Vorblatt

Problem

Derzeit gibt es in der Straßenverkehrsordnung 1960 weder ausdrückliche Bestimmungen über die Zulässigkeit des Einsatzes bildverarbeitender technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung noch datenschutzrechtliche Anforderungen an ebensolche Einrichtungen. Im Lichte des datenschutzrechtlich aus § 1 Abs. 2 DSG 2000 bzw. allgemein aus Art. 18 Abs. 1 B-VG erschließbaren Erfordernisses einer ausreichenden bestimmten einfachgesetzlichen Ermächtigung für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz erscheint es zweckmäßig, die in der Praxis herangezogenen technischen Überwachungsmethoden ausdrücklich zu regeln.

Im Kraftfahrgesetz 1967 findet sich zwar in Form des § 134 Abs. 3b eine Ermächtigung zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit mittels „automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme […], mit denen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen werden kann“. Nähere Aussagen zur Reichweite der Verwendung dabei anfallender Daten fehlen jedoch auch hier.

Ziel

Ausdrückliche Regelung des Einsatzes technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung. Zugleich Gewährleistung der erforderlichen Bestimmtheit für Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz.

Inhalt, Problemlösung

Mit der vorliegenden Novelle werden am Beginn des XIII. Abschnitts der StVO die §§ 98a bis 98f neu eingefügt. Sie enthalten „besondere Vorschriften für die Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen“. Da insb. die Methode der sog. abschnittbezogenen Geschwindigkeitsmessung („Section Control“) nicht nur zur Kontrolle einer für alle Fahrzeuge geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit, sondern auch zur Feststellung der Überschreitung einer fahrzeugspezifischen Geschwindigkeit im Sinne des § 98 Abs. 1 KFG eingesetzt werden kann, bedarf es einer parallelen Regelung im KFG. Diese soll in Anknüpfung an die bisherige Regelung in § 134 Abs. 3b erfolgen.

Alternativen

Erschließung der Zulässigkeit des Einsatzes technischer Einrichtungen über den Weg der Auslegung von Ge- bzw. Verbotsregelungen in Verbindung mit den den Behörden zugewiesenen Aufgaben zur Wahrnehmung der Straßenpolizei, verbunden mit dem Risiko fehlender einfachgesetzlicher Deckung.

Auswirkungen des Regelungsvorhabens

Finanzielle Auswirkungen: Keine.

Wirtschaftspolitische Auswirkungen

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich: Keine.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen: Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

geschlechtsspezifische Auswirkungen: Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts bestehen keine Rechtsvorschriften, die zu den vorgeschlagenen Regelungen in Widerspruch stehen.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Es werden die zulässigen Methoden der Geschwindigkeitsmessung („abschnittsbezogene“, „punktuelle“ Geschwindigkeitsüberwachung), die „Abstandsmessung“, die Überwachung der Beachtung von Lichtzeichen („Rotlichtkameras“), die Überwachung aus Fahrzeugen (z.B. „Zivilstreifen“) – soweit diese jeweils mit bildverarbeitenden Verfahren verbunden sind - sowie Bildübertragungen für Zwecke der Regelung und Sicherung des Verkehrs (Verkehrsbeobachtung) geregelt. Gleichzeitig werden jeweils die zulässigen Einsatzzwecke festgelegt und die datenschutzrechtlichen Anforderungen normiert. Der Einsatz von technischen Möglichkeiten zur Frontfotografie wird ermöglicht.

Kompetenzgrundlage:

Der Gesetzesentwurf stützt sich in kompetenzrechtlicher Hinsicht auf Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG („Straßenpolizei“) sowie Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG („Kraftfahrwesen“).

Finanzielle Auswirkungen:

Der Gesetzesentwurf enthält keine Bestimmungen, die für den Bund oder die Länder einen finanziellen Mehraufwand verursachen würden. Es wird lediglich die Zulässigkeit des Einsatzes technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung geregelt, aber keine zwingende Verwendung vorgeschrieben.

Besonderer Teil

Zu Art. I (Änderung der Straßenverkehrsordnung 1960 ):

Zu Z 1 (§ 26a Abs. 1)

§ 20 des Militärbefugnisgesetzes (MBG), BGBl. I Nr. 86/2000, weist den Militärischen Nachrichtendiensten die Aufgabe der nachrichtendienstlichen Aufklärung und Abwehr zu. Den militärischen Nachrichtendiensten wird durch § 22 Abs. 3 MBG für die Erfüllung dieser Aufgabe die Datenermittlungen durch Beobachten (Observationen) als eine Befugnis erteilt.

Observationen werden nicht nur zu Fuß, sondern auch mit Kraftfahrzeugen durchgeführt und dabei kann es zur Auftragserfüllung notwendig sein, gegen Halte- und Parkverbote zu verstoßen, Geschwindigkeitsbeschränkungen zu überschreiten, Fahrverbote nicht zu berücksichtigen, an Stellen, an denen dies verboten ist, zum linken Fahrbahnrand zuzufahren oder Fahrstreifen und Straßen für Omnibusse benützen.

Zu Z 1a (§ 52 lit. a Z 10b ):

Mit dieser Ergänzung wird klargestellt, dass ein im Rahmen der StVO selbstverständlicher Grundsatz - dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht ausdrücklich beendet werden muss, wenn zwei derartige Beschränkungen nahtlos aneinander anschließen, etwa bei Geschwindigkeitstrichtern – auch gilt, wenn die zweite Beschränkung sich nicht aus der StVO ergibt, sondern aus anderen Rechtsvorschriften, etwa dem IG-L.

Zu Z 2 (§ 98a bis § 98f):

Mit der „abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung“ wird die sog. „Section Control“ einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zugeführt. Die zulässigen Einsatzzwecke entsprechen jenen bei der „punktuellen Geschwindigkeitsüberwachung“ („Radarboxen“). Durch restriktive Datenverwendungs- und Löschungsregelungen (§ 98a Abs. 2 und 3; § 98b Abs. 2 und 3) wird dafür Sorge getragen, dass die aus festgestellten Übertretungsfällen gewonnenen personenbezogenen Daten grundsätzlich nur für unmittelbar daran anschließende Verwaltungsstrafverfahren weiterverwendet werden dürfen. Aufgrund des gesetzlichen Wortlautes ist jedenfalls sichergestellt, dass alle technischen Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit gewährleistet ist, dass Unbeteiligte, die auf den Fotos ersichtlich sind, unkenntlich gemacht werden sowie Daten von Kraftfahrzeuglenkern, die keine Verwaltungsübertretung begangen haben – wie dies bei der Section Control möglich ist – sofort gelöscht werden.

Mit der Regelung des § 98a wird dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2007, G 147,148/06 u.a., Rechnung getragen, wonach die mittels Section Control zu überwachende Strecke durch Verordnung festzulegen ist. Welche Behörde für die Erlassung dieser Verordnung zuständig ist, ergibt sich aus den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen der StVO in den §§ 94 ff; sie wird sich bei Erlassung an den in Abs. 1 festgelegten Kriterien zu orientieren haben. Die auf der konkreten Messstrecke für die Verkehrspolizei zuständige Behörde ist sodann zuständig, den konkreten Einsatz der Section Control anzuordnen, und wird demnach auch Auftraggeber i.S. des DSG sein. Da anlässlich des erwähnten Erkenntnisses auch die Bedeutung des Begriffes „bestimmte Wegstrecke“ problematisiert wurde, werden einerseits die Kriterien, denen die zu überwachende Strecke genügen muss, direkt im Gesetz festgeschrieben, und andererseits dieser Terminus durch den Begriff der „festgelegten Wegstrecke“ ersetzt (s. auch die Neufassung des § 100 Abs. 5b).

Die Regelungen des § 98b entsprechen weitgehend jenen des § 98a, jedoch entfällt das Erfordernis, die zu überwachende Stelle per Verordnung festzulegen. Aus datenschutzrechtlichen Überlegungen ist dies auch nicht erforderlich, weil – im Unterschied zum System der Section Control, das zunächst alle den überwachten Abschnitt passierenden Fahrzeuge erfasst – bei Radarmessungen nur Fahrzeuge erfasst werden, die eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen haben.

§ 98c unterscheidet sich von den vorangehenden Bestimmungen lediglich insofern, als hier auch die Verwendung von anderen Daten als denen des Verdächtigen unter bestimmten Umständen für zulässig erklärt wird. Dies betrifft insbesondere das Kennzeichen des vorderen Fahrzeugs, weil dieses im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den zu dicht Auffahrenden von Bedeutung sein kann (etwa für Zeugeneinvernahmen).

§ 98d regelt die Verwendung von sog. „Rotlichtkameras“.

Die Bestimmung des § 98e betrifft den Einsatz von in Fahrzeugen installierten Kameras. Diese dürfen nur von Organen der öffentlichen Sicherheit nach Anordnung durch die Behörde eingesetzt werden (können also nur in Fahrzeugen eingebaut werden, die von diesen Organen benützt werden), und auch nur in Fällen eines begründeten Verdachts hinsichtlich einer Übertretung.

§ 98f setzt Rahmenbedingungen für den Einsatz von Kameras zur Verkehrsbeobachtung fest und regelt, wie mit den dabei gewonnenen Daten zu verfahren ist. Grundsätzlich dienen diese Einrichtungen nur dazu, Störungen im Verkehrsfluss (etwa Staus, Glatteisbildung, Schneefahrbahn, etc.) rasch erkennen und entsprechend darauf reagieren zu können. Insbesondere für den Straßenerhalter kann es aber auch wichtig sein, Hindernisse auf der Fahrbahn rasch erkennen und beseitigen zu können. Eine technisch mögliche Gewinnung von Daten (z.B. Kennzeichen sind erkennbar) kann daher nicht schlechthin ausgeschlossen werden, ohne dem Sinn der Bestimmung zuwider zu laufen, weil es (technisch) möglich sein muss, von der Kamera erfasste Objekte in einer Auflösung zu betrachten, die ermöglicht zu erkennen, worum es sich handelt; zulässig sein soll eine dermaßen detaillierte Betrachtung aber nur, wenn dies zu Erfüllung der Aufgaben unumgänglich ist. Eine Speicherung von Daten ist aber keinesfalls erlaubt.

Zu Z 3 (§ 100 Abs. 5b):

Es werden lediglich redaktionelle Anpassungen an den neu eingefügten § 98a vorgenommen.

Zu Art. II (Änderung des Kraftfahrgesetzes 1967):

Die aufgrund der neuen Bestimmungen der StVO festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen und die dabei gewonnen Daten sollen auch für Strafverfahren verwendet werden dürfen, die aufgrund des Kraftfahrgesetzes zu führen sind, weil die auf Basis des § 98 KFG in § 58 der Kraftfahrgesetz - Durchführungsverordnung (KDV) 1967 für bestimmte Untergruppen von Kraftfahrzeugen bzw. für bestimmte Fälle festgesetzten Geschwindigkeiten überschritten worden sind. Die beiden letzten Sätze des bisherigen Abs. 3b können unverändert übernommen werden.