4022/AB XXIII. GP

Eingelangt am 05.06.2008
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0069-Pr 1/2008

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 4035/J-NR/2008

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Heinz-Christian Strache und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Entwaffnung von Justizwachebeamten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Im Tagdienst führen Justizwachebedienstete Gummiknüppel und Pfefferspray MK-3; die Mitglieder der Einsatzgruppen an Stelle des Gummiknüppels den Rettungsmehrzweckstock. Im Nachtdienst und – soweit erforderlich – bei Ausführungen sind alle Justizwachebediensteten zusätzlich mit der Pistole Glock 17 ausgerüstet.

Die Justizwache verfügt grundsätzlich über folgende Einsatzmittel: Sturmgewehr 77, Pistole Glock 17, Rettungsmehrzweckstock, Gummiknüppel, Pfefferspray MK-3, Pfefferspray OJ 400a. Das Tränengasgewehr und der Tränengaszerstäuber werden weitgehend durch die Einsatzmöglichkeit des Pfefferspray OJ 400a ersetzt und gelangen nur mehr in besonderen Situationen zum Einsatz. Der Einsatz des Tasers X26 ist bis auf weiteres suspendiert.

Zu 2:

Nach den §§ 104, 105 Strafvollzugsgesetz ist der Waffengebrauch nur nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insofern zulässig, als ungefährlichere oder weniger gefährlichere Maßnahmen (wie insbesondere die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft) oder verfügbare gelindere Mittel (wie insbesondere Handfesseln oder technische Sperren) ungeeignet scheinen oder sich als wirkungslos erwiesen haben. Stehen verschiedene Waffen zur Verfügung, darf nur von der am wenigsten gefährlichen, nach der jeweiligen Lage noch geeignet scheinenden Waffe Gebrauch gemacht werden. Steht eine geeignete Dienstwaffe nicht zur Verfügung, dürfen unter sinngemäßer Anwendung der zitierten Bestimmungen auch andere Waffen gebraucht oder Mittel angewendet werden, deren Wirkungen der einer Waffe gleichkommen. Der Zweck des Waffengebrauches gegen Menschen darf nur sein, sie angriffs-, widerstands- oder fluchtunfähig zu machen.

Waffen dürfen nur in den Fällen der Notwehr, der Überwindung eines Widerstandes gegen die Staatsgewalt oder eines tätlichen Angriffs auf einen Beamten, zur Verhinderung der Flucht, zur Wiederergreifung oder gegen Personen, die in die Anstalt eindringen, einzudringen oder einen Gefangenen zu befreien versuchen, gebraucht werden.

Über den Einsatz folgender Waffen entscheidet der Träger: Pistole, Pfefferspray MK-3, Gummiknüppel oder Rettungsmehrzweckstock.

Über den Einsatz folgender Waffen entscheidet der Anstaltsleiter bzw. im Nachtdienst der Inspektionsdienst: Sturmgewehr 77, Tränengasgewehr, Tränengaszerstäuber, Pfefferspray OJ 400a und (vor Suspendierung des Einsatzes) Taser X26.

Zu 3 bis 5:

Meldungen an die Aufsichtsbehörden über den Waffeneinsatz erfolgen nur bei Sturmgewehr 77, Pistole Glock 17 oder Taser X26. Der Einsatz der anderen Waffen wird nur dann berichtet, wenn im Rahmen des Einsatzes Besonderheiten – etwa bei Verletzung eines Bediensteten oder eines Insassen – eintreten.

Im Jahr 2007 erfolgten 2 Tasereinsätze und zwar am 11. April 2007, Justizanstalt Salzburg, und am 30.05.2007, Justizanstalt  Wien – Josefstadt.

Im Jahr 2006 erfolgte ein Schusswaffengebrauch (Abgabe von zwei Warnschüssen am 05. Dezember 2006 zur Verhinderung einer Flucht; keine Verletzten) und            6 Tasereinsätze  (18. Jänner 2006: Justizanstalt Wien-Simmering, 04. Februar 2006:  Justizanstalt Wels, 07. Februar 2006: Justizanstalt  Linz, 22. März 2006: Justizanstalt  Innsbruck, 18. August 2006: Justizanstalt Linz, 30. August 2006: Justizanstalt Leoben, 27. September 2006: Justizanstalt Stein)

Im Jahr 2008 erfolgte bisher ein Tasereinsatz (19. Februar 2008: Justizanstalt  Wien-Josefstadt).

Zu 6:

Von den Befürwortern des Tasereinsatzes werden folgende Argumente ins Treffen geführt:

Der Taser X26 ist eine Distanz- und Kontaktwaffe, die es ermöglicht, den Täter ohne Körperkontakt angriffs-, flucht- oder widerstandsunfähig zu machen. Beim Einsatz von herkömmlichen Schuss-, Stock- oder Reizstoffwaffen könne die betroffene Person weiter handlungsfähig bleiben. Klassische mindergefährliche Dienstwaffen wie Stock- oder Reizstoffwaffen müssen solange eingesetzt werden, bis die betroffene Person durch Schmerz zur Aufgabe bewegt wird.

Zu 7 bis 9, 17 und 18:

Ich habe am 20. Februar 2008 angeordnet, dass der Taser bis auf weiteres nicht einzusetzen ist. Derzeit läuft ein Evaluierungsverfahren im Bundesministerium für Justiz. Ursache hierfür waren Foltervorwürfe beim Einsatz dieser Waffe in anderen Staaten sowie mehrere Todesfälle nach Tasereinsätzen im nordamerikanischen Raum. Ich halte den Einsatz von Tasern nur dann für vertretbar, wenn die menschenrechtlichen und medizinischen Bedenken nach diesen Todesfällen ausgeräumt werden können.

Die Arbeitsgruppe im Bundesministerium für Justiz wird mir nach Abschluss ihrer Tätigkeit Empfehlungen über die weitere Anwendung des Taser vorlegen. Es steht noch nicht fest, ob und unter welchen Bedingungen der Taser weiterhin in Justizanstalten zum Einsatz kommt.

Zu 10:

Der Taser X26  wurde mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 10. November 2004 als Dienstwaffe eingeführt. Mit Wirksamkeit vom 20. Februar 2008 ist der Einsatz in Justizanstalten ausgesetzt worden.

Zu 11 und 12:

Derzeit wird der Einsatz des Tasers im Strafvollzug von einer Expertengruppe im Bundesministerium für Justiz evaluiert, der unter anderem ein Waffenexperte, zwei Ärzte, Vertreter der Anstaltsleiter, die Personalvertretung, sowie ein Mitarbeiter der Vollzugsdirektion angehören.

Zu 13:

Es ist richtig, dass der Taser zuerst im Bundesministerium für Justiz als Dienstwaffe zugelassen worden ist.

Zu 14 und 15:

Am 11. März 2008 kam es in der Justizanstalt Wien-Josefstadt zu einem tätlichen Angriff auf einen Beamten. Im Zuge dieses Angriffes wurde der Bedienstete durch einen Feuerlöscher, der ihm von einem Insassen gegen die Brust geschleudert wurde, am Körper verletzt. Der Justizwachebedienstete erlitt eine Lungenprellung. Der Insasse wurde durch Anwendung von Körperkraft überwältigt. Im konkreten Fall hätte der Tasereinsatz vermutlich nicht rasch genug erfolgen können, um die Verletzungen durch den Wurf mit dem Feuerlöscher zu verhindern.

Zu 16:

Im Bundesministerium für Justiz sind bisher keine Meldungen bekannt, die auf nachweisliche Verhaltensänderung der Insassen seit der Evaluierung des Tasers schließen lassen.

Zu 19:

Die Einsatzgruppenmitglieder der Justizwache sind in den letzten Wochen mit neuen, verbesserten Schutzhelmen und mit Schutzschildern ausgestattet worden. Diese  Ausrüstung wurde von Justizwachebediensteten entwickelt und speziell auf deren Bedarf abgestimmt. Weiters werden in der Arbeitsgruppe auch Überlegungen hinsichtlich einer allfälligen Ersatzwaffe für den Taser angestellt.

. Juni 2008

 

(Dr. Maria Berger)