Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Rudolf Parnigoni, Mag. Johann Maier, Christian Hursky, Kai Jan Krainer, Angela Lueger, Dr. Sabine Oberhauser, Otto Pendl, Hannes Weninger und GenossInnen

zum Bericht des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten (129/GO)

 

Unternehmens(un)kultur im BM.I

 

Präambel

 

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Causa Innenministerium – wiewohl einer der kürzesten der Zweiten Republik, hat in seinen mehr als zwanzig Sitzungen eine Fülle von Erkenntnissen gebracht, die das ab der Regierung Schüssel I ins BM.I eingezogene Amtsverständnis in ein schiefes Licht bringen.

Bezeichnend war von Anfang an das Verhalten der ÖVP, die sich vehement gegen die Installierung des Untersuchungsausschusses sperrte, auch wenn oder gerade weil Ex-BKA-Chef Dr. Herwig Haidinger, jener Mann, der den Untersuchungsausschuss durch seine Aussagen vor dem parlamentarischen Innenausschuss ins Rollen brachte, als deklarierter ÖVP-Mann vom ehemaligen Innenminister Ernst Strasser auf diesen Posten gestellt wurde.

„Ich möchte, dass sich die Unternehmenskultur im BM.I grundlegend ändert. Das ist mein Motiv. Alles andere ist Unterstellung.“ So lautete das Einstiegsstatement von „Kronzeugen“ Herwig Haidinger. Mit dieser überraschenden Aussage im Innenausschuss am 5. und 26. Februar 2008 trat Herwig Haidinger eine politische Lawine los. Im Kern der Vorwürfe, zu deren Verifizierung später ein umfangreicher Prüfauftrag erstellt wurde, stand dabei das Agieren des ÖVP-geführten Innenministeriums im Vorfeld des Nationalratswahlkampfes 2006. Insbesondere das von Haidinger beanstandete parteipolitisch motivierte Vorgehen des BM.I, was etwaige Geldflüsse der BAWAG in Richtung SPÖ betrifft, erregte die Gemüter. Zudem bedurften die Ungereimtheiten rund um das BIA, den Fall Kampusch, die Installierung des Behördenfunknetzes ADONIS (jetzt BOS Austria), aber auch bei Postenbesetzungen einer intensiveren Überprüfung (Aufgrund des von der ÖVP verursachten Wahlkampfes konnten letztgenannte Punkte allerdings nur mehr rudimentär bis gar nicht behandelt werden).

Um daher das Vertrauen in die Rechtstaatlichkeit, das Innenministerium, die Polizei und die Politik wiederherzustellen, plädierte die SPÖ nach intensiver Diskussion und sorgfältiger Prüfung für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser wurde schließlich am 3. März 2008 mit den Stimmen aller Fraktionen – mit Ausnahme jener der ÖVP – im Plenum beschlossen.

Als der Untersuchungsausschuss beschlossen  war, verlegte sich die ÖVP auf eine neue Taktik. Ab nun wurde dieses parlamentarische Instrument stets von ÖVP-Seite als „Kraut und Rüben-Ausschuss“ bezeichnet. Die Konsumation von Rüben, so weiß es der Volksmund, schärft allerdings das Sehvermögen – und so erging es auch den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses, die im Laufe der Monate infolge der Aussagen zahlreicher Auskunftspersonen ein sehr brauchbares Bild von der Unternehmenskultur vermittelt bekamen, die seit dem Jahr 2000 im Bundesministerium für Inneres herrscht und welche dieser Bericht in der Folge Auskunft geben will.

 

Seitens der SPÖ gehörten dem Untersuchungsausschuss folgende Abgeordnete an:

Parnigoni Rudolf (Fraktionsführer)

Maier Johann, Mag. (Fraktionsführer-Stellvertreter)

Broukal Josef

Hursky Christian

Jarolim Johannes, Dr.

Königsberger-Ludwig Ulrike

Krainer Kai Jan

Lueger Angela

Mayer Elmar

Oberhauser Sabine, Dr.

Pendl Otto

Trunk Melitta, Mag.

Weninger Hannes

Wittmann Peter, Dr.

Wurm Gisela, Mag

 

I.) Fragwürdige Unternehmenskultur im BM.I

 

Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament – zögerliche Aktenanlieferung

 

Von Anfang an leistete Innenminister Platter einen gehörigen Beitrag, um den Zeitplan des Ausschusses immer wieder durcheinander zu bringen. Dies wurde von der SPÖ, aber auch anderen Fraktionen, als permanente Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament gewertet. So kam es seitens des Bundesministeriums für Inneres zu massiven Verzögerungen bei der Aktenübermittlung an das Parlament. Nationalratspräsidentin Prammer erzielte erst mit gewaltigem persönlichen Einsatz eine Einigung mit dem Innenminister, um die für die Ausschussarbeit unerlässliche Lieferung von wesentlichen Aktenteilen zu gewährleisten.

Das Innenministerium übermittelte aber auch weiterhin (im Unterschied etwa zum BMJ oder dem BMLV) nur äußerst schleppend Akten an das Parlament, wodurch die Befragungen der Auskunftspersonen erheblich erschwert und verzögert wurden. Auch der Chef des Büros für interne Angelegenheiten (BIA), Martin Kreutner, kam seiner unter Wahrheitspflicht im Ausschuss geäußerten Zusage, eine Liste mit jenen PolitikerInnen, gegen die das BIA ermittelt(e), zu liefern, bis dato nicht nach.

 

Keine nachvollziehbaren Strukturen im Kabinett des BM.I

 

Der Untersuchungsausschuss hat bewiesen, dass es im Innenministerium keine geordneten Strukturen gibt. Pressesprecher schreiben keine Presseaussendungen, Kabinettsmitarbeiter sprechen mit niemandem, unliebsame Mitarbeiter haben wochenlang keinen konkreten Arbeitsauftrag, unliebsame Personen werden mit Versorgungsposten ruhig gestellt, andere werden als „weiße“ Elefanten, hochbezahlt und bedeutungslos, in Hinterzimmern versteckt, wo sie ihrer Pension harren. Aufschlussreiche Erkenntnisse in dieser Hinsicht ergaben u. a. die Befragungen des ehemaligen Pressesprechers Johannes Rauch am 30. April 2008 und des ehemaligen engen Haidinger-Mitarbeiters Gerhard Schneider am 2. Juni 2008.

 

„Rot-weiß-roter“ Besetzungs-Zynismus im Ministerbüro

 

Ein zentraler Kritikpunkt der SPÖ in den vergangenen Jahren, der auch unter dem Punkt „Unternehmenskultur“ zu subsumieren ist, stellte die Einfärbung des BM.I mit Schlüsselpersonal dar, das der ÖVP nahestand. Auch wenn der Untersuchungspunkt „Besetzungen“ nicht mehr eingehend beleuchtet werden konnte, finden sich in den Akten, insbesondere in der Sammlung von E-Mails des ehemaligen Innenministers Ernst Strasser, (deren aussagekräftigsten, obwohl als vertraulich eingestuft, an die mediale Öffentlichkeit gelangten), eindrucksvolle Indizien dafür, wie zynisch mit dem Begriff „rot-weiß-rot“ umgegangen wurde. Ein in diesem Zusammenhang übrigens völlig unverdächtiger Zeuge, ist der neue Direktor des Bundeskriminalamtes Franz Lang, der nur Stunden nach Amtsantritt, gleich auch auf den Posten des Kabinettschef der neuen Innenministerin Maria Fekter gehievt wurde: Lang gestand in einer Presseaussendung Anfang Juli 2008 insofern gravierende Fehler ein, als er dafür plädierte, „dass bei personellen Neubesetzungen künftig mehr auf die fachliche Eignung statt auf persönliche Beziehungen Wert gelegt werden solle“.

 

Fragwürdiger Umgang mit Personalakten

 

Gleich zu Beginn des Untersuchungsausschusses sorgte der damalige Innenminister Günter Platter für einen wahren Knalleffekt: Der Innenminister kam bei seiner Befragung vor dem Untersuchungsausschuss am 22. April 2008 ins Trudeln - und zwar in Bezug auf den Umgang personenbezogener Daten über die sexuelle Orientierung in den Personalakten der Bediensteten des Innenministeriums. Zu Beginn versuchte der Innenminister – gemäß der ÖVP-Generallinie – sich als gewissenhafter Hüter des Datenschutzes darzustellen, der die Aktenlieferung an den U-Ausschusses nur deshalb verzögert habe, um schützenswerte Details der MitarbeiterInnen nicht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Schon bei der ersten Frage von SPÖ-Fraktionsführer Rudolf Parnigoni, inwieweit Informationen zur sexuellen Orientierung in den Personalakten im BM.I aufscheinen, geriet der sichtlich schlecht vorbereitete Minister in ärgsten Argumentationsnotstand. Nachdem er auf zweifache Nachfrage angegeben hatte, dass entsprechende Informationen über sexuelle Orientierung sehr wohl in den Personalakten gespeichert sind, schwächte er nach einer viele Minuten dauernden Schrecksekunde doch wieder ab und meinte schließlich, besagte Angaben seien nur in gewissen allgemeinen Verwaltungsakten vorzufinden. Der Minister ließ dabei aber offen, was solch ein allgemeiner Verwaltungsakt sei, wodurch er sich von Personalakten unterscheidet und was diese vorgeblichen Verwaltungsakten beinhalten.

 

Eifersüchteleien zwischen BM.I und BMJ

 

Ein weiteres Mosaiksteinchen, das zu einem konkreten Bild der Abgeordneten über die Unternehmenskultur im ÖVP-geführten BM.I. beitrug, lieferte am 17. Juni 2008 Christoph Pöchinger,  Pressesprecher von Ex-Justizministerin Karin Gastinger: „Zwischen den beiden Kabinetten gab es eine Art Hassliebe“, meinte Pöchinger bei seiner Befragung, „es ging jedem darum seine Chefin medial in ein gutes Licht zu stellen. (Pöchinger nahm damit Bezug auf ÖVP-Ministerin Prokop und BZÖ-Ministerin Gastinger, Anm.)

 

Kabinett des BM.I als Servicestelle von ÖVP-Vorfeldorganisationen

 

Einen weiteren interessanten Aspekt zum Thema „Machtmissbrauch“ im Innenministerium brachte die Befragung von Auskunftsperson Generalmajor Andreas Pilsl am 26. Mai 2008 zutage. Pilsl, von Jänner 2003 bis August 2006 unter den Ministern Strasser bzw. Prokop Kabinettsmitglied und gegenwärtig Landespolizeikommandant für Oberösterreich, gab unter anderem zu, dass im BM.I nicht nur sachliche Zuständigkeiten zugeteilt worden wären, sondern dass die einzelnen Kabinettsmitarbeiter auch speziell für die einzelnen Teilorganisationen der ÖVP eingeteilt waren. Er selbst sei für den ÖAAB zuständig gewesen.

 

SPÖ-Fraktionsführer Parnigoni wurde bespitzelt

 

Schließlich konnten sich nicht einmal die Abgeordneten im Hohen Haus bzw. des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der freien Ausübung ihres Mandates sicher sein. Für diesbezüglichen Wirbel sorgte  eine weitere E-Mail aus dem Kabinett des früheren Innenministers Ernst Strasser: Diese führt zu dem dringenden Verdacht, dass PolitikerInnen und BeamtInnen, die dem Minister politisch nicht zu Gesicht standen, durch Polizeibeamte bespitzelt wurden. Im konkreten Fall SPÖ-Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni und der ehemalige Gendarmerie-General Oskar Strohmeyer, der 2002 zum Leiter der Flugpolizei Schwechat degradiert und 2004 mit 51 zwangspensioniert wurde.

Am 5. Februar 2002 bekam Ernst Strasser von seinem Personalchef Michael Kloibmüller folgende Email: "Parnigoni, Strohmeyer und die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter haben am 4. 2. wie besprochen mehrere Dienststellen in Gmünd besucht. Unsere Quellen . . . haben von einer sehr korrekten Haltung von Stroh gesprochen. Er und sogar Parnigoni haben eigentlich alle Maßnahmen des BMI verteidigt. Sehe keinen Bedarf, einzuschreiten."

Der Sicherheitssprecher und SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss sprach in der Ausschuss-Sitzung am 21. Mai 2008 von Stasi-Methoden: "Ich bin entsetzt, dass es in Österreich möglich ist, dass ein Minister den Behördenapparat dazu benutzt, um Andersdenkende zu bespitzeln.

 

II.) Büro für interne Angelegenheiten (BIA)

 

Eine der spektakulärsten Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zur Causa Innenministerium war zweifelsohne, dass das Büro für interne Angelegenheiten, das vom ehemaligen Innenminister Strasser eingerichtet und von Martin Kreutner geführt wurde, jahrelang ohne entsprechende Rechtsgrundlage agierte. Der Erlass zur Gründung des BIA samt einer mündlichen Weisungsfreistellung durch den damaligen Kabinettschef Ulmer waren und sind keine taugliche Rechtsgrundlage, um Ermittlungen gegen private Personen vorzunehmen. Hiefür muss ein Gesetz als Rechtsgrundlage vom Parlament beschlossen werden. Dieser Umstand wurde auch vom zuständigen Sektionschef im Innenministerium Prugger der Ressortleitung mitgeteilt (Innenministerin Liese Prokop), es wurden jedoch die notwendigen Schritte nicht eingeleitet.

Das BIA hat also jahrelang mit Wissen der Ressortleitung und der beamteten Spitze des Hauses ohne Rechtsgrundlage in Persönlichkeitsrechte von PolizistInnen und BeamtInnen, aber auch StaatsbürgerInnen, eingegriffen und diese – weil ohne Rechtsgrundlage – laufend verletzt.

Die sofortige Auflösung des Büros für interne Angelegenheiten ist daher einer der zentralen Forderungen der SPÖ. Die diesbezügliche erste Ankündigung des damaligen Innenministers Platter bereits kurz nach Konstituierung des Untersuchungsausschusses, das umstrittene Büro für Interne Angelegenheiten aufzulösen und durch ein Bundesamt für Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention zu ersetzen, zeugt zwar von „Unrechtsbewusstsein“, ist aber viel zu wenig.

Die neue Innenministerin Dr. Maria Fekter, die im U-Ausschuss nicht mehr befragt werden konnte, kann sich freilich nicht auf Unkenntnis berufen und hat diesen rechtsstaatlich unerträglichen und gesetzwidrigen Zustand sofort abzustellen. Das Büro für interne Angelegenheiten ist daher – wie schon erwähnt - sofort aufzulösen und die dort tätigen BeamtInnen sind in anderen Verwendungsbereichen einzusetzen.

Schließlich ist hinsichtlich des Begutachtungsentwurfs ihres Vorgängers Platter zur Einsetzung eines Bundesamtes zur Korruptionsbekämpfung festzuhalten, dass dieser völlig untauglich ist und in seiner Gänze abgeändert werden muss, um den rechtsstaatlichen Bedingungen zu genügen.

 

III.) Weisungen

 

Herwig Haidinger sagte am 23. April 2008 Folgendes: „Diese Vorgabe, Anweisung, Aufforderung, Weisung, wie immer Sie wollen – dieser Ausdruck „Weisung“ ist dabei nicht gefallen, er (Anm. Andreas Pilsl) hat nicht gesagt, ich erteile dir die Weisung, mach Folgendes, sondern hat inhaltlich geredet.“

Anhand dieser Aussage ist klar ersichtlich, dass im Ministerbüro Entscheidungen getroffen wurden, die in der Folge von Kabinettsmitarbeitern an die Mitarbeiter des Innenministeriums weitergegeben wurden. Sehr problematisch erscheint aber, dass es offensichtlich höchst unklar ist, welche rechtliche Qualität diese Wünsche bzw. Aufforderungen haben.

 

Mit dieser Problemstellung hat sich auch der erste Zwischenbericht der sogenannten Adamovich-Kommission beschäftigt, die in Hinblick auf den Fall Kampusch und das damit verbundene nachhaltige öffentliche Interesse damit beauftragt wurde, in dieser Causa die Evaluierung mit Nachdruck voran zu treiben. Denn auch im Zusammenhang mit dem Fall Kampusch gab es den Vorwurf, dass der „Wunsch“ der damaligen Innenministerin Prokop dazu geführt habe, dass ein wesentlicher Zeuge vor der Nationalratwahl nicht einvernommen werden sollte.

So wird in diesem ersten Zwischenbericht ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.11.2004, GZ 2001/09/0035 zitiert:

„Eine Weisung in einer Verwaltungsorganisation muss nämlich nicht in Form eines Befehles ergehen, um verbindlich zu sein. Ein „Ersuchen“ oder ein „Gebetenwerden“ durch einen Vorgesetzten bzw. eine vorgesetzte Stelle genügt jedenfalls dann, wenn aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, dass sein Inhalt (unbeachtet der gewählten Formulierung) bei verständiger Würdigung nur als Festlegung einer Pflicht verstanden werden kann.“

Aus diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes können nun folgende zwei wesentliche Punkte abgeleitet werden:

 

1)     Nach geltender Rechtslage kann nur ein vorgesetztes Organ einem nachgeordneten Organ eine Weisung erteilen. Ein(e) MitarbeiterIn des Kabinetts einer Bundesministerin/eines Bundesministers ist aber kein(e) Vorgesetzte(r), die/der in der Ministerialorganisation gemäß dem Bundesministeriengesetz in Sektionen, Gruppen, Abteilungen und Referaten tätigen Bediensteten, Weisungen erteilen kann. In der Praxis tritt allerdings das Problem auf, dass MitarbeiterInnen des Kabinetts Anweisungen an Bedienstete tätigen und dabei stets den Eindruck erwecken, dass es sich um Wünsche der Ministerin/des Ministers handelt. Auch der Adamovich-Bericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass es den betroffenen Bediensteten nicht zumutbar ist, von sich aus zu klären, ob es sich um ein für die Erteilung von Weisungen zuständiges Organ handelt oder nicht, wenn im Bundesministerium der äußere Eindruck entstanden ist, es handle sich um ein weisungsberechtigtes Organ.

 

2)     Die gesetzliche Regelung von Weisungen bedarf daher einer Änderung. Selbstverständlich soll es weiterhin möglich sein sein, dass sich ein(e) BundesministerIn ihrer/seiner KabinettsmitarbeiterInnen bedient, um Weisungen an die Bediensteten weiterzuleiten, aber es muss jedenfalls sichergestellt werden, dass jede Weisung der Bundesministerin/des Bundesministers schriftlich dokumentiert wird. Es muss jederzeit nachvollziehbar sein, wem in welcher Angelegenheit eine Weisung erteilt wurde.

 

Der Untersuchungsausschuss und letztlich auch die Staatsanwaltschaft, standen daher vor dem Problem, dass bei dem zentralen Vorwurf, nämlich, dass das Kabinett der Innenministerin Prokop Weisungen erteilt hat, um der ÖVP einen klaren Vorteil gegenüber dem politischen Gegner SPÖ zu verschaffen, immer Aussage gegen Aussage stand. Es bestehen nämlich keinerlei Aufzeichnungen über Weisungen der Kabinettsmitarbeiter an Haidinger. So soll Kabinettchef Ita den damaligen Leiters des Bundeskriminalamtes Haidinger unter Druck gesetzt haben, um die dem Bankenuntersuchungsausschuss vom Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellten Unterlagen vorher dem Klub der ÖVP zukommen zu lassen. Die Erkärungen Itas, warum sich Haidinger an den ÖVP Klub wenden soll, erscheinen höchst fadenscheinig. So meinte er am 29. April 2008:

„Ich habe ihn (Anm. Haidinger) auch gebeten, sich über das Procedere kundig zu machen. Wir haben alle nicht gewusst, wie und was bei einem Untersuchungsausschuss zu veranlassen ist.“

Haidingers Ausführungen am 13. Mai 2008 dazu sprechen für sich und benötigen keinen weiteren Kommentar:

„Wenn er mich das gefragt hätte, hätte ich gesagt: Philipp, du kennst Eller Walter! Verzeihen Sie, Mag. Walter Eller, das ist die personifizierte Ministerrats- und Parlamentsdienstabteilung; die Abteilung III/1, glaube ich, ist das im Innenministerium. Eller Walter kennt jede Führungskraft im Innenministerium, und Eller Walter ist für diese Fragen zuständig.

Es wäre also ganz einfach gewesen, wenn er denn gewollt hätte: Wie passiert das technisch? Sind die Originale zu übermitteln? Sind die Kopien zu übermitteln, und so weiter und so fort? – Da ist Eller Walter die Ansprechstelle, und diesen Namen kennt jede Führungskraft im Innenministerium.

Philipp Ita hat mich also sicher nicht gefragt, wie das abläuft. Ich hätte ihm wahrscheinlich auch gesagt: Was fragst du mich, frag Eller Walter!“

 

IV.) Sonderkommissionen

 

Ein wesentliches Kapitel, das es im Zuge dieses Untersuchungsausschusses zu beleuchten gab, waren die Ermittlungen rund um die Causa BAWAG. In diesem Zusammenhang war die Arbeit der „SOKO BAWAG“, die im Bundeskriminalamt eigens für diesen Fall eingerichtet wurde, im Zentrum der Aufklärungstätigkeit.

Doch bevor die Arbeit dieser Sonderkommission inhaltlich betrachtet wird, muss auch deren formaler Charakter hinterfragt werden. Denn für die Einrichtung von „Sonderkommissionen“ für kriminalpolizeiliche Ermittlungen gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage.

Auch hier bedarf es einer gesetzlichen Regelung, so dass die rechtliche Stellung einer Sonderkommission und auch die der in einer solchen Einheit tätigen Mitglieder eindeutig klar gestellt ist. Es muss offensichtlich sein, welches Exekutivorgan für welche Behörde tätig wird, wer die entsprechende Kontrolle ausübt und wer letztlich die rechtliche und politische Verantwortung für dieses Handeln trägt.

Die Adamovich-Kommission sah darüber hinaus auch noch eindeutigen Verbesserungsbedarf innerhalb der Sonderkommissionen und empfahl klarere Zuständigkeits- und Verantwortungsstrukturen.

 

V.) Ergebnisse im Detail

 

Wahlkampfmunition für Nationalratswahl 2006

 

Das erste Kapitel des Beweisbeschlusses behandelte das Thema, ob insbesondere seitens des von der ÖVP geführten Innenministeriums vor den Nationalratswahlen 2006 gezielt Material für den Wahlkampf gegen die SPÖ vom Bundeskriminalamt (BKA) und anderen Dienststellen angefordert wurde, um so den politischen Gegner zu schaden und einen vermeintlich sicheren Wahlsieg einzufahren.

Vorwürfe der unerlaubten Parteienfinanzierung der SPÖ im Zusammenhang mit dem BAWAG Skandal haben sich trotz intensiver Ermittlungstätigkeit nicht erhärtet, sondern ganz im Gegenteil in Luft aufgelöst. So gab der operative Leiter Walter Folger der Sonderkommission BAWAG in der Untersuchungsausschusssitzung am 27. Mai 2008 an, dass er bei der Durchsicht der BAWAG-Unterlagen zwar ein oder zwei mal auf Angaben betreffend der Kreditvergabe an die SPÖ gestoßen sei, diese aber nicht als maßgeblich oder wichtig empfunden habe. Er habe sich daher auch nicht initiativ an die Staatsanwaltschaft in der dieser Angelegenheit gewendet. Vielmehr hielt Folger in einem – im Laufe des Untersuchungsausschusses oftmals zitierten – Aktenvermerk fest, dass keine Sonderstellung der SPÖ in den Vorstandsprotokollen der BAWAG gefunden werden konnten und eine nähere Erhebung bei den Kreditvergaben (Prüfung von Kreditverträgen, Kontoauszüge betr. Rückführung) jeglicher Verdachtslage entbehre.

 

Ein weiterer Umstand erhärtet den Verdacht, dass offensichtlich sehr intensiv versucht wurde, in der heiklen Phase vor der Nationalratswahl 2006 möglichst viel schwere Munition gegen die SPÖ zu finden: Die Sonderkommission BAWAG ermittelte bezüglich der behaupteten Geldflüsse BAWAG-SPÖ ohne staatsanwaltlichen Auftrag. Und das nachdem der operative Leiter der Sonderkommission BAWAG zum Ergebnis kam, dass keine weiteren Erhebungen mehr anzustellen wären. Warum wurde also dann intensiv weiter ermittelt? Auf diese Frage konnte im Zuge der Befragungen der Auskunftspersonen nur die Antwort gefunden werden, dass es einen Auftrag seitens des Kabinetts der Bunderministerin für Inneres gegeben haben musste. Der zuständige Staatsanwalt Krakow hat einen derartigen Auftrag jedenfalls nicht erteilt.

 

Darüber hinaus konnten alle interessanten Erkenntnisse der SOKO BAWAG umgehend den Medien entnommen werden. Diese Veröffentlichungen waren gezielt und auch gezielt in eine Richtung, nämlich der SPÖ zu schaden. So erscheint es nicht zufällig, dass kurz vor der Nationalratswahl 2006 in einem Wochenmagazin Ermittlungsergebnisse detailgemäß, aber unreflektiert und unkommentiert zu finden waren. Es war augenscheinlich das Ziel, die SPÖ bewusst mit unerlaubter Parteienfinanzierung und unregelmäßigen Kreditvergaben in Verbindung zu bringen. Daher verwundert es nicht, dass ein abschließender Bericht der Sonderkommission BAWAG, in dem quasi eine „Leermeldung“ bezüglich der gegen die SPÖ erhobenen Vorwürfe abgegeben wurde, im besagten Wochenmagazin mit keiner Silbe erwähnt wurde.

 

Die Verwendung des Sicherheitsapparates aus parteipolitischen Motiven wurde auch an einer anderen Tatsache offensichtlich. Obwohl eine SOKO eingerichtet wurde, wurde parallel dazu das Büro für interne Angelegenheiten mit Ermittlungsmaßnahmen betraut. Diese Ermittlungsmaßnahmen betrafen den Ex-Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky. Um eine Telefonnummer von Franz Vranitzky zu finden, schnüffelten Ermittler des BIA im Pensionistenheim seiner Schwiegermutter herum und benahmen sich wie in einem Agenten-Parodie-Film.

 

Die Rolle des BMF vor der Nationalratswahl 2006

 

Auch die Rolle des Finanzministeriums wurde in diesem Zusammenhang beleuchtet. Dies insbesondere im Hinblick auf den „Grasser-Fragebogen“ an die FMA und OeNB. Bei diesem Fragebogen wurden die genannten Institute aufgefordert, Antworten für den anstehenden Rechnungshofunterausschuss mit dem  Ziel zu finden, dass es in der BAWAG-Affäre keinerlei Verfehlungen der Behörden gegeben habe, sondern vielmehr ein SPÖ-Netzwerk die Verantwortung für die Pleite trage bzw. die ÖVP/BZÖ-Regierung die BAWAG und ihre Kunden vor dieser Pleite gerettet habe. Weder die Aktenlage noch Aussagen der Auskunftspersonen konnten den Verdacht entkräften, dass hier ungeniert und parteipolitisch motiviert agiert wurde, um ein für Grasser günstiges Szenario zu entwerfen.

Vielmehr stellte sich heraus, dass diese Unterlage nicht nur Bundesminister Grasser im Rechnungshofunterausschuss am 8. Juni 2006 diente, sondern auch den FMA Vorständen und OeNB-Vertretern. Dass auch die ÖVP-Abgeordneten die richtigen Fragen zu den vorbereiteten Antworten stellten, verwundert an dieser Stelle wohl kaum mehr.

Der Untersuchungsausschuss erhielt erst nach langem Hin und Her sämtliche Versionen der vorbereiteten Unterlage. Es stellte sich heraus, dass FMA und OeNB anfangs durchaus sachliche Antworten auf die eindeutig parteipolitisch gestellten Fragen gaben. Aber das Kabinett des Finanzministers hatte zahlreiche Änderungswünsche, bis das Produkt endlich passte – und dann war man von  Sachlichkeit schon recht weit entfernt.

Befremdlich erscheint es in diesem Zusammenhang auch, dass die Staatsanwaltschaft, die in diesem Fall auch gegen Finanzminister Grasser ermittelte, die unterschiedlichen Stadien der Fragebogenbeantwortung nicht vorliegen hatte und daher in ihre Beurteilung etwaige Erkennnise daraus auch nicht einbeziehen konnte.

 

Unerlaubte Veröffentlichung von EKIS Daten der Familie Zogaj

 

Im Herbst 2007 hat das Schicksal der Familie Zogaj die österreichische Medienlandschaft beherrscht. Denn am 26. September 2007 sollte die Familie letztlich auf Grund des rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahrens abgeschoben werden. Die 15jährige Tochter Arigona Zogaj konnte sich allerdings dem Zugriff der Polizei entziehen und an einem unbekannten Ort verborgen halten. So wurden lediglich ihr Vater und ihre Geschwister abgeschoben. Bundesminister Platter und hochrangige Beamte des Innenministeriums tätigten in der Folge sehr umstrittene Aussagen in der Öffentlichkeit betreffend allfälliger Straftaten der Mitglieder der Familie Zogaj und auch die Medien berichteten ausführlich darüber. Der Vorwurf der unerlaubten Veröffentlichung von EKIS Daten der Familie Zogaj stand seit diesem Zeitpunkt im Raum.

Die Befragung der Auskunftspersonen und das Studium der Akten vermittelten tatsächlich den Eindruck, dass der Zufall in diesem Fall sehr häufig zugeschlagen hat. Just ab dem Zeitpunkt, ab dem gehäuft EKIS-Datenabfragen durchgeführt wurden, begannen sich in den österreichischen Radio- und Printmedien die Schlagzeilen über die Straffälligkeit einzelner Familienmitglieder der Familie Zogaj zu überschlagen.

Auch der Lapsus des Innenministers bei einem ZIB 24 Interview am 3. Oktober 2007 erhärtet diesen Eindruck. Platter wörtlich:

„Es sind auch Familienmitglieder straffällig geworden und deshalb ist es schon notwendig, dass man hier einen Weg geht, dass man nicht alles tolerieren kann.

…..

Nein, es gibt eine Verurteilung und es gibt aber auch Anzeigen

…..

§ 270 der Strafgesetzordnung, des Strafgesetzbuches, also die gefährliche Drohung“

 

Allerdings regelt § 270 StGB nicht die gefährliche Drohung, sondern den tätlichen Angriff auf einen Beamten. Hier zitiert Platter wohl versehentlich aus einem internen Bericht, der auch Daten aus dem hochsensiblen kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA) darstellt. In diesem KPA sind alle Anzeigen gegen Bürger gespeichert, unabhängig davon, ob sie weiter verfolgt werden oder jeglicher strafrechtlicher Relevanz entbehren.

Auch in der letzten Sitzung des U-Ausschusses am 18. September 2008 wurde noch einmal evident, dass weder IT-Sicherheitsregelungen noch das geltende Recht eingehalten werden. Dies bedeutet wohl auch, dass innerhalb der Polizei keine entsprechende Ausbildung im Bereich Datenschutz gewährt wird und eindeutige Erlässe fehlen.  Alleine der Umstand, dass offensichtlich am Computer des Beamten Hubert Eser von der Abteilung III/5 auf dessen Computer und mit dessen Passwort, von anderen, EKIS-Daten abgerufen wurden, dass der damalige Stellvertreter des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit und heutige BM.I-Kabinettschef Franz Lang nach eigener Aussage davon nichts wusste und dass nach Bekanntwerden dieses Umstandes hier kein Strafverfahren eingeleitet wurde (sondern viel später erst durch den Journalisten Florian Klenk), zeigt eine erschreckende Unternehmenskultur des BM.I  deutlich auf und macht ein Umdenken unbedingt erforderlich. Auch die Befragung der letzten Auskunftsperson, Frau Petra Huber, unterstreicht diese skandalösen Umstände. Frau Huber gab nämlich ebenfalls an, Anfragen die in der Protokollauswertung aufscheinen, nicht getätigt zu haben. Ein Zeilensturz soll daran Schuld sein, dass ihr Name im Protokoll aufscheint. Hier war man anscheinend mit den einfachsten Kontrollmaßnahmen überfordert. Dies hatte zur Folge, dass eine unbeteiligte Sekretärin in die Ermittlungen des BIA verwickelt und vor den Untersuchungsausschuss geladen wurde.

Zusammenfassend kann also keine Rede davon sein, dass hier mit personenbezogenen und sensiblen Daten mit der notwendigen Sorgfalt umgegangen wurde. Vielmehr ist der Schutz personenbezogener Daten nicht gewährleistet, denn die Rechtmäßigkeit der Abfragen und deren Kontrolle (stichprobenartig jede 10. Abfrage) existiert offensichtlich nur am Papier. Auch das BIA ermittelt in dieser Angelegenheit wegen des Vorwurfs des Vergehen nach  § 310 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) gegen den damaligen Innenminister Günter Platter u.a. und übermittelte bereits einen entsprechenden Bericht an die Staatsanwaltschaft.

 

VI.) Unerledigte Punkte

 

Leider konnten aus Sicht der SPÖ aufgrund des abrupten Ende des Unersuchungsausschusses etliche wesentliche Punkte überhaupt nicht oder nur sehr begrenzt behandelt werden:

 

Behördenfunknetz-Projekt  Adonis bzw. Nachfolgeprojekt „BOS Austria“

 

Das einstige Projekt rund um das Behördenfunknetz ADONIS bzw. dessen Nachfolgerprojekt „Digitalfunk BOS Austria“ haben in den letzten sechs Jahren enorme Summen an Steuergeldern verschlungen. Vier ÖVP-Innenminister (Strasser, Prokop, Platter, Fekter) konnten trotz explodierender Ausgaben das Projekt immer noch nicht realisieren. Nach dem spektakulären Scheitern von ADONIS und dem Startschuss für ein neues Projekt im Herbst 2003 wurde die Bevölkerung jahrelang höchst mangelhaft über die in den Sand gesetzten Kosten informiert. Einen Tag vor der Nationalratswahl 2006, am 30. September, wurden Medienberichten zufolge fast 30 Millionen Euro im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung vom BM.I an die einstige Betreiberfirma „mastertalk“ überwiesen, nachdem ein Verfahren beim Schiedsgericht der Wirtschaftskammer zu keinem Ergebnis geführt hatte. In Anbetracht der riesigen Summe empört der Umstand, dass das BM.I sein Scheitern gegenüber der Öffentlichkeit äußerst spärlich kommunizierte bzw. verschleierte. Auch hinsichtlich des Nachfolgeprojektes „Digitalfunk BOS Austria“  wurde seitens des BM.I sehr lückenhaft und in verwirrender Weise berichtet. So wurden laut einer Aussendung des BM.I vom 6. September 2006, also mitten im Intensivwahlkampf, die Gesamtkosten für das Projekt mit 140 Millionen Euro beziffert. Dem Vernehmen nach bewegen sich die Kosten aber in Wirklichkeit in Milliardenhöhe. Während auf diese Weise äußerst verantwortungslos mit Budgetmitteln umgegangen wird, fehlt es Österreichs Exekutive an allen Ecken und Enden an finanziellen und materiellen Ressourcen. Mangelnde Ausrüstung, ein unzureichendes Überstundenkontingent und ein hoffnungslos veralteter Fuhrpark werden seit Jahren mit dem Argument der Geldknappheit entschuldigt, auf der Strecke bleiben Österreichs PolizistInnen und in Folge die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung.

Darüber hinaus ignorierte die Ressortleitung des BM.I beharrlich die Empfehlung des Rechnungshofes, mit allen Ländern hinsichtlich des Behördenfunknetz-Projektes Verträge abzuschließen. Bis dato existieren nur Verträge mit wenigen Bundesländern.

Zu Recht verlangt nun die Öffentlichkeit, dass die aktuellen Entwicklungen rund um das Projekt „Digitalfunk BOS Austria“ näher beleuchtet werden. Die SPÖ brachte zwecks Aufklärung besagter Sachverhalte am 18. Juli 2008 eine parlamentarische Anfrage (4931/J) an Bundesministerin Fekter ein, die am 18. September 2008 dem Parlament übermittelt wurde. In dieser Anfragebeantwortung (AB 4849) musste die Innenministerin zugeben, dass tatsächlich im September 2006 im Rahmen eines Vergleiches mit Mastertalk 29,9 Millionen Euro Steuergeld aufgebracht werden musste. Aus der besagten Beantwortung lässt sich auch erkennen, dass das Innenministerium in seinen Bemühen mit den Bundesländern entsprechende Verträge abzuschliessen, noch immer nicht erfolgreich war und sich die Ministerin nur vage auf die Aussicht stützen kann, „mit den restlichen Bundesländern intensive Gespräche mit dem Ziel zu führen, die Umsetzung nach einem Bund/Ländermodell zu erreichen.“ Dies erscheint der SPÖ in Anbetracht der schon sehr langen Verhandlungsdauer ein äußerst dürftiges Zwischenergebnis zu sein.

 

Saunaaffäre und Turbulenzen in der Wiener Polizei

 

Die „Wiener Saunaaffäre“ bildete den Gipfel von Machtkämpfen innerhalb der Wiener Exekutive, die nicht zuletzt aufgrund der verfehlten Polizeireform des damaligen Innenministers Strasser entstanden sind. Es folgten u.a. die Suspendierungen des Landespolizeikommandanten Roland Horngacher, des Chefs der Wiener Kriminalpolizei Ernst Geiger und des Leiters der Kriminaldirektion 1, Roland Frühwirth. Besonders die näheren Umstände der Suspendierung Frühwirths, die Mitte September 2008 bekannt wurden, werfen ein bezeichnendes Licht auf die Polizeiführung. In einem Gastkommentar in der Fachzeitschrift „Kriminalpolizei“ (der Stein des Anstoßes bei seiner Suspendierung war, Anm.) beklagte Frühwirth u. a., dass das Informantenwesen in Wien de facto zum Erliegen gebracht worden wäre. Auch hinsichtlich des BIA fand Frühwirth in besagtem Artikel  erhellende Worte: „Leider werden sie (Anm. die BeamtInnen des BIA) aber oftmals instrumentalisiert.

Darüber hinaus sind nach wie vor mehrere gerichtliche Strafverfahren und Disziplinarverfahren anhängig. Die „Sauna-Affäre" ist jedenfalls absolut mehr als eine „polizeiinterne Intrige". Mehrere Gerichtsverfahren sind - neben Suspendierungen und Disziplinarverfahren - zwischen und gegen die genannten Personen anhängig. Ungeklärt sind in diesem Zusammenhang auch die Begründungen und Genehmigungen für die auffallend zahlreichen Telekommunikationsüberwachungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gesamtkosten, die im BM.I dafür angefallen sind.

 

Dieser Komplex rund um die Sauna-Affäre war bereits Gegenstand parlamentarischer Anfragen an Innenminister Platter im April 2008. Die Beantwortung durch Innenminister Platter erscheint aber mehr als fragwürdig (AB 4013). Von insgesamt 72 Fragen wurden 36 Fragen mit unterschiedlicher - zum Teil nicht nachvollziehbarer – Begründung überhaupt nicht beantwortet. Damit hat Bundesminister Platter gegen seine in der Bundesverfassung verankerte Beantwortungspflicht gegenüber dem Parlament verstoßen. Aber auch die Antworten auf so manche Frage sind überaus bemerkenswert. Auf die Fragen, ob von der Ressortleitung (Kabinett) in der Saunaaffäre Berichte angefordert und Weisungen erteilt wurden, wurde folgende Antwort gegeben: „Soweit nachvollziehbar wurden keine Berichte angefordert“. Gleiches gilt auch für Weisungen. Dies bestärkt die bereits genannte Forderung nach einer Neuregelung des Weisungsrechts in Hinblick auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit.

 

Visa

 

Der Untersuchungsausschuss hätte sich im Punkt 6 der Beweisthemen mit dem offensichtlichen Skandal betreffend der illegalen Ausstellung österreichischer Visa beschäftigt.

Immer noch besteht dringender Aufklärungsbedarf, inwieweit die Dienstaufsicht seitens des Außen- und Innenministeriums in jenen Fällen versagt hat, bei denen unter anderen in Serbien, der Ukraine und in Moldawien an den österreichischen Botschaften und Vertretungsbehörden Visa für Geld vergeben worden sind. Weiters steht der Verdacht im Raum, dass durch die illegale Ausstellung von österreichischen Visa Menschenhandel, Schlepperei, illegale Einreise und Prostitution begünstigt wurden – und nach wie vor werden.

Die Visa-Affäre war auch schon Gegenstand einiger Gerichtsverfahren. In diesen Verfahren wurden teils sehr klare und harte Worte gefunden. So führte beispielsweise Richter Peter Liebetreu aus, dass man in Wien, nämlich im Innen- und Außenministerium aber "überhaupt nichts unternommen" habe, obwohl in einigen Fällen das Botschaftspersonal die bestehenden Missstände durchaus aufgezeigt habe. Auch wurde bekannt, dass Richter Liebetreu während des laufenden Verfahrens wiederholt Informationen erhalten habe, wonach an einigen österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland nach wie vor ungesetzliche Zustände herrschen sollen. Die ÖVP-Außenministerinnen Ferrero-Waldner und Plassnik trugen bzw. tragen nur sehr wenig dazu bei, diesen riesigen Skandal auch nur ansatzweise aufzuklären.

 

 


VII.) Empfehlungen und Ausblick

 

 

Der parlamentarische Untersuchungsauschuss zur Causa Innenministerium hat durch seine Arbeit dringenden Reformbedarf in folgenden Bereichen aufgezeigt:

 

 

•       Klare Regelung der formalen Bedingungen bei künftigen U-Ausschüssen

          ► Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch als ein Recht der parlamentarischen Minderheit

          ► Reform der Geschäftsordnung des Nationalrates hinsichtlich der in der Praxis aufgetretenen Probleme

                  - Modalitäten der Aktenanlieferung

                  - Regelung der Zulässigkeit von Vertrauenspersonen, die mehrere Befragte vertreten

                  - Umgang mit Entschuldigungen von geladenen Auskunftspersonen

                  - Neuregelung des § 14 der Verfahrensordnung (Gegenüberstellung)

                  - Mehr Öffentlichkeit in den Untersuchungsausschusssitzungen wie die Zulässigkeit von Bild- und Tonaufnahmen (Untersuchungsausschusssitzungen live im Fernsehen könnten manche Unarten der Abgeordneten, wie z.B. ständiges Unterbrechen der Auskunftspersonen und gebetsmühlenhaftes Ableiern der immer selben Parolen, sehr rasch abstellen).

 

•       Transparente Gestaltung des Weisungsrechtes in Ministerbüros

         Im Rahmen der im Untersuchungsausschuss behandelten Vorwürfe tauchten immer wieder „Wünsche“ und „Aufträge“  von MinisterInnen und den jeweiligen KabinettsmitarbeiterInnen hinsichtlich Vorgangsweisen bei Ermittlungen auf. Diese waren dem Charakter nach Weisungen. Diese Weisungen wurden schriftlich nicht festgehalten, sodass in den Sitzungen immer Aussage gegen Aussage stand. In Zukunft müssen derartige Weisungen in sensiblen Bereichen entsprechend schriftlich dokumentiert werden. Alles muss nachvollziehbar sein! Selbst ÖVP-Fraktionsführer Helmut Kukacka ortete in seiner Pressekonferenz vom             19. September 2008 einen Bedarf, Weisungen transparenter zu machen und jeweils im Einzelfall klar zu stellen, ob es sich um eine konkrete Weisung handelt. (Womit indirekt auch Kukacka zugibt, dass der U-Ausschuss wichtige Erkenntnisse gebracht hat, Anm.)

 

•       Rechtsgrundlage für Sonderkommissionen

         Die Sonderkommission BAWAG und deren Arbeit, die die Grundlage für einen der größten Prozesse Österreichs bildete, standen im Zentrum der Untersuchungen der ersten Monate des Untersuchungsausschusses. Auch hier zeigten sich unklare Strukturen und mangelnde rechtliche Grundlagen, wie die Adamovich-Kommission deutlich betonte. Zusätzlich kam es offensichtlich zu Parallelermittlungen des BIA, die gegenüber der Sonderkommission BAWAG verheimlicht wurden und von denen bis zum Untersuchungsausschuss auch nur sehr wenige in dieser Republik wussten.

         Zuständigkeit, Kontrolle und Verantwortung müssen in diesem Bereich eindeutig gesetzlich festgelegt werden.

         Unglaublich erscheint auch der Umstand, wie schlecht die Sonderkommission BAWAG ausgestattet war, obwohl sie einen der spektakulärsten Wirtschaftskriminalfälle zu behandeln hatte. Leiter Salomon informierte beispielsweise den Ausschuss davon, dass Daten gelöscht wurden, weil nicht genug Speicherkapazität vorhanden war.

 

•       Regelung der Rechtsgrundlage des BIA

         Gerade aufgrund der Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss, wie das BIA unter ÖVP-Ministern agierte, plädiert die SPÖ dafür, im Sinne des Rechtsschutzes ein organisatorisches Maßnahmenpaket zu schnüren. Das BIA gehört aus dem Einflussbereich des Innenministeriums herausgelöst und im Sinne sensibler Ermittlungen ausschließlich direkt dem Parlament unterstellt (so wie etwa der Rechnungshof).

 


Dank an das Parlament

Abschließend muss auch entsprechender Dank an die Parlamentspräsidentin und die Bediensteten des Hohen Hauses ausgesprochen werden. Alle haben hervorragende Arbeit geleistet: angefangen beim stenographischen Dienst, bei den KollegInnen, die hunderttausende Aktenseiten eingescannt haben, bei den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, bei der EDV-Abteilung und bei allen anderen, die einen reibungslosen Ablauf des Ausschusses gewährleistet haben. Ausdrücklich bedanken wollen wir uns auch bei Verfahrensanwalt Dr. Strasser und seinem Stellvertreter Dr. Presslauer.