3907/AB XXIII. GP

Eingelangt am 21.05.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0056-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3960/J-NR/2008

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Dr. Manfred Haimbuchner und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „diplomatische Immunität von Vladimir Vozhzhov“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 4:

Aus dem Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 25.8.1998, 24 Bs 221/98, ist der allgemeine Rechtssatz, wonach jegliche nachrichtendienstliche Tätigkeiten durch diplomatische Immunität von der Strafverfolgung in Österreich nicht ausgenommen sind, nicht ableitbar. Die Entscheidung betrifft den Umfang der funktionellen Immunität eines dritten Botschaftssekretärs einer ausländischen Botschaft in Wien, die in diesem Fall nachrichtendienstliche Tätigkeiten nicht umfassen kann.

Die Vereinten Nationen haben zum Umfang der Vladimir V. zukommenden Immunität darauf hingewiesen, dass Artikel IV Abschnitt 11 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946, BGBl. Nr. 126/1957, in einem weiten Sinn auszulegen ist. Nach Ansicht der Vereinten Nationen sind daher von der Immunität nicht bloß Handlungen im Konferenzsaal und auf dem Weg von und zum Konferenzort erfasst, sondern es gilt Immunität allgemein für Handlungen während des gesamten Zeitraums des erforderlichen Aufenthalts im Konferenzstaat.

Ich beabsichtige daher nicht, die Generalprokuratur mit der Angelegenheit zu befassen. Eine „Verfahrenseinstellung betreffend den Genannten“ ist im Übrigen nicht erfolgt.

Zu 2:

Bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Wien und Salzburg sowie bei den Oberstaatsanwaltschaften in Wien und Linz und beim Bundesministerium für Justiz sind die nach den jeweiligen Geschäftseinteilungen zuständigen Richter und Staatsanwälte tätig geworden.

Zu 3:

Der Verwaltungsablauf innerhalb des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten sowie die im angefragten Fall dort tätigen gewordenen Beamten sind nicht Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Justiz.

Zu 5 und 6:

Sicherstellungen wurden im Zuge der Festnahme des Vladimir V. sowie im Zuge zweier weiterer Hausdurchsuchungen durchgeführt. Das dabei sichergestellte Beweismaterial wurde ausgewertet. Die bei Vladimir V. sichergestellten Gegenstände und Beweismittel wurden diesem aufgrund seiner Immunität wieder ausgefolgt.

Zu 7 und 8:

Gegen Vladimir V., Harald S. und Werner G. ist bei der Staatsanwaltschaft Wien zu 501 St 5/07g und beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 254 Ur 286/06m ein Strafverfahren wegen des Verdachtes der Vergehen des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil der Republik Österreich nach § 256 StGB und des militärischen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat nach § 319 StGB anhängig.

Zu 9, 10 und 11:

Ja.

Zu 12:

Die Immunität des Vladimir V. gründet sich auf Abschnitt 33 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien, BGBl. III Nr. 99/1998, und wird im Umfang des Artikels IV Abschnitt 11 des Übereinkommens über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946, BGBl. Nr. 126/1957, gewährt. Nach diesen Bestimmungen ist es für das Bestehen der Immunität nicht erforderlich, dass die Vereinten Nationen die ihnen notifizierten Teilnehmer an Tagungen der Vereinten Nationen in Wien auch der Republik Österreich mitteilen. Die Immunität besteht aufgrund des völkerrechtlichen Vertrages zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen.

Zu 13:

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshof vom 12.2.1998, 12 Os 3/98 (JBl 1999/677), bezieht sich auf eine Immunität nach Artikel XI Abschnitt 23 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) vom 13.4.1967, BGBl. Nr. 245/1967, hinsichtlich Personen, „die bei der UNIDO amtlichen Obliegenheiten zu genügen haben“. Diesen Personen kommt auch ohne Notifikation Immunität zu, wenn sie Tätigkeiten in ihrer amtlichen Eigenschaft bei der UNIDO verrichten. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Frage, ob eine amtliche Tätigkeit vorliegt, ist der Standpunkt der internationalen Organisation. Das Amtssitzübereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Republik Österreich und der internationalen Organisation, das Dritte, nämlich Mitgliedstaaten der internationalen Organisation, begünstigt.

Zu 14 und 15:

Die Vereinten Nationen haben die von der russischen Seite am 5. Juni 2008 übermittelte Teilnehmerliste für das Treffen des Komitees über die friedliche Nutzung des Weltraums in der Zeit von 6. bis 15. Juni 2007 in Wien zur Kenntnis genommen und bestätigt, dass sich Vladimir V. am Morgen des 11.6.2007 persönlich am Konferenz-ort in Wien zur Konferenz angemeldet hat.

Bei dieser Sachlage haben die Vereinten Nationen am 19.6.2007 mitgeteilt, dass ihrer Meinung nach Vladimir V. Immunität zukommt.

Zu 16, 17 und 18:

Auf die Beantwortung der Frage 12. wird hingewiesen.

Zu 19 und 20:

Auf die Beantwortung der Fragen 14. und 15. wird hingewiesen.

Zu 21:

Das Strafverfahren gegen Vladimir V. wurde am 22.6.2007 gemäß § 412 StPO abgebrochen. Die Immunität nach Abschnitt 33 des Amtssitzübereinkommens der Vereinten Nationen in Wien, BGBl. III Nr. 99/1998, stellt ein zeitliches Verfolgungshindernis dar, sodass bei Aufgriff des Beschuldigten das Verfahren formlos fortzusetzen ist.

. Mai 2008

 

(Dr. Maria Berger)