Vorblatt

Problem:

Wie in anderen Staaten soll auch in Österreich, einer entsprechenden internationalen Regelung vorgreifend, ein umfassendes Verbot von Streumunition festgelegt werden.

Ziel:

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das umfassende Verbot von Streumunition.

Inhalt:

Verbot der Entwicklung, der Herstellung, der Beschaffung, des Verkaufs, der Vermittlung, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, des Gebrauchs und des Besitzes von Streumunition.

Alternativen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Nach derzeitigen Berechnungen wird die Vernichtung der bestehenden Bestände des österreichischen Bundesheeres an Streumunition mehrere hunderttausend Euro kosten. Diese Kosten werden vom Bundesministerium für Landesverteidigung aus dem laufenden Budget getragen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Es bestehen keine Rechtsvorschriften der Europäischen Union in diesem Bereich.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Der Krieg im südlichen Libanon im Sommer 2006 hat die Dringlichkeit eines internationalen Vorgehens gegen Streumunition klar gemacht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden bei registrierten 800 Streumunitionseinsätzen etwa 4 Millionen individuelle Sprengkörper abgeworfen. Von diesen seien zwischen 700.000 und 1.000.000 nicht explodiert und würden daher eine Wirkung entfalten, die jener von Anti-Personenminen gleichkommen kann. Alleine zwischen Juli und Ende November 2006 wurden dadurch im Libanon 23 Personen getötet und 177 verletzt. Für die Räumung der Streumunition, die im Libanonkonflikt zum Einsatz gekommen ist, und für die Hilfestellung für die Opfer dieses Einsatzes hat das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten bereits im Vorjahr € 400.000 zur Verfügung gestellt.

Bei der Überprüfungskonferenz des Übereinkommens der Vereinten Nationen über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (Konventionelle Waffenkonvention - BGBl. Nr. 464/1983 i.d.g.F., Genf, 7. bis 17. November 2006) hat Österreich, unterstützt von 28 anderen Staaten, darunter 15 EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Deutschland, Irland, Italien, Dänemark, Litauen, Luxemburg, Malta, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn) die Aufnahme von Verhandlungen über eine völkerrechtliche Regelung über Streumunition gefordert, die einen bestmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten soll. Dieser Vorschlag fand keinen Konsens. Stattdessen konnte sich die Konferenz lediglich auf ein Mandat über Diskussionen im Rahmen eines viertägigen Expertentreffens über explosive Kampfmittelrückstände mit speziellem Fokus auf Streumunition im Juni 2007 einigen. Auch während dieser Diskussionen gelang keine Einigung auf den Beginn von Verhandlungen im Rahmen der Konventionellen Waffenkonvention.

Auf Einladung Norwegens fand von 22. bis 23. Februar 2007 in Oslo eine internationale Konferenz zum Thema Streumunition statt. In der Osloer Erklärung vom 23. Februar 2007 verpflichteten sich 46 Staaten, darunter Österreich und weitere 20 EU-Mitgliedsstaaten (Belgien, Deutschland, Großbritannien, Irland, Italien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Slowenien, Slowakei, Spanien, Schweden, Tschechische Republik und Ungarn), unter anderem bis 2008 einen rechtlich verbindlichen internationalen Vertrag zu schließen, der die Verwendung, die Herstellung, den Transfer und die Lagerung von Streumunition, die der Zivilbevölkerung inakzeptables Leid zufügt, verbietet. Die Osloer Erklärung beinhaltet auch eine Verpflichtung der 46 Staaten, entsprechende Maßnahmen auf nationaler Ebene zu prüfen.

Im Rahmen des nunmehr so genannten Oslo-Prozesses fand auf Einladung Perus von 23. bis 25. Mai 2007 in Lima eine internationale Konferenz zum Thema Streumunition statt. Mit 68 teilnehmenden Staaten hat der in Oslo initiierte Prozess eine beachtliche Dynamik entwickelt. Von 5. bis 7. Dezember 2007 wird Österreich in Wien die nächste internationale Folgekonferenz des Oslo-Prozesses abhalten. Weitere Konferenzen sind für Februar und Mai in Wellington/Neuseeland bzw. Dublin/Irland geplant.

Norwegen hat bereits im Juni 2006 eine politische Erklärung abgegeben, gemäß der es im Rahmen eines Moratoriums jedweden Einsatz von Streumunition ausschließt, bis eine Klärung bezüglich eines internationalen Übereinkommens zu diesen Waffen erreicht ist. Gesetzliche Regelungen über ein umfassendes Verbot von Streumunition, zu dem es begrenzte Ausnahmen gibt, hat Belgien im Juni 2006 erlassen. Im Februar 2007 bekundete Bosnien-Herzegowina seine Absicht, ein Moratorium zu beschließen. Ungarn hat im Mai 2007 ein Moratorium nach dem Vorbild Österreichs (siehe unten) erlassen. Die Schweiz hat im Mai 2007 ein teilweises Moratorium erlassen. Diskussionen über ein Verbot bzw. eine Beschränkung von Streumunition finden derzeit in den Parlamenten Australiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Luxemburgs, der Niederlande, Schwedens und der Vereinigten Staaten von Amerika statt. Irland, Mexiko, Neuseeland und der Heilige Stuhl befürworten ein Totalverbot von Streumunition auf internationaler Ebene und verlangen in diesem Kontext von jenen Staaten, die über solche Waffensysteme verfügen, ein sofortiges Moratorium.

Aufbauend auf der parlamentarischen Entschließung vom 12. Juli 2006 (E 202-NR/XXII. GP), durch die die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Vorbereitung eines Protokolls betreffend Streumunition im Rahmen der Konventionellen Waffenkonvention bzw. eines anderen geeigneten völkerrechtlichen Instruments zu unterstützen, hat Österreich innerhalb und außerhalb der EU in dieser für die weiteren Bemühungen der internationalen Abrüstung so wichtigen Frage eine Vorreiterrolle übernommen. Um diese Rolle Österreichs glaubwürdig zu stärken, wurde in einem ersten Schritt von der Bundesregierung am 21. Februar 2007 beschlossen, dass Österreich schon bei der Konferenz in Oslo seine nationale Position in dieser Frage konkret und unmissverständlich klarstellt. Österreich gab bei dieser Gelegenheit eine einseitige Erklärung bezüglich eines Moratoriums ab, wonach das Österreichische Bundesheer bis zur Schaffung einer entsprechenden völkerrechtlichen Regelung auf den Einsatz von Streumunition verzichtet. In den künftigen Verhandlungen um ein internationales Instrument wird sich Österreich weiter bemühen, eine möglichst weit reichende Lösung zu erzielen. Sollte diese weniger weit gehen als das einseitige Moratorium, wird dieses in jenen Punkten, die von einer künftigen internationalen Vereinbarung nicht erfasst sind, beibehalten werden.

Nach dem Vorbild des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen, BGBl. I Nr. 13/1997, sollen nunmehr legistische Maßnahmen getroffen werden, die ähnlich weitgehend sind und darauf abzielen, in Österreich die Entwicklung, die Herstellung, die Beschaffung, den Verkauf, die Vermittlung, die Ein-, Aus- und Durchfuhr, den Gebrauch und den Besitz von Streumunition zu verbieten.

Finanzielle Auswirkungen:

Nach derzeitigen Berechnungen wird die Vernichtung der bestehenden Bestände des österreichischen Bundesheeres an Streumunition mehrere hunderttausend Euro kosten. Diese Kosten werden vom Bundesministerium für Landesverteidigung aus dem laufenden Budget getragen.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das vorgeschlagene Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 2 („Angelegenheiten des Warenverkehrs mit dem Ausland“), Art. 10 Abs. 1 Z 7 („Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen“), Art. 10 Abs. 1 Z 15 („militärische Angelegenheiten“) und Art. 10 Abs. 1 Z 6 („Strafrechtswesen“) B-VG.

II. Besonderer Teil

Zu § 1:

Die Definition von „Streumunition“ orientiert sich an der auf internationaler Ebene geführten Diskussion, die u.a im Rahmen der bereits im Allgemeinen Teil erwähnten Überprüfungskonferenz zur Konventionellen Waffenkonvention oder des Oslo-Prozesses stattfindet.

Die besonderen Merkmale von Streumunition sind ihre Flächenwirksamkeit, die meist fehlende Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung und die in der Regel nach dem Einsatz große Zahl für Personen gefährlicher Blindgänger.

Unter „Behälter“ im Sinne des § 1 werden alle Träger verstanden, die Submunition enthalten und verbringen können, auch wenn diese selbst Munition darstellen (z.B. Granaten). Streumunition ist nicht nur ein mit Submunition tatsächlich gefüllter Behälter, sondern jeglicher Behälter, der dazu bestimmt ist, Submunition, die Explosivstoff enthält und sich vom Behälter trennt, um beim, vor oder nach dem Aufprall zu detonieren, über ein Gebiet zu verbringen.

Nicht vom Begriff Streumunition umfasst sind Leucht- oder Nebelmunition, pyrotechnische Sätze, Suchzündermunition mit der Fähigkeit zur selbständigen Zielerkennung und Munition, die für das Absprengen von Lawinen verwendet wird. Der Einsatz dieser Munitionsarten hat nicht die mit dem Einsatz von Streumunition verbundenen humanitär bedenklichen Folgen, wie Flächenwirkung und die für Personen gefährlichen Blindgänger, weshalb sie von diesem Bundesgesetz nicht erfasst werden sollen.

Die Begriffsbestimmung für „Vermittlung“ entspricht sinngemäß der Definition in § 1 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 540/1977 i.d.g.F..

Zu § 2:

Das Verbot ist der maßgebliche Inhalt des Gesetzesentwurfes. Wie bereits im Allgemeinen Teil ausgeführt, kann Streumunition eine Wirkung, die jener von Anti-Personen-Minen gleichkommt, entfalten. Es lag daher nahe, für die vorgeschlagene Norm § 2 des oben bereits zitierten Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen heranzuziehen. Die vorliegende Bestimmung ist jedoch insoweit weiter gefasst, als auch die Entwicklung von Streumunition verboten ist.

Zu § 3:

Die in Z 1 genannte Einschränkung von dem Verbot gemäß § 2 soll - ebenso wie § 3 des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen, BGBl. I Nr. 13/1997 - ermöglichen, dass für die Ausbildung im Bundesheer oder im Bereich des Entminungsdienstes einige Ausbildungsexemplare der an sich verbotenen Streumunition in Österreich vorhanden sind.

Der Begriff „Delaborierung“ bezeichnet den Rückbau der Munition in unschädliche Einzelteile.

Zu § 4:

Um eine zeitgerechte und wirtschaftliche Vernichtung zu ermöglichen, ist eine Frist von höchstens drei Jahren zur Vernichtung der vorhandenen Streumunition festgelegt. Nicht erfasst von der Melde- und Vernichtungspflicht ist die gemäß § 3 vom Verbot ausgenommene Streumunition.

Die bestehenden Bestände des österreichischen Bundesheeres an Streumunition werden vom Bundesministerium für Landesverteidigung auf dessen Kosten vernichtet; die Entsorgungskosten für allfällige von heimischen Rüstungsunternehmen abzuliefernde Restbestände sind dem Bundesministerium für Landesverteidigung von den Unternehmen zu ersetzen.

Zu § 5:

Aufgrund der Gleichartigkeit der Tatbestände und der ähnlich gelagerten Notwendigkeit der Prävention ist die Strafbestimmung und das Strafausmaß analog zu der Bestimmung des § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl. Nr. 510/1977, sowie § 5 des Bundesgesetzes über das Verbot von Anti-Personen-Minen, BGBl. I Nr. 13/1997, gebildet.

Zu § 6:

Einbeziehung und Verfall sind als notwendige Ergänzung zu dem in § 2 angeführten Verbot und der Strafbestimmung des § 5 zu sehen.

Zu § 7:

Die Angelegenheiten des Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesens gehören gemäß Abschnitt E des Teiles 2 der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres, die Angelegenheiten des militärischen Waffen-, Schieß- und Munitionswesens gemäß Abschnitt H des Teiles 2 der Anlage zu § 2 leg. cit. zum Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, weshalb die primäre Zuständigkeit bei diesen liegt. Die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz für §§ 5 und 6 ergibt sich aus Abschnitt F des Teiles 2 der Anlage zu § 2 leg. cit. ersichtlichen Angelegenheiten des gerichtlichen Strafrechtes.