370 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (314 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechts-bereinigungsgesetz erlassen wird

Verfassungsbereinigung:

Der am 30. Juni 2003 unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten des Rechnungshofes, Dr. Franz Fiedler, zusammengetretene Österreich‑Konvent hat neben einer Vielzahl von Textvorschlägen auch wertvolle Vorarbeiten auf dem Gebiet der Verfassungsbereinigung geleistet, über die in weiten Bereichen Konsens erzielt werden konnte. Der Bericht des Österreich‑Konvents wurde nach Kenntnisnahme durch die Bundesregierung vom Bundeskanzler dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung vorgelegt. Zur Vorberatung dieses Berichts bildete der Nationalrat unter dem Vorsitz seines damaligen Präsidenten, Univ.‑Prof. Dr. Andreas Khol, einen Besonderen Ausschuss, in dem die Beratungen – ua. über die Verfassungsbereinigung – fortgesetzt wurden. Der Bericht dieses Besonderen Ausschusses (1584 d.B. XXII. GP) wurde vom Nationalrat einstimmig zur Kenntnis genommen; in einer Entschließung (209/E XXII. GP) sprach sich der Nationalrat für die Fortsetzung der Arbeiten an einer umfassenden Reform der österreichischen Bundesverfassung aus und forderte die Bundesregierung auf, die Arbeiten an einer zukünftigen modernen Bundesverfassung – auf der Grundlage der Ergebnisse des Österreich-Konvents und des Besonderen Ausschusses – voranzutreiben.

Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode ist im Kapitel „Staats- und Verwaltungsreform“ vorgesehen, dass auf der Grundlage der Arbeiten des Österreich-Konvents und des Besonderen Ausschusses ua. eine Verfassungsbereinigung vorbereitet werden solle.

Entsprechend dem Regierungsprogramm wurde zur Formulierung der notwendigen Rechtstexte beim Bundeskanzleramt eine Expertengruppe eingerichtet. Dieser Expertengruppe „Staats- und Verwaltungsreform“ gehörten Dr. Franz Fiedler, Univ.‑Prof. Dr. Andreas Khol, Dr. Peter Kostelka und Univ.‑Prof. Dr. Theo Öhlinger sowie zwei Vertreter der Länder an. Von Seiten der Länder wurden in weiterer Folge Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller und Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber namhaft gemacht. Den beiden Vertretern der Länder wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich vertreten zu lassen, wobei als ständige Vertreter Univ.‑Prof. Dr. Ewald Wiederin (für Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller) sowie Vizepräsident des Bundesrates Jürgen Weiss (für Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber) nominiert wurden. Darüber hinaus wurde der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Univ.‑Prof. Dr. Georg Lienbacher, von Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer mit der Vorsitzführung in der Expertengruppe betraut und ersucht, die Betreuung der Arbeit der Expertengruppe durch den Verfassungsdienst sicherzustellen. Zur Unterstützung der Expertengruppe wirkten von Seiten des Verfassungsdienstes außerdem dessen stellvertretender Leiter, Dr. Harald Dossi, sowie Mag. Christoph Lanner und Dr. Clemens Mayr mit. Die Expertengruppe ist am 9. Februar 2007 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten und hat bisher insgesamt 20 Sitzungen abgehalten. Mit Ausnahme des Vorsitzenden waren alle Mitglieder der Expertengruppe auch Mitglieder des Österreich-Konvents.

Durch das Regierungsprogramm wurde der Expertengruppe eine Vielzahl von Themen zur Beratung übertragen. Die die Themenbereiche Verfassungsbereinigung und Weisungsfreistellung betreffenden Teile des Entwurfs basieren auf den Beratungsergebnissen dieser Expertengruppe.

Mit dem Entwurf werden folgende Maßnahmen der Verfassungsbereinigung vorgeschlagen:

–      Das B‑VG enthält Regelungen über die Änderung von Bundes- und Landesgrenzen, die Übertragung von Hoheitsrechten und die Genehmigung von Staatsverträgen, welche es in zahlreichen Fällen erforderlich machen, Bestimmungen im Verfassungsrang zu erlassen. Daher sollen die Art. 3, 9 und 50 B‑VG in einer Weise umformuliert werden, die einen Verfassungsrang von gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Änderung von Bundes- und Landesgrenzen, der Übertragung von Hoheitsrechten und der Genehmigung von Staatsverträgen in Hinkunft entbehrlich macht. Um eine weitere Zersplitterung des Verfassungsrechts insbesondere im Bereich staatsvertraglicher Normen hintan zu halten, soll eine Erlassung oder Änderung von Verfassungsrecht durch Staatsverträge in Hinkunft nicht mehr möglich sein. Die Möglichkeit, staatsvertragliche Bestimmungen durch eine bundesverfassungsgesetzliche Bestimmung in Verfassungsrang zu heben, bleibt davon unberührt. Auch der Verfassungsrang derjenigen staatsvertraglichen Bestimmungen, die nicht durch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz aufgehoben bzw. ihres Verfassungsranges entkleidet werden, bleibt von der Neuregelung des Art. 50 Abs. 3 B‑VG unberührt.

–      Durch die vorgeschlagene Neufassung des Art. 50 B‑VG soll eine generelle Ermächtigung geschaffen werden, Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, abzuschließen. Durch diese generelle Ermächtigung sollen besondere Bundesverfassungsgesetze, die bislang die Grundlage für eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union bildeten, entbehrlich werden.

–      Weiters enthält der vorgeschlagene Art. 20 Abs. 2 B‑VG eine generelle Ermächtigung zur Weisungsfreistellung bestimmter Kategorien von Behörden durch einfaches Gesetz. In einem solchen Gesetz sind Regelungen betreffend die Aufsicht durch die obersten Organe zu treffen; darüber hinaus sieht der vorgeschlagene Art. 52 Abs. 1a gewisse parlamentarische Kontrollrechte vor.

–      Da auch im universitären Bereich mehrere Bestimmungen im Verfassungsrang (darunter – wenn auch nicht ausschließlich – solche betreffend die Weisungsfreiheit) existieren, erscheint es zweckmäßig, in das B‑VG eine allgemeine Bestimmung über die Universitäten einzufügen, durch die fugitives Verfassungsrecht in diesem Bereich entbehrlich wird (Art. 81c).

–      Durch das in Art. 2 des Entwurfs vorgeschlagene Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz sollen einerseits taxativ aufgezählte Bestimmungen, für deren Beibehaltung kein Grund mehr ersichtlich ist, – soweit sie noch in Geltung stehen – aufgehoben sowie andererseits taxativ aufgezählte Bestimmungen im Verfassungsrang zu einfachem Bundesrecht werden.

Einrichtung eines Asylgerichtshofes:

Im Regierungsprogramm ist im Kapitel „Staats- und Verwaltungsreform“ die Schaffung eines eigenen Bundesasylgerichtes vorgesehen, das in letzter Instanz entscheidet.

Nach der dem Entwurf zugrunde liegenden Konzeption soll das Bundesasylamt künftig in allen Asylsachen als erste und letzte verwaltungsbehördliche Instanz entscheiden. An die Stelle des bisherigen unabhängigen Bundesasylsenates soll als gerichtliche Rechtsmittelinstanz ein eigener Asylgerichtshof treten. Dieser soll ausschließlich aus Mitgliedern bestehen, die das Studium der Rechtswissenschaften oder die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien abgeschlossen haben und zumindest über eine fünfjährige juristische Berufserfahrung verfügen. Der Asylgerichtshof soll grundsätzlich in Senaten zu entscheiden haben, die aus zwei Richtern bestehen. Diese haben einvernehmlich zu entscheiden; bei Nichteinigung ist das Verfahren von dem aus fünf Richtern bestehenden verstärkten Senat zu entscheiden. Abweichend davon wird in rein verfahrensrechtlichen Angelegenheiten, in Angelegenheiten des sog. Dubliner Übereinkommens, BGBl. III Nr. 165/1997, sowie in jenen Fällen, denen eine vom Verwaltungsgerichtshof bestätigte bzw. als bestätigt geltende Grundsatzentscheidung zugrunde liegt, ein Einzelmitglied des Senates oder ein Einzelrichter entscheiden können.

Primäres Ziel der vorgeschlagenen Änderungen ist es, die Gesamtverfahrensdauer der Asylverfahren wesentlich zu verkürzen. Die Vorteile einer solchen Verfahrensbeschleunigung sind umfassend: Sie kommt einerseits der öffentlichen Hand zugute, weil durch die Beschleunigung der Asylverfahren nicht nur im Verfahrensablauf selbst, sondern auch und gerade im Bereich der Grundversorgung von Asylwerbern bedeutende Einsparungen erzielt werden können, aber auch dem Asylwerber selbst, der dadurch rascher Gewissheit über die allfällige Zuerkennung von internationalem Schutz (Asyl oder subsidiärer Schutz) erlangen kann.

Außer durch Anpassungen im Asylverfahrensrecht soll die Beschleunigung der Gesamtverfahrensdauer der Asylverfahren insbesondere durch eine umfassende Neuregelung des Zugangs zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts in Asylsachen erreicht werden. Die teilweise überlange Dauer von Asylverfahren ist nämlich oft darauf zurückzuführen, dass in vom unabhängigen Bundesasylsenat bereits rechtskräftig entschiedenen Fällen die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts selbst dann angerufen werden, wenn derartige Beschwerden keine oder nur geringe Aussicht auf Erfolg haben. Bis diese Beschwerden jedoch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, insbesondere vom Verwaltungsgerichtshof, erledigt werden bzw. erledigt werden können, kann eine erhebliche Zeit verstreichen, die in der Praxis auch mehrere Jahre betragen kann. Im Hinblick darauf schlägt der Entwurf folgende Änderungen vor:

–      Rechtsfragen, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen werden würde, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, sowie Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von Verfahren stellen, sollen künftig in einem verstärkten Senat des Asylgerichtshofes zu entscheiden sein (Grundsatzentscheidung). Auf Antrag des Bundesministers für Inneres ist eine Grundsatzentscheidung zu treffen.

         Grundsatzentscheidungen sind dem Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen vorzulegen, der sie in jeder Richtung abändern oder bestätigen kann. Trifft der Verwaltungsgerichtshof über eine Grundsatzentscheidung des Asylgerichtshofes nicht innerhalb von sechs Monaten ab Vorlage eine Entscheidung, so gilt die Grundsatzentscheidung des Asylgerichtshofes als bestätigt und ist damit für alle anhängigen und künftigen Fälle verbindlich. Durch Bundesgesetz kann für besondere Fälle eine Hemmung oder Unterbrechung dieser Entscheidungsfrist vorgesehen werden; sind etwa zur Feststellung des für die Grundsatzentscheidung maßgeblichen Sachverhalts ergänzende Ermittlungen erforderlich, so soll der Verwaltungsgerichtshof dem Asylgerichtshof auftragen können, diese durchzuführen.

         Von der amtswegigen Vorlage von Grundsatzentscheidungen abgesehen, soll ein Rechtszug gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschlossen sein.

–      Wie bisher soll der Asylwerber die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof haben.

         Der vom Verfassungsgerichtshof anzuwendende Prüfungsmaßstab bleibt grundsätzlich unverändert. Entscheidungen des Asylgerichtshofes, die auf einer verbindlichen Grundsatzentscheidung (des Asylgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes) beruhen, können beim Verfassungsgerichtshof allerdings nicht mit der Behauptung angefochten werden, die in der Grundsatzentscheidung vorgenommene rechtliche Beurteilung sei denkunmöglich. Wohl aber wäre die Behauptung zulässig, der Asylgerichtshof habe die Grundsatzentscheidung seiner Entscheidung in denkunmöglicher Weise zugrunde gelegt hat oder der Grundsatzentscheidung einen denkunmöglichen oder verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

         Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Asylgerichtshofes aus denselben Gründen ablehnen wie nach Art. 144 B‑VG die Behandlung von Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden. Anders als nach Art. 144 Abs. 2 B‑VG soll es allerdings keine Rolle spielen, dass gegen diese Entscheidung keine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden kann. Eine Abtretung der Beschwerde nach ihrer Abweisung oder Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof, wie sie in Art. 144 Abs. 3 B‑VG vorgesehen ist, kommt im Hinblick auf die mangelnde Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Fällung anderer als Grundsatzentscheidungen von vornherein nicht in Betracht.

Durch kurzfristige Personalaufstockungen im gesamten Asylbereich, insbesondere beim Bundesasylamt und beim Asylgerichtshof, aber auch beim Verwaltungsgerichtshof soll das vordringliche Ziel erreicht werden, bis zum Jahr 2010 die im Frühjahr des vorigen Jahres geschaffte Trendumkehr hin zu einem verstärkten Abbau des Rückstaus offener Asylverfahren bei den asylbehördlichen Instanzen Bundesasylamt und unabhängiger Bundesasylsenat erfolgreich fortzuführen. Durch die vorgeschlagenen Beschränkungen des Zugangs zum Verwaltungsgerichtshof soll darüber hinaus eine merkliche Entlastung dieses Höchstgerichts erzielt werden.

Da die Anzahl der neu anhängig gewordenen Asylanträge seit dem Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100, deutlich gesunken ist und eine Erhöhung der Antragszahlen derzeit nicht zu erwarten ist, können sowohl die noch nicht entschiedenen, als auch neu anfallende Verfahren rascher abgeschlossen werden, sobald der Asylgerichtshof seine Tätigkeit aufgenommen hat. „Abbau der Verfahrenszahlen“ bedeutet mit anderen Worten, dass alle am 1. Jänner 2008 noch anhängigen Fälle längstens bis 2010 einer endgültigen Entscheidung durch den Asylgerichtshof zugeführt werden und zugleich die Zahl der Erledigungen von „neuen“ Verfahren jedenfalls der Zahl der im Vergleichszeitraum neu anhängig gewordenen Beschwerden entsprechen sollen. Alle neu anfallenden Verfahren sollen durch die vorgeschlagenen Instrumente der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung dann innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfristen abschließend in beiden Instanzen erledigt werden, was wiederum einem weiteren zeitlich intensiven Verfahrensrückstau im Asylbereich entgegen wirkt.

Aus diesem Anlass sollen die „Angelegenheiten des Asylgerichtshofes“ (vgl. Abschnitt E Z 1 achter Untertatbestand der Anlage zu § 2 des Bundesministeriengesetzes 1986 [„Angelegenheiten des unabhängigen Bundesasylsenates“]) als Angelegenheiten der (Sonder‑)Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes übertragen werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Durch die Vereinfachungen im Bereich Grenzänderungen, Übertragung von Hoheitsrechten, Weisungsfreistellung, Änderungen der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union sowie Genehmigung von Staatsverträgen kann es zu – wenn auch wohl nur geringfügigen – Einsparungen kommen, da es diese Änderungen im Einzelfall ermöglichen werden, auf geänderte Anforderungen rascher und flexibler zu reagieren.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. November 2007 in Verhandlung genommen und zum Thema Asylgerichtshof ein öffentliches Hearing mit dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Clemens Jabloner, dem Vorsitzenden des Unabhängigen Bundesasylsenates Mag. Harald Perl und dem Vertreter des österreichischen Büros des UNHCR Dr. Christoph Pinter durchgeführt. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Josef Cap, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Herbert Scheibner, Dr. Robert Aspöck, Mag. Brigid Weinzinger, Dr. Peter Sonnberger, Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Dr. Johannes Jarolim und der Bundesminister für Inneres Günther Platter sowie die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy. Danach wurden die Beratungen vertagt.

 

Die vertagten Verhandlungen wurden vom Verfassungsausschuss am 28. November 2007 wieder aufgenommen. An dieser Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Brigid Weinzinger, Herbert Scheibner, Dr. Peter Fichtenbauer, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Michael Spindelegger, Dr. Elisabeth Hlavac, Dr. Josef Cap, Mag. Albert Steinhauser, Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim sowie der Bundesminister für Inneres Günther Platter und die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Heidrun Silhavy.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„ Zu Art. 1 Z 9 [Art. 20 Abs. 2 Z 6 B‑VG]:

In bestimmten Fällen können disziplinarrechtliche Befugnisse auch gegenüber Personen ausgeübt werden, die nicht in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen; dies trifft zB auf die Einsatzstraforgane gemäß § 82 des Heeresdisziplinargesetzes 2002, BGBl. I Nr. 167, zu, die gemäß § 83 dieses Bundesgesetzes im Kommandantenverfahren über die Pflichtverletzungen aller Soldaten zu entscheiden haben. Um klarzustellen, dass Organe auch in solchen Fällen weisungsfrei gestellt werden können, sollen die Angelegenheiten des Disziplinarrechts in Art. 20 Abs. 2 Z 6 B‑VG ausdrücklich genannt werden.

Zu Art. 1 Z 15 [Art. 67a B‑VG]:

Durch die Anfügung eines Satzes in Art. 67a Abs. 1 B‑VG soll der Bundespräsident zur Erlassung einer Geschäftsordnung der Präsidentschaftskanzlei ermächtigt werden, in der das Nähere über den Geschäftsgang in der Präsidentschaftskanzlei geregelt werden kann. Bei der Erlassung dieser Geschäftsordnung soll der Bundespräsident nicht an einen Vorschlag der Bundesregierung gebunden sein (Art. 67a Abs. 2 B‑VG).

Die Formulierung des Art. 67a Abs. 1 B‑VG ist an § 3 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien, BGBl. Nr. 289/1925, angelehnt.

Zu Art. 1 Z 19 [Art. 90a B‑VG]:

Auf Grund der Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, übernehmen die Staatsanwaltschaften ab 1. Jänner 2008 mit der Leitung des Ermittlungsverfahrens Aufgaben, die bisher von (Untersuchungs-)Richtern wahrgenommen wurden. Im Hinblick auf ihre steigende Bedeutung als Organe der Gerichtsbarkeit (siehe dazu auch die einfachgesetzliche Regelung des Anklagegrundsatzes in § 4 StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes) sollen die Staatsanwaltschaften daher in der Bundesverfassung ausdrücklich erwähnt werden.

Nach dem vorgeschlagenen letzten Satz soll die Frage der Weisungsbindung der Staatsanwälte bzw. Staatsanwaltschaften einfachgesetzlich geregelt werden (siehe dazu die Klarstellung in § 2 Abs. 1 StAG).

Zu Art. 1 Z 22 [Art. 112 B‑VG], Z 23 [Überschriften vor Art. 115 B‑VG], Z 24 [Abschnitt B des neuen fünften Hauptstückes des B‑VG] und Z 25 [Überschriften vor den Art. 121, 129, 148a und Art. 149 B‑VG]:

Basierend auf den Arbeiten des Österreich-Konvents (siehe dazu die Textvorschläge im Bericht des Österreich-Konvents, Teil 4A, 336 ff) werden die nichtterritoriale Selbstverwaltung sowie ihre wesentlichen Merkmale in der Bundesverfassung verankert. Als „Ort“ der Verankerung wird ein neues fünftes Hauptstück vorgesehen, in dem die Bestimmungen über die Gemeinden und die neuen Bestimmungen über die sonstige Selbstverwaltung zusammengefasst werden. Dies ist auch deshalb systemkonform, weil die Ansiedelung der Gemeinden im Hauptstück über Gesetzgebung und Vollziehung der Länder durch die Einführung der Besorgung von Angelegenheiten (auch) der Bundesvollziehung im eigenen Wirkungsbereich und der damit einhergehenden Schaffung einer Gemeindeaufsicht des Bundes unzutreffend geworden ist.

Die Schaffung eines neuen Hauptstückes bedingt eine Nachnummerierung der folgenden Hauptstücke.

Art. 120a Abs. 1 stellt die Zulässigkeit der Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern klar.

Durch die Wendung „zusammengefasst werden“ wird die obligatorische Mitgliedschaft als Strukturelement zum Ausdruck gebracht und somit die Abgrenzung von gesetzlich eingerichteten Selbstverwaltungskörpern zu freiwilligen Vereinigungen betont. Die konkrete Einrichtung und Ausgestaltung von Selbstverwaltungskörpern (dazu gehören insbesondere auch Fragen der Finanzierung, des jeweiligen Mitgliederumfanges und der organisatorischen Struktur) obliegt dem einfachen Gesetzgeber.

Art. 120a Abs. 2 hebt die besondere Bedeutung der Sozialpartner und des sozialpartnerschaftlichen Dialogs unter Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern hervor. Diese Bestimmung orientiert sich am vorgesehenen Art. 136a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Art. 120b Abs. 1 verankert neben der Weisungsfreiheit ein gesetzesergänzendes Verordnungsrecht. Zu dem in Art. 120b Abs. 1 enthaltenen Aufsichtsrecht ist anzumerken, dass die Gebarungskontrolle des Rechnungshofes gegenüber den Trägern der Sozialversicherung sowie den gesetzlichen beruflichen Vertretungen unberührt bleibt. Das Aufsichtsrecht ist zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungskörper und der ihnen zukommenden autonomen Handlungsspielräume auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung eingeschränkt, doch kann in Sonderfällen in Abhängigkeit von der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. § 449 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 145) – soweit erforderlich – auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle vorgesehen werden. Dies ist aber bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen in Hinblick auf ihre Aufgaben der Interessenvertretung ausgeschlossen (vgl. Korinek, Staatsrechtliche Grundlagen der Kammer-Selbstverwaltung, RdA 1991, 105). Art. 120b Abs. 2 sieht eine Bezeichnungspflicht für Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs vor; Art. 120b Abs. 3 regelt die grundsätzliche Zulässigkeit der Mitwirkung von Selbstverwaltungskörpern an der Vollziehung, wie sie derzeit insbesondere durch Nominierung von Organwaltern im Rahmen der Laiengerichtsbarkeit, von Kollegialbehörden oder im Rahmen verschiedener beratender Organe erfolgt.

In Art. 120c Abs. 1 wird im Hinblick auf die dem Selbstverwaltungsbegriff nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes innewohnende Befugnis zur Bestellung der eigenen Organe aus der Mitte der Verbandsangehörigen das Erfordernis der demokratischen Organkreation verankert; angemerkt wird, dass er es ermöglicht, jedes Mitglied des Selbstverwaltungskörpers – ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit – zum Organwalter zu bestellen.

Hinsichtlich der Finanzierung wird durch die Bestimmung des Art. 120c Abs. 2 gewährleistet, dass Selbstverwaltungskörper in die Lage versetzt sind, die ihnen zukommenden Aufgaben wahrzunehmen, wobei bei der Erfüllung der Aufgaben die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit einzuhalten sind. Eine Ausfallshaftung von Gebietskörperschaften ist damit nicht verbunden.

Zu Art. 1 Z 28 [Art. 129c B‑VG]) und Art. 1 Z 29 [Art. 132a Abs. 1 B‑VG]:

Nach der derzeit vorgeschlagenen Fassung des Art. 129c B‑VG kann durch die einfachgesetzliche Übertragung von Zuständigkeiten in bestimmten Verwaltungssachen auf den Asylgerichtshof der Zugang zum Verwaltungsgerichtshof in diesen Rechtssachen indirekt ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit soll nicht bestehen.

Um eine Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes zu vermeiden, soll auch die Möglichkeit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde nicht bestehen.

Zu Art. 1 Z 29 [Art. 132a Abs. 2 B‑VG]:

Korrektur eines Schreibfehlers.

Zu Art. 1 Z 38 bis 40 [Art. 148a Abs. 3 bis 5 und Art. 148c letzter Satz B‑VG]:

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll der Volksanwaltschaft in Ergänzung ihres bisherigen Auftrages zur Kontrolle der Justizverwaltung ein wirksameres Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden, um im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung auf Verfahrungsverzögerungen oder sonstige Missstände im Bereich der Gerichtsbarkeit reagieren zu können. Demnach soll die Volksanwaltschaft in Hinkunft nicht nur Maßnahmen der Dienstaufsicht, wie etwa die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, anregen können, sondern auch Fristsetzungsanträge nach § 91 GOG stellen können. Denn wie den Berichten der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat zu entnehmen ist, stellen im Bereich der Gerichtsbarkeit Verfahrensverzögerungen den Grund für einen Großteil der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft dar. Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung wird durch die vorgeschlagenen Instrumente nicht beeinträchtigt, da die Entscheidung über Fristsetzungsanträge gemäß § 91 GOG und die Ausübung der Disziplinargewalt durch die Organe der Gerichtsbarkeit gewährleistet bleibt. Darüber hinaus wird die Volksanwaltschaft, wenn sie im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren tätig wird, auf die Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Verfahrensparteien besonders zu achten haben.

Zu Art. 1 Z 42 [Art. 151 Abs. 39 Z 5 B‑VG]:

Zweck der vorgeschlagenen Bestimmung ist es, die nicht mehr beim Bundesasylamt anhängigen Asylverfahren möglichst weitgehend beim Asylgerichtshof zu konzentrieren:

–      Beim Verwaltungsgerichtshof am 30. Juni 2008 (um 24.00 Uhr) anhängige Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Bundesasylsenat sollen mit diesem Zeitpunkt ex lege als eingestellt gelten. Die Verfahren, auf die sich die jeweilige Säumnisbeschwerde bezieht, sollen vom Asylgerichtshof weiterzuführen sein und zwar auch dann, wenn die Zuständigkeit zur Entscheidung der Asylsache bereits zu einem früheren Zeitpunkt (endgültig) auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist; in diesen Rechtssachen soll also mit 1. Juli 2008 ein neuerlicher Zuständigkeitsübergang (vom Verwaltungsgerichtshof auf den Asylgerichtshof) eintreten.

–      Um eine mögliche Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes mit zahlreichen Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Bundesasylsenat bzw. ein nicht im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegenes Pendeln der Asylsache vom unabhängigen Bundesasylsenat zum Verwaltungsgerichtshof und zurück zum Asylgerichtshof von vornherein auszuschließen, soll die Erhebung einer Säumnisbeschwerde in Asylsachen bereits ab dem 28. November 2007 nicht mehr zulässig sein.

Zu Art. 2 [§ 2 Abs. 3 Z 26 1. BVRBG]:

Der Innovations- und Technologiefonds besteht nicht mehr (das Innovations- und Technologiefondsgesetz, BGBl. Nr. 603/1987, ist gemäß seinem § 6d in der Fassung des Art. 81 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, mit Ablauf des 30. Juni 2003 außer Kraft getreten).“

 

Zwei vom Abgeordneten Herbert Scheibner eingebrachte Abänderungsanträge fanden nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Ein vom Abgeordneten Dr. Robert Aspöck eingebrachter Abänderungsantrag wurde abgelehnt.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger in getrennter Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten angenommen.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Dr. Michael Spindelegger eingebrachter Entschließungsantrag betreffend das Recht des Bundesministers für Inneres, Grundsatzentscheidungen des Asylgerichtshofes zu erwirken, wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen.

 

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss mit Stimmenmehrheit folgende Feststellungen:

Der Verfassungsausschuss begrüßt die Einrichtung eines Asylgerichtshofes und die Aufstockung des richterlichen und nicht-richterlichen Personals im Asylgerichtshof.

Der Verfassungsausschuss geht davon aus, dass zur Optimierung des Personaleinsatzes nach Abbau der offenen Asylverfahren die Richter des Asylgerichtshofes im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes erster Instanz auch in anderen Rechtsmaterien verwendet werden können.

 

Weiters geht der Ausschuss davon aus, dass die Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde trotz Beseitigung der Verfassungsbestimmung gewahrt bleibt und in diesem Zusammenhang das Ziel der Stärkung der Entscheidungsbefugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde zügig weiterverfolgt wird.

 

Der Verfassungsausschuss hält zu den in Art 148c B-VG vorgeschlagenen Instrumenten der Volksanwaltschaft fest, dass dadurch die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nicht beeinträchtigt wird, da die Entscheidung über Fristsetzungsanträge gemäß § 91 GOG und die Ausübung der Disziplinargewalt durch die Organe der Gerichtsbarkeit gewährleistet bleibt.

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Astrid Stadler gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2007 11 28

                                  Astrid Stadler                                                               Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann