Vorblatt

Problem:

Eingeschränkter sachlicher Anwendungsbereich des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, BGBl. III Nr. 180/2000.

Ziel:

Erweiterung des Schutzes von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, insbesondere auch von österreichischen Teilnehmern an Einsätzen der Vereinten Nationen.

Inhalt:

Der Anwendungsbereich des Stammübereinkommens wird auf Einsätze zum Zweck der Leistung humanitärer oder politischer Hilfe oder von Entwicklungshilfe im Rahmen der Friedenskonsolidierung (peacebuilding) sowie zur Leistung humanitärer Nothilfe ausgeweitet. Bei solchen Einsätzen wäre bisher für die Anwendbarkeit des Übereinkommens eine Feststellung des Sicherheitsrats oder der Generalversammlung erforderlich gewesen, dass ein außergewöhnliches Sicherheitsrisiko vorliegt; dieses Erfordernis entfällt nun für die genannten Einsätze.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Es bestehen keine einschlägigen Rechtsvorschriften der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Fakultativprotokoll hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen  Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Fakultativprotokoll keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Österreich ist Partei des Übereinkommens über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal (BGBl. III Nr. 180/2000). Kernpunkte des Übereinkommens bilden die Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten gegen das durch dieses Übereinkommen geschützte Personal (Prinzip des „aut dedere aut iudicare“) einschließlich der entsprechenden Rechtshilfe und der Weitergabe von Informationen sowie die Verpflichtung zur Erleichterung des ungehinderten Transits des geschützten Personals und seiner Ausrüstung zum und vom Empfangsstaat. Durch das Übereinkommen wird das Personal geschützt, das an Einsätzen beteiligt ist, die vom zuständigen Organ der Vereinten Nationen in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen festgelegt und unter der Autorität und Kontrolle der Vereinten Nationen durchgeführt werden und die der Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen oder bei denen vom Sicherheitsrat oder von der Generalversammlung ein außergewöhnliches Sicherheitsrisiko festgestellt wird.

Aufgrund von regelmäßig wiederkehrenden Angriffen auf das Personal der Vereinten Nationen in den letzten Jahren wurde jedoch die Notwendigkeit erkannt, den Anwendungsbereich des Übereinkommens auch auf andere Einsätze der Vereinten Nationen auszudehnen. Am 8. Dezember 2005 hat daher die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Res. A/60/42 den Text eines Fakultativprotokolls zum oz. Übereinkommen im Konsens angenommen. Die erzielte Einigung, die auf einen österreichischen Vorschlag zurückgeht, stellt das erste Ergebnis der Umsetzung des VN-Gipfeldokuments vom September 2005 dar. Das Fakultativprotokoll wurde am 14. März 2006 von Österreich unterzeichnet (sh. Beschluss der Bundesregierung vom 2. Februar 2006, Pkt. 23 des Beschl.Prot. Nr. 121) und wird nach Hinterlegung der 22. Ratifikationsurkunde in Kraft treten.

Gemäß diesem Fakultativprotokoll wird der Anwendungsbereich des oz. Übereinkommens auch auf Einsätze zum Zweck der Leistung humanitärer oder politischer Hilfe oder von Entwicklungshilfe im Rahmen der Friedenskonsolidierung (peacebuilding) sowie zur Leistung humanitärer Nothilfe ausgedehnt. In diesen Bereichen ist somit zur Anwendung des Übereinkommens keine Feststellung eines außergewöhnlichen Sicherheitsrisikos durch den Sicherheitsrat oder die Generalversammlung mehr notwendig. Im Fall der Leistung humanitärer Nothilfe in Reaktion auf eine Naturkatastrophe haben Empfangstaaten jedoch die Möglichkeit, die Anwendung des Protokolls durch eine Erklärung auszuschließen. Das Fakultativprotokoll findet weiters keine Anwendung auf ständige Büros der Vereinten Nationen, wie den Sitz der Organisation oder ihrer Spezialorganisationen, die im Rahmen einer Vereinbarung mit den Vereinten Nationen errichtet wurden.

Besonderer Teil

Zu Art. I

Gemäß Art. I werden das Übereinkommen und das Fakultativprotokoll zwischen den Vertragsparteien des Fakultativprotokolls als eine einzige Übereinkunft angesehen und ausgelegt.

Zu Art. II

Art. II erweitert den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens. Damit das Übereinkommen auf einen Einsatz anwendbar ist, müssen jedenfalls - sowohl nach dem Übereinkommen als auch weiterhin unter dem Fakultativprotokoll - folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Der Einsatz muss von dem zuständigen Organ der Vereinten Nationen in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen festgelegt und unter der Autorität und Kontrolle der Vereinten Nationen durchgeführt werden (Art. 1 lit. c i) des Übereinkommens). Keine Anwendung findet des Übereinkommen - auch weiterhin unter dem Fakultativprotokoll - jedoch auf vom Sicherheitsrat als Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen genehmigten Einsatz der Vereinten Nationen, bei dem Angehörige des Personals als Kombattanten gegen organisierte bewaffnete Verbände eingesetzt sind und auf den das Recht der internationalen bewaffneten Konflikte anwendbar ist (Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens).

Unter diesen Voraussetzungen war bisher die Anwendung des Übereinkommens auf Einsätze beschränkt, die

                         - dem Zweck der Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienten, oder für die

                         - der Sicherheitsrat oder die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko festgestellt haben (Art. I lit. c i) und ii) des Übereinkommens).

Die Feststellung des erhöhten Sicherheitsrisikos durch den Sicherheitsrat oder die Generalversammlung erwies sich aber als nicht praktikabel, sodass die Anwendung des Übereinkommens de facto auf Einsätze zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beschränkt war.

Das Fakultativprotokoll weitet daher den Anwendungsbereich des Übereinkommens aus auf Einsätze zum Zweck

                         - der Leistung humanitärer oder politischer Hilfe oder von Entwicklungshilfe im Rahmen der Friedenskonsolidierung oder

                         - der Leistung humanitärer Nothilfe.

Für solche Einsätze ist nach dem Fakultativprotokoll keine Feststellung eines außergewöhnlichen Risikos durch den Sicherheitsrat oder die Generalversammlung der Vereinten Nationen mehr erforderlich.

Der Begriff der Friedenskonsolidierung (peacebuilding; sh. auch Präambularabsatz 3) wurde eingeführt, um jene Risikosituationen zu beschreiben, für die der Schutz des VN-Personal ausgeweitet werden soll. Die zugrundliegende Überlegung war die, dass das Übereinkommen in jenen Situationen anwendbar sein soll, in denen für das Personal eines Einsatzes der Vereinten Nationen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht. Der Begriff wird im Fakultativprotokoll nicht definiert. Anlässlich der Annahme des Textes durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen gab jedoch das Vereinigte Königreich im Namen aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Erklärung ab, dass dieser Begriff nicht bloß auf Konflikt- oder Post-Konfliktsituationen beschränkt sei, sondern alle Stufen des Konfliktzyklus umfasse (vgl. auch die Erklärung des Vorsitzes des Sicherheitsrates vom 20. Jänner 2001 (S/PRST/2001/5)).

Abs. 2 bestimmt, dass Abs. 1 des Fakultativprotokolls keine Anwendung auf ständige Büros der Vereinten Nationen, wie den Sitz der Organisation oder ihrer Spezialorganisationen, die im Rahmen einer Vereinbarung mit den Vereinten Nationen errichtet wurden, findet. In diesen Fällen besteht einerseits üblicherweise kein besonderes Sicherheitsrisiko, andererseits sind Fragen betreffend den Status des Personals in Amtssitzabkommen zwischen dem Sitzstaat und der Organisation geregelt.

Abs. 3 enthält eine Opt-out-Klausel für Empfangstaaten für den Fall eines Einsatzes, der allein zum Zweck der Leistung humanitärer Nothilfe in Reaktion auf eine Naturkatastrophe durchgeführt wird. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Naturkatastrophen auch an Orten geschehen können, an denen kein erhöhtes Sicherheitsrisiko besteht, v.a. weil eine stabile Gesellschaftsordnung und ein funktionierender Rechtsstaat vorhanden ist.  Diese Erklärung muss gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vor der Entsendung des Einsatzes abgegeben werden.

Zu Art. III

Art. III bezieht sich auf die in Art. 8 des Stammübereinkommens festgelegte Verpflichtung zur Freilassung oder Rückgabe von Personal, das in Gefangenschaft oder in Haft gehalten wird. Diese Bestimmung stellt klar, dass die Verpflichtung eines Vertragsstaats des Protokolls, Art. 8 des Übereinkommens auf die in Art. II des Protokolls genannten Einsätze der Vereinten Nationen anzuwenden, nicht sein Recht berührt, Maßnahmen in Ausübung seiner innerstaatlichen Gerichtsbarkeit über Personal zu ergreifen, das gegen seine Gesetze und sonstigen Vorschriften verstößt, sofern diese Maßnahmen nicht gegen andere völkerrechtliche Verpflichtungen des Vertragsstaats verstoßen.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages zu beschließen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen. Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Überdies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.