Vorblatt

Problem:

Österreich hat am 3. Juli 1937 das Übereinkommen (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ratifiziert.

Umgesetzt ist dieses Übereinkommen durch das Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau in § 2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Arbeitnehmerinnen vom 4. Oktober 2001 (BGBl. II Nr. 356/2001).

Dieses Beschäftigungsverbot verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) vom 5. Juli 2006. In einem Urteil vom 1. Februar 2005 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die EU-Rechtswidrigkeit dieses Beschäftigungsverbotes festgestellt.

Ziel:

Kündigung des Übereinkommens Nr. 45, damit die innerstaatliche Rechtslage EU-konform gestaltet werden kann.

Alternativen:

keine

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Beseitigt wird die völkerrechtliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer auf Grund veränderter Technologien nicht mehr zeitgemäßen Schutzbestimmung für Frauen, die sich zu einer Diskriminierung der Frau im Arbeitsleben gewandelt hat. Die Kündigung des Übereinkommens ermöglicht die Schaffung einer vereinfachten Rechtslage, wonach Frauen und Männer gleichermaßen im untertägigen Bergbau beschäftigt werden können. Das weibliche Arbeitskräftepotenzial kann nunmehr für derartige Arbeitsplätze erschlossen werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Bei rechtzeitiger Kündigung des Übereinkommens: Keine

Bei Unterlassen der Kündigung und Aufrechterhaltung des EU-rechtswidrigen Beschäftigungsverbotes für Frauen im untertägigen Bergbau können individuelle Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich wegen Nicht-Umsetzung des Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG entstehen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Kündigung des Übereinkommens dient der Herstellung einer EU-konformen Rechtslage.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte:

Bei der völkerrechtlichen Kündigung eines Staatsvertrages ist grundsätzlich das gleiche Verfahren wie beim Abschluss einzuhalten. Das Übereinkommen (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art wurde als Staatsvertrag gemäß Art. 50 B-VG vom Nationalrat genehmigt (BGBl. Nr. 324/37). Daher ist das Übereinkommen ebenfalls mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG zu kündigen.

Die Kündigung hat nicht den Charakter eines verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Staatsvertrages im Sinne von Art. 50 Abs. 3 B-VG. Sie betrifft auch nicht Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder, sodass eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 letzter Satz B-VG nicht erforderlich ist. Ein Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG ist ebenfalls nicht erforderlich.

Hintergrund der Kündigung:

Das Übereinkommen Nr. 45 wurde von Österreich am 3. Juli 1937 ratifiziert (BGBl. Nr. 324/37). Umgesetzt ist das Übereinkommen durch das Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau in § 2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Arbeitnehmerinnen vom 4. Oktober 2001 (BGBl. II Nr. 356/2001).

Dieses Beschäftigungsverbot verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) vom 5. Juli 2006 (zuvor: Art. 5 der Richtlinie 76/207/EWG). Unabhängig vom Tätigkeitsfeld ist demnach jegliche unmittelbare und mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf den Zugang zur

Beschäftigung verboten. Unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen sind nur dort zulässig, wo sie zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, erforderlich sind.

Mit Urteil vom 1. Februar 2005 (Rechtssache C-203/03) entschied der EuGH über eine von der Europäischen Kommission eingebrachte Vertragsverletzungsklage, in der unter anderem vorgebracht wurde, dass das oben genannte Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Österreich stützte sich in dieser Frage insbesondere auf die Bindung an das ratifizierte Übereinkommen Nr. 45.

Hinsichtlich des Beschäftigungsverbotes für Frauen im untertägigen Bergbau wurde die Klage vom EuGH schließlich nur deshalb abgewiesen, weil zum Zeitpunkt der bisher einzigen Kündigungsmöglichkeit des Übereinkommens Nr. 45 seit dem österreichischen EU-Beitritt (30. Mai 1997 bis 29. Mai 1998) die Unvereinbarkeit des Beschäftigungsverbotes für Frauen im Untertagebergbau mit der damals anzuwendenden Richtlinie 76/207/EWG nicht mit Klarheit festgestellt war, um Österreich zu verpflichten, das Übereinkommen Nr. 45 zu kündigen.

Jedenfalls hält der EuGH fest, dass Frauen von einer Beschäftigung nicht nur deshalb ausgeschlossen werden dürfen, weil sie im Durchschnitt kleiner und weniger stark sind als der Durchschnitt der Männer, solange Männer mit ähnlichen körperlichen Merkmalen zu dieser Beschäftigung zugelassen werden. Der EuGH stellt fest, dass das Beschäftigungsverbot für Frauen im untertägigen Bergbau keine zulässige unterschiedliche Behandlung darstellt.

Österreich sollte daher, um eine EU-konforme Regelung der Beschäftigung von Frauen im untertägigen Bergbau zu schaffen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt das Übereinkommen Nr. 45 kündigen.

Das Übereinkommen Nr. 45 kann gemäß seinem Artikel 7 nur alle zehn Jahre, gerechnet ab seinem erstmaligen Inkrafttreten (30. Mai 1937), gekündigt werden. Die nächste Möglichkeit, dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes die Kündigung mitzuteilen, besteht daher innerhalb von zwölf Monaten ab dem 30. Mai 2007. Die Wirkung der Kündigung tritt ein Jahr nach deren Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt in Kraft. Bis dahin ist Österreich völkerrechtlich verpflichtet, das Beschäftigungsverbot für Frauen in untertägigen Bergwerken beizubehalten.

Aufgrund des Art. 5 Abs. 1 lit. e des von Österreich ratifizierten Übereinkommens (Nr. 144) über dreigliedrige Beratungen zur Förderung der Durchführung internationaler Arbeitsnormen, 1976, ist die Kündigung von Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation mit den maßgebenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden (ÖGB, BAK, WKÖ, VÖI) zu beraten. Das Übereinkommen verpflichtet zu Verfahren, die wirksame Beratungen sicherstellen. Dementsprechend wurden die österreichischen Sozialpartner bereits Ende 2006 über die Kündigungsabsicht informiert, und es wurde ihnen die Gelegenheit eingeräumt, allfällige Einwendungen gegen die Kündigung vorzubringen. Einwendungen wurden jedoch keine erhoben; der ÖGB hat ausdrücklich der Kündigung zugestimmt.

Besonderer Teil

Kündigung des Übereinkommens (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935

(Übersetzung)

Kündigung

Der Bundespräsident der Republik Österreich kündigt im Namen der Republik Österreich das Übereinkommen (Nr. 45) über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art, 1935, gemäß Artikel 7 dieses Übereinkommens.