamt 21 Amtshaftungsverfahren anhängig.
Zu 7.:
Zwei Verfahren befinden sich im Berufungsstadium.
Sechs Verfahren sind in erster Instanz anhängig, davon sind drei Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.
Zwei Verfahren ruhen.
Elf Verfahren sind unterbrochen.
Zu 8. und 9.:
Es wird auf die Beantwortung zu Frage 2. verwiesen.
Zu 10.:
Die Regierungsparteien streben gemeinsam an, bis zum Sommer 2008 dem Nationalrat einen Bericht vorzulegen, in dem gesetzliche und sonstige Maßnahmen zur Anlegerentschädigung vorgeschlagen werden. Es sollen auf breiter Basis alle Möglichkeiten geprüft werden, um einerseits präventiv das Risiko von Anlegerentschädigungsfällen zu begrenzen und andererseits die Leistungsfähigkeit der Anlegerentschädigungseinrichtung für Wertpapierfirmen zu verbessern.
Die wichtigsten übergeordneten Ziele sind die Stabilität und das Vertrauen in den österreichischen Finanzplatz und den Anlegerschutz zu fördern und eine möglichst nachhaltige Lösung auf Basis eines breiten Konsenses zu erzielen.
Eine Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Finanzen, in der alle für das Thema relevanten Institutionen vertreten sind, hat bereits ihre Tätigkeit aufgenommen.
Mit freundlichen Grüßen