372 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (203 der Beilagen): Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundeshaushaltsgesetz geändert werden.

Ausgangspunkt: Modernisierungsbedarf des österreichischen Haushaltsrechts

Durch Neufassung der Zielbestimmungen und der Grundsätze der Haushaltsführung sowie im Wege der Etablierung eines mittelfristig verbindlichen, auf den Ressourcenverbrauch des Bundesbudgets bezogenen Finanzrahmen soll die vorliegende Reform der haushaltsrechtlichen Verfassungsbestimmungen eine Modernisierung unter Einbeziehung internationaler Erfahrungen und bester Praktiken ermöglichen.

Klare, transparente und anreizkompatible Regeln im Haushaltsrecht sind notwendige Voraussetzungen für stabile, tragfähige öffentliche Finanzen und eine effiziente Mittelverwendung. Damit werden wiederum die Bedingungen für eine nachhaltige Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung geschaffen. Es entsteht Spielraum für eine zukunftsorientierte, wachstumsfördernde und konjunkturstabilisierende Budgetpolitik, und die Fairness zwischen den Generationen wird erhöht. Dem Haushaltsrecht kommt daher in der wirtschaftspolitischen Ausrichtung eine mittelbare, nichtsdestotrotz jedoch eine entscheidende Rolle zu.

Mit der umfassenden Neugestaltung des Bundeshaushaltsrechts im Jahr 1986 wurde das Haushaltsrecht auf verfassungsgesetzlicher und einfachgesetzlicher Ebene neu kodifiziert. Anstelle von verschiedenen, zersplitterten Rechtsquellen trat ein kompaktes Normensystem, das sich in den folgenden Jahren als äußerst funktionsfähig erwiesen hat. Nach dem Bericht des Verfassungsausschusses waren Grundgedanken bzw. Schwerpunkte der Haushaltsrechtsreform 1986 die Vergrößerung der Flexibilität beim Budgetvollzug, die begleitende Budgetkontrolle durch den Nationalrat, das grundsätzliche Gebot der Ausrichtung aller öffentlicher Haushalte nach konjunkturellen Erfordernissen sowie umfassende Neuregelungen für den Fall des Budgetprovisoriums.

Das bestehende Bundeshaushaltsrecht bietet einen stabilen Rahmen, innerhalb dessen die Budgeterstellung sowie ein geordneter Budgetvollzug unter der Gesamtverantwortung des Bundesministers für Finanzen gesichert sind. Im Zuge des Paradigmenwechsels der 90iger Jahre, als einerseits Konsolidierungsbemühungen gesetzt und andererseits in einem breiteren Sinn die Qualität der öffentlichen Finanzen sowie die langfristige Ausrichtung der öffentlichen Finanzen diskutiert wurden, traten jedoch im Haushaltsrecht auch Schwachstellen zu Tage. Diese wurden zwar teilweise durch Änderungen im tatsächlichen Budgetprozess, insbesondere einem straffen top down Vorgehen kompensiert. Es zeigte sich jedoch, dass die gesetzlichen Bestimmungen den geänderten Rahmenbedingungen nicht mehr im gleichen Maße entsprechen konnten. Reformbedarf wurde in den folgenden Bereichen identifiziert:

–      die vorherrschende beinahe ausschließliche Inputorientierung

–      die fehlende verbindliche mehrjährige Ausrichtung

–      die ausschließliche Steuerungsrelevanz des Prinzips der Kameralistik

Darüber hinaus gibt es Reformbedarf in verschiedenen technischen Punkten, beispielsweise bei Gliederung und Bindungswirkung.

Erfahrungen mit Haushaltsrechtsreformen

Die internationale Entwicklung im Bereich der öffentlichen Verwaltung brachte eine globale Modernisierungsbewegung hervor, die in vielen Ländern selbst unter stark differierenden institutionellen Rahmenbedingungen weit reichende Wirkungen entfaltete. Maßnahmen im Bereich des Haushaltsrechts, d.h. der grundlegenden Regeln, nach denen die Budgets geplant, beschlossen und vollzogen werden, sowie insbesondere der Budgetprozess standen dabei in der Regel im Zentrum der Reformbemühungen.

Besonders hervorzuheben sind:

–      Orientierung an budgetpolitischen Regeln (regelgebundene Finanzpolitik)

         zB Schweden:

         Die öffentlichen Finanzen sollen im Durchschnitt über den Konjunkturzyklus einen Überschuss von 2 % des BIP aufweisen

         zB Schweiz:

         Verfassungsrechtliche Ausgabenbegrenzung durch die sog. „Schuldenbremse“: Ausgaben dürfen über einen Konjunkturzyklus nicht höher sein als Einnahmen: der Höchstbetrag der Ausgaben entspricht der Höhe der Einnahmen korrigiert um einen Konjunkturfaktor

         zB Vereinigtes Königreich:

         Über den Konjunkturzyklus sollen Schulden nur im Ausmaß der Investitionen und nicht für laufende Aufwendungen eingegangen werden („golden rule“). Die Nettoverschuldung soll im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) über den Konjunkturzyklus 40 % nicht übersteigen („sustainable investment rule“)

–      Mittelfristige Ausrichtung der Budgetpolitik mit Ausgabenrahmen

         zB EU:

         Finanzielle Vorausschau: verbindlicher Ausgabenrahmen für sieben Jahre

         zB Schweden:

         Verbindlicher Ausgabenrahmen für die nächsten drei Jahre (rollierend) sowie die Aufteilung der Ausgaben auf 27 Aufgabenbereiche

–      Orientierung an Wirkungen („outcomes“) und Leistungen („outputs“) anstelle der Inputorientierung

         zB Vereinigtes Königreich:

         Definition von mittel- bis langfristig messbaren Zielen und Prioritäten für einzelne Ministerien sowie ressortübergreifend (sog. „public service agreements“)

         zB Frankreich:

         Wirkungsorientierte Budgetierung („projet annuel de performance“): Ziele und Indikatoren messen die Aktivitäten des Staates vor dem Hintergrund der sozioökonomischen Wirkung (Perspektive des Bürgers), der Servicequalität (Perspektive des Leistungsempfängers) und der Effizienz (Perspektive des Steuerzahlers)

–      Flexibilisierung des Budgetvollzuges mit dem Prinzip der Zusammenführung der Entscheidungs- und Ressourcenverantwortung

         zB Frankreich:

         Neustrukturierung des Budgets: Anstelle von 850 Kapiteln treten rund 150 Programme; Programme stellen Globalbudgets dar (Ausnahme: Obergrenze für Personalaufwendungen)

         zB Schweiz:

         FLAG: Führung durch Leistungsauftrag und Globalbudget

–      Einführung von Elementen des kaufmännischen Rechnungswesens anstelle der ausschließlichen Orientierung an kameralistischen Prinzipien

         zB Vereinigtes Königreich:

         Budgeterstellung und Mehrjahresplanung sowie jährliches Rechnungs- und Berichtswesen nach dem Prinzip der periodengerechten Zuordnung (Basis: „UK GAAP“); Zuordnung der Kosten und des Finanzierungsbedarfes zu den Zielen der Ministerien

–      Höhere Standards an Transparenz in Angelegenheiten der öffentlichen Haushalte

         zB IMF:

         Veröffentlichung der „besten Praktiken“ („IMF Code of Good Practices on Fiscal Transparency“)

Wie die internationalen Beispiele zeigen, verlangt gutes Regieren im Bereich der öffentlichen Haushalte einen integrierten Ansatz, d.h. die Kombination der oben angesprochenen Elemente und deren Anpassen an die institutionellen Beschaffenheiten eines Staates. Die isolierte Einführung eines Instruments führt nicht zum Erfolg. Regeln, welche zB allein auf die Steuerung des Gesamthaushalts ausgerichtet sind, entfalten weniger nachhaltige Wirksamkeit und sind deutlich weniger stabil als integrierte Regelwerke.

Einzelne Elemente der oben angeführten international bereits erprobten Maßnahmen, insbesondere die Zusammenführung der Entscheidungs- und Ressourcenverantwortung sowie die Flexibilisierung des Budgetvollzuges wurden in Österreich im Rahmen der Flexibilisierungsklausel für ausgewählte Organisationseinheiten getestet. Mittlerweile kann auf eine siebenjährige Erfahrung mit der Flexibilisierungsklausel zurückgeblickt werden.

Es zeigten sich sehr überzeugende Erfolge. In den Dienststellen konnte eine deutlich höhere Motivation der MitarbeiterInnen sowie eine gesteigerte Leistungs- und Ergebnisorientierung festgestellt werden. Dies führte zu Saldoverbesserungen in der Größenordnung von durchschnittlich 8 bis 16 % pro Jahr. Eine Verbreiterung dieses Ansatzes erscheint daher sehr viel versprechend.

Hauptgesichtspunkte dieses Entwurfs

Mit dem vorliegenden Entwurf soll der Grundstein für ein modernes, den folgenden Zielsetzungen entsprechendes Haushaltsrecht geschaffen werden:

         1. Zielbestimmung und Grundsätze der Haushaltsführung

         Bei der Haushaltsführung sind das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und nachhaltig geordnete öffentliche Finanzen anzustreben. Als Grundsätze der Haushaltsführung werden Wirkungsorientierung, Transparenz, Effizienz und möglichst getreue Darstellung der finanziellen Lage definiert. Eine besondere Ausprägung der Wirkungsorientierung, nämlich die Wirkungsorientierung vor dem Hintergrund der tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen, wird im Entwurf speziell hervorgehoben.

         2. Finanzrahmen

         Der Finanzrahmen ist das zentrale Instrument für die mittelfristige Gesamtsteuerung im Rahmen der Haushaltsführung. Dieses Instrument wird Österreich auch explizit vom Internationalen Währungsfonds empfohlen (siehe Artikel IV Konsultation vom August 2004).

         Der Finanzrahmen ist auf vier Jahre ausgerichtet und ist verbindlich, d.h. es handelt sich nicht um ein technisches Planungsinstrument, sondern er steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen sich die Bundesfinanzgesetze bewegen müssen. Der Finanzrahmen soll in komprimierter Form die wesentlichen Eckpunkte der Budgetpolitik und die Schwerpunktsetzungen darstellen. Der Finanzrahmen dient der Planung des Ressourcenverbrauches des Budgets.

         Der Finanzrahmen ist in den Budgetprozess eingebettet. Internationalen „besten Praktiken“ wie zB Schweden folgend besteht dieser aus zwei Phasen, nämlich im Frühjahr aus dem Beschluss oder der Novellierung des Bundesfinanzrahmengesetzes und im Herbst aus der Detailaufteilung innerhalb der Ressorts im Bundesfinanzgesetz.

         3. Umsetzung durch Bundesgesetz und In-Kraft-Treten

         Die näheren Bestimmungen über Erstellung und Vollzug des Bundesfinanzrahmengesetzes sowie über die sonstige Haushaltsführung des Bundes gemäß den Haushaltsgrundsätzen erfolgen durch einfaches Bundesgesetz. Die Bestimmungen bezüglich des Finanzrahmens sollen mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten, die Bestimmungen bezüglich der neugefassten Haushaltsgrundsätze mit 1. Jänner 2013. Diese Zeitspanne ist nach den internationalen Erfahrungen bei Umstellungen dieser Tragweite unbedingt erforderlich. Das Bundeshaushaltsgesetz muss – auf Basis der Haushaltsgrundsätze – neu gefasst werden, das Budget-, Rechnungs- und Berichtswesen muss auf eine neue Basis gestellt werden. Damit verbunden wird ein tiefgreifender Veränderungsprozess in der Verwaltung angestoßen.

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Regelungen gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG („Bundesverfassung...“)

Der Verfassungsausschuss hat die Beratungen über die gegenständliche Regierungsvorlage nach den Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger und der daran anschließenden Debatte, an der sich die Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Alois Gradauer, Josef Bucher und der Ausschussobmann Dr. Peter Wittmann sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter beteiligten, in seiner Sitzung am 6. November 2007 vertagt. Die vertagten Verhandlungen wurden vom Verfassungsausschuss am 28. November 2007 wieder aufgenommen. An der diesbezüglichen Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Stefan Prähauser, Mag. Bruno Rossmann, Josef Bucher, Dr. Peter Sonnberger, Alois Gradauer, Kai Jan Krainer, Dr. Josef Cap, Otto Pendl, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Mag. Werner Kogler, Dr. Günther Kräuter, Dr. Peter Fichtenbauer und Franz Morak sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Stefan Prähauser und Dr. Peter Sonnberger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„ Zu Artikel 1:

Zu Artikel 1, Einleitungssatz:

Im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Beschlussfassung im Ministerrat am 8. August 2007 soll in der Promulgationsklausel die Nummer des Bundesgesetzblattes, in dem die jüngste Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes verlautbart wurde, aktualisiert werden.

Zu Artikel 1, Ziffern 7 und 11:

Bisher sah Artikel 51b Abs. 3 Z 4 B-VG die Befugnis vor, dass mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen überplanmäßige Ausgaben geleistet werden dürfen, wenn diese Mehrausgaben infolge unmittelbar damit zusammenhängender Mehrleistungen oder Mehreinnahmen erforderlich werden. Von dieser Überschreitungsermächtigung wurde regelmäßig im Zusammenhang mit dem Abschluss von Währungstauschverträgen Gebrauch gemacht. Diese Ermächtigung ist im vorliegenden Gesetzentwurf entfallen und soll nunmehr durch die Ergänzungen der Artikel 51b und 51c (jeweils durch Beifügung der Wortfolge „oder auf Grund von Währungstauschverträgen“) ersetzt werden.

Zu Artikel 1, Ziffer 11:

Mit dieser Ergänzung wird die bisher vorgesehene Befugnis des Bundesministers für Finanzen, die Zustimmung zu Überschreitungen der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittelverwendungen an Leiter von Dienststellen weiterzugeben, präzisiert: sie soll nicht mehr nur auf die im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Überschreitungsermächtigungen beschränkt bleiben, sondern generell auch für jene Überschreitungen gelten, die auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen (Artikel 51c Abs. 2 Z 1) sowie auf Grund einer bereits im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Bundesfinanzgesetzes bestehenden sonstigen Verpflichtung (Artikel 51c Abs. 2 Z 3) erforderlich werden.

Zu Artikel 1, Ziffer 14:

Redaktionelle Anpassung.

 

Zu Artikel 2:

Den Legistischen Richtlinien entspricht besser als die bisherige Regelung, wenn sämtliche Verfassungsbestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes, die mit der Flexibilisierungsklausel im Zusammenhang stehen, mit Ablauf des 31. Dezember 2012, also mit Ablauf der 1. Etappe der Haushaltsrechtsreform, außer Kraft treten. Die einfachgesetzlichen Bestimmungen in diesem Zusammenhang werden im Zuge der Neufassung des Bundeshaushaltsgesetzes für die 2. Etappe der Haushaltsrechtsreform ab 2013 entfallen.“

 

Ein vom Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann eingebrachter Abänderungsantrag fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Stefan Prähauser und Dr. Peter Sonnberger mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Dr. Peter Sonnberger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2007 11 28

                            Dr. Peter Sonnberger                                                        Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann