3/GO XXIII. GP - Geschäftsordnungsantrag

Eingebracht am 30.10.2006
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Kogler, Kräuter, Strache, Pilz, Gassner, Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen

 

auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG

betreffend „Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister“

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen den Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Verhältnis: 6 SPÖ, 6 ÖVP, 2 Grüne, 2 FPÖ, 1 BZÖ einzusetzen.

 

Gegenstand der Untersuchung:

 

1.      Aufklärung über sämtliche Prüfungen und Maßnahmen der staatlichen Organe der Banken- und Finanzmarktaufsicht zur Aufdeckung von verdächtigen Vorgängen und Malversationen bei Banken und Finanzdienstleistern im Zeitraum von 1994 bis heute, insbesondere über die sogenannten „Sonder-Geschäfte“ der BAWAG, über die Swap-Geschäfte der Hypo Alpe-Adria und über damit in Zusammenhang stehende weitere Geschäfte.

2.      Aufklärung über die politische Verantwortlichkeit für fehlende Konsequenzen aus kritischen Prüfberichten seit 1994, insbesondere des Berichts der OeNB aus dem April 2001 an die damalige Bankenaufsicht im BMF über die Situation der BAWAG/PSK;

3.      Aufklärung über die politische Verantwortung für neuerlich fehlende Konsequenzen aus dem Bericht über die Vor-Ort-Prüfung der BAWAG durch die OeNB im Auftrag der FMA vom 10. Juni 2003 bis zum 14. Juli 2003;

4.      Aufklärung über die Vorgänge und Hintergründe, die zur Haftung der Republik Österreich gegenüber der BAWAG/PSK führten;

5.      Aufklärung über die Wahrnehmungen und allfälligen Maßnahmen der Banken- und Finanzmarktaufsicht hinsichtlich der Vorgänge rund um den Kauf der bulgarischen Firma MobilTel durch die Telekom Austria unter Beteiligung der BAWAG (Komplex Taus/Schlaff/Elsner) und des gleichartigen Versuchs im Falle der Belgrader Firma MobTel und der Rolle, die Mitglieder der Bundesregierung dabei spielten;

6.      Prüfung des Verhaltens des damaligen Leiters der Wirtschaftspolizei, Mag. Roland Horngacher, insbesondere im Zusammenhang mit der Überprüfung und Weitergabe der Daten von Taus/Schlaff-Geschäftspartnern an die BAWAG im Zusammenhang mit dem Erwerb der bulgarischen Firma MobilTel sowie der Unterdrückung der „BAWAG-Anzeige“, die von einer „Profil“-Journalistin erstattet worden war, sowie Prüfung der Frage, ob und inwieweit die BAWAG (bzw. deren Organe und Mitarbeiter) illegal Auskünfte bei Polizeiorganen über Dritte eingeholt und erhalten hat und dadurch zum Amtsmissbrauch angestiftet wurde und die BAWAG am Amtsmissbrauch partizipiert hat.

7.      Aufklärung über die Wahrnehmungen und allfälligen Maßnahmen der Banken- und Finanzmarktaufsicht hinsichtlich der Vorgänge rund um das Engagement der Casinos Austria gemeinsam mit der BAWAG im Projekt „Casino Jericho“ (Komplex Wallner/Schlaff/Elsner);

8.      Prüfung der Entsendepraxis von Staatskommissären, im speziellen im Fall der Hypo Alpe-Adria Bank AG und der BAWAG/PSK;

9.      Prüfung der Frage, wann und  in wie weit die Banken- bzw. Finanzmarktaufsicht über die Verlustgeschäfte und allfällige Malversationen in der Hypo Alpe-Adria Bank AG Kenntnis erlangt hat und wie diesfalls von seiten der FMA reagiert wurde;

10.  Prüfung der Frage, inwieweit und in welcher Form die Banken- und Finanzmarktaufsicht gegen Fehlbewertungen von Beteiligungen und Kreditrisiken vorgegangen ist, insbesondere im BAWAG und Hypo Alpe-Adria Komplex, und ob allenfalls unrichtige Bilanzdarstellungen von der FMA gebilligt oder bewirkt worden sind;

11.  Prüfung der Frage, ob und wie staatliche Organe dagegen vorgehen, wenn österreichische Banken an Vorgängen mitwirken, die zur Verschleierung von Eigentumsverhältnissen und Geldflüssen dienen;

12.  Prüfung der Frage, ob und inwieweit sogenannte Ostgeschäfte österreichischer Banken durch fragwürdige Kundenbeziehungen und die Begünstigung groß angelegter Geldwäsche dem Ansehen des österreichischen Finanzplatzes weltweit Schaden zufügen und welche Maßnahmen seitens der zuständigen staatlichen Organe ergriffen wurden;

13.  Aufklärung darüber, ob und inwiefern Regierungsmitglieder an fragwürdigen oder gar inkriminierten Aktivitäten von Banken und Finanzdienstleistern beteiligt waren;

14.  Aufklärung darüber, ob der Bundesminister für Finanzen, Karl-Heinz-Grasser, als oberstes Organ der Banken- und Finanzmarktaufsicht aufgrund eines persönlichen Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnisses zu involvierten Personen oder Entscheidungsträgern von Banken bzw. Kreditinstituten oder aufgrund anderer aufzuklärender Umstände diesen Banken bzw. Kreditinstituten insbesondere hinsichtlich seiner Aufsichts- und Kontrollpflichten begünstigt oder ihnen Vorteile verschafft hat;

15.  Prüfung der Frage, ob die Banken- und Finanzmarktaufsicht Kenntnis von offener und verdeckter Parteienfinanzierung durch die involvierten Banken erlangt hat oder haben müsste und ob eine Involvierung von Mitgliedern der Bundesregierung oder von Landesregierungen vorliegt;

16.  Prüfung der Frage, ob die Banken- und Finanzmarktaufsicht  im Fall des Finanzdienstleisters „AMIS“ rechtzeitig und umfassend geprüft hat;

17.  Prüfung der Frage, warum seitens des BMJ bis heute kein Rechtshilfeersuchen an das Fürstentum Liechtenstein zur Klärung der Frage ergangen ist, wer die Bezieher jener Zahlungen von Wolfgang Flöttl waren, die dieser bereits öffentlich eingestanden hat;

18.  Aufklärung der politischen und rechtlichen Verantwortung für den Konkurs des Atomic-Konzerns und der Gestion der de-facto-Alleingläubigerin BAWAG.

 

 

Untersuchungsauftrag

 

Der Untersuchungsausschuss soll durch Erhebung von mündlichen und schriftlichen Auskünften zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in sämtliche Akten, Berichte und Protokolle des Bundesministeriums für Finanzen, Bundesministeriums für Justiz, der Finanzmarktaufsicht, der OeNB, anderer Dienststellen und involvierter juristischer Personen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes sämtliche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten prüfen.

 

 

 

 

Begründung:

 

In letzter Zeit wurde eine Reihe gravierender Missstände im österreichischen Bankwesen und bei Finanzdienstleistern offenkundig. Diese Missstände führen nicht nur zu einem enormen wirtschaftlichen Schaden, sie schädigen auch die Reputation und damit die Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes.

Besonders ins Auge springen dabei folgende Vorfälle:

 

Diese Vorfälle haben nicht nur strafrechtliche Relevanz, sondern werfen auch die Frage auf, warum die vom Gesetzgeber bestellten Aufsichtsorgane nicht einschritten und was sie von den Vorkommnissen wussten.

Widersprüchliche Aussagen zu aufklärungsbedürftigen Vorfällen rund um die sogenannten „Karibik-Geschäfte“ der BAWAG werfen Fragen über das Verhalten der damaligen Bankenaufsicht im BMF und der von 1994 bis heute im Amt befindlichen Bundesminister für Finanzen auf. Die BAWAG unterlag als Kreditinstitut der Bankenaufsicht, die zu dieser Zeit vom BMF ausgeübt wurde. Sie unterlag außerdem der Prüfungskompetenz der OeNB, die nach dem BWG bei der Bankenaufsicht mitzuwirken hatte.

Darüber hinaus ist bekannt geworden, dass wegen riskanter Devisen- und Zinsgeschäfte (Swaps) die Hypo Alpe-Adria-Bank AG vor zwei Jahren rund 330 Mio. Euro verloren hat. Auch hier stellt sich die Frage, warum Bankprüfer, Staatskommissäre und Bankenaufsicht nicht rechtzeitig ein entsprechendes Interesse an aufklärungsbedürftigen Bilanzzahlen zeigten. Weiters stellt sich die Frage, wieso die Geschäfte der Hypo-Alpe-Adria Bank AG und deren Konzerngesellschaften auf dem Balkan nicht untersucht wurden.

Die Finanzierung von Firmenübernahmen von osteuropäischen Paten, etwa im Falle der bulgarischen Mobiltel oder der serbischen Mobtel, birgt nicht nur hohe finanzielle Risken, die mittelbar österreichische Kunden und Steuerzahler schädigen könnten, sondern ist auch geeignet, die Reputation und Vertrauenswürdigkeit des heimischen Bankplatzes zu gefährden. Auch passen solche Geschäftspraktiken schlecht zu in Richtung EU-Beitrittskandidaten gerichteten Forderungen, entschiedener gegen Wirtschaftskriminalität, insbesondere auch gegen Geldwäscherei vorzugehen.

Ebenso geeignet, die Interessen von österreichischen Bankkunden und das Ansehen des Bankplatzes zu schädigen, sind von österreichischen Banken organisierte Treuhand­lösungen, wie die Centragas der Raiffeisen Investment AG oder die Mobiltel Holding der BAWAG, die dazu dienen, Eigentumsverhältnisse zu verschleiern und damit den Verdacht von Geldwäsche und ungerechtfertigten Gewinnentnahmen wecken.

Auch ungerechtfertigte Aufwertungen von Bankbeteiligungen, wie sie etwa im Falle der BAWAG beim Casino Jericho oder im Falle der Hypo Alpe-Adria bei Engagements am Balkan offenkundig wurden, bergen die Gefahr von Bilanzfälschung und einer potentiellen Schädigung der Bürgerinnen und Bürger.

Schließlich tummeln sich in Österreich, scheinbar unbehelligt von der Finanzmarktaufsicht, Finanzberater und Veranlagungsfirmen, die offenbar nicht daran denken, die von ihnen geweckten Gewinnversprechen zu erfüllen und tausende geschädigte Anleger zurücklassen. Auch hier stellt sich die Frage, warum die staatlich vorgesehenen Kontrollinstrumente versagen.

Da es ein dringendes öffentliches Interesse an einem geregelten und funktionstüchtigen Bankwesen und Finanzmarkt gibt, muss genau untersucht werden, welche Handlungen oder Unterlassungen die sachlich in Betracht kommenden Behörden im Zeitraum von 1994 bis heute gesetzt haben und welche Konsequenzen sich aus festgestellten Mängeln für zukünftige Verbesserungen ableiten lassen.

Es gilt auch zu prüfen, inwieweit österreichische Regierungsmitglieder direkt oder indirekt in diese Vorgänge verwickelt sind.

Der Ständige Unterausschuss des Rechnungshofausschusses, der sich mit der Finanzmarktaufsicht hinsichtlich der BAWAG befasste, konnte die oben angeführten Untersuchungsgegenstände auf Grund seiner eingeschränkten Möglichkeiten und der völlig einseitig agierenden Regierungsfraktionen nur unzureichend untersuchen und schon gar nicht aufklären.