331 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (302 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Bewährungshilfegesetz und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden und

über die Regierungsvorlage (285 der Beilagen):Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Strafrechtsänderungsgesetz 2008)

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 302 der Beilagen wird unter anderem ausgeführt:

Der vorliegende Entwurf stellt den ersten Teil der Umsetzung der von der Frau Bundesministerin Dr. Maria Berger ins Auge gefassten Reformen im Bereich des Strafrechts dar, die mehr Sicherheit durch bessere Gestaltung des Strafvollzugs anstreben. Der Entwurf bekennt sich zu einem Paradigmenwechsel im Sinne neuer Strafvollzugsgrundsätze und verfolgt das Ziel einer rationalen Strafrechtspolitik, um die Wiedereingliederung verurteilter Personen in die Gesellschaft durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern, die besser als die vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe geeignet sind, die Gefahr des Rückfalls zu reduzieren. Gleichzeitig soll dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen werden, in dem die individuelle Situation des Verurteilten durch begleitende Maßnahmen, wie Bewährungshilfe und Weisungen in den Vordergrund gerückt wird. Die Entlastung der prekären Belagssituation in den Justizanstalten ist insoweit ein erwünschter, aber nicht selbstmotivierender Nebeneffekt der Reform, weil eine zielgerichtete Einwirkung auf die Person des Verurteilten Haftbedingungen voraussetzt, unter denen der Strafvollzug seiner intervenierenden Aufgabe gerecht werden kann.

Einen Schwerpunkt dieses Vorhabens stellen Änderungen bei der bedingten Entlassung dar. Es sollen einerseits generalpräventive Versagungsgründe nur mehr eingeschränkter herangezogen werden und andererseits die Voraussetzungen für die Entlassung nach Verbüßung der Hälfte oder zu einem späteren Zeitpunkt im Sinne der eingangs erwähnten Zielsetzungen angepasst werden. Insbesondere soll verstärkt Bewährungshilfe, teilweise auch obligatorisch angeordnet werden, um nach der bedingten Entlassung – gegenüber der geltenden Rechtslage – effizientere Betreuung und Kontrolle zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sollen die bedingte Entlassung als Instrument einer besseren Vorbereitung des Verurteilten auf ein Leben in Freiheit und damit auch der erhöhten Sicherheit wirken lassen. Schließlich spricht auch ein Rechts- und Praxisvergleich mit anderen europäischen Staaten für eine maßvolle Erweiterung der bedingten Entlassung.

Durch Einführung eines § 133a StVG (Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes) soll ein Instrument geschaffen werden, nicht aufenthaltsverfestigte ausländische Verurteilte nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verhalten zu können und damit gleichzeitig die Zwecke eines Aufenthaltsverbotes effektiv abzusichern (durch Vollstreckung der restlichen Strafe, wenn der Verurteilte seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder während seiner Dauer wieder in das Bundesgebiet zurückkehrt).

Ein weiterer Schwerpunkt des vorliegenden Entwurfs liegt in der Vermeidung von kurzen Freiheitsstrafen, die als besonders sozialschädlich angesehen werden. Dies soll vor allem durch die Umsetzung der bisher im Rahmen eines Modellversuchs eingeräumten Möglichkeit der Erbringung von gemeinnützigen Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe erreicht werden.

Schließlich sollen im Verfahrensrecht des Strafvollzugsgesetzes und im Bewährungshilfegesetz jene Anpassungen vorgenommen werden, die im Hinblick auf das In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes (BGBl. I Nr. 19/2004) am 1. Jänner 2008 notwendig werden.

Dem Bedürfnis nach Sicherheit soll im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2008 auch dadurch Rechnung getragen werden, dass eine – befristete – Ergänzung des Tatbestandes gegen den Raufhandel (§ 91 StGB) vorgeschlagen wird, um der möglichen Eskalation von Gewalthandlungen bei Sportgroßveranstaltungen wirksamer begegnen zu können. Besucher von solchen Sportgroßveranstaltungen sollen geschützt werden, indem schon beim Beginn von Tätlichkeiten effektiv gegen gewaltbereite Fußballfans vorgegangen werden kann.

Zur Regierungsvorlage 285 der Beilagen wird auszugsweise angeführt:

Der vorliegende Entwurf hat zwei Schwerpunkte. Zum einen soll er die im Rahmen der beiden Antikorruptionsgesetze sowie des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 vorgenommene Aus- und Neugestaltung der Kriminalisierung von Bestechlichkeit und Bestechung im öffentlichen und privaten Sektor fortsetzen und damit auch der (weiteren) Annäherung an internationale Vorgaben bzw. Verpflichtungen im Bereich der Korruptionsbekämpfung mit den Mitteln des Strafrechts dienen.

Zum anderen betrifft der Entwurf das Computerstrafrecht. Die ständige Weiterentwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie eröffnet Missbrauchsmöglichkeiten. Deshalb wurden auf internationaler Ebene Rechtsinstrumente geschaffen, um diesen Entwicklungen entgegenzusteuern. Der vorliegende Gesetzentwurf soll daher auch der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über Angriffe auf Informationssysteme dienen, wobei aufgrund der bereits mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002 (BGBl. I Nr. 134/2002) umgesetzten Cyber Crime Convention des Europarates (ETS Nr. 185), ein Anpassungsbedarf des nationalen Rechts nur in geringem Umfang besteht.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständlichen Regierungsvorlagen in seiner Sitzung am 22. November 2007 in Verhandlung genommen, wobei einstimmig beschlossen wurde, die Regierungsvorlage 302 der Beilagen der Debatte und Abstimmung zugrunde zu legen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Bettina Stadlbauer die Abgeordneten Anna Franz, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Peter Fichtenbauer, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Gisela Wurm, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Barbara Riener, Mag. Gernot Darmann, Dr. Gertrude Brinek, Mag. Johann Maier, Sonja Ablinger und Mag. Karin Hakl sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer einen gesamtändernden Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Um eine mehrmalige Änderung ein und desselben Gesetzes zu vermeiden, sollen mit diesem Abänderungsantrag die in mehreren Regierungsvorlagen enthalten gewesenen Bestimmungen zusammen geführt werden.

Sofern Bestimmungen in den entsprechenden Regierungsvorlagen noch nicht enthalten waren, wird auf die nachfolgende Begründung verwiesen.

Zu Artikel I Z 15 (§ 165 StGB):

Im Begutachtungentwurf war bei § 168c Abs. 1 eine Strafdrohung bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, bei § 168c Abs. 2  bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Die Fälle des § 168c Abs. 2 wären daher als Verbrechenstatbestände auch ohne Erwähnung im Deliktskatalog des Abs. 1 erfasst gewesen, während § 168c Abs. 1 eine ausdrückliche Erwähnung erforderte, um Geldwäschereivortat sein zu können. Auf Grund der im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens vorgenommenen Herabstufung der Strafdrohungen auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre (§ 168c Abs. 1) bzw. Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre (§ 168c Abs. 2) bedürfte nunmehr auch letztere Bestimmung einer ausdrücklichen Erwähnung, sodass einfach nur § 168c insgesamt genannt werden muss.

Zu Artikel II Z 2 (§ 20a StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen tragen lediglich dem Umstand Rechnung, dass die §§ 168c Abs. 1 und 168d anders als noch im Begutachtungsentwurf nur mehr Privatanklagedelikte sein sollen, sodass sich auch die Zuständigkeit der KStA darauf nicht erstrecken soll.

Zu Artikel II Z 5 (§ 82 Abs. 3 StPO):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll § 82 Abs 3 StPO an die geltende Rechtslage angepasst werden. Einerseits wurde durch die Novelle des Zustellgesetzes (BGBl. I Nr. 10/2004) § 2a ZustG aufgehoben, das Klammerzitat soll daher an die geltende Fassung angepasst werden. Da die Zustellung von Schriftstücken der Gerichte und Verwaltungsbehörden nach dem ZustG zu den im Rahmen des Universaldienstes zu erbringenden Leistungen zählen und diese Dienste von der Post und anderen Universaldienstbetreibern erbracht werden können, soll andrerseits allgemein auf Zustelldienste und nicht mehr bloß auf Organe der Post abgestellt werden.

Zu Artikel II Z 6 (§ 83 Abs. 2 StPO).

Obwohl durch die Nov BGBL. I Nr. 10/2004 die §§ 1 Abs. 2, 17a und 26a ZustG außer Kraft getreten sind, sind nach § 81 Abs 1 StPO Übermittlungen durch Telefax - auch über den 31.12.2007 hinaus (§ 40 Abs 5 ZustG sieht eine diesbezügliche Übergangsregelung vor) – zulässig (vgl.  Wessely in Raschauer/Sandor/Wessely, Österreichisches Zustellrecht (2007), Rz 2 zu § 82 StPOneu). Da die §§ 81 Abs. 1 und 83 Abs. 2 aber an § 26a ZustG anknüpfen, würde durch das Außerkrafttreten letzterer Bestimmung mit 31.12.2007 eine Regelung über die Wirksamkeit der Zustellung und den Zustellzeitpunkt bei Zustellung im Faxweg (§ 89d Abs. 2 GOG bezieht sich nur auf elektronisch übermittelte Erledigungen und Eingaben) fehlen. Um die Übersichtlichkeit zu wahren, ist es daher zweckmäßig den § 83 Abs 2 StPO entsprechend zu ergänzen und im Hinblick auf das Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007 in dessen Terminologie anzupassen.

Zu Artikel II Z 9 und 11 (§§ § 285e, 288 Abs. 2 Z 2a, 470 Z 3 und 475 Abs. 4 StPO)

In seiner Stellungnahme zum Entwurf einer Suchtmittelgesetznovelle 2007 vom 15. Oktober 2007 weist der Oberste Gerichtshof zu Recht darauf hin, dass die gebotene Vorgangsweise beim Erfolg einer auf § 37 SMG gestützten Diversionsrüge nach § 281 Abs. 1 Z 10a StPO in §§ 285e, 288 Abs. 2 Z 2a, 470 Z 3 und 475 Abs. 3 StPO entsprechend ergänzt werden müsste, was hier auch vorgeschlagen wird.

Zu Artikel II Z 12 (§ 502 Abs. 1 StPO)

§ 502 StPO 1975 hat seine Fassung durch Art I Z 152 BGBl. 423/1974 erhalten. Dadurch wurde das bisher nur den militärischen Kommanden und den Wachen zustehende Recht zur vorläufigen Verwahrung von Personen (§ 495 StPO idF Art III BGBl. 31/1957) auch den Ortskommandanten und den Unterkunftskommandanten eingeräumt.

Zum damaligen Zeitpunkt galten die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) in der Fassung BGBl. 193/1970; demgemäß wurde bei der Verfassung des Textes in BGBl. 423/1974 die Terminologie der damaligen ADV verwendet (§ 14 Abs 5 – Unterkunftskommandant, § 24 – Ortskommandant).

Die jetzt geltende ADV BGBl. 43/1979 idgF kennt diese Begriffe aber nicht mehr.

An die Stelle des Ortskommandanten ist der Garnisonskommandant getreten (§ 18 ADV), an die Stelle des Unterkunftskommandanten im Wesentlichen der Kasernkommandant (§ 19 ADV).

Zu Artikel II Z 13 lit. b und c (§ 516 Abs. 2 und 5)

Die bisherige Fassung der Übergangsbestimmung des Strafprozessreformgesetzes lässt Zweifel zu, ob auf Grund der in Abs. 2 angeordneten Erledigung von Anträgen auf gerichtliche Vorerhebungen die funktionelle Zuständigkeit der Ratskammer auch nach deren Entfall weiter bestehen muss. Im Sinne der neuen Verfahrensbestimmungen soll daher im Abs. 2 klargestellt werden, dass an die Stelle von Anordnungen und Genehmigungen durch die Ratskammer der nunmehr zuständige Einzelrichter (haft- und Rechtsschutzrichter) zu treten hat. Auch sonstige Anträge (z.B. Subsidiaranträge) und Beschwerden, über die gemäß den geänderten Verfahrensbestimmungen die Ratskammer zu entscheiden hätte, sollen nunmehr sogleich in das neue Verfahrenssystem übergeleitet werden. In den Geschäftsverteilungen der Gerichte braucht daher für ein Weiterbestehen der Ratskammer keine Vorsorge getroffen werden.

Durch die neue Bestimmung des Abs. 5 sollen wiederum ausdrücklich jene Fälle geregelt werden, in denen ein Antrag auf gerichtliche Vorerhebungen eingebracht, jedoch wegen Flucht oder unbekannten Aufenthalts des Beschuldigten nicht erledigt werden konnte, weshalb das Verfahren gemäß den Bestimmungen der §§ 412 oder 452 Z 2 StPOaF abgebrochen wurde. Es soll vermieden werden, dass nach Ausforschung des Beschuldigten – möglicher Weise Jahre nach In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes – diese Anträge nach den alten Verfahrensbestimmungen zu erledigen wären. Künftig soll daher nach Ausforschung des Beschuldigten der Akt der Staatsanwaltschaft übertragen werden, die sodann gemäß § 197 StPO das Verfahren nach den neuen Verfahrensbestimmungen fortzusetzen hat.

Zu Artikel III Z 17 (§ 133a StVG):

Der Justizausschuss bekräftigt, dass ein Vorgehen nach § 133a StVG grundsätzlich subsidiär sein soll, also dann nicht in Betracht kommen soll, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass Maßnahmen anderer Art in concreto tatsächlich erfolgen können (Vorgehen nach EU-JZG oder zwischenstaatlichen Übereinkommen über die Übernahme der Strafvollstreckung, Auslieferung, § 4 StVG, bedingte Entlassung). Dem soll auch dadurch Rechnung getragen werden, dass Abs. 1 als „Kann“-Bestimmung formuliert ist.

Die Neufassung des Abs. 2 stellt nach Auffassung des Justizausschusses eine Konkretisierung der bereits in der Regierungsvorlage vorgesehen gewesenen Möglichkeit dar, aus gewissen generalpräventiven Überlegungen heraus – trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Abs. 1 – nicht vom weiteren Vollzug nach § 133a StVG abzusehen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer mit Stimmenmehrheit angenommen. Dadurch ist die Regierungsvorlage 285 der Beilagen miterledigt.

Ein vom Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser eingebrachter Abänderungsantrag fand hingegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

Ferner wurde ein von den Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Mag. Heribert Donnerbauer eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Evaluierung der bestehenden „Kronzeugenregelung“ mit Stimmenmehrheit beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„Der Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 (92/ME) hat eine Erweiterung der sogenannten kleinen Kornzeugenregelung gemäß § 41a StGB, die durch das Bundesgesetz über besondere Ermittlungsmaßnahmen, BGBl. I Nr. 105/1997 eingeführt wurde, vorgeschlagen und dies wie folgt begründet:

Korruption ist ebenso wie organisierte Kriminalität oder Terrorismus dadurch geprägt, dass sich die Täter in hohem Maße abschotten und konspirativ handeln. Die an diesen Delikten Beteiligten haben keinen Anlass, ihre kriminellen Verflechtungen und Machenschaften offen zu legen, weil jede Seite die Vorteile der Taten genießt. Korrumpierender und Korrumpierte sind jeweils Täter, die ein gemeinsames Geheimhaltungsinteresse verbindet. Zeugen offenbaren sich nur selten. Die vielfältigen, manchmal über Jahre gewachsenen und verfestigten Beziehungen zwischen den Beteiligten können in aller Regel nur aufgebrochen werden, wenn aussagewilligen Beteiligten ein Anreiz zur Kooperation geboten wird. Unbeteiligte Zeugen oder schriftliche Beweismittel stehen in aller Regel nicht zur Verfügung. Verdeckte Ermittler oder Vertrauenspersonen können nur in einer geringen Anzahl von Fällen eingesetzt werden. Wichtigster Schritt im Kampf gegen die Korruption muss daher sein, die konspirativen Strukturen aufzubrechen, um strafrechtlich verwertbare Ergebnisse zu gewinnen. Insoweit ist die Kronzeugenregelung bei Korruptionsfällen unverzichtbar, um kriminelle Verflechtungen zu lösen und Aussagewilligen den nötigen Anreiz zu geben, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen zu arbeiten. Die Erfahrungen zeigen nämlich, dass sich Korruptionsdelikte oftmals nur aufklären lassen, wenn Gehilfen oder Mittäter aussagen. Diese Insider sind aber häufig nur zur Aussage bereit, wenn sich ihre Angaben strafmildernd oder sogar strafbefreiend auswirken. Gerade bei den Korruptionsdelikten kann eine Kronzeugenregelung deshalb helfen, den Täter aus einem korruptiven Geflecht herauszulösen. Eine ausdrückliche und klare gesetzliche Regelung auf diesem Gebiet stärkt den Rechtsstaat, weil sie für alle Beteiligten die „Spielregeln“ festlegt und keinen Raum für geheime „Absprachen“ oder Zusicherungen von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zulässt, die im Graubereich bzw. rechtswidrigem Raum getätigt werden. Dadurch wird auch deutlich, dass der Rechtsstaat nicht vor der Korruption kapituliert, sondern klare und effektive Instrumente zur Bekämpfung dieser schwerwiegenden Kriminalität zur Verfügung stellt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Kronzeugenregelung die schärfste Waffe gegen die organisierte Kriminalität, gegen Korruption und gegen den Terrorismus darstellt. Es ist viel wirksamer, wenn ein Insider selbst „aussteigt“ und wichtige Informationen weitergibt, wie es beispielsweise in Italien bei der Bekämpfung der Mafia geschehen ist, als wenn ein verdeckter Ermittler oder V-Mann eingesetzt wird. Eine entsprechende Regelung wird auch von einschlägigen Nichtregierungsorganisationen, wie etwa Transparency International, immer wieder gefordert (vgl. Lejeune, Brauchen wir eine Kronzeugenregelung zur Verfolgung von Korruptionsfällen? In: Friedrich Ebert Stiftung und Transparency International (Hrsg.), Korruption in Deutschland. Strafverfolgung der Korruption – Möglichkeiten und Grenzen, Berlin [204], 87 ff.). Auch Art. 37 der UN-Konvention zur Bekämpfung der Korruption enthält unter der Überschrift „Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden“ eine Kronzeugenregelung. Schließlich beinhaltet auch das ER- Strafrechtsübereinkommen über Korruption (Art. 22, 23) entsprechende Vorgaben, deren Einhaltung von der Staatengruppe gegen Korruption, genannt GRECO, einer Überprüfung unterzogen wird. Diese Einrichtung wurde 1999 vom Europarat ins Leben gerufen und umfasst mittlerweise 44 Mitglieder, darunter auch die Republik Österreich. GRECO hat zum Beispiel Deutschland im ersten Evaluierungsbericht aus dem Jahr 2002 unter anderem empfohlen, „die vorhandenen Vorschläge zur Erreichung des Ziels, dass die Staatsanwaltschaft unter Beteiligung des Gerichts Absprachen über den Ausgang von Korruptionsverfahren treffen kann, wenn der Beschuldigte oder Angeklagte sich zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit erklärt, weiter zu erwägen“. Diese Empfehlung greift das Anliegen auf, eine umfassende Kronzeugenregelung zu schaffen. Der Entwurf berücksichtigt auch die positiven Erfahrungen, die mit der Kronzeugenregelung im Zusammenhang mit der Kartellbekämpfung gemacht wurden (siehe § 11 WettbG; Mitteilung der EK über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 298/17 vom 8.12. 2006; siehe auch EuG 15.3.2996 T- 15/02 [BASF AG]; EuGH 29.6.2006 C-301/04 P [EK gegen SGL Carbon AG]). Kronzeugenprogramme – im Englischen als „Leniency Programs“ bezeichnet – stellen sich für Wettbewerbsbehörden als ein wichtiges und effizientes Instrument zur Aufdeckung von Kartellen dar. Sie ermöglichen einzelnen Kartellanten, vor der Aufdeckung eines Kartells oder zu Beginn der Untersuchung mit den Behörden zu kooperieren. Durch Vorlage wichtiger Beweise gegen Mitschuldige können sie entweder Straffreiheit oder zumindest eine Verringerung der Geldbuße erlangen (siehe Christine Hummer, Kronzeugen - ein neues Zeitalter der Kartellbekämpfung, ecolex 2006, 11). Gleiche Effekte sind im Rahmen der Korruptionsbekämpfung zu erwarten, weil auch hier die Strafverfolgungsbehörden auf „Insider“- Wissen angewiesen sind, um strafbare Verhaltensweisen aufzuspüren und nachweisen zu können. § 4 Abs. 1 schlägt daher vor, dass die StAK von der Verfolgung einer in § 3 Abs. 1 genannten Straftat zurück zu treten und das Verfahren einzustellen hat, wenn der Täter einer solchen Handlung der StAK, bevor dieser der Verdacht bekannt geworden ist, sein Wissen über Tatsachen offenbart, deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt, entweder die Aufklärung einer solchen Straftat über den eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern, eine in einer Bezug habender Vereinigung oder Organisation führend tätige Person auszuforschen oder durch den Einsatz der Abschöpfung der Bereicherung oder des Verfalls Vermögensvorteile oder Vermögensbestandteile aus eine der aufgelisteten Straftaten sicher zu stellen. Damit wird in Übernahme einzelner Aspekte der Kronzeugenregelung nach § 41a StGB und der tätigen Reue nach § 167 StGB die Möglichkeit geschaffen, gänzliche Straffreiheit durch Zusammenarbeit mit der Sonderstaatsanwaltschaft zu erlangen, wenn die in Abs. 1 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind.

Diese Regelung ist Einwänden begegnet und hat letztlich keinen Eingang in die Regierungsvorlage eines Strafrechtsänderungsgesetzes 2008 oder eines Strafprozessreformbegleitgesetzes II gefunden. Vielfach ist eine ‑ über eine Strafmilderung hinausgehende ‑ Kronzeugenregelung bislang als mit den Grundsätzen des österreichischen Strafverfahrensrechts (wie Amtswegigkeit, Objektivität und faires Verfahren), nur schwer vereinbar angesehen worden. Das österreichische Recht kennt zwar eine Reihe von Bestimmungen, die dem Täter einer Straftat eine „goldene Brücke“ in die Straffreiheit anbieten, etwa die Regelung der tätigen Reue bei einer Reihe von Delikten des StGB oder der Selbstanzeige im Finanzstrafgesetz, jedoch bauen alle solche Regelungen darauf auf, dass der Täter auch freiwillig den von ihm verursachten Schaden wiedergutmacht.“

 

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellung:

„In Artikel III, Ziffer 2, § 3a StVG wird vorgesehen, dass anstelle einer Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen erbracht werden können.

Auch wenn das Gesetz vorsieht, dass die gemeinnützigen Leistungen in der Freizeit zu erbringen sind, steht es dem Gesetzeswortlaut nicht entgegen, dass diese auch während der Woche von Montag bis Freitag erbracht werden.

Es soll daher festgehalten werden, dass die Erbringung der gemeinnützigen Leistung nicht dem vom Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) geforderten „Zur-Verfügung-Stehen am Arbeitsmarkt“ entgegensteht.

§ 3a StVG sieht vor, dass bei der Erbringung der gemeinnützigen Leistung auf Verpflichtungen aus einer Arbeitsvermittlung Bedacht zu nehmen ist und ist in diesem Sinn darauf zu achten, dass damit die Gewährung allfälliger Ansprüche nach dem AlVG nicht gefährdet wird.“

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Bettina Stadlbauer gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2007 11 22

                              Bettina Stadlbauer                                                    Mag. Heribert Donnerbauer

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann