567 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (523 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz)

Der vorliegende Entwurf enthält als Maßnahme zur Erhöhung der Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen Bestimmungen über eine besondere Haftung von Auftrag gebenden Unternehmen in der Baubranche (siehe dazu die Ausführungen im Regierungsprogramm, Kapitel Wirtschaft und Arbeit, unter dem Titel „Bekämpfung von Schwarzarbeit“).

Im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode ist im Kapitel Wirtschaft und Arbeit unter dem Titel „Bekämpfung von Schwarzarbeit“ festgeschrieben, dass als Maßnahme zur Erhöhung der Einnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen eine besondere Haftung von Auftraggebern/Auftraggeberinnen realisiert werden soll.

Mit der Anmeldung zur Sozialversicherung vor Arbeitsantritt wurde im Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007 auf der Basis eines Sozialpartnervorschlages ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Schwarzarbeit gesetzt. Seit 1. Jänner 2008 gelten strenge Sanktionen für DienstgeberInnen, die ihre DienstnehmerInnen nicht zur Sozialversicherung anmelden.

Nachdem die Einführung des „Reverse‑Charge‑Systems“ den Mehrwertsteuerbetrug im Baubereich weitgehend eingedämmt hat, soll nunmehr mit Hilfe einer Auftraggeberlnnenhaftung der systematischen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen durch „Schwindelfirmen“ im Baubereich ein Riegel vorgeschoben werden.

Die Sozialpartner haben diesbezüglich Gespräche geführt und sodann im Herbst 2007 einen entsprechenden Vorschlag präsentiert. Danach soll das beauftragende Bauunternehmen im erwähnten Sinn haften, wenn es nicht einen entsprechenden Geldbetrag an den zuständigen Sozialversicherungsträger überweist, es sei denn, der Auftrag wird an ein punkto Schwarzarbeit unbedenkliches Unternehmen vergeben.

Der Ministerrat hat am 14. November 2007 diesen Vorschlag der Sozialpartner in Form eines Berichtes des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz mit dem Titel „GeneralunternehmerInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge zur Bekämpfung von Schwarzarbeit“ zur Kenntnis genommen.

Zur Umsetzung dieser Anregungen wurde in der Folge eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Beiziehung der Sozialpartner und der Sozialversicherungsträger einberufen, welche konkrete Umsetzungsvorschläge erstattet hat, die in den vorliegenden Entwurf mündeten.

Zur Frage, warum ein derartiges Sonderhaftungsrecht gerade für den Bereich der Baubranche Platz greifen soll, wird auf die Erläuterungen zum Ministerialentwurf des Sozialbetrugsgesetzes, BGBl. I Nr. 152/2004, verwiesen. Demnach besteht von zehn zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldeten Baufirmen bei ca. neun Firmen der Verdacht des Sozialbetruges. Von ca. 800 Firmenbuchanmeldungen von im Baubereich tätigen Firmen pro Jahr existieren rund 600 bis 700 ein Jahr später nicht mehr. Dadurch entsteht ein fiskalischer Schaden zwischen 800 und 1 000 Millionen Euro pro Jahr. Nach etwa sechs bis neun Monaten eröffnen derart unredliche Firmen den Konkurs, ohne die öffentlichen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Die ArbeitnehmerInnen wenden sich in der Folge mit ihren Ansprüchen an den Insolvenz‑Ausfallgeld‑Fonds.

So sind etwa 60 % der in Wien von Insolvenzen betroffenen ArbeitnehmerInnen in der Bauwirtschaft beschäftigt. Im Jahr 2007 wurden allein in Wien 189 Betriebe aus der Bauwirtschaft insolvent, bundesweit 423. In Wien erhielten 4 498 ArbeitnehmerInnen der Bauwirtschaft in Summe 16 Millionen Euro aus dem Insolvenz‑Ausfallgeld‑Fonds, bundesweit waren es 7 352 ArbeitnehmerInnen der Bauwirtschaft, die 30 Millionen Euro vom Fonds erhielten. Den seriösen Unternehmen steht somit eine nicht unerhebliche Zahl von Betrieben gegenüber, bei denen sich im Zuge der Bearbeitung der Verdacht ergab, dass Sozialmissbrauch vorliegt (GeschäftsführerInnen nicht greifbar, keine Firmenunterlagen etc.), wodurch der Sozialversicherung in den vergangenen Jahren Beitragseinnahmen in Millionenhöhe entgingen und die ohnehin schwierige Finanzsituation der Krankenversicherungsträger zusätzlich beeinträchtigt wurde.

Die vorgeschlagenen Bestimmungen stellen somit eine längst fällige und adäquate Reaktion auf Malversationen dar, die seit Jahren mit großem Schaden für die Sozialversicherungsträger praktiziert werden.

Ziel der Regelung ist es, Unternehmen, die Bauleistungen nicht selbst erbringen, sondern an Subunternehmen weitergeben, zu veranlassen auf die Seriosität ihrer AuftragnehmerInnen zu achten. Es liegt dabei ein sachorientierter Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen AuftraggeberIn und AuftragnehmerIn vor, denn das den Auftrag vergebende Unternehmen verfügt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht über einen ausreichenden Einfluss auf den/die primär Verpflichtete/n.

Auf Grund des vielfältigen Einsatzes von Subunternehmen in der Baubranche und den damit verbundenen Möglichkeiten der illegalen Beschäftigung ist die Überprüfung und Überwachung durch die Behörden erschwert. Deshalb ist die Mitwirkung der Unternehmen bei Einhaltung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt im Baubereich erforderlich.

Die Ziele des Allgemeinwohls, die durch die AuftraggeberInnenhaftung erreicht werden sollen, sind die Wiederherstellung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt des Baugewerbes sowie die finanzielle Stabilität und die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger durch Sicherstellung der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge der DienstnehmerInnen im Baubereich. Da ein Schwerpunkt der illegalen Beschäftigung im Baubereich liegt, ist die AuftraggeberInnenhaftung für diesen Bereich notwendig und verhältnismäßig. Sie ist erforderlich, die genannten Ziele zu fördern, und stellt auch ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieser Ziele dar; ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. So stellt etwa eine verstärkte behördliche Aufsicht und Kontrolle der SubunternehmerInnen kein ebenso wirksames Mittel dar, da die Möglichkeiten der staatlichen Kontrolle beschränkt sind. Außerdem entspricht die Inanspruchnahme der Unternehmen ihrer Mitwirkungspflicht, die auch durch ihre Rolle in der Selbstverwaltung der Sozialversicherung zum Ausdruck kommt. Mit dieser Maßnahme kommen auch die Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft zum Einsatz.

Auch die Zumutbarkeit der vorgeschlagenen AuftraggeberInnenhaftung ist gegeben. Die verfolgten Ziele der Funktionsfähigkeit und finanziellen Stabilität der Sozialversicherung sowie die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt stellen Gemeinschaftsgüter von hoher Bedeutung dar, in die ein Eingriff auch dann gerechtfertigt werden kann, wenn er zu gewissen Einschränkungen der Betroffenen führt. Dabei ist zu beachten, dass die Auftrag gebenden Unternehmen grundsätzlich vom Einsatz von Subunternehmen profitieren. Zu bedenken ist weiters, dass die Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen den Auftragnehmern und Auftragnehmerinnen regelmäßig ermöglicht, die Angebote der seriösen Mitkonkurrenz zu unterbieten. Indirekt profitiert das Auftrag gebende Untenehmen daher von den unlauteren Praktiken, und ohne externen Anreiz wird das Auftrag gebende Unternehmen nicht veranlasst sein, auf die Seriosität des von ihm beauftragten Unternehmens bezüglich der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zu achten.

Die AuftraggeberInnen können zudem entscheidend durch die Auswahl der SubunternehmerInnen das Risiko der Beschäftigung illegaler DienstnehmerInnen und des Eintritts ihrer Haftung gering halten. Dazu sieht die Regelung vor, dass die AuftraggeberInnen die Haftung auf zwei Arten abwenden können: Einerseits durch die Möglichkeit, 20 % des Werklohnes nicht an das beauftragte Unternehmen, sondern an die Sozialversicherung (Dienstleistungszentrum bei der Wiener Gebietskrankenkasse) zu überweisen, und zwar dann, wenn andererseits das beauftragte Unternehmen im Zeitpunkt der Zahlung der Leistung nicht ohnehin als „geprüftes“ (haftungsfreistellendes) Unternehmen gilt. Die gewählte Haftungskonstruktion gibt dem Auftrag gebenden Unternehmen somit eine breite Palette an Möglichkeiten, die Haftung abzuwenden, und ist somit verhältnismäßig.

Die Regelung führt zu keinen Nachteilen für Subunternehmen, die sich legal verhalten, da ihnen zum einen ein Rechtsanspruch auf Auszahlung von Guthaben eingeräumt wird und zum anderen etwaige überwiesenen Haftungsbeträge mit Forderungen der Krankenversicherungsträger gegengerechnet werden. Durch die AuftraggeberInnenhaftung wird die Anzahl der Subunternehmen, die ihren Beitragspflichten gegenüber der Sozialversicherung nicht nachkommen, sinken.

Die Regelung entspricht auch dem Gleichheitsgrundsatz: Da den Auftrag gebenden Unternehmen grundsätzlich wirtschaftliche Vorteile durch den Einsatz von Subunternehmen entstehen, ist es gerechtfertigt, sie mit der Haftung für fremde Sozialversicherungspflichten zu belasten.

Die Regelung gilt zudem nur für AuftraggeberInnen, die Unternehmen sind, da grundsätzlich nur Unternehmen über eine ausreichende Professionalität verfügen und in der Lage sind, auf ihre Subunternehmen entsprechend einzuwirken. Werden Unternehmen, die keine Bauunternehmen sind, sondern nur als „Bauherren“, also als LetztbestellerInnen eines Werkes auftreten, tätig, so fallen sie nicht unter die Haftungsregelung des § 67a ASVG.

Aus EU‑rechtlicher Sicht ist zu diesem Vorhaben Folgendes zu bemerken:

Nationale sozialversicherungsrechtliche Vorschriften über die AuftraggeberInnenhaftung fallen aus EG‑rechtlicher Sicht nicht unter die „Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit“, die durch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 koordiniert werden (EuGH in C‑327/92, Rheinhold & Mahla). Daher kann nach dieser Judikatur ein österreichisches Gesetz nur AuftraggeberInnen erfassen, die ihre Niederlassung in Österreich haben, und wegen des Normzwecks der Regelungen darüber hinaus auch nur dann, wenn die eingesetzten DienstnehmerInnen den österreichischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterliegen (wofür auch die Rechtsvorschriften über die anzuwendenden Rechtsvorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 heranzuziehen sind). Somit wäre bei Beauftragung eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Subunternehmens durch eine/n österreichische/n AuftraggeberIn nur dann die vorgeschlagene AuftraggeberInnenhaftung anwendbar, wenn auf die DienstnehmerInnen österreichisches Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist, z. B. weil der Auftrag in Österreich länger als zwölf Monate dauert. Handelt es sich z. B. um eine Entsendung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (kürzer als zwölf Monate), die somit eine Versicherung der betroffenen DienstnehmerInnen im Entsendestaat und nicht in Österreich zur Folge hat, kann die AuftraggeberInnenhaftung nicht zum Tragen kommen.

Bei der Anwendung dieser Regelungen ist aber auch auf das EG‑Recht betreffend die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Bedacht zu nehmen (Art. 43 ff. und 49 ff. des EG‑Vertrages): Direkte oder indirekte Diskriminierungen von Unternehmen, die Dienstleistungen aus dem Ausland anbieten wollen oder sich in Österreich niederlassen wollen, müssen vermieden werden. Daher müssen für Zwecke der Freistellung laut der beabsichtigten Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen auch die Erbringung von Bauleistungen in einem anderen Mitgliedstaat oder die in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Beiträge zur sozialen Sicherheit solchen Sachverhalten im Inland gleichgestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Bestandteil des EWR‑Abkommens bzw. der vertraglichen Beziehungen zur Schweiz sind, ist diese Gleichstellung auch für Sachverhalte in den EWR‑Staaten bzw. in der Schweiz anzuwenden.

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozialversicherungswesen“).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. Mai 2008 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters die Abgeordneten Karl Öllinger, Herbert Kickl, Franz Riepl, Dr. Reinhold Mitterlehner, Sigisbert Dolinschek, Karl Donabauer, Walter Schopf, Theresia Haidlmayr sowie der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz Dr. Erwin Buchinger.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit

angenommen.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Dietmar Keck gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (523 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2008 05 27

                                   Dietmar Keck                                                                   Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau