Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

des Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler

zum Bericht des Untersuchungsausschusses hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten (129/GO)

 

Der mit Mehrheit beschlossene Bericht über die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses enthält rein technische Angaben über den Verlauf des Ausschusses. Darüber hinaus sind keine Wertungen und Würdigungen der im Laufe des Untersuchungsausschusses gewonnenen Erkenntnisse über möglichen politischen Missbrauch in den vom Untersuchungsausschuss behandelten Ministerien enthalten.

 

Darum sollen die wesentlichen Erkenntnisse der rund siebenmonatigen Ausschusstätigkeit in dieser abweichenden persönlichen Stellungnahme aus Sicht des BZÖ festgehalten werden.

 

 

Der Untersuchungsausschuss:

 

Der Nationalrat hat in seiner Sitzung am 03. März 2008 auf Antrag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß § 33 GOG betreffend “Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, Finanzen und dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten“ beschlossen.

 

 

Gegenstand der Untersuchung:

 

Untersuchung aller Abläufe und Entscheidungen im Zusammenhang mit den Vorwürfen über die Amtsführung insbesondere im Bundesministerium für Inneres, aber auch in den Bundesministerien für Justiz, für Finanzen und für europäische und internationale Angelegenheiten insbesondere auch seit dem Jahr 2000 (hinsichtlich etwa des Entführungsfalles „Kampusch“ ab dem Zeitpunkt der Entführung). Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu behandeln:

 

●      Aufklärung, ob es bei den kriminalpolizeilichen und gerichtlichen Ermittlungen im Fall „Kampusch“ zu schweren Fehlern gekommen ist;

 

●      Aufklärung, ob vor den NRW 2006 vom Kabinett der Bundesministerin für Inneres (KBM) dem damaligen Direktor des BKA die Weisung erteilt wurde, die Vernehmung eines Zeugen im Zusammenhang mit dem Fall „Kampusch“ vor den Wahlen zu unterlassen;

 

●      Aufklärung, ob im weiteren die Evaluierung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen im Fall „Kampusch“ verhindert und schwere Fehler bei den Ermittlungen vertuscht oder gar nicht untersucht wurden;

 

●      Aufklärung, ob das KBM im Rahmen der kriminalpolizeilichen Aufklärung der „BAWAG-Affäre“ vor den NRW 2006 gezielt Material für den Wahlkampf gegen die SPÖ vom Bundeskriminalamt (BKA) und anderen Dienststellen anforderte;

 

●      Aufklärung, ob diese Unterlagen vom KBM gezielt an Medien weiter gegeben wurden;

 

●      Aufklärung, ob in diesem Zusammenhang auch in anderen Bundesministerien - insbesondere im Bundesministerium für Finanzen und im Bundesministerium für Justiz - gezielt Material für den Wahlkampf gegen die SPÖ angefordert und an Medien weiter gegeben wurde;

 

●      Aufklärung, ob Beamte des BKA vom Bundesminister für Inneres angewiesen wurden, gegen den Rechtsanwalt Mag. Georg Bürstmayr eine Anzeige wegen des Verdachts der Schlepperei ohne sachliches Substrat bei der StA einzubringen, um ihn als Leiter einer Kommission des Menschenrechtsbeirats zu verhindern;

 

●      Aufklärung, ob der damalige Chef des KBM Mag. Philipp Ita mittels Weisung an oder durch politischen Druck auf den damaligen Direktor des BKA versucht hat, Akten, die dem Untersuchungsausschuss "Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister" („Banken-Untersuchungsausschuss“) vom BKA zur Verfügung gestellt werden sollten, vorher dem Klub der ÖVP zukommen zu lassen;

 

●      Aufklärung, ob dem Untersuchungsausschuss "Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister" („Banken-Untersuchungsausschuss“) ein Dokument im Zusammenhang mit der damaligen Außenministerin Ferrero-Waldner nicht oder verändert zugeleitet wurde;

 

●      Aufklärung darüber, ob und inwieweit vom Untersuchungsausschuss "Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister" angeforderte Akten dem Ausschuss verspätet, manipuliert oder gar nicht zugeleitet wurden;

 

●      Aufklärung über die mögliche Finanzierung von ÖGB und SPÖ durch die BAWAG;

 

●      Aufklärung, warum erst jetzt die Ordner mit den Unterlagen, die den Verdacht auf Finanzierung der SPÖ durch die BAWAG begründen, gefunden worden sind;

 

●      Aufklärung, ob der Bundesminister für Inneres EKIS-Daten von Angehörigen von Arigona Zogaj ohne ausreichende rechtliche Grundlage der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat;

 

●      Aufklärung, ob Angehörige des KBM und Beamte des BMI an dieser Bekanntmachung beteiligt waren;

 

●      Aufklärung, ob der Landeshauptmann von Niederösterreich und der Landesgeschäftsführer der ÖVP-Niederösterreich EKIS-Daten der Familie Zeqai beschafft und öffentlich benutzt haben;

 

●      Aufklärung, wer im BMI der ÖVP-Niederösterreich Zugang zu EKIS-Daten ermöglicht hat;

 

●      Aufklärung, ob die gerichtliche Untersuchung der Vorwürfe, die gegen Beamte im Zusammenhang mit der „Spitzelaffäre“ – dem Verdacht der missbräuchlichen Verwendung von EKIS-Daten – erhoben wurden, durch den damaligen Justizminister, den damaligen Innenminister oder andere Vertreter des BMJ oder BMI behindert wurde;

 

●      Aufklärung über den behaupteten Machtmissbrauch im Bereich des Landespolizeikommandos Tirol, vor allem der im Zusammenhang mit der sogenannten „Soko Kitz“ bzw. “Soko 05“  stehenden Sachverhalte;

 

●      Aufklärung, ob eine Teillieferung von panzerbrechenden Waffen Steyr .50-HS ohne ausreichende Genehmigungen nach dem KMG auf Intervention aus dem KBM gegen den erklärten Willen der Bundesministerin für Inneres an den Iran geliefert wurde;

 

●      Aufklärung, ob es im Bereich des Vergabewesens zu unzulässigen Interventionen aus dem KBM gekommen ist;

 

●      Aufklärung, ob ein polizeiliches Verfahren gegen den damaligen Kabinettschef Mag. Philipp Ita unterdrückt wurde;

 

●      Aufklärung, warum die Missstände in der Wiener Polizei (z.B. Affäre „Horngacher)“ trotz eindeutiger Hinweise jahrelang nicht verfolgt wurden;

 

●      Aufklärung, ob im Vollzug der Fachaufsicht und der Dienstaufsicht über die österreichischen Konsularbehörden die illegale Vergabe von Einreisevisa begünstigt worden ist;

 

●      Aufklärung, ob durch Mängel in der Fachaufsicht und Umstände bei der Erstellung der Liste von Unternehmen, denen Visa für Personal in „Unterhaltungsbetrieben“ auszustellen sind, Menschenhandel und illegale Prostitution begünstigt worden sind;

 

●      Aufklärung, ob im Bereich des BMI, aber auch in anderen Bundesministerien wie dem BMLV bei der Vergabe von Posten ab dem Jahr 2000 der ÖVP nahe stehende Personen systematisch bevorzugt wurden;

 

●      Aufklärung, welche Rolle dabei im Kabinett des Bundesministers für Inneres

         + der heutige Kabinettschef der Gesundheitsministerin

         + der heutige Landespolizeikommandant von Tirol

         + der heutige Landespolizeikommandant von Oberösterreich

         + der heutige Leiter der Sektion III im BMI

         + der heutige Landesgeschäftsführer der ÖVP Niederösterreich gespielt haben;

 

●      Aufklärung, ob das Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) oder andere Bundeseinrichtungen für parteipolitische Zwecke missbraucht worden sind;

 

●      Aufklärung, ob vom BIA oder anderen Bundeseinrichtungen missbräuchliche Informationspolitik betrieben worden ist (wie in den Fällen „Ebergassing“ oder „Briefbomben“);

 

●      Aufklärung, ob es im Rahmen der Tätigkeit des BIA oder anderer Bundeseinrichtungen zu gesetzlich nicht gedeckten Überwachungsmaßnahmen insbesondere gegen Politiker gekommen ist;

 

●      Aufklärung, ob es im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Aufträge an die Sicherheitsbehörden – insbesondere das BIA – und der dazugehörigen Vorgänge innerhalb des Justizressorts zu unsachlichen Differenzierungen je nach Betroffenem in der Vorgangsweise kam;

 

●      Aufklärung darüber, wie polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Vernehmungsprotokolle an die Medien gelangen konnten;

 

●      Untersuchung der rechtlichen und politischen Verantwortlichkeit im Zusammenhang mit den genannten Sachverhalten.

 

 

Untersuchungsauftrag:

 

Der Untersuchungsausschuss soll durch die Anwendung aller in der VO-UA vorgesehenen Instrumente zum Untersuchungsgegenstand und durch Einsicht in sämtliche Akten, Verträge, Vorverträge, und sonstige Unterlagen des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Justiz, des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (bis 28.2.2007 Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten) sowie allfälliger anderer Bundesministerien und Bundeseinrichtungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand sämtliche Sachverhalte auf rechtliche und politische Verantwortlichkeiten prüfen.

 

 

Zusammenfassende Schlussfolgerungen:

 

Aufgrund der vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode durch den Neuwahlbeschluss des Nationalrates vom 10.07.2008 nahm auch der Untersuchungsausschuss nach rund sieben Monaten ein frühes Ende. Der Auftrag des Nationalrates an den Untersuchungsausschuss konnte damit nicht erfüllt werden. Davon abgesehen war der Auftrag ohnehin zu umfangreich gefasst um eine konzentrierte und zielgerichtete parlamentarische Kontrolle durchzuführen. Allein die gefassten acht Beweisthemen umfassen zeitlich etwa zwei Jahrzehnte. Insgesamt sollten über 30 einzelne Sachverhalte mit mehr als 100 Auskunftspersonen und 70 Aktenanforderungsbeschlüssen aufgeklärt werden. Bis zum Ende des Ausschusses waren rund 500.000 Seiten an Akten im Parlament eingelangt.

 

 

Büro für interne Angelegenheiten / Innenministerium

 

Eingangs ist festzuhalten, dass das Innenministerium sowie das BIA im Speziellen mit einer unglaublichen Arroganz gegenüber dem parlamentarischen Kontrollgremium auftraten. Während der gesamten Dauer des Ausschusses war die unverhohlene Missachtung des Büros für interne Angelegenheiten (BIA), vor allem in Person seines Leiters, Mag. Martin KREUTNER, gegenüber dem Untersuchungsausschuss und dessen Beschlüssen festzustellen. So kam KREUTNER dem Ladungsbeschluss des Ausschusses zuerst nicht nach. KREUTNER weigerte sich unter Angabe fadenscheiniger Gründe als Auskunftsperson an der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 22.04.2008 teilzunehmen. Des Weiteren erfüllte das BIA die Aktenanforderungsbeschlüsse des Ausschusses nicht. Diese offen zur Schau getragene Verächtlichkeit gegen ein Kontrollorgan des Nationalrates hat zu Recht Unverständnis und Befremden unter den Mitgliedern des Ausschusses hervorgerufen. Bis zum letzten Sitzungstag war nur ein verschwindend geringer Teil der Aktenanforderung durch das BIA erledigt. Zwar wurden unter den Aktenanforderungsnummern 20 und 23 insgesamt zehn Teillieferungen vorgenommen. Deren Inhalt beschränkt sich jedoch zum Großteil auf ohnehin schon öffentlich bekannte oder erkennbar irrelevante Daten und Informationen. Zu den bedeutenden Bereichen der Aktenanforderungsnummern 21 und 22 wurde kein einziges Blatt Papier vom BIA bzw. vom Innenministerium geliefert. Dabei handelt es sich hier um alle Akten, die im Zusammenhang mit der Überwachungstätigkeit und Ermittlungstätigkeit des BIA gegen andere Personen sowie um alle Akten, die im Zusammenhang mit der Überwachungstätigkeit und Ermittlungstätigkeit von anderen Bundeseinrichtungen gegen politische Funktionäre und Beamte stehen.

 

Selbst als KREUTNER bei seiner Befragung als Auskunftsperson vor dem Ausschuss am 13.05.2008 (148/KOMM, S. 29) persönlich aufgefordert wurde, die entsprechenden Akten zu übermitteln, blieb er die Erfüllung seiner getätigten Zusage schuldig. Zudem konnte sich KREUTNER im Ausschuss nicht mehr daran erinnern, welche Politiker seitens des BIA bespitzelt wurden. Weiters kam er trotz entsprechender Versicherung dem Wunsch des Ausschusses nicht nach, die Akten über die Ermittlungen gegen Politiker prioritär zu übermitteln (148/KOMM, S. 46). Dem Untersuchungsausschuss wurde selbst bis zu seinem Ende nicht einmal die von KREUTNER versprochene Liste der Politiker gegen welche von Seiten des BIA ermittelt wurde, vorgelegt. KREUTNERS Verhalten gegenüber dem Kontrollorgan des Nationalrates war an Verweigerung und Destruktivität nicht zu überbieten.

 

Nach Aussage des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Dr. Erik BUXBAUM, am 22.04.2008 (145/KOMM) soll KREUTNER die Übermittlung von Akten aus dem BIA an den Untersuchungsausschuss sogar aktiv behindert haben. KREUTNER soll den Mitarbeitern mitgeteilt haben, dass Aktenübermittlungen rechtswidrig seien und entsprechende Drohungen geäußert haben.

 

Dies ist besonders bedenklich, da hier offenbar ein kollusives Zusammenwirken innerhalb des Innenministeriums zulasten der Kontrolltätigkeit des Parlaments verabredet wurde. So ließ Innenminister Günther PLATTER bereits am 9. Mai 2008 via OTS-Aussendung augenscheinlich wahrheitswidrig wissen, dass "auch seitens des BIA" Akten ordnungsgemäß an das Parlament übermittelt wurden. Auch die weitere Zusage wurde seitens des Innenministeriums bis heute nicht eingehalten.

 

Die Weigerung zur Aktenübermittlung durch das Innenministerium und das BIA im Speziellen ist insbesondere vor dem Hintergrund der Gutachten von namhaften Verfassungsexperten (Prof. FUNK, ÖHLINGER und MAYER) inakzeptabel. Die Universitätsprofessoren sehen unisono ein Recht des Parlaments – und damit eine Pflicht der Behörden – auf ungefilterte Aktenherausgabe.

 

Auf ausdrücklichen Vorhalt und unter Vorlage entsprechender Gerichtsakten verstrickte sich KREUTNER bei der Vernehmung zum Aktenbestand seines Büros in Widersprüche. So sagte er auf Befragen bezüglich der Ermittlungen gegen den Kärntner Landeshauptmann, Dr. Jörg HAIDER, entgegen seiner Aussage vor dem Landesgericht Wien am 18. Oktober 2006 aus, dass es keine Ermittlungen gegen HAIDER hinsichtlich der Bestimmungstäterschaft – § 302 und § 10 StGB – gegeben hatte. Dies sogar, obwohl es nach eigenem Bekunden KREUTNERS einen entsprechenden Anfangsverdacht gegeben haben soll (148/KOMM, S. 31) und bei einem begründeten Anfangsverdacht grundsätzlich Ermittlungen zu führen sind. Dagegen räumte Sektionschef Dr. Helmut PRUGGER diesbezüglich ein, dass es Erhebungen im Zusammenhang mit der Vergabe des Klagenfurter EM-Stadions gegen HAIDER gegeben habe. Dies sei PRUGGER von KREUTNER persönlich berichtet worden. In Anbetracht der unterschiedlichen Aussagen ergeben sich zwei Sachverhaltsvarianten: Entweder es wurde kein Akt gegen HAIDER trotz durchgeführter Ermittlungen zu dem Anfangsverdacht angelegt oder das BIA hat den entsprechenden Akt nicht an den Untersuchungsausschuss herausgegeben. Jedenfalls haben Beamte des BIA nach beiden Sachverhaltsalternativen wohl rechtswidrig gehandelt.

 

Ähnlich stellt sich das Handeln des BIA in Bezug auf die Ermittlungen gegen Dr. Franz VRANITZKY und die Recherche zu dessen Telefonnummer dar. Sektionschef PRUGGER gab am 10.06.2008 (163/KOMM) an, dass er davon erst von KREUTNER erfahren habe. KREUTNER beharrte auch auf der Aussage, es liege kein Akt gegen VRANITZKY vor. Ganz offensichtlich war VRANITZKY, was KREUTNER auch zugab, Gegenstand von Ermittlungen des BIA. Auch hier hätte ein Akt angelegt werden müssen, welcher dann dem Aktenanforderungsbeschluss des Ausschusses unterliegt, aber nicht vom BIA übermittelt wurde.

 

Dass das BIA Ermittlungen ohne Auftrag von Vorgesetzten durchführt, Politiker offensichtlich bespitzelt und Parallelermittlungen zu bestehenden behördlichen Untersuchungen vornimmt, ist aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst bedenklich und nicht hinzunehmen. Staatsanwalt Dr. Ronald SCHÖN hat in diesem Zusammenhang vor dem U-Ausschuss ausgesagt, dass das BIA ihm allein drei Ermittlungsverfahren „versaut“ (163/KOMM, S. 93) habe. Das BIA habe etwa gegen Nicht-Beamte eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch erstattet, was rechtlich unmöglich ist.

 

Erstaunlich war im Rahmen der BAWAG-Ermittlungen auch die Erkenntnis, dass die Beamten des BIA selbst bei einfachsten Ermittlungen immer zu zweit im Einsatz sind (163/KOMM, S. 93, 148/KOMM, S. 29). So waren auch für die Recherche zu VRANITZKYS Telefonnummer zwei Beamte in das Seniorenheim der Schwiegermutter VRANITZKYS geschickt worden. Ebenfalls eigenartig mutet an, dass sich die BIA-„Geheimagenten“ nicht mit ihrem Namen, sondern mit Nummer ansprechen.

 

Eher zufällig stellte sich in dem Streit um die Aktenherausgabe mit dem Innenministerium am 22.04.2008 (145/KOMM) heraus, dass das Ministerium wohl – es gab hier widersprüchliche Aussagen von Minister PLATTER und Beamten seines Hauses – Personalakten führt, in denen auch die sexuelle Orientierung von Mitarbeitern festgehalten wird. Unabhängig von der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts, stellt dies einen unerträglichen Zustand dar, welcher umgehend abzustellen ist.

 

Darüber hinaus musste für das Innenministerium insgesamt dieselbe Haltung zur Aktenübermittlung wie für das BIA festgestellt werden. Innenminister PLATTER hat sich entgegen seiner Versicherungen vor dem Ausschuss (145/KOMM) und in oben angeführter OTS-Aussendung nicht kooperativ gezeigt. Er und sein Ministerium waren kaum gewillt, die Aktenanforderungsbeschlüsse des Untersuchungsausschusses auch nur teilweise zu befriedigen.

 

Es bleibt damit festzuhalten, dass die Sitzungen des Untersuchungsausschusses ein Sittenbild des Innenministeriums aus Intrigen, Doppelgleisigkeiten, vorauseilendem Gehorsam, überbordender Bürokratie und gegenseitigem Misstrauen gezeichnet haben. Außerdem war selbst den höchsten Beamten des Hauses unklar, wann eine Weisung des Ministers oder der Ministerin vorlag. So wurden Wünsche bzw. Bitten der Kabinettsmitglieder in der Regel entgegen der Rechtslage als Weisung des Ministers bzw. der Ministerin aufgefasst und dementsprechend behandelt. Angesichts dieses gewaltigen Chaos, in dem eine Abteilung gegen die andere arbeitet und jeder gegen jeden intrigiert, drängt sich die Frage auf, wie dieses Innenministerium für die Sicherheit Österreichs arbeiten kann. Daher ist dringend eine umfassende Strukturreform des Innenressorts durchzuführen. Weiters muss künftig auch mehr Wert auf die fachliche Qualifikation der höheren Beamten gelegt werden. Ein Ministerium, welchem ein derart großer Personalapparat untersteht und welches für die Sicherheit Österreichs verantwortlich ist, bedarf auch entsprechend qualifizierter Führungskräfte.

 

Besonders zu kritisieren ist indes, dass dem BIA eine gesetzliche Grundlage fehlt. Ein ministerieller Erlass als Grundlage für die höchst sensiblen Ermittlungen zu Amtdelikten ist nicht ausreichend. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist hierfür eine Antikorruptionsbehörde auf gesetzlicher Grundlage mit laufenden Kontrollen notwendig.

 

 

BAWAG-Ermittlungen

 

Ebenfalls im Zusammenhang mit der Kritik am BIA ist die Doppelgleisigkeit der Ermittlungen in der Causa BAWAG zu sehen. Sowohl die im Bundeskriminalamt ansässige Sonderkommission als auch das BIA haben in dieser Sache nebeneinander ermittelt. Eine klare Kompetenzenordnung gab es nicht. Dies ist besonders erschreckend, da gerade klar abgegrenzte Zuständigkeiten zu den Grundpfeilern des Rechtstaats gehören.

 

Nach eigenem Bekunden am 23.04.2008 (144/KOMM) war selbst der Leiter der Sonderkommission BAWAG, Dr. Helmut SALOMON, nicht von den Parallelermittlungen des Büros für Interne Angelegenheiten in der Causa BAWAG informiert. So führte er wie folgt vor dem Untersuchungsausschuss aus: „Ich war selbst überrascht, als ich im Zuge der doch sehr intensiven Einvernahmen, die in den ersten Wochen und Monaten geführt worden sind, dann im Nachhinein erfahren habe, dass das BIA beauftragt worden ist, Befragungen in der BAWAG-Sache durchzuführen, und dann auch die Befragungen gemacht hat. Das habe ich erst im Nachhinein erfahren.“ Weiters zeigten sich auch der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit BUXBAUM sowie der früheren Leiter des Bundeskriminalamts Dr. Herwig HAIDINGER verwundert und fast befremdet, dass das BIA parallel zu der Sonderkommission ohne Wissen der Sonderkommission Ermittlungen in der BAWAG durchführt.

SALOMON habe erst nach Abschluss der entsprechenden Ermittlungen erfahren, dass die Staatsanwaltschaft in Person des Staatsanwalts Mag. Georg KRAKOW neben der Sonderkommission das BIA mit Untersuchungen in dieser Sache beauftragt habe. Daraufhin habe er HAIDINGER mitgeteilt, dass es für ihn "befremdend" sei, dass auch andere Stellen mit Ermittlungen beauftragt worden seien. KRAKOW hatte das BIA mit Erhebungen rund um eine 72.000 Euro-Zahlung von BAWAG-Spekulant Wolfgang FLÖTTL an VRANITZKY beauftragt. Staatsanwalt KRAKOW habe Wert darauf gelegt, dass niemand von dieser Beauftragung erfährt, dementsprechend wurde es der Sonderkommission BAWAG nicht mitgeteilt. Dieses Vorgehen erscheint aber nicht nur hinsichtlich der Kompetenzenordnung bedenklich, sondern spiegelt das gegenseitige Misstrauen innerhalb der Ministerien wider.

 

Mit der Doppelgleisigkeit der Ermittlungen wurde augenscheinlich, dass das BIA in Sachen BAWAG außerhalb der internen Befehlskette im Innenministerium ermittelte. Das ging insbesondere aus der Befragung des Leiters der Sektion in der das BIA verortet ist, PRUGGER, hervor. Das BIA habe bei Aufträgen der Staatsanwaltschaft das "generelle OK" für Erhebungen gehabt, begründete PRUGGER das eigenständige Vorgehen des BIA.

 

Eindeutig ergab sich aus den abgehaltenen Sitzungen, dass die ÖVP vor der Nationalratswahl 2006 die Ermittlungen über die Verwicklungen der SPÖ zur Causa BAWAG massiv forciert hat. Ob es dabei zu Rechtswidrigkeiten oder Amtsmissbrauch gekommen ist, ist weiter unklar. Zweifelhaft blieb indes die Rolle des in der Causa BAWAG zuständigen Staatsanwalts KRAKOW, der sich zuerst massiv dafür interessiert habe, ob man im Verdacht der SPÖ Parteienfinanzierung fündig geworden sei und nach der Mitteilung eines Fundes dies nicht mehr als prioritär und als Nebenast bezeichnet hat.

Dr. Herwig HAIDINGER

 

Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Glaubwürdigkeit des früheren Leiters des Bundeskriminalamtes, Dr. Herwig HAIDINGER, im Verlauf der Ausschusssitzungen merklich gelitten hat. Zwar brachte er die Missstände an das Licht der Öffentlichkeit, doch spielte er im Verlauf des Ausschusses keine glanzvolle Rolle als „Kronzeuge“. So konnte er im Verlauf des Ausschusses seine Vorwürfe nicht weiter substantiieren. Bezüglich der Beschuldigungen von HAIDINGER standen teils Zweifel und zumeist Aussage gegen Aussage. Dies führte immerhin dazu, dass Staatsanwalt Mag. Peter GILDEMEISTER ankündigte ein Strafverfahren gegen HAIDINGER einzuleiten (175/KOMM). Dennoch bleibt, dass erst durch ihn die angeführten Missstände in der Verwaltung bekannt wurden. Dessen ungeachtet ist deutlich geworden, dass hinter dem Handeln HAIDINGERS nicht zuletzt Karrieregründe bzw. der Wunsch auf Wiederbestellung als Leiter des Bundeskriminalamts standen.

 

 

Justizministerium

 

Eine weitere zentrale Erkenntnis, welche sich aus dem Untersuchungsausschuss ergibt, ist, dass auch das Justizministerium politisch instrumentalisiert wurde. So haben die entsprechenden Befragungen (165/KOMM, 174/KOMM) ergeben, dass der Pressesprecher der damaligen Justizministerin Mag. Karin GASTINGER, Christoph PÖCHINGER, den Rohentwurf der BAWAG-Anklageschrift beim Staatsanwalt KRAKOW bestellt und diesen auch erhalten hat, ohne dass KRAKOW sich bei der Ministerin rückversichert hätte. Dies geschah sogar, obwohl PÖCHINGER angab, er benötige den Anklageentwurf für seine "Medienarbeit". Daraufhin wurde die BAWAG-Anklage am 5. Oktober 2006 vor deren offiziellen Genehmigung im Justizministerium in dem Nachrichtenmagazin „News“ veröffentlicht. PÖCHINGER steht unter Verdacht, die Anklageschrift an Dr. Alfred WORM weitergegeben zu haben. Nach Aussage des Staatsanwalts Mag. Reinhard FÜHRLINGER habe sich der entsprechende Verdacht gegen Pöchinger aufgrund gewisser Indizien verstärkt. Als Beispiel nannte er das Datum der Veröffentlichung der Anklageschrift; genau drei Tage nachdem PÖCHINGER ein Exemplar von der Staatsanwaltschaft angefordert hat. Zudem ist offenbar geworden, dass PÖCHINGER wohl aus Eigeninteresse gehandelt hat. Ihm ist, dies lässt sich aus den Einvernahmen schließen, von WORM ein Arbeitsplatz bei „News“ als Gegenleistung für gewisse Gefälligkeiten versprochen worden. Am Landesgericht Linz läuft derzeit ein Strafverfahren gegen PÖCHINGER in der Causa.

Da die Anklageschrift im vollen Wortlaut in der Zeitschrift "News" erschienen ist, lässt dies jedenfalls auf massiven Machtmissbrauch auch im Justizministerium schließen. Mithin herrscht auch im Justizministerium ein enormer Handlungsbedarf bei der Selbstkontrolle des Hauses, der Staatsanwaltschaft sowie der Richterschaft.

 

 

Allgemeine Empfehlungen:

 

Die bislang aufgedeckten Missstände im Innenministerium als auch im Justizministerium machen deutlich, dass dringend eine gesetzliche Regelung über Einstufung und Definition der Kompetenzen von Kabinettsmitgliedern in Ministerien geschaffen werden muss. Damit gehen genauere gesetzliche Regelungen und eine umfassende Aufklärung in den Behörden zum Weisungsrecht der Ministerinnen und Minister einher.

 

Aus grundlegender organisatorischer Sicht ist die schnellstmögliche Abschaffung des Büros für interne Angelegenheiten geboten. Stattdessen ist eine dem Nationalrat unterstellte Antikorruptionsbehörde (vergleichbar dem Rechnungshof) zu schaffen. Daneben muss die Selbstkontrolle des Justizministeriums verbessert und institutionalisiert werden.

 

Zum Verfahren in den Ausschusssitzungen ist einhellige Ansicht unter den Mitgliedern, dass eine Reform der Verfahrensordnung zu den Untersuchungsausschüssen erfolgen muss. Hierzu werden im Folgenden Vorschläge unterbreitet. Des Weiteren ist das Recht zum Einsetzen von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht auszugestalten. Die Minderheitenrechte dürfen aber nicht bei dem Einsetzungsbeschluss enden, sondern müssen sich auch im Verlauf der Sitzungen niederschlagen.

 

 

Prüfung des Zusammenhangs mit dem Untersuchungsgegenstand:

 

Aufgrund der Erfahrungen des Untersuchungsausschusses und der involvierten Bundesministerien in Zusammenhang mit der Frage, ob ein Zusammenhang des Untersuchungsgegenstandes mit den angeforderten Akten besteht und welche Akten daher dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln sind, erscheint eine Lösung de lege lata nicht möglich, weshalb auf Vermittlung der Präsidentin des Nationalrates Kompromisse für eine Vorgangsweise gesucht wurden. De lege ferenda sollte jedoch eine Regelung getroffen werden, die in solchen Fällen ein geregeltes Verfahren vorsieht, welches zu einem für alle beteiligten Seiten bindenden und durchsetzbaren Ergebnis kommt.

 

 

Empfehlungen zur Verfahrensordnung:

 

Die verfassungsrechtliche Grundlage für den Untersuchungsausschuss ist Artikel 53 B-VG. Dieser, wie alle Interpellations- und Kontrollrechte, zielen auf die Verwaltung ab. Die im Artikel 53 B-VG festgelegten Vorlage- und Auskunftspflichten gelten daher für die Gerichte, die Behörden und die Ämter. Eine Kontrolle der Bürger ist nicht vorgesehen, denn ein Untersuchungsausschuss ist kein Ersatz für ein Gericht.

 

Auf das Problem der Ausweitung auf Dritte (Außenwirkung) hat bereits MAYER 1989 in einem Beitrag in „Untersuchungsausschüsse und Rechtsstaat“ hingewiesen. Er kommt dabei zum Schluss, dass die im Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats vorgesehene Außenwirkung verfassungsrechtlich zulässig ist, aber einer „verfassungs(grundrechts-)-konformen Auslegung“ bedarf.

 

Diese ist nach Einschätzung anderer Juristen in der Verfahrensordnung nicht gewährleistet, da den Betroffenen keinerlei effektiver Rechtsbeistand beigegeben ist (die Vertrauensperson darf nicht selbst das Wort in Verfahrensfragen erheben), ihre sonstigen verfassungsgesetzlich garantierten Rechte – etwa der Datenschutz über Familien- und Privatsphäre – nicht in den Entschlagungsgründen aufgelistet sind und Entscheidungen in Verfahrensfragen nicht von dafür ausgebildeten Richtern getroffen werden, sondern vom Vorsitzenden oder mittels politischer Mehrheit, auch gegen die Rechtsmeinung des Verfahrensanwaltes. Der Schutz der Rechte der Bürger ist daher nicht gewährleistet.

 

Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Abgeordnete zum Nationalrat aus rein parteipolitisch motivierten Gründen Anträge auf Verhängung einer Beugestrafe an ein zuständiges Gericht stellen können, ohne dass der Betroffene eine Möglichkeit zur Verteidigung hat. Das grenzt an einen Akt politischer Willkür.

 

Aus diesem Grund sollte das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates dahingehend geändert werden, dass ein unabhängiger Richter als Vorsitzender eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses eingesetzt werden muss, und zwar um jegliche politische Einflussnahme zu verhindern und damit die Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen zu wahren!

 

Dies könnte als Änderung der Verfahrensordnung in Anlehnung an die 2000 erfolgte umfassende Novellierung der Wiener Stadtverfassung und der Geschäftsordnung des Wiener Gemeinderates und Landtages geschehen, wo auf Vorschlag von SPÖ und ÖVP beschlossen wurde:

 

„Der Vorsitzende einer Untersuchungskommission und sein Stellvertreter müssen rechtskundig sein. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter sind im Einzelfall durch das Los aus einer ständig vom Magistrat geführten Liste zu bestellen, in die drei aktive oder im Ruhestand befindliche Richter, drei in Wien ansässige Rechtsanwälte und drei in Wien ansässige Notare eingetragen sind.“

 

Damit würde das Ausschussverfahren durchaus aufgewertet und ein Verfahren im Sinne des „fair trial“ eines solchen Untersuchungsausschusses gewährleistet.

 

 

Abg. z. NR KO Ing. Peter Westenthaler