Vorblatt

Problem:

Österreich ist noch nicht Vertragspartei eines der klassischen internationalen Übereinkommen im Bereich der Menschenrechte, des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954.

Ziel:

Beitritt der Republik Österreich zu diesem Übereinkommen.

Inhalt:

Regelung der Rechtsstellung der Staatenlosen.

Alternativen:

Zur Lösung des oz. Problems gibt es keine Alternative.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Geringe, allenfalls im Zusammenhang mit der Gewährung von Sozialhilfe an rechtmäßig in Österreich aufhältige Staatenlose.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Rechtsvorschriften der Europäischen Union werden durch dieses Übereinkommen nicht berührt; ihm gehören derzeit 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten an.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Verfassungsändernde Bestimmungen gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG, Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG, Erfüllungsvorbehalt gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG, Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG.


 

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter, die Art. 23 und 24 sind verfassungsändernd. Es bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 und 3 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter und  ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen  Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Art. 23 des Übereinkommens über Maßnahmen der öffentlichen Fürsorge, sowie Art. 24, der die Arbeitsgesetzgebung und soziale Sicherheit betrifft, könnten in einem Spannungsverhältnis zu dem in Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, enthaltenen Verbot sachlich nicht begründbarer Unterscheidungen zwischen Fremden stehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollen diese Artikel daher in den Verfassungsrang erhoben werden.

Art. 27 über Identitätsausweise würde die Verpflichtung enthalten, jedem – das heißt auch unrechtmäßig aufhältigen – Staatenlosen einen Identitätsausweis auszustellen. Durch einen Vorbehalt zu diesem Artikel soll dessen Anwendungsbereich auf rechtmäßig aufhältige Staatenlose beschränkt werden.

Gemäß Art. 28 des Übereinkommens ist rechtmäßig aufhältigen Staatenlosen ein Reisedokument auszustellen. Aus verwaltungstechnischen Gründen wird dazu kein neues Dokument eingeführt, sondern wie bisher der Fremdenpass verwendet. Dies wird in einer Erklärung zu Art. 28 zum Ausdruck gebracht.

Das Übereinkommen ist in englischer, französischer und spanischer Sprache authentisch. Hinsichtlich der französischen und spanischen Sprachfassungen des Übereinkommens ist eine Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG vorgesehen.

Das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen steht in seiner Entstehungsgeschichte sowie inhaltlich in einem engen Zusammenhang mit der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 44/1955, die für Österreich bereits seit 30. Jänner 1955 in Kraft steht. Die Bestimmungen des Staatenlosenübereinkommens sind daher größtenteils identisch mit den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder diesen nachgebildet.

Besonderer Teil

Zu Art. 1:

Art. 1 Abs. 1 definiert Staatenlose als Personen, die kein Staat auf Grund seiner Gesetzgebung als seine Angehörigen betrachtet. Die Ausschlussgründe des Abs. 2 (i) sind dem Art. 1 lit. D GFK nachgebildet, Abs. 2 (ii) entspricht Art. 1 lit. E GFK und Abs. 2 (iii) dem Art. 1 lit. F GFK. Es wurde bereits jetzt in einigen von Österreich abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen auf die Definition des Begriffs „Staatenloser“ im Sinne der Staatenlosenkonvention verwiesen, so etwa jeweils in Art. 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Finnland über Soziale Sicherheit samt Schlussprotokoll, BGBl. Nr. 349/1987, und des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Dänemark über soziale Sicherheit, BGBl. Nr. 76/1988, oder etwa auch in Art. 1 Abs. 1 lit. l des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der Sozialen Sicherheit, BGBl. Nr. 656/1992.

Zu Art. 2:

Entspricht Art. 2 GFK.

Zu Art. 3:

Entspricht Art. 3 GFK.

Zu Art. 4:

Entspricht Art. 4 GFK.

Zu Art. 5

Entspricht Art. 5 GFK.

Zu Art. 6:

Entspricht Art. 6 GFK.

Zu Art. 7:

Entspricht Art. 7 GFK. Abs. 1 enthält den Grundsatz, dass Staatenlosen die Behandlung zu gewähren ist, die Ausländern im Allgemeinen gewährt wird, sofern dieses Übereinkommen keine günstigeren Bestimmungen vorsieht. Solche sind in den Art. 17 Abs. 2, Art. 20, Art. 22 Abs. 1, Art. 23, Art. 24, Art. 29, enthalten.

Zu Art. 8:

Entspricht Art. 8 GFK.

Zu Art. 9:

Entspricht Art. 9 GFK.

Zu Art. 10:

Entspricht Art. 10 GFK.

Zu Art. 11:

Entspricht Art. 11 GFK.

Zu Art. 12:

Entspricht Art. 12 GFK.

Zu Art. 13:

Entspricht Art. 13 GFK.

Zu Art. 14:

Entspricht Art. 14 GFK.

Zu Art. 15

Entspricht weitgehend Art. 15 GFK.

Zu Art. 16:

Entspricht Art. 16 GFK.

Zu Art. 17:

Abs. 1 entspricht weitgehend Art. 17 Abs. 1 GFK, Abs. 2 entspricht Art. 17 Abs. 3 GFK. Eine Bestimmung über einschränkende Maßnahmen, wie sie in Art. 17 Abs. 2 GFK enthalten ist, fehlt hier.

Zu Art. 18:

Entspricht Art. 18 GFK.

Zu Art. 19:

Abs. 1 entspricht Art. 19 Abs. 1 GFK. Eine Bestimmung über die Ansiedlung in Überseegebieten, wie sie in Art. 19 Abs. 2 GFK enthalten ist, fehlt hier.

Zu Art. 20:

Entspricht Art. 20 GFK und normiert in seinem Anwendungsbereich (allf. Rationierungssysteme) – in Abweichung von Art. 7 – das Prinzip der Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen.

Zu Art. 21:

Entspricht Art. 21 GFK. Diese Bestimmung gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden.

Zu Art. 22:

Entspricht Art. 22 GFK. Abs. 1 normiert in seinem Anwendungsbereich (Unterricht in Volksschulen) – in Abweichung von Art. 7 – das Prinzip der Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen.

Zu Art. 23:

Entspricht Art. 23 GFK und betrifft Maßnahmen der öffentlichen Fürsorge. Art. 23 gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden. Sie normiert in ihrem Anwendungsbereich (öffentliche Fürsorge) – in Abweichung von Art. 7 – das Prinzip der Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen.

Dieser Artikel soll in den Verfassungsrang erhoben werden, da er in einem Spannungsverhältnis zu dem in Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, enthaltenen Verbot sachlich nicht begründbarer Unterscheidungen zwischen Fremden stehen könnte.

Zu Art. 24:

Entspricht Art. 24 GFK. Diese Bestimmung gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden. Art. 24 soll aus denselben Gründen wie Art. 23 in den Verfassungsrang erhoben werden (sh. dazu die Erläuterungen zu Art. 23).

Zu Art. 25:

Entspricht weitgehend Art. 25 GFK, wobei in Abs. 1 –  im Gegensatz zur GFK – konsequenterweise die Bezugnahme auf die internationale Behörde fehlt.

Zu Art. 26:

Entspricht Art. 26 GFK. Diese Bestimmung gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden.

Zu Art. 27:

Nach dem Wortlaut dieses Artikels müsste jedem – das heißt auch unrechtmäßig aufhältigen – Staatenlosen ein Identitätsausweis ausgestellt werden. Dies wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen illegal aufhältigen Fremden. Durch einen Vorbehalt zu diesem Artikel soll darum dessen Anwendungsbereich auf rechtmäßig aufhältige Staatenlose beschränkt werden. Ein derartiger Vorbehalt ist gemäß Art. 38 Abs. 1 des Übereinkommens zulässig. Mit dem am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Fremdenrechtspaket wurden auch neue Bestimmungen für Identitätsausweise geschaffen. Gemäß § 8 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG (BGBl. I Nr. 100/2005) gilt jeder Aufenthaltstitel als Identitätsdokument. Diese Bestimmung ist auch auf – rechtmäßig aufhältige – Staatenlose anwendbar.

Zu Art. 28 und zum Anhang zum Übereinkommen:

Dieser Artikel betrifft die Ausstellung von Reiseausweisen an Staatenlose. Sie entspricht Art. 28 Abs. 1 GFK und gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden. Näheres über die Ausstellung dieser Reiseausweise ist im Anhang zum Übereinkommen geregelt, der auch Empfehlungen in Form eines Muster-Reiseausweises enthält. Österreichischerseits ist beabsichtigt, Staatenlosen – so wie bisher – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 88 ff. Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005) Fremdenpässe auszustellen. Dies wird in einer Erklärung zu Art. 28 zum Ausdruck gebracht. Die Einführung eines neuen Dokumententypus würde zu einer – nicht notwendigen – Verwaltungserschwernis führen. Auch ist die Anzahl der Fremdenpässe bereits jetzt schon als eher gering zu betrachten, sodass die mit der Neueinführung eines neuen Dokumentes verbundenen Kosten den Nutzen bei weitem übersteigen würden.

Zu Art. 29:

Entspricht Art. 29 GFK.

Zu Art. 30:

Entspricht Art. 30 GFK.

Zu Art. 31:

Entspricht Art. 32 GFK und gilt nur für solche Staatenlose, die sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Vertragsstaats befinden. Die Regelungen des FPG über Ausweisung und Aufenthaltsverbot für Fremde (vgl. FPG, 8. Hauptstück, 2. bis 4. Abschnitt) stehen mit diesen Bestimmungen im Einklang. Österreich wird daher die im Fremdenrechtspaket 2005 vorgesehenen Regelungen ohne Differenzierung auf alle Fremden – somit auch auf Staatenlose – anwenden. Ergänzend wird auf die entsprechenden Regelungen im FPG hinsichtlich Abschiebung – also die tatsächliche Außerlandesschaffung aufgrund einer durchsetzbaren Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes – und Refoulementverbot (vgl. FPG, 6. und 7. Hauptstück) verwiesen.

Zu Art. 32:

Entspricht Art. 34 GFK.

Zu den Art. 33 bis 42:

Diese Artikel enthalten die Schlussklauseln. Das Übereinkommen ist gemäß seinem Art. 39 Abs. 1 am 6. Juni 1960 objektiv in Kraft getreten.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages zu beschließen, dass die französische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen. Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Überdies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.