365 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (294 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Zustellgesetz geändert werden (Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007)

Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 wurde nicht nur das E‑Government-Gesetz (E‑GovG) erlassen, es wurden auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, und das Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, geändert. Durch diese Änderungen sollten die Möglichkeiten des Einsatzes moderner Kommunikationstechnologien im Verwaltungsverfahren und bei der Zustellung erweitert und ihre Qualität erhöht werden. Im AVG wurde für die elektronische Beurkundung von Niederschriften, Aktenvermerken und internen Erledigungen sowie für die Ausfertigung externer Erledigungen die Verwendung elektronischer Signaturen vorgeschrieben. Nach dem ZustG darf die elektronische Zustellung in der Verwaltung – im Wesentlichen – nur noch über elektronische Zustelldienste erfolgen. Für die erforderlichen Umstellungen wurde eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2007 gesetzt, innerhalb deren einfachere, aber weniger sichere Verfahren der elektronischen Beurkundung (§ 82 Abs. 14 AVG) und der elektronischen Zustellung ohne Zustellnachweis (zB mit E‑Mail oder Telefax oder über FinanzOnline) (§ 40 Abs. 5 ZustG) noch zulässig sind.

Rückmeldungen aus der Praxis haben allerdings gezeigt, dass die erforderlichen Umstellungen auf Behördenebene bisher nicht vollständig abgeschlossen werden konnten; die Dauer der Umstellungsfrist wurde allgemein als nicht ausreichend angesehen. Um zu verhindern, dass jenen Behörden, in denen die Umstellung noch nicht erfolgt ist, ab 1. Jänner 2008 kein (zulässiges) Verfahren der elektronischen Beurkundung mehr zur Verfügung steht, ist es unerlässlich, die Übergangsfrist (bis zum 31. Dezember 2010) zu verlängern. Einfachere Formen der elektronischen Zustellung ohne Zustellnachweis (etwa die Fax-Zustellung oder die E‑Mail-Zustellung), die derzeit nur auf Grund der Übergangsvorschrift zulässig sind, sollen dagegen auf Dauer zulässig sein.

Die mit dem E‑Government-Gesetz verfolgte Zielsetzung, Instrumentarien für eine sichere elektronische Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Behörden zu schaffen, wird dabei nicht aus den Augen verloren. Da die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004 geschaffenen Regelungen über den (elektronischen) Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten (§§ 13 bis 18 AVG) sowohl in der Praxis als auch in der Lehre als unnötig kompliziert, schwer verständlich oder unpraktikabel kritisiert wurden, sollen sie in einigen Punkten geändert werden:

Für die elektronische Beurkundung von Niederschriften und Aktenvermerken und die Genehmigung von Erledigungen soll nicht mehr zwingend eine Amtssignatur zu verwenden sein, sondern nur noch für schriftliche Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten.

Die unzweckmäßige Unterscheidung zwischen „internen“ und „externen“ Erledigungen soll wieder aufgegeben werden; zugleich soll das Verhältnis zwischen Niederschriften und Aktenvermerken einerseits und Erledigungen andererseits klarer gestaltet werden.

Nach geltender Rechtslage obliegt die Festlegung von technischen Voraussetzungen, unter welchen Anbringen rechtswirksam eingebracht werden können, der das jeweilige Verfahren führenden Behörde. Eine so hochgradige Dekonzentration dieser Regelungskompetenz auf die (in der Regel) unterste Verwaltungsstufe ist jedoch aus vielen Gründen nicht sinnvoll: Sie kann dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger, je nachdem, mit welcher Behörde sie es zu tun haben, mit völlig unterschiedlichen technischen Anforderungen konfrontiert sind und erschwert die Interoperabilität der IT-Systeme der einander (im Instanzenzug oder in sachlicher Hinsicht) über- und untergeordneten Behörden. Diese Ermächtigung soll daher entfallen; es erscheint zweckmäßiger, wenn derartige technische Standards im Rahmen der Plattform Digitales Österreich (Kooperation B-L-S-G) in Form von Empfehlungen einvernehmlich festgelegt werden.

Sowohl im Gesetzestext als auch in den Erläuterungen soll klar zum Ausdruck gebracht werden, welche Sachverhalte vom Bund unter Inanspruchnahme des Kompetenztatbestandes „Verwaltungsverfahren“ zulässigerweise geregelt werden können und bei welchen Sachverhalten dies nicht der Fall ist (insb. weil deren Regelung gemäß Art. 15 Abs. 1 B‑VG [„Organisation der Verwaltung in den Ländern“] in Gesetzgebung Landessache ist). Klargestellt werden soll etwa, dass das AVG die Behörde nicht zur Anschaffung einer bestimmten Hard- oder Software verpflichtet oder dass die Festlegung bestimmter elektronischer Adressen der Behörde ebenso wenig eine Angelegenheit des „Verwaltungsverfahrens“ ist wie die Festlegung ihrer Amtsstunden und der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit.

Im ZustG sollen insb. die Regelungen betreffend den Zustellnachweis und die elektronische Zustellung geändert werden:

Neben die Übersendung des in Papierform vorliegenden Zustellnachweises sollen zwei weitere Formen der Übermittlung eines Zustellnachweises treten. Zum einen sollen – in konventioneller Weise aufgenommene – Zustellnachweise gescannt und der Behörde elektronisch übermittelt werden können, um so eine einfache und rasche Zuordnung in ihrem elektronischen Aktenverwaltungssystem zu ermöglichen. Eine weitere Vereinfachung und Beschleunigung dieser Zuordnung kann dadurch erreicht werden, dass bereits die Aufnahme des Zustellnachweises in elektronischer Form (zB unter Einsatz von PDAs [personal digital assistants]) erfolgt.

Nicht bloß zu einer Beschleunigung und Verbilligung der Zustellung auf Seiten der Behörde, sondern auch zu einer qualitativen Änderung des Kontaktes zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Behörde kommt es, wenn bei Zustellungen mit Zustellnachweis die Vornahme der Zustellung selbst bereits auf elektronischem Weg erfolgt. Denn die Entgegennahme eines elektronisch zugestellten Dokumentes kann jederzeit und ohne die mit Zustellungen sonst häufig verbundenen Wege zum Postamt erfolgen. Um eine in Zukunft stärkere Nutzung der Möglichkeit der elektronischen Zustellung (und zwar sowohl auf Seiten der Behörden als auch auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger) zu fördern, wurde Abschnitt III des ZustG umfassend überarbeitet.

Derzeit sind nach § 29 Abs. 1 ZustG neben zugelassenen (privaten) Zustelldiensten auch sogenannte behördliche Zustelldienste vorgesehen. Einerseits steht behördlichen Zustelldiensten (anders als zugelassenen Zustelldiensten) für die Erbringung der Zustellleistungen kein Entgelt zu; andererseits können sie (so wie zugelassene Zustelldienste) keine Einschränkungen hinsichtlich der Herkunft der zuzustellenden Dokumente vereinbaren (§ 30 Abs. 4 dritter Satz ZustG), müssen also auch Dokumente anderer Behörden zustellen. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass dem Bundeskanzler bisher kein behördlicher Zustelldienst gemeldet worden ist. Die Differenzierung zwischen behördlichen und zugelassenen Zustelldiensten soll daher aufgegeben werden.

Zu einer Vereinfachung der Zustellung und zu einer Kostensenkung wird auch der vorgeschlagene Entfall des zweiten Zustellversuchs bei der Zustellung zu eigenen Handen (§ 21 Abs. 2 ZustG) führen.

Schließlich soll der vorliegende Entwurf zum Anlass genommen werden, im AVG und im ZustG eine Reihe von legistischen Anpassungen vorzunehmen. Diese Änderungen sind teils terminologischer Natur (zB Anpassungen an das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 oder an das Handelsrechts-Änderungsgesetz, Beseitigung behindertendiskriminierender Formulierungen oder veralteter Begriffe), teils dienen sie der Bereinigung von Redaktionsversehen früherer Novellen.

Der Behördenkatalog des Art. II des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 (EGVG), BGBl. Nr. 50, gibt auf Grund zahlreicher Änderungen und Aufhebungen von Verwaltungsvorschriften die geltende Rechtslage nur mehr unvollständig wieder und soll daher auf den aktuellen Stand gebracht werden. Im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtsbereinigung sollen bei dieser Gelegenheit zahlreiche überholte Bestimmungen formell außer Kraft gesetzt werden, welche dieses Gesetz nur mehr schwer lesbar machen.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Notwendigkeit, im Zusammenhang mit der Einführung der Amtssignatur und der Zustellung über elektronische Zustelldienste entsprechende Investitionen vorzunehmen, sowie das Potenzial der dadurch langfristig zu erzielenden Einsparungen ergeben sich bereits aus dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004. Die Verlängerung des Übergangszeitraums bewirkt nur eine Verschiebung des Zeitpunkts des Eintritts dieser finanziellen Auswirkungen; auch aus den sonstigen Änderungen der §§ 13 bis 18 AVG ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen, die über jene des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2004 hinausgehen.

Die Einführung alternativer Formen der Aufnahme und Übermittlung von Zustellnachweisen eröffnet jedenfalls – ebenso wie der vorgeschlagene Entfall des zweiten Zustellversuchs bei der Zustellung zu eigenen Handen – ein Einsparungspotenzial, dessen Ausmaß allerdings mangels vorhandener Daten über die Häufigkeit von Zustellungen mit Zustellnachweis nicht beziffert werden kann.

Ein Teil der Entwurfsbestimmungen fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 83/189/EWG des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften.

Hinsichtlich des Normerzeugungsverfahrens ist festzuhalten, dass der gegenständliche Gesetzesentwurf unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 83/189/EWG  in der Fassung der Richtlinien /182/EWG und 94/10/EWG der Europäischen Kommission notifiziert wurde.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. November 2007 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Rudolf Parnigoni die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser und Herbert Scheibner sowie die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit

angenommen.

 

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellung:

Der Verfassungsausschuss geht anlässlich der Beschlussfassung der Regierungsvorlage Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz betreffend die bis 1. Jänner 2011 aufgeschobene Verpflichtung der Anbringung der Amtssignatur auf Ausfertigungen davon aus, dass bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung noch Gespräche über die Umsetzung bzw. weiteren Verbesserungsvorschläge mit den Bundesländern geführt werden.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (294 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2007 11 27

                                Rudolf Parnigoni                                                             Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann