516 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über den Antrag 674/A der Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das EU-Quellensteuergesetz und die Bundesabgaben­ordnung geändert wird

Die Abgeordneten Dkfm. Dr. Günter Stummvoll, Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 13. März 2008 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zu Artikel 1

Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988

Zu Art. 1 Z 1 (§ 37 Abs. 8 Z 6 EStG 1988):

Erzielt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren im In- oder Ausland und wird durch Wohnsitzwechsel ins Ausland die unbeschränkte Steuerpflicht vor dem tatsächlichen Zufließen der Zinserträge beendet, ginge der Republik Österreich bei späterem Zufließen der Kapitalerträge das Besteuerungsrecht für die bis zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht entstandenen noch nicht zugeflossenen Kapitalerträge verloren. Es käme im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Nichtbesteuerung der bis zum Wegzug angelaufenen Kapitalerträge. Die Bestimmung soll ein solches Ergebnis vermeiden und stellt zunächst das Besteuerungsrecht, vergleichbar wie in § 31 EStG 1988, sicher. Ein weiterer möglicher Anwendungsfall ist die Verlegung der Wertpapiere auf ein ausländisches Depot bei Weiterbestehen der unbeschränkten Steuerpflicht. Die Regelung ist  im Zusammenhang mit der Änderung der Bundesabgabenordnung zu sehen. Näheres siehe daher Erläuterung zu Artikel 3 (Änderung der Bundesabgabenordnung).

Die Neuregelung soll folgende Fälle abdecken:

Fall 1 (lit. a):

Ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Anleger hält Kapitalanlagen im Ausland und verlegt seinen Wohnsitz ins Ausland. Fließen ausländische Kapitalerträge während aufrechter unbeschränkter Steuerpflicht zu, unterliegen sie nach der derzeitigen Regelung des § 37 Abs. 8 EStG 1988 der Steuerpflicht. Wird jedoch vor dem Zufluss der Kapitalerträge die unbeschränkte Steuerpflicht beendet, unterliegen die Kapitalerträge nach der derzeitigen Regelung nicht der Einkommensteuer und bleiben im Ergebnis auch die bis zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht abgereiften Kapitalerträge im Inland unbesteuert. Eine solche Nichtbesteuerung stellt eine unsystematische Besserstellung eines Wegziehenden dar. Durch die neue Ziffer 6 werden nunmehr im Jahr des Wegzugs die bis zum Wegzug aufgelaufenen noch nicht zugeflossenen Kapitalerträge von der Besteuerung erfasst.

Im Falle des Wegzugs ins EU/EWR-Ausland kann der Steuerpflichtige – zur Vermeidung von Liquiditätsnachteilen - in der Steuererklärung beantragen, dass die Fälligkeit mit dem Ablauf des Kalenderjahres des vom Steuerpflichtigen anzugebenden Zeitpunktes des voraussichtlichen tatsächlichen Zuflusses festgesetzt wird. Insbesondere bei Indexpapieren kann sich zu diesem Zeitpunkt herausstellen, dass die tatsächlich zugeflossenen Kapitalerträge insgesamt niedriger als die im Wegzugszeitpunkt festgesetzten Kapitalerträge sind. In diesem Fall können die gesamten tatsächlich zugeflossenen Kapitalerträge über § 295a BAO der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Fall 2 (lit. b):

Ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Anleger hält Kapitalanlagen im Inland, verlegt seinen Wohnsitz ins EU/EWR-Ausland und meldet dies dem Kreditinstitut. Es liegt ein Umstand vor, der die Kapitalertragsteuerpflicht beendet und einen KESt-Abzug gemäß den derzeit geltenden Bestimmungen des § 95 Abs. 4 Z 3 oder 4 EStG 1988 auslöst. Das heißt, es werden beim Wegzug bereits aufgelaufene, aber noch nicht zugeflossene (abgereifte) Kapitalerträge der KESt unterworfen. Gemäß der neu zu schaffenden Bestimmung des § 240 Abs. 2 BAO hat der Anleger jedoch einen Anspruch auf Rückerstattung der KESt. Durch die neue Ziffer 6 werden nunmehr im Jahr des Wegzugs die bis zum Wegzug aufgelaufenen, noch nicht zugeflossenen (abgereiften) Kapitalerträge, sofern eine KESt-Entlastung auf Grund eines Erstattungsantrages erfolgte, im Veranlagungsweg zur Besteuerung erfasst.

Der Steuerpflichtige kann – zur Vermeidung von Liquiditätsnachteilen - in der Steuererklärung beantragen, dass die Fälligkeit mit dem Ablauf des Kalenderjahres des vom Steuerpflichtigen anzugebenden Zeitpunktes des voraussichtlichen tatsächlichen Zuflusses festgesetzt wird. Insbesondere bei Indexpapieren kann sich zu diesem Zeitpunkt herausstellen, dass die tatsächlich zugeflossenen Kapitalerträge insgesamt niedriger als die im Zeitpunkt des Wegzugs oder Depotwechsels festgesetzten Kapitalerträge sind. In diesem Fall können die gesamten tatsächlich zugeflossenen Kapitalerträge über § 295a BAO der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Fall 3 (lit. c):

Ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Anleger hält Kapitalanlagen im Inland, verlegt seinen Wohnsitz ins Ausland und meldet dies nicht dem Kreditinstitut. Daher unterbleibt ein (anteiliger) KESt-Abzug, dieser erfolgt erst bei Zufluss der (gesamten) Kapitalerträge. Zu diesem Zeitpunkt unterliegen die Kapitalerträge sachlich nicht mehr einer österreichischen Steuerpflicht, daher kann sich der Steuerpflichtige die gesamte KESt gemäß § 240 Abs. 3 BAO zurückerstatten lassen. Im Ergebnis blieben dabei bislang auch die bis zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht abgereiften Kapitalerträge im Inland unbesteuert. Dies soll durch die Neuregelung verhindert werden, die die Besteuerung der bis zur Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht abgereiften Kapitalerträge im Jahr des Zuflusses der Kapitalerträge vorsieht, soferne zuvor eine Rückerstattung der KESt nach § 240 Abs. 3 BAO erfolgt ist.

Zu Art. 1 Z 2 und 3 (§§ 95 Abs. 4 Z 3 und Abs. 7 sowie § 124b Z 144 und 145 EStG 1988):

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 19. 12. 2007, 2005/13/0075 ausgeführt, dass die seit Einführung der Kapitalertragsteuer praktizierte Anwendung des Gutschrift-Lastschriftsystems bei der Verrechnung von Stückzinsen im Zuge der Kapitalertragsteuerabrechnung keine rechtliche Deckung hat. Die derzeitige Praxis (EStR 2000, Rz 7758 ff) sieht vor, dass bei Verkauf eines Wertpapiers für bereits entstandene aber noch nicht fällige Zinserträge beim Veräußerer Kapitalertragsteuer einbehalten wird. Umgekehrt erhält der Erwerber eine Gutschrift in gleicher Höhe. Werden die Zinserträge später fällig, das kann bei einer Nullkuponanleihe erst nach mehreren Jahren sein, werden die während der gesamten Laufzeit der Nullkuponanleihe aufgelaufenen Zinsen der KESt unterworfen. Beim Erwerber werden dadurch auch Zinsen der Kapitalertragsteuer unterworfen, die bereits beim Veräußerer aufgelaufen sind. Dadurch, dass der Erwerber des Wertpapiers für die eingekauften „Stückzinsen“ beim Erwerb eine KESt-Gutschrift erhalten hat, wird er bei Fälligkeit der Zinsen im Ergebnis nur mit der KESt belastet, die auf die während seines Behaltezeitraumes entstandenen Zinsen entfällt. Diese Vorgangsweise hat sich dem Grunde nach bewährt und stellt für die abzugsverpflichteten Banken als verwaltungsökonomische Art der Vollziehung dar.

Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Gutschriften wurde – wie sich auch aus den seinerzeitigen Gesetzesmaterialien (ErlBem zur RegVlg des Endbesteuerungsgesetzes, 810 Blg XVIII GP) ergibt - im bisherigen § 95 Abs. 6 EStG 1988 gesehen, welcher von rückgängig gemachten Kapitalerträgen spricht (EStR 2000, Rz 7759).

Nunmehr hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof im obzitierten Erkenntnis die Meinung vertreten, dass der in § 95 Abs. 6 EStG 1988 verwendete Begriff der „rückgängig gemachten Kapitalerträge“ nicht zur Gutschriftengewährung im Sinne der Stückzinsenabrechnung berechtigt. Die am Ende der Laufzeit einer Nullkuponanleihe von der kuponauszahlenden Stelle vom gesamten Unterschiedsbetrag gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 einbehaltene KESt ist nach Auffassung des VwGH insoweit zu Unrecht erfolgt, als sie auf Kapitalerträge entfällt, die bereits nach § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 beim Veräußerer der Nullkuponanleihe besteuert wurden. Der Anleger hat danach die Möglichkeit, sich die zu Unrecht einbehaltene KESt erstatten zu lassen.

Die Ergänzung des § 95 EStG 1988 durch einen Abs. 7 soll die Beibehaltung des bisher bewährten Systems sichern. Als Hauptanwendungsfall für eine KESt-Gutschrift (§ 95 Abs. 7 Z 1 EStG 1988) wird jede Übernahme eines Wertpapiers im Rahmen eines Verwahrungsvertrages (§ 1 Abs. 1 Z 5 BWG iVm § 957 ABGB), ausgenommen Drittverwahrung, festgelegt. Des Weiteren soll die derzeit geübte Praxis der Erteilung von KESt-Gutschriften bei Wegfall einer Kapitalertragsteuerbefreiung (§ 95 Abs. 7 Z 2 EStG 1988) sowie die Begründung der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht (§ 95 Abs. 7 Z 3 EStG 1988) festgeschrieben werden. Es sind dies folgende Fälle:

-       Meldung der Begründung eines Wohnsitzes des Anlegers, der nicht unter die ZweitwohnsitzVO fällt.

-       Einlage von Kapitalanlagen in eine inländische Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person.

-       Einlage von Kapitalanlagen in eine inländische Betriebsstätte einer unbeschränkt steuerpflichtigen, jedoch in Österreich nicht ansässigen natürlichen Person.

Im selben Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass er, anders als die derzeitige Praxis, bestimmte Sachverhalte, wie etwa die Entnahme eines Wertpapiers aus einem Depot, nicht als der Kapitalertragsteuer unterliegende Vorgänge sieht. Diesbezüglich soll die Änderung des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 eine Klarstellung bringen.

Da mit den genannten Änderungen lediglich die bisher geübte Praxis abgesichert werden soll, werden diese Bestimmungen durch § 124b Z 144 und 145 EStG 1988 mit Ausnahme der Depotüberträge formal bis zur Verjährungsgrenze rückwirkend in Kraft gesetzt. Eine gleichheitswidrige Verletzung eines Vertrauensverhältnisses kann aus diesem Grunde nicht vorliegen.

Zu Artikel 2

Änderung des EU-Quellensteuergesetzes

Nachdem bei der EU-Quellensteuer ebenfalls das bei der Kapitalertragsteuer praktizierte Gutschrift/Lastschriftsystem zur Anwendung gelangt, ist es im EU-Quellensteuergesetz notwendig, den dafür vorgesehenen Verweis auf den neu geschaffenen § 95 Abs. 7 EStG 1988 zu erweitern.

Zu Artikel 3

Änderung der Bundesabgabenordnung

Die Änderung bildet eine inhaltliche Einheit mit der Änderung des § 37 Abs. 8 EStG 1988 und steht systematisch im Zusammenhang mit der Änderung des § 95 EStG 1988.

Wechselt der Anleger das Kreditinstitut und überträgt er sein Wertpapier auf ein Depot bei einem anderen Kreditinstitut, behält das übertragende Kreditinstitut von den bereits aufgelaufenen aber noch nicht fälligen Zinsen (Stückzinsen) KESt ein, während das neue Kreditinstitut in selber Höhe eine KESt-Gutschrift gewährt. Für die Kreditinstitute hat dies den Vorteil, dass sie keine Ausnahmefälle verwalten müssen und nicht zu überprüfen brauchen, weshalb ein Wertpapier ein Depot verlässt. Diese Vorgangsweise spart Aufwand und Kosten und hat sich außerdem in der Praxis grundsätzlich bewährt. Für den Anleger entsteht kein Nachteil, da der KESt-Belastung beim übertragenden Institut eine KESt-Gutschrift beim übernehmenden Kreditinstitut in gleicher Höhe gegenüber steht. Dies funktioniert jedoch nicht, wenn eine Depotverlegung ins Ausland erfolgt. In diesem Fall werden die Stückzinsen endgültig mit KESt belastet. Dies hat bereits die Europäische Kommission unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit aufgegriffen.

Die nunmehr für die Bundesabgabenordnung vorgeschlagene Regelung sieht die Möglichkeit einer Erstattung dieser von den Stückzinsen einbehaltenen Kapitalertragsteuer durch das Finanzamt vor. Durch die antragsgemäße KESt-Erstattung wird somit der Vorgang des Depotwechsels, in einen Staat der Europäischen Union oder einen Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit dem eine umfassende Amts- und Vollstreckungsamtshilfe besteht, wieder entsteuert. Die endgültige Besteuerung der Kapitalerträge erfolgt gemäß der derzeit geltenden Bestimmung des § 37 Abs. 8 Z 3 bis 5 EStG 1988 bei deren Fälligkeit im Veranlagungsweg.

Eine Rückerstattung von KESt auf Stückzinsen durch das Finanzamt erfolgt auch, wenn ein unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger Anleger Kapitalanlagen im Inland hält, seinen Wohnsitz ins EU/EWR-Ausland verlegt und dies dem Kreditinstitut meldet. Es stellt der Wegzug einen Umstand dar, der die Kapitalertragsteuerpflicht beendet und einen KESt-Abzug gemäß den derzeit geltenden Bestimmungen des § 95 Abs. 4 Z 3 oder 4 EStG 1988 auslöst. Das heißt, es werden beim Wegzug bereits aufgelaufene aber noch nicht zugeflossene (abgereifte) Kapitalerträge der KESt unterworfen. Gemäß der neuen Bestimmung des § 240 Abs. 2 BAO hat der Anleger jedoch einen Anspruch auf Rückerstattung der beim Wegzug von den Stückzinsen einbehaltenen KESt. Durch die neue Bestimmung des § 37 Abs. 8 Z 6 EStG 1988 werden nunmehr im Jahr des Wegzugs die bis zum Wegzug aufgelaufenen noch nicht zugeflossenen (abgereiften) Kapitalerträge, sofern eine KESt-Entlastung auf Grund eines Erstattungsantrages erfolgt ist, im Veranlagungsweg zur Besteuerung erfasst, wobei die effektive Steuerzahlung auf Antrag bis zum tatsächlichen Zufluss der Kapitalerträge aufgeschoben werden kann (Siehe auch Erläuterungen zu Artikel 1 Z 1). Damit scheint eine den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügende Besteuerung gewährleistet.“

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 2. April 2008 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Mag. Bruno Rossmann und Lutz Weinzinger sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Christoph Matznetter.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2008 04 02

                               Mag. Kurt Gaßner                                                   Dkfm. Dr. Günter Stummvoll

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann