244 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (224 der Beilagen): Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften

Der Beschluss des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften, ABl. Nr. L 163 vom 23.06.2007 (Eigenmittelbeschluss 2007) ist in Österreich als gesetzändernder bzw. gesetzesergänzender Staatsvertrag zu behandeln und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er enthält keine verfassungsändernden bzw. verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Er ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch den Beschluss keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

 

Der Eigenmittelbeschluss 2007 ist in allen zweiundzwanzig Amtssprachen der Europäischen Union authentisch. Hinsichtlich aller anderen Sprachfassungen als der deutschen ist eine Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG vorgesehen.

 

Die Eigenmittel werden aus dem Bundeshaushalt an den Gesamthaushalt der EU abgeführt und die daraus dem Bund erwachsenden Lasten im Sinne des § 4 F-VG 1948 im Wege finanzausgleichsgesetzlicher Regelungen durch die Länder und Gemeinden mitgetragen. Ab 2005 gilt hiefür § 9 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 Z 1 lit. a FAG 2005.

 

1. Die Grundsätze der Finanzierung des EG-Gesamthaushaltes:

 

Art. 269 Abs. 1 EG-Vertrag legt fest, dass der Haushalt („Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union“) unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert wird. Hiedurch wird die finanzielle Unabhängigkeit der EG gegenüber den Mitgliedstaaten begründet. Die Einnahmen der EG werden nicht durch Finanzbeiträge (etwa wie Beiträge zu internationalen Organisationen) aufgebracht; vielmehr soll die EG bei der Finanzierung ihres Haushaltes unmittelbar auf eigene Einnahmen greifen können. Dieser Zugriff auf nationale Mittel erfolgte bisher stets unter wesentlicher Einbindung der Mitgliedstaaten, insbesondere dadurch, dass die Einhebung bzw. Abfuhr der Mittel nur durch Organe der Mitgliedstaaten erfolgt.

Allerdings kommen den Gemeinschaftsorganen wichtige Rechte zu:

Das materielle Recht für die Erhebung der traditionellen Eigenmittel – Abschöpfungen, Zölle und Zuckerabgaben – ist ausschließlich EU-Recht. (Die Ertragshoheit an diesen Abgaben ist abgestuft: Die Leistung der Abgaben erfolgt ausschließlich an den Mitgliedstaat; die Abfuhr der traditionellen Eigenmittel an die EG obliegt dem Mitgliedstaat und erfolgt – nach Abzug einer Einhebungsvergütung – teils auf Basis der festgestellten [d.h. vorgeschriebenen], teils der tatsächlich eingehobenen Abgaben. Die diesbezüglichen Durchführungsvorschriften ergehen gemäß Art. 8 des Eigenmittelbeschlusses; vgl. die Erläuterungen zu Art. 8).

Das Mehrwertsteuerrecht und die Erfassung des Bruttonationaleinkommens sind Gegenstand von harmonisierenden EU-Vorschriften.

In bezug auf die Vollziehung des Eigenmittelrechtes kommen der Kommission und dem Rat weitgehende Informations- und Kontrollrechte zu.

An diesen Grundsätzen wird auch durch den neuen Eigenmittelbeschluss nichts geändert.

Weiters ergibt sich aus Art. 269 Abs. 1 EG-Vertrag, dass der EU-Gesamthaushalt nicht durch Anleihen und sonstige Finanzschulden finanziert werden darf; der Haushalt muss ausgeglichen sein (vgl. auch Art. 268 Abs. 3 EG-Vertrag).

Die Erzeugung der Rechtsgrundlagen für die Eigenmittel wird in Art. 269 Abs. 2 EG-Vertrag geregelt: Hiernach legt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlamentes einstimmig die Bestimmungen über das System Eigenmittel der Gemeinschaft fest und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften.

Auf dieser Grundlage wurden die Eigenmittelvorschriften der EG erlassen. Die erste Regelung stammt aus dem Jahr 1970 und sah Agrarabschöpfungen, Zölle und eine an der Mehrwertsteuer orientierte Finanzierungsquelle vor. Dieses System gelangte erst ab 1980 zur vollständigen Anwendung, sodass das Finanzierungsgebot gemäß Art. 269 Abs. 2 EG-Vertrag erst relativ spät erfüllt wurde. Eine Weiterentwicklung dieses Systems erfolgte mit 1985, 1988 und 1994 gefassten Beschlüssen des Rates. Der Eigenmittelbeschluss aus dem Jahr 2000 ist Grundlage des derzeit noch geltenden Eigenmittelsystems, welches durch den im Juni 2007 beschlossenen Eigenmittelbeschluss abgelöst werden soll.

 

2. Derzeit geltende Rechtslage:

 

Der derzeit geltende Eigenmittelbeschluss des Rates 2000/597/EG, Euratom vom 29. September 2000, ABl. L 253/42 vom 7.10.2000 sowie BGBl. III Nr. 70/2002 (EMB 2000), beruht auf den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Berlin (24./25. März 1999) und sah gegenüber dem Beschluss aus 1994 insbesondere folgende Neuerungen vor:

             - Reduktion des maximalen Abrufsatzes für die Mehrwertsteuer-Eigenmittel von 1% auf 0,75% für die Jahre 2002 und 2003 sowie 0,50% ab 2004.

             - Änderung des Systems zur Berechnung der Korrektur für das Vereinigte Königreich (VK-Korrektur): Die VK-Korrektur wird um den Betrag verringert, der dem Vorteil infolge der Anhebung der Kosten für die Erhebung der traditionellen Eigenmittel entspricht, sowie um den Betrag, der sich zum Zeitpunkt der Erweiterung aus der Anpassung der Vorbeitrittsausgaben ergibt.

             - Neuer Finanzierungsmodus der VK-Korrektur: Die Finanzierung ist so zu ändern, dass der Anteil Deutschlands, der Niederlande, Österreichs und Schwedens an der Finanzierung auf 25% ihres normalen Anteils reduziert wird.

             - Erhöhung der Einhebungsvergütung für die traditionellen Eigenmittel von 10% auf 25% mit Wirkung ab 1. Jänner 2001

 

3. Der neue Eigenmittelbeschluss:

 

Die Beschlüsse des Europäischen Rates vom 15. und 16. Dezember 2005:

In seiner politischen Einigung im Dezember 2005 über den Finanzrahmen 2007-2013 beschloss der Europäische Rat folgende einnahmenseitigen Änderungen:

           1. Festsetzung eines fixen Abrufsatzes für die Mehrwertsteuer-Eigenmittel iHv 0,30% der begrenzten MwSt-Bemessungsgrundlagen der Mitgliedstaaten aus Gründen der Transparenz und Vereinfachung;

           2. Reduktion des MwSt-Abrufsatzes für Niederlande und Schweden auf 0,10%, Deutschland auf 0,15% und Österreich auf 0,225% für 2007-2013;

           3. Reduktion der jährlichen BNE-Beiträge für Niederlande um 605 Mio. € und Schweden um 150 Mio. € für 2007-2013;

           4. Reduktion der VK-Korrektur durch Beteiligung des VK an den Erweiterungskosten. In der Periode 2007-2013 soll diese Reduktion maximal 10,5 Mrd. € betragen.

 

Die förmlichen Vorschläge der EG-Kommission für einen neuen EG-Eigenmittelbeschluss:

Zur Umsetzung der politischen Beschlüsse des Europäischen Rates vom 15. und 16. Dezember 2005 hat die EU-Kommission im Mai 2006 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das System der Eigenmittel der Europäischen Union (KOM(2006)99) unterbreitet. Darin sieht sie neben der rechtlichen Umsetzung der oben angeführten Beschlüsse des Europäischen Rates weitere Änderungen vor, welche mit 1. Jänner 2007 wirksam werden.

             - Anpassung des neuen EMB an die gängige Praxis: (z.B. seit 2002 Verwendung von Bruttonationaleinkommen BNE anstelle von Bruttosozialprodukt BSP für Zwecke der Eigenmittelbeschlusses);

             - technische Anpassung der Eigenmittelobergrenze infolge der Umstellung vom Europäischen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ESVG 79 auf ESVG 95 (nunmehr 1,24% resp. 1,31% BNE lt. ESVG 95 anstelle von 1,27% und 1,335% BSP lt. ESVG 79);

             - Streichung aller Hinweise auf Reserven (EAGFL-Währungsreserve, Soforthilfe-, und Finanzierung von Darlehensgarantien);

             - Aufhebung der Unterscheidung zwischen Agrarabgaben und Zöllen aufgrund der geschlossenen Übereinkommen infolge der Uruguay-Runde;

             - Überprüfung sämtlicher Aspekte der EU-Ausgaben und -Einnahmen inkl. VK-Korrektur.

 

Darüber hinaus erhielt der Rat von den Dienststellen der Kommission im März 2006 das Arbeitsdokument „Berechnung, Finanzierung, Zahlung und Einstellung der Korrektur der Haushaltsungleichgewichte in den Haushaltsplan gemäß den Art. 4 und 5 des Beschlusses des Rates über das System der Eigenmittel der der Europäischen Gemeinschaften“ über die Korrektur der Haushaltsungleichgewichte, welches das entsprechende Arbeitspapier aus dem Jahr 2000 ersetzen sollte.

 

Ratsberatungen; Europäisches Parlament

Zum Vorschlag der Europäischen Kommission nahmen das Europäische Parlament, der Europäische Rechnungshof und der Wirtschafts- und Sozialausschuss am 4. Juli, 28. Juni bzw. am 5. Juli 2006 Stellung.

Nach fast einjähriger Beratung auf Ratsebene konnte im April 2007 eine politische Einigung zum Rechtstext sowie dem Arbeitsdokument gefunden werden. Förmlich angenommen hat der Rat den Eigenmittelbeschluss auf seiner Tagung am 7. Juni 2007.

 

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Annahme des Eigenmittelbeschlusses beruht auf Art. 10 Abs. 1 Z 2 B‑VG („äußere Angelegenheiten mit Einschluss der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, insbesondere Abschluss von Staatsverträgen“ und auf Art. 10 Abs. 1 Z 4 B-VG („Bundesfinanzen“).

 

Finanzielle Auswirkungen:

Verglichen mit der letzten Finanzperiode 2000-2006 wird der jährliche österreichische EU-Beitrag gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) in der neuen Finanzperiode 2007-2013 voraussichtlich durchschnittlich von rd. 0,83% auf rd. 0,88% anwachsen. Zurückzuführen ist der erwartete Anstieg sowohl auf die einnahmenseitigen Veränderungen im neuen Eigenmittelbeschluss als auch die geplante Entwicklung der Ausgaben gemäß Finanzrahmen 2007-2013 (Bestandteil der Interinstitutionellen Vereinbarung (IIV) 2006 Abl. C 139/01 vom 14.06.2006):

 

Vergleich alter und neuer Finanzrahmen (in Preisen 2004):

 

 

Jahresdurchschnitt

Periode
2000-06

Jahresdurchschnitt

Periode
2007-13

Veränderung

gegenüber der Vorperiode

 

 

 

 

Beitrag (MwSt&BNE) p.a. in Mio. €

1.900

2.300

+400

Beitrag in % des BNE

0,83%

0,88%

+0,05%

 

 

 

 

Quelle: Schätzungen BMF

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 11. Oktober 2007 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter die Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kai Jan Krainer, Josef Bucher, Marianne Hagenhofer, Mag. Andreas Schieder, Lutz Weinzinger, Ing. Hermann Schultes, Dkfm. Dr. Hannes Bauer sowie der Ausschussobmann Dkfm. Dr. Günter Stummvoll und der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Ebenso wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dass die dänische, bulgarische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (224 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Die dänische, bulgarische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische und ungarische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2007 10 11

                                     Jakob Auer                                                         Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann