130 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (88 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, die Europawahlordnung, das Wählerevidenzgesetz 1973, das Europa-Wählerevidenzgesetz, das Volksbegehren-gesetz 1973, das Volksabstimmungsgesetz 1972 und das Volksbefragungsgesetz 1989 geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2007) sowie

über die Anträge

12/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung des Wahlrechts der AuslandsösterreicherInnen und

21/A der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalratswahlordnung) geändert wird (21/A)

Zu 88 der Beilagen:

Durch die Verankerung einer Wahlrechtsreform im Bundesverfassungsgesetz (siehe Regierungsvorlage 94 der Beilagen XXIII.GP) ist diese in den einzelnen Wahlgesetzen zu berücksichtigen. Die Hauptgesichtpunkte des gegenständlichen Gesetzesentwurfes umfassen:

1. Briefwahl

Mit der vorliegenden Gesetzesinitiative wird die Möglichkeit zur Stimmabgabe mittels Briefwahl bei allen bundesweit abzuhaltenden Wahlen ermöglicht. Mit der Einführung der Briefwahl wird bewirkt, dass keine Wählergruppe mehr von vornherein wegen ihrer Abwesenheit am Wahltag von der Stimmabgabe ausgeschlossen ist, weiters kann das komplizierte Procedere bei der Stimmabgabe im Ausland entfallen. Wähler, die voraussichtlich am Wahltag verhindert sein werden ihre Stimme vor der Wahlbehörde abzugeben, etwa wegen Ortsabwesenheit, aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Aufenthalts im Ausland, haben demnach Anspruch auf Ausstellung von Briefwahlunterlagen. Bei der Wahl selbst ist der amtliche Stimmzettel auszufüllen, in das Wahlkuvert zu legen, dieses zu verschließen und auf der Wahlkarte eidesstattlich zu erklären, dass der Stimmzettel persönlich und unbeobachtet ausgefüllt wurde. Die Wahlkarten sind so rechtzeitig zur Post zu geben, dass sie spätestens am achten Tag nach dem Wahltag bis spätestens 14.00 Uhr bei der Bezirkswahlbehörde einlangen.

Mit der im Gesetzentwurf vorgesehenen eidesstattlichen Erklärung soll sichergestellt werden, dass das Wahlrecht tatsächlich persönlich und geheim ausgeübt wird. Mit der Neuregelung der Briefwahl, die parallel zum derzeitigen Wahlkarten-System bestehen soll, wird das gesamte Wahlprocedere wesentlich vereinfacht und beschleunigt.

2. Herabsetzung des Wahlalters

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das im Bundes-Verfassungsgesetz in Hinkunft verankerte Mindestalter für die Ausübung des aktiven Wahlrechts (16 Jahre) in die einzelnen Wahlgesetze implementiert werden. Demnach können alle Österreicherinnen und Österreicher, die am Wahltag oder am Tag einer Volksabstimmung oder Volksbefragung das 16. Lebensjahr vollenden, von ihrem Wahl- oder Stimmrecht Gebrauch machen. Die genannten Personen können dann ebenso bei Volksbegehren unterschreiben oder Unterstützungserklärungen für wahlwerbende Gruppen bei Nationalratswahlen oder Europawahlen oder für Bewerberinnen oder Bewerber von Bundespräsidentenwahlen unterfertigen.

3. Auslandsösterreicher(innen)

Durch die Einführung der Briefwahl entfällt das komplizierte Procedere für eine Stimmabgabe aus dem Ausland (Stimmabgabe vor Vertretungsbehörde, vor Zeugin bzw. Zeugen oder vor Notar/in) ersatzlos. Darüber hinaus sind insbesondere noch folgende Maßnahmen vorgesehen:

         - Versuch einer amtswegigen Verständigung der in der Wählerevidenz registrierten Auslandsösterreicher(innen) über eine bevorstehende Streichung aus der Wählerevidenz;

         Möglichkeit, bei einer bevorstehenden Wahl die Ausstellung einer Wahlkarte beantragen zu können;

         - amtswegige Zustellung der Wahlkarte für die Dauer von maximal 10 Jahren, wenn der (die) Auslandsösterreicher(in) die amtswegige Zustellung „abonniert“.

         - Hinkünftige Wartung der Anschrift der in der Wählerevidenz verspeicherten Adressdaten der Auslandsösterreicher(innen).

4. Internationale Wahlbeobachtung

Das aus 1990 stammende Kopenhagener Dokument der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) behandelt Wahlgrundsätze und die Ermöglichung der internationalen Wahlbeobachtung. Österreich hat als Teilnehmerstaat der OSZE im Rahmen von zwei internationalen OSZE-Treffen (1990 und 1999) die dort bekundeten Absichtserklärungen, internationale Wahlbeobachter einzuladen, mitgetragen. Die innerstaatliche gesetzliche Verankerung soll in Hinkunft die internationale Wahlbeobachtung im Rahmen von OSZE-Missionen tatsächlich möglich machen. Konkret ist eine Weitergabe der Daten der akkreditierten internationalen Wahlbeobachter und Begleitpersonen an die nachgeordneten Wahlbehörden sowie eine Zusammenfassung und Weitergabe der Daten der Wahllokale sowie der Öffnungszeiten an die im Bereich der OSZE für die Durchführung der Wahlbeobachtung zuständige Stelle im Weg des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten vorgesehen. Hierfür waren einige Fristen zu verlegen. Schließlich wurde das Procedere in den Wahlbehörden, das schon bislang präzise geregelt war, dem Umstand angepasst, dass in Hinkunft auch internationale Wahlbeobachter Zugang zu den Wahllokalen sowie zu den Sitzungen der Wahlbehörden haben sollen.

5. Legistische Bereinigungen

Die Konzipierung des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2007 wurde zum Anlass genommen, eine Reihe legistischer Unschärfen und Redaktionsversehen zu bereinigen. Hierbei wurden die Ämter der Landesregierungen miteingebunden. Als Maßnahmen seien hervorgehoben:

         - Überarbeitung des § 106 NRWO: In Hinkunft gibt es wieder eine Obergrenze für die Zahl der auf einem Bundeswahlvorschlag angeführten Bewerberinnen und Bewerber; außerdem müssen diese der Aufnahme in den Wahlvorschlag zustimmen, wenn sie nicht schon auf einem Landeswahlvorschlag aufscheinen;

         - Rundungsregelungen bei den Pauschalierungen: Die Pauschalvergütungen werden auch nach einer – schon jetzt gesetzlich verankerten – Valorisierung auf ganze Eurocent-Beträge lauten.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Gemäß Art. 26 Abs. 6 und 23a Abs. 5 B-VG bedarf es bei der Verabschiedung der Änderung des § 60 NRWO und des § 46 EuWO der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

 

Zu 12/A(E):

Die Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 30. Oktober 2006 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Nach der Nationalratswahl 2006 gab es zahlreiche Beschwerden von AuslandsösterreicherInnen, dass beantragte Wahlkarten gar nicht oder zu spät bei den Wahlberechtigten eingelangt sind, teilweise sind Anträge von der Wahlbehörde nicht bearbeitet worden.

Die Abgabe des ausgefüllten Stimmzettels (bzw der Wahlkarte) in der Vertretungsbehörde im Ausland ist aus Sicht des/der Wahlberechtigten eine reine Vertrauenssache.

Die ausgefüllte Wahlkarte kann von AuslandsösterreicherInnen noch am Wahltag bei der Botschaft abgegeben werden bzw im Postwege an die Landeswahlbehörde übermittelt werden. Solche Wahlkarten können von Gesetzes wegen nur gezählt werden, wenn sie spätestens am 8. Tag nach dem Wahltag, 12.00 Uhr, eingelangt sind. Eine nicht vernachlässigbare Zahl von Wahlkarten sind auch bei der Nationalratswahl 2006 zu spät eingelangt.

Ähnliche Probleme sind bei der Bundespräsidentenwahl und der Europawahl aufgetreten.“

 

Zu 21/A:

Die Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 17. November 2006 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Im Rahmen der vergangenen Nationalratswahl wurden von namhaften Verfassungsrechtlern divergierende Meinungen dazu vertreten, ob es für die Zulässigkeit der bundesweiten Zusammenrechnung der Parteistimmen für das Überspringen der 4%-Hürde erforderlich ist, dass die veröffentlichten Landeswahlvorschläge die selbe Parteibezeichnung tragen.

Um für künftige Wahlen insoweit Rechtssicherheit zu schaffen und die Gefahr von diesbezüglichen Wahlanfechtungen bzw. Wahlwiederholungen zu beseitigen, soll jedenfalls für die Zukunft klargestellt werden, dass Stimmen für Landeswahlvorschläge nur dann zusammenzuzählen sind, wenn sie die selbe Parteibezeichnung aufweisen. Darüber hinaus hat auch der Bundeswahlvorschlag dieselbe Parteibezeichnung zu tragen.“

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständlichen Vorlagen in seiner Sitzung am 24. Mai 2007 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Dr. Robert Aspöck, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Elisabeth Grossmann, DDr. Erwin Niederwieser, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Michael Spindelegger, Nikolaus Prinz, Herbert Scheibner, Barbara Zwerschitz, Mag. Terezija Stoisits, Dr. Elisabeth Hlavac, Otto Pendl, Mag. Ruth Becher, Anna Franz, Dr. Peter Wittmann und Fritz Neugebauer sowie der Bundesminister für Inneres Günther Platter und der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Fast allen Punkten des gegenständlichen Abänderungsantrags liegt lediglich das Erfordernis von redaktionellen Berichtigungen oder Anpassungen zugrunde. Zu folgenden Punkten wird näher ausgeführt:

Zu Z 1 (Art. 1 Z 9a):

Einem Entschließungsantrag des Bundesrates folgend soll bei den Kundmachungen in den Häusern (§ 26 NRWO) – für den Fall, dass eine Gemeinde die Wahlberechtigten nicht ohnedies namentlich anführt – auf die getrennte Ausweisung nach männlichen und weiblichen Wahlberechtigten verzichtet werden.

Zu Z 3 (Art. 1 Z 15):

Zeitgleich mit der Regierungsvorlage wurde ein Initiativantrag eingebracht, der die Herabsetzung des Alters für die Ausübung des passiven Wahlrechts im B-VG zum Gegenstand hat. Die zu erwartende Änderung des B-VG ist nunmehr auch in der NRWO zu berücksichtigen.

Zu Z 20 (Art. 3 Z 11a):

Auf die Erläuterungen zu Z 1 wird verwiesen.

Zu Z 21 (Art. 3 Z 16):

Auf die Erläuterungen zu Z 3 wird verwiesen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Ein vom Abgeordneten Dr. Peter Fichtenbauer eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Die Anträge 12/A(E) und 21/A gelten als miterledigt.

 

Die Abgeordneten Dr. Elisabeth Hlavac und Dr. Michael Spindelegger haben im Zuge der Debatte einen Entschließungsantrag betreffend die Beseitigung der aus der Verwendung unterschiedlicher Rechtsbegriffe (politische Partei, wahlwerbende Partei, Wahlpartei, wahlwerbende Gruppe, Klubs) resultierenden Unklarheiten und Präzisierung jener Bestimmungen, die die ordnungsgemäße Besetzung von Wahlbehörden sowie die Behandlung von Wahlvorschlägen zum Regelungsgegenstand haben, eingebracht, der mit Stimmenmehrheit beschlossen wurde. Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Durch die Aufspaltung einer im Parlament vertretenen Partei in zwei konkurrierende wahlwerbende Gruppen, die jeweils für sich den Anspruch erhoben haben, die „Nachfolgerin“ der im Parlament vertretenen Partei zu sein, war die Bundeswahlbehörde bei der Nationalratswahl 2006 damit konfrontiert, dass sie – trotz des Gebots der strikten Wortinterpretation – auf keine ausreichend gesetzlich definierten Kriterien zurückgreifen konnte, um Entscheidungen betreffend den Listenplatz dieser Parteien zu treffen. Auf ähnlich gelagerte Probleme war die Bundesregierung bereits kurz nach Ausschreibung der Nationalratswahl 2006 gestoßen, da in der Rechtsordnung keine eindeutige Entscheidungsgrundlage für die ordnungsgemäße Bestellung der Beisitzerinnen und Beisitzer in der Bundeswahlbehörde, und damit für die Mitglieder in den nachgeordneten Wahlbehörden, verankert war und ist.

Im Regierungsübereinkommen ist im Zusammenhang mit Änderungen des Wahlrechts festgehalten, dass bezüglich der Begriffe „politische Partei“, „Wahlpartei“ und „im Nationalrat vertretene Partei“ Klarheit zu schaffen ist und dass auch das Verhältnis zu den von den Parteien gebildeten Klubs einer eindeutigen Feststellung bedarf.

Mit den angeführten Rechtsfragen beschäftigt sich die aufgrund des Regierungsübereinkommens eingerichtete Expertengruppe beim Bundeskanzleramt, die bis Mitte des Jahres ihre Vorschläge erstatten soll.“

 

Ferner haben die Abgeordneten Mag. Ruth Becher und Maria Grander einen Entschließungsantrag betreffend Briefwahlrecht und behinderte Menschen eingebracht, der mit Stimmenmehrheit beschlossen wurde. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Mit der gegenständlichen Gesetzesnovelle wird die Briefwahl in Österreich eingeführt. Für diese soll eine bestmögliche Teilnahme von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen, garantiert werden.“

 

Schließlich beschloss der Verfassungsausschuss einstimmig folgende Feststellungen:

Der Verfassungsausschuss geht davon aus, dass das Bundesministerium für Inneres im Erlasswege die Gemeindewahlbehörden ersucht, Wahlkarten derart ins Ausland abzusenden, dass sie die Wahlberechtigten im Regelfall zeitgerecht vor dem Wahltag erreichen. Insbesondere sind dabei entsprechende Posttarifklassen bzw. Schnellpostdienste zu nutzen. Damit soll sichergestellt werden, dass gerade bei weit entfernt wohnenden Wahlberechtigten bzw. in Ländern mit mangelhaften Postdiensten die Wahlberechtigten trotzdem so rechtzeitig ihre Wahlunterlagen erhalten, dass deren Einlangen bei den Wahlbehörden spätestens am achten Tag nach dem Wahltag gewährleistet ist.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf (Anlage 1) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung (Anlage 2) annehmen;

3.      die angeschlossene Entschließung (Anlage 3) annehmen.

Wien, 2007 05 24

                               Fritz Neugebauer                                                            Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann