Bericht zur Entschließung 203

 

1616 der Beilagen XXII. GP - Ausschussbericht NR,             vom 12. Juli 2006

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit Bezug auf die Entschließung 203 des Nationalrats legen das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, das Bundesministerium für Inneres, das Bundesministerium für Justiz und das Bundesministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz einen im Zuge der Task Force gegen den Menschenhandel erstellten, ausgearbeiteten und koordinierten Gesamtbericht wie folgt vor.

 

1.    Vorbereitung eines Nationalen Aktionsplans gegen den Menschenhandel

 

Menschenhandel hat sich zur globalen Herausforderung entwickelt und stellt sich auch auf europäischer Ebene, vor allem in der Ausformung des Frauen- und Kinderhandels, als brennendes Problem dar. Das Problem des Menschenhandels ändert ständig seinen Charakter und jene, die ihn betreiben, stellen sich rasch auf geänderte Rahmenbedingungen wie Grenzkontrollen oder gesetzliche Bestimmungen ein. Der Begriff Menschenhandel ist dabei im österreichischen wie im internationalen Kontext im Sinn des VN-Protokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels zu verstehen.

 

Durch seine Lage im Zentrum Europas ist Österreich von Menschenhandel als Transit- und Zielland betroffen, insbesondere hinsichtlich sexueller Ausbeutung, sklavereiähnlicher Zustände bei Hausangestellten und Kinderhandel. Dabei ist der Menschenhandel eine Herausforderung für die Strafverfolgung und die Unterstützung der Betroffenen, gleichermaßen jedoch ebenso ein Anwendungsfall des Menschenrechtsschutzes in einer globalisierten Welt.

 

Daher ist der österreichische Ansatz bei der Bekämpfung des Menschenhandels ein umfassender und beinhaltet nationale Koordination, Prävention, Opferschutz, Strafverfolgung und internationale Zusammenarbeit.

 

Österreich ist Vertragsstaat sämtlicher relevanter internationaler Rechtsinstrumente gegen den Menschenhandel. Österreich hat im Herbst 2005 das VN-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels als erstes der drei Zusatzprotokolle des VN-Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ratifiziert. Sein Mehrwert besteht insbesondere in der zwingenden Kriminalisierung des Menschenhandels und der Verpflichtung zum Opferschutz – z.B. Identitätsschutz bei Verfahren, gesundheitliche oder psychosoziale Maßnahmen.

 

Das vom Europarat ausgearbeitete Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels wurde durch Österreich anlässlich des dritten Gipfeltreffens des Europarats im Mai 2005 unterzeichnet und im Juni 2006 ratifiziert. Dieses Übereinkommen führt den Opferschutz einen zusätzlichen Schritt weiter: den Opfern des Menschenhandels muss besonderer Schutz und materielle Unterstützung gewährleistet werden, unabhängig davon, ob sie bereit sind, in einem etwaigen Strafverfahren gegen kriminelle Menschenhändler auszusagen oder nicht. Weiters wird ein unabhängiger Überprüfungsmechanismus (GRETA) geschaffen und schlussendlich wird der Menschenhandel nun explizit als Menschenrechtsverletzung anerkannt.

 

Österreich hat die VN Konvention über die Rechte des Kindes, die alle Staaten verpflichtet, Maßnahmen gegen jede Form der Gewalt und der Ausbeutung zu ergreifen, und deren Zusatzprotokoll gegen die Kinderpornographie ratifiziert. Das Protokoll regelt die weltweite Kriminalisierung betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie und beinhaltet Schutzbestimmungen für die betroffenen Kinder. Durch die VN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen hat sich Österreich verpflichtet, gegen den Frauenhandel und jede Form der Ausbeutung vorzugehen.

 

Auf EU-Ebene hat der Europäische Rat im Jahr 2004 das Haager Programm für die Schaffung eines gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts angenommen, welches u.a. den Rat und die Kommission aufforderte, einheitliche Standards und Mechanismen für die Verhütung und die Bekämpfung des Menschenhandels zu entwickeln und zu diesem Zwecke bis Ende 2005 einen Aktionsplan auszuarbeiten. Dieser Aktionsplan wurde termingemäß beschlossen und beinhaltet Koordinations-, Präventions-, Strafverfolgungs- und Opferschutzelemente und wurde wie vorgesehen nach den Erfahrungen des ersten Jahres überarbeitet.

 

In Österreich wurde mit Ministerratsbeschluss vom November 2004 die Task Force Menschenhandel unter Leitung des BMaA eingerichtet. Die Tätigkeiten der Task Force bei der interministeriellen Koordinierung, der frühzeitigen Erörterung von Entwicklungen und der gemeinsamen Erarbeitung von Lösungen haben sich bisher als erfolgreich erwiesen. Hauptziel der Task Force ist es, den gemeinsamen Kampf gegen den Menschenhandel zu strukturieren und zu intensivieren. Die Task Force ist weiters mit der Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans gegen den Menschenhandel beauftragt, dessen Vorbereitung der Nationalrat in seiner Entschließung 203 vom 12. Juli 2006 gefordert hat.

 

In der 8. Task Force Sitzung am 29. August 2006 wurden zur Ausarbeitung des nationalen Aktionsplans eine Unterarbeitsgruppe „Nationaler Aktionsplan“ eingerichtet sowie die Grundrisse und der Fahrplan des Vorhabens skizziert und diskutiert. Sitzungen der Unterarbeitsgruppe fanden am 2. Oktober 2006 und am 24. Oktober 2006 statt. Auch die 9. Sitzung der Task Force Menschenhandel am 27. November 2006 sowie ihre 10. Sitzung am 14. Dezember 2006 widmeten sich schwerpunktmäßig den Arbeiten am Aktionsplan. Entsprechend international anerkannter best practices wurde die Einbindung und Förderung von Nichtregierungsorganisationen, die in diesem Bereich tätig sind, wahrgenommen und festgestellt, dass diese auch im Rahmen der Durchführung einzelner Maßnahmen des Aktionsplans erwünscht sind.

 

Der Aktionsplan ist in sieben Teile gegliedert. Die einzelnen Aktionen des Aktionsplans sind Zielbestimmungen, die im Einklang mit der geltenden österreichischen Rechtslage zu erreichen sind. Im Kapitel Prävention sind Aktionen zur Fortführung der Tätigkeit der Task Force sowie der Einbeziehung der Gebietskörperschaften vorgesehen. Bis Ende 2007 soll ein Nationaler Koordinator bzw. eine Nationale Koordinatorin gegen den Menschenhandel eingesetzt werden. Im In- und Ausland werden Tätigkeiten zu Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung gesetzt. Der Präventionsteil umfasst Sensibilisierungs- und Bewusstseinsbildungsaktivitäten. Die Sicherheit von Opfern steht im Zentrum des Kapitels zum Opferschutz, wobei in diesem Bereich besonders auf die Situation von Kindern und Jugendlichen eingegangen wird. Training, Informationsaustausch, Zuständigkeitsbündelung und die Suche nach Verbesserungen sind Überlegungen in den Bereichen Opferentschädigung und Strafverfolgung. Das Kapitel zur internationalen Zusammenarbeit zeigt Bereiche auf, in denen die Aktivitäten zu Menschenhandelsprojekten im Ausland gesetzt werden. Schwerpunkte dieses Engagements liegen auf der Vernetzung von Akteuren, dem Kapazitätsaufbau von staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen und dem Fokus auf besondere Risikogruppen (Frauen/Mädchen in ländlichen Gebieten, Minderheiten insb. Roma, und Kinder insb. Waisen, Heimkinder). Eigenständige Aktionen zum Bereich Datenerfassung, Monitoring und Evaluierung stellen sicher, dass die beabsichtigten Aktivitäten ergebnisorientiert und nachhaltig betrieben werden.

 

Die einzelnen Maßnahmen des Aktionsplans sehen einen Umsetzungszeitraum bis einschließlich 2008 vor.

 

 

2.    In Aussicht genommene Maßnahmen, insbesondere

2.1.           zur Aufklärung und Prävention in den Herkunftsländern des Frauen- und Kinderhandels

 

Das Programm Daphne III (2007-2013) enthält auf europäischer Ebene einige Referenzen zum Thema Menschen- und Kinderhandel. Auf dieser Grundlage wird das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz die EU-Kommission ersuchen, die Prävention von Kinderhandel als Schwerpunktthema für 2008 zu wählen.

 

Begründet kann dieser Schwerpunkt insofern werden, als es sich bei dieser Form der Gewalt gegen Kinder um eine grenzüberschreitende kriminelle Handlung handelt, die innerhalb der EU nicht ausreichend bekämpft werden kann, wenn nicht die Herkunftsländer aktiv einbezogen werden. Dazu bedarf es der, die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten überschreitenden, finanziellen und strukturellen Ressourcen des Daphne-Programms.

 

Die Austrian Development Agency (ADA) hat die Thematik des Menschenhandels im Jahr 2005 als einen sachlichen Schwerpunkt ihrer projektbezogenen Tätigkeiten in Ost- und Südosteuropa identifiziert. Derzeit und auch für die kommenden Jahre fördert die ADA eine erhebliche Zahl von Projekten im Ausland, die sich thematisch mit dem Kampf gegen den Menschenhandel auseinandersetzen. Eine entsprechende Liste wird in Annex 1 vorgelegt.

 

Derzeit wird mit Unterstützung des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz das Projekt „W.E.S.T. (Women East Smuggling Trafficking)-Info II: Menschenhandel?!“ durchgeführt (siehe Annex 2). Es wird dabei Informationsmaterial für und über potentiell gefährdete Frauen aus der Ukraine, Rumänien und der Slowakei erstellt. Diese Präventivmaßnahme ermöglicht gleichzeitig, die gewonnenen Informationen und Rückmeldungen aus der Recherche  über potentiell vom Menschenhandel gefährdete Frauen der Fachöffentlichkeit in Österreich zugänglich zu machen.

 

2.2.           zur Praxis der Visaerteilung

Um den Menschenhandel im Vorfeld zu verhüten, führt das BMaA seit dem Jahr 2002 eine Präventionskampagne durch. Dabei wurden die österreichischen Vertretungsbehörden in Risikoländern angewiesen, besonders gefährdete Personengruppen bei Anträgen auf Visa und  Aufenthaltstitel über mögliche Risiken und Gefahren, die rechtliche Lage in Österreich und über Notrufnummern zu informieren. Dies erfolgt durch persönliche Gespräche sowie mit Hilfe eines in die jeweilige Landessprache übersetzten Merkblatts.

 

Diese Initiative fußt auf der Überlegung, dass die österreichischen Vertretungsbehörden die ersten offiziellen Stellen der Republik Österreich sind, mit denen potentielle Opfer des Menschenhandels in einem Szenario mit legaler Einreise zu tun haben. Oft sind sie aufgrund der Situation in ihren Herkunftsländern Behörden gegenüber insgesamt misstrauisch eingestellt, es ist daher wichtig zu vermitteln, dass die österreichischen Behörden auf der Seite der Opfer und nicht der Täter stehen. Im Sommer 2006 wurden aktualisierte Informationen über LEFÖ-IBF (Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel der NRO „Lateinamerikanische Emigrierte Frauen in Österreich“) an die betroffenen Vertretungsbehörden versandt. Diese Art der Kooperation soll auch in Zukunft betrieben werden. Ferner ist beabsichtigt, im Wege der österreichischen Vertretungsbehörden auch Kontakte zu einschlägigen lokalen NRO zu knüpfen, um auch deren Informationen verfügbar zu machen.

 

Im Bereich des Fremdenrechts stellen die Bestimmungen des § 24 FPG den gesetzlichen Rahmen für Showtänzerinnen, Tabledancer und Prostituierte dar.

Sonderbestimmungen zur Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken

§ 24. (1) Die Aufnahme

1.       einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 16);

2.       einer bloß vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 17) oder

3.       einer Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG Voraussetzung ist,

im Bundesgebiet ist nur nach Erteilung eines Aufenthalts-Reisevisums möglich. In diesem Fall ist dem Fremden unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 und im Fall der Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bei Vorliegen einer Sicherungsbescheinigung nach § 11 AuslBG ein Aufenthalts-Reisevisum bis zu sechsmonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

(2) Abs. 1 findet auf Fremde, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, zur Aufnahme einer Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 3 keine Anwendung.

(3) Teilt eine Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz der zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland mit, dass einem Fremden, der der Sichtvermerkspflicht unterliegt, ein Aufenthaltstitel erteilt werden wird, so ist ihm unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 Z 1, 3 und 4 ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

 

Gemäß § 24 (1) Z 1 oder 2 FPG kann ein Visum D+C als nationales Visum für einen Aufenthalt von mehr als drei bis maximal sechs Monate Aufenthaltsdauer entsprechend den nationalen Voraussetzungen erteilt werden. Dieses Visum kann gleichzeitig ab dem ersten Tag seiner Gültigkeit für höchstens drei Monate auch als einheitliches Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt im gesamten Schengenraum (Visum C) gelten, sofern es unter Einhaltung der gemeinsamen Voraussetzungen und Kriterien der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion (GKI) erteilt wurde.

 

Da Prostitution in manchen Fällen im Zusammenhang zum Thema Menschenhandel steht, ist von den für die Visumbearbeitung und -erteilung zuständigen Behörden auf größtmögliche Sorgfalt bei der Fallbearbeitung zu achten. Mit Erlass des BM.I vom 10. Juli 2006 wurden Richtlinien betreffend Showtanz, Tabledance und Prostitution festgelegt, die diese Aspekte berücksichtigen.

 

Bei Showtänzerinnen und Tabledancern ist in den meisten Fällen - je nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt ihrer Tätigkeit - von einer Bewilligungspflicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz auszugehen. In diesen Fällen wäre - neben den allgemeinen Vorlagepflichten bei der Visumerteilung sowie allfälligen ergänzenden Unterlagen - eine Beschäftigungsbewilligung oder Sicherungsbescheinigung des AMS vorzulegen.

 

Ausgeschlossen ist dabei jede „Nebentätigkeit“, z.B. Prostitution oder Erwerb durch (Getränke-) Animation, da diese durch den erteilten Einreisetitel nicht gedeckt wären.

 

Bei der Ausübung der Prostitution handelt es sich hingegen typischerweise um eine - nicht gemäß AuslBG bewilligungspflichtige - selbständige Erwerbstätigkeit. Mindestvoraussetzung zur Visumerteilung ist das Vorhandensein der allgemeinen materiellen Voraussetzungen (Krankenversicherung, Unterkunft und Unterhaltsmittel), sowie der besonderen Voraussetzungen (Gesundheitsnachweis gemäß § 21 Abs. 4 Z 2 FPG; keine Umgehung der einschlägigen Vorschriften, die die Prostitution nach den landesgesetzlichen Vorschriften regeln; u.a.).

 

In die Gesamtbeurteilung des Visumantrages sind insbesondere folgende Überlegungen mit einzubeziehen:

        War die Visumwerberin bereits in Österreich oder einem anderen EU-Staat nachweislich legal als Prostituierte tätig und hat sie sich dabei an die gesetzlichen Vorschriften (Untersuchungen, Versicherung, Steuern) gehalten? Die Einhaltung einschlägiger Vorschriften und die dazu nötigen Behördenkontakte können als Indiz dafür angesehen werden, dass die Betroffenen sich über die Art der Tätigkeit im Klaren sind, und die Möglichkeit zur Druckausübung für Dritte eingeschränkter ist.

        Liegt überdies ein zeitlicher Folgeantrag vor, ist das Vorleben in Österreich zu beachten (legale/illegale Ausübung der Prostitution, Vorlage der relevanten rechtlichen und medizinischen Unterlagen der seinerzeitigen Tätigkeit) und auf die Sechsmonatsfrist Bedacht zu nehmen.

        Bei Erstanträgen sind Faktoren maßgeblich, die eine Zukunftsprognose dahingehend ermöglichen, ob es der Visumwerberin möglich sein wird, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Dabei ist auch die Frage der bereits legal ausgeübten Prostitution im Heimatland oder in einem anderen EU-Staat zu betrachten. Darüber hinaus sollte durch die Erbringung des Nachweises der bereits ausgeübten Tätigkeit die Gefahr wegfallen, dass sich Frauen aufgrund falscher Informationen (z.B. „Lockangebot“ als Kellnerin etc.) auf einen Aufenthalt einlassen.

        Bei der Gesamtbeurteilung des Visumantrages ist insbesondere zu prüfen, ob die Visumwerberin ausgebeutet werden könnte.

 

Bei Einhaltung dieser Kriterien kann das Menschenhandelsrisiko maßgeblich reduziert werden.

 

2.3.           im Bereich der Fälschungssicherheit, Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Reisedokumenten

a) Fälschungssicherheit

§         Reisepass:

Am 16.06.2006 bzw. 28.08.2006 wurden in Österreich neue Reisedokumente (gewöhnlicher RP, Dienst-, Diplomaten-, Fremdenpass und Konventionsreisedokument) eingeführt, die nach Vorgaben der EU auch einen integrierten Datenträger enthalten (ausgenommen Kinderpass). Seit 25.10.2006 ist (auf freiwilliger Basis) auch die Beantragung eines Kinderpasses mit Datenträger möglich.

 

Durch diese Maßnahme sind alle neu ausgestellten Reisepässe auf dem derzeit neuesten Sicherheitsstandard und weisen ein einheitliches Layout auf.

 

Weitere Maßnahme zur Erhöhung der Fälschungssicherheit:

Þ    Im Laufe des Jahres 2007 wird zusätzlich ein neues Sicherheitsmerkmal (Sekundärlichtbild, Schattenbild) in neu ausgestellte Reisepässe integriert. Das im Reisepass gedruckte und auf dem Chip gespeicherte Lichtbild des Passinhabers bzw. der Passinhaberin wird mittels Laser in Form von feinen Löchern in das Papier gebrannt. Diese Technik der „Laserperforation“ erzeugt damit ein zusätzliches „Schattenbild“, das nur dann sichtbar wird, wenn die Personalisierungsseite gegen eine Lichtquelle gehalten wird (Verhinderung des Austauschs des Lichtbildes).

 

 

 

§         Personalausweis

Der „neue“ Personalausweis (Kartenform, Ausstellung seit Jänner 2002) ist derzeit auf dem neuesten Sicherheitsstandard.

 

b) Rechtmäßigkeit von Reisedokumenten

Reisedokumente (Reisepass/Personalausweis) werden auf Grundlage der Gesetze nur nach persönlichem Erscheinen (Identitätsfeststellung) im Zuge eines eigenen Verwaltungsverfahrens ausgestellt.

 

c) Gültigkeit von Reisedokumenten

Reisedokumente (Reisepass/Personalausweis) werden abhängig vom Alter des Passinhabers bzw. der Passinhaberin zeitlich befristet ausgestellt.

 

è Bzgl. der Punkte b) und c) sind derzeit keine weiteren Maßnahmen geplant.

 

2.4.           im Bereich der Identifizierung von Opfern

Diese Auflistung von Indikatoren soll dazu dienen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Polizei, der Strafverfolgungsbehörden, Fremden- und Bezirksverwaltungsdienststellen sowie staatlicher und nicht-staatlicher (Opfer-) Beratungsstellen eine Hilfestellung zur Identifizierung von Opfern zur Verfügung haben. Dazu wird aber angemerkt, dass bei Feststellung von einzelnen Punkten dies nicht bedeutet, dass zwingend Menschenhandel gegeben ist. Es sollte aber bei Wahrnehmung mehrerer solcher Indikatoren auf jeden Fall Verdacht geschöpft und nähere Ermittlungen aufgenommen, bzw. die Sicherheitsbehörden verständigt werden.

 

Grundsätzlich darf dazu ausgeführt werden, dass Opfer von Menschenhandel sich selten von sich aus als solche zu erkennen geben. Zumeist sind sie nicht aussagebereit und können Fragen zu Ereignissen aus sprachlichen, kulturellen oder sonstigen Umständen, wie Traumatisierung und vorhandener Angst, nicht sogleich beantworten. Hier ist einfühlsames, soziales und verständnisvolles, als auch vom zeitlichen Druck befreites Vorgehen nötig, um eine Vertrauensbasis aufzubauen, damit dann der vorliegende Sachverhalt zu einer schlüssigen Klärung und schlussendlich einer erfolgreichen Bekämpfung dieser Kriminalitätsform führen kann.

 

Ansatzweise werden hier nun einige Punkte aus dem ausgearbeiteten und großteils in internationaler Abstimmung erstellten Leitfaden dargestellt:

 

Feststellungen beim ersten Kontakt mit dem möglichen Opfer sind, dass

-     die persönlichen Legitimationsurkunden (Reisepass, Personalausweis, etc.) nicht vorgewiesen werden können, da diese eine Begleitperson in Verwahrung hat oder sie an einem ihr unbekannten Orte aufbewahrt werden;

-     falsche und verfälschte Identitätsausweise vorgewiesen werden und zur Herkunft keine oder falsche Angaben gemacht werden;

-     kaum oder gar keine finanziellen Mitteln mitgeführt werden;

-     keine konkreten Angaben zum Reiseziel und Dauer gemacht werden können;

-     die Person unnatürliches, außergewöhnliches Verhalten zeigt, wie Unruhe, Angst, Misstrauen, Zurückgezogenheit;

-     die Person offensichtlich einstudierte auswendig gelernte Angaben macht;

-     es Spuren von Misshandlungen gibt;

-     es kein oder nur sehr spärliches Reisegebäck gibt;

etc.

 

Bewertung der durchgeführten weiteren Abklärungen (Befragungen, Unterlagen, Ermittlungen)

 

Zur Situation der Person im Herkunftsland:

-     schwierige soziale und ökonomische Verhältnisse, sowie keine Perspektiven im Herkunftsland;

-     Person wurde im Herkunftsland eine lukrative Arbeit in Aussicht gestellt, wobei der versprochene Lohn im krassen Widerspruch zur Schul- und Ausbildung steht oder zu den realen Bedingungen im Zielland;

-     Anwerbung durch Inserate, Zufallsbekanntschaften, etc.

-     Person wurde eine Arbeitsbewilligung versprochen. Dies wird dann unter einem Vorwand, zumeist erst nach Ankunft, nicht eingehalten oder Zwischenlösung bis zum Erhalt angeboten;

-     Angehörige, wie Eltern, Geschwister, eigene Kinder (eventuell Druckmittel);

etc.

 

Zu den Modalitäten der Einreise:

-     die Reisedokumente und Aufenthaltsgenehmigung wurden durch den Anwerber beschafft, bzw. finanziert;

-     Begleitung bei den Behördenwegen;

-     Begleitung bei der Reise;

-     verwendete Transportmittel und Routen;

etc.

 

Arbeitsstelle und dortige Situation:

-     Person wird überwacht und hat eingeschränkte Bewegungsfreiheit;

-     Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder am Arbeitsplatz;

-     kein eigener Wohnungsschlüssel;

-     Überdurchschnittlich hohe Arbeitszeiten und Ausübung der Tätigkeit auch im Krankheitsfalle;

-     Verhinderung von sozialen Kontakten;

etc.

 

Typisch bei sexueller Ausbeutung:

-     Person war nicht bekannt, dass sie in der Prostitution tätig sein würde;

-     oder: der Person war eine Tätigkeit in der Prostitution bekannt, aber nicht die ausbeuterischen Bedingungen;

-     Person darf Kunden nicht ablehnen oder bestimmte Tätigkeiten nicht verweigern;

-     Person muss häufig ihren Arbeitsort wechseln;

etc.

 

Finanzielle Modalitäten:

-            Person erhält keinen oder einen sehr geringen Arbeitslohn ausbezahlt;

-            oder:

-          Person kann nicht über ihren Lohn verfügen, weil:

-          hohe Reise- oder Vermittlungsschulden zu begleichen sind (Schuldknechtschaft);

-          ein unverhältnismäßig hoher Anteil der Einkünfte an den Arbeitgeber, Vermittler, Zuhälter oder weiteren Personen bezahlt werden muss;

-          festgelegte tägliche/wöchentliche Mindesteinnahmen bzw. Umsätze (wie Getränkeanimation) erzielt werden müssen;

-          Überweisungen in die Heimat erfolgen, wobei die Empfänger nicht die Angehörigen sind;

-          unverhältnismäßig hohe Kosten für Unterkunft, ärztliche Versorgung oder Verlängerung Aufenthaltsgenehmigung, usw. anfallen;

-          Strafzahlungen wegen Zuwiderhandlungen von Vorgaben erfolgen;

 

Psychische und physische Einwirkung:

-          Person erleidet sexuelle, psychische und/oder physische Gewalt;

-          Person oder ihren Angehörigen (vorwiegend im Heimatland) wird mit Gewalt, wirtschaftlicher Vernichtung, behördlicher Verfolgung gedroht;

-          Person wird seitens der Täterschaft mit Anzeige und Verhaftung oder Abschiebung wegen fehlender Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung gedroht;

-          die Täter bzw. die Täterinnen prahlen mit ihren guten Kontakten zu hiesigen Behörden und Polizeibeamten und -beamtinnen;

 

Die ausgearbeiteten Kriterien werden in Zukunft allen zuständigen Behörden zu Verfügung gestellt werden, damit sie sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf nachvollziehbare Faktoren stützen können.

 

2.5.           über eine Verstärkung von Schutz und Hilfe für die Opfer einschließlich eingehender Information über bestehende Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten

Zur Verstärkung von Schutz und Hilfe für die Opfer von Frauenhandel ist ein Ausbau der Kapazitäten der Notwohnung der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (IBF) unumgänglich.

 

Dazu wurde das Konzept einer Übergangswohnung entwickelt, das Frauen, die sich während ihres Aufenthalts in der Notwohnung bereits soweit stabilisieren konnten, dass sie keine Rund um die Uhr-Betreuung mehr benötigen, eine Unterstützung anbietet, die sich in ihrer Intensität an ihrer Situation bzw. ihren Ressourcen orientiert.

 

Die Statistik der IBF der Jahre 2004 und 2005 zeigt, dass circa ein Viertel der in der Notwohnung betreuten Frauen länger als ein halbes Jahr betreut wurden, für viele dieser Frauen wäre es möglich gewesen, in die Form des betreuten Wohnens „umzusteigen“.

 

Die Übergangswohnung soll daher Platz für etwa sechs Frauen bieten, die über eine humanitäre Aufenthaltsberechtigung verfügen und im erforderlichen Ausmaß weiterhin psychosozial, rechtlich und gesundheitlich beraten sowie bei der Integration in den regulären Arbeitsmarkt unterstützt werden.

 

Die Pilotphase des Projekts, die bis Ende 2007 projektiert ist, wird vom Bundesministerium für Inneres gefördert; mit der Suche nach einer geeigneten Wohnung wurde bereits begonnen.

 

Im Jahr 2007 soll das Konzept praktisch erprobt und bei Bedarf adaptiert werden. Im Anschluss daran ist in Aussicht genommen, die Übergangswohnung – genauso wie die Notwohnung der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels – in den Auftragsvertrag, den das Bundesministerium für Inneres gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen an den Verein LEFÖ (Lateinamerikanische Emigrierte Frauen in Österreich) vergeben hat, zu integrieren und damit langfristig abzusichern. Die IBF wird gemeinsam von BMGF und BMI finanziert.

 

Es ist vorgesehen, eine Unterarbeitsgruppe der Task Force Menschenhandel einzurichten, die konkrete bedarfsorientierte Maßnahmen zur Unterstützung von Betroffenen des Kinderhandels diskutiert und die Umsetzung der speziell auf Kinderhandel fokussierten Maßnahmen behandelt.

 

Um zielorientierte Maßnahmen entwickeln und angemessen auf das Problem reagieren zu können, muss zuvor die Situation in Österreich analysiert werden. Wesentliche Unterlage wird hierfür der erste Umsetzungsbericht des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie sein, das Österreich 2002 ratifiziert hat. Der Beitrag des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zu dem Umsetzungsbericht zeigt, dass im Bereich Opferschutz ein Großteil der Kompetenzen im Bereich der Bundesländer liegt.

 

Es ist daher sinnvoll, wenn im Rahmen dieser Unterarbeitsgruppe Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Bundesländer, sowie Experten und Expertinnen von Kinderhandel und -prostitution, in diesem Bereich tätige Nichtregierungsorganisationen und auch die Asylkoordination im Zusammenhang mit der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zusammenarbeiten, um eine bessere Wissensbasis für Strategien im Problemkreis Kinderhandel zu bekommen.

 

Im Zusammenhang mit Bewusstseinsbildung für das Thema Kinderhandel nimmt das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ein Expertinnen- und Expertengespräch mit dem Arbeitstitel „Welche Öffentlichkeitsarbeit erreicht die Konsumentinnen und Konsumenten (von Diensten der Opfer von Kinderhandel)?“ in Aussicht. Im Zuge dieses Gesprächs sollen Nichtregierungsorganisationen, Kinderpsychiaterinnen und -psychiater und PR-Expertinnen und -Experten Präventionsstrategien diskutieren.

 

Im Bereich Opferschutz wird das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz an der Überprüfung der Notwendigkeit der Einrichtung eines überregionalen Opferschutzzentrums für unbegleitete Kinder und Jugendliche, die Opfer des Menschenhandels sind, mitwirken.

 

Da die Vollziehung des Opferschutzes von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Jugendwohlfahrt in die Kompetenz der Bundesländer fällt, wird die Kooperation mit den zuständigen Landesstellen im Vordergrund stehen.

 

Weiters haben Opfer von Menschenhandel unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen - wie alle anderen Verbrechensopfer auch - Anspruch auf finanzielle Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wird in einem Verwaltungsverfahren geprüft.

 

 

Folgende Leistungen sind im Verbrechensopfergesetz (VOG) vorgesehen:

-          Ersatz des Verdienst- bzw. Unterhaltsentgangs

-          Einkommensabhängige Zusatzleistung

-          Heilfürsorge (Psychotherapie)

-          Orthopädische Versorgung

-          Rehabilitationsmaßnahmen

-          Ersatz gewisser Sachschäden (von bei der Tat am Körper getragenen Hilfsmitteln)

-          Pflege- und Blindenzulage

-          Bestattungskosten

 

Die Verbrechensopfer sind von den Sicherheitsbehörden, dem Strafgericht bzw. der Staatsanwaltschaft über das VOG zu belehren (§14 VOG).

 

Mit dem Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Tilgungsgesetz geändert wurde (Prozessbegleitung), BGBl. I Nr. 119/2005 und das am 1. Jänner 2006 in Kraft trat, wurde die Entschließung des Nationalrates vom 26.2.2004, 43/E d. B., XXII. GP, „Verbesserung des Opferschutzes“ umgesetzt und die verfahrensrechtlichen Opferschutzbestimmungen ausgebaut. Um nun aber den Opfern des Menschenhandels verstärkten Schutz und verstärkte Hilfe zukommen lassen zu können, schloss das Bundesministerium für Justiz Verträge mit geeigneten Opferschutzeinrichtungen ab, um Prozessbegleitung bundesweit gewährleisten zu können. Darüber hinaus erarbeitete das Bundesministerium für Justiz zusammen mit dem Bundesministerium für Inneres/Bundeskriminalamt die Informationsbroschüre mit dem Thema „psychosoziale und juristische Prozessbegleitung“, die Opfer in verständlicher Art und Weise über ihre Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten informiert und so den Opfern in diesen schwierigen Zeiten verstärkt wertvolle Hilfe leistet. Aus diesem Grund wurde auch eine umfassende, nach Bundesländern gegliederte Liste über Einrichtungen, die Prozessbegleitung anbieten und eine über die bundesweit zur Verfügung stehenden Help- und Hotlines, erarbeitet und in die Informationsbroschüre aufgenommen. Um sicherzustellen, dass Opfer Zugang zu dieser Informationsquelle haben, wurde die Informationsbroschüre an alle Sicherheits- und Justizbehörden ausgesendet. Darüber hinaus wird diese Information auch mit der Ladung von Zeuginnen bzw. Zeugen zu schonenden Vernehmungen im Strafverfahren übermittelt, damit die Opfer auch in diesem späteren Verfahrensstadium auf geeignete Unterstützungsmöglichkeiten hingewiesen werden.

 

Daneben beauftragte das Bundesministerium für Justiz das Institut für Konfliktforschung (IKF) mit der Erstellung einer Begleitstudie zur Prozessbegleitung, um so die allfälligen Probleme bei der Umsetzung er- und beheben zu können. Als besonders wichtigen Punkt erscheint es dem Bundesministerium für Justiz dabei, feststellen zu können, ob Prozessbegleitung den Aufgaben und Erwartungen der Opfer entspricht und sie tatsächlich schon bundesweit flächendeckend angeboten wird, ob Opfer in adäquater Form über ihre Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten informiert werden, welchen Beitrag die oben beschriebene Informationsbroschüre dazu leisten kann und wie diese Verstärkung von Schutz und Hilfe von den Opfern aufgenommen wird.

 

2.6.           über Maßnahmen zur Sicherstellung einer Erholungs- und Bedenkzeit der Opfer gemäß Art. 13 des Übereinkommens des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels

Im durch das Bundesministerium für Inneres ausgearbeiteten Handbuch, das rechtlich die Qualität eines behördeninternen Erlasses besitzt, wurde bezüglich der Opfer des Menschenhandels unter anderem Folgendes geregelt: Um den betroffenen Opfern die Entscheidung über die Vorgehensweise betreffend ihre Zukunft und den weiteren Aufenthalt in Österreich oder eine Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen, ist diesen Personen eine Bedenkzeit von mindestens 30 Tagen zu gewähren. Während dieser Zeit sind von den Behörden keinerlei aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu setzen.

 

2.7.           über die Hintanstellung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bei Opfern sowie die Anwendung des § 72 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Gewährung humanitärer Aufenthaltstitel)

Gemäß § 72 Absatz 1 NAG (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz) kann die Behörde in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Gemäß Absatz 2 kann zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen Handlungen Drittstaatsangehörigen, insbesondere Zeuginnen, Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen für die erforderliche Dauer, mindestens jedoch für 6 Monate, erteilen.

 

Wenn festgestellt wurde, dass es sich um Opfer des Menschenhandels handelt, können für diese Personen (und unter Umständen auch für Kinder dieser Personen) Aufenthaltsbewilligungen aus humanitären Gründen von mindestens 6 Monaten Gültigkeitsdauer gewährt werden, wenn es die persönliche Situation des Opfers erforderlich macht, unabhängig davon, ob die Bereitschaft besteht, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

 

Rechtlicher Hintergrund für diese Bestimmung ist die Umsetzung des bereits genannten Übereinkommens des Europarats sowie die Richtlinie der Europäischen Union, RL 2004/81/EG vom 29. April 2004, über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde, und die mit den zuständigen Behörden kooperieren. Über die Bestimmungen dieser Richtlinie hinaus werden in Österreich auch dann humanitäre Aufenthaltsbewilligungen erteilt, wenn die Betroffenen sich entschließen, nicht mit den Behörden zusammenzuarbeiten, wenn das die persönliche Situation der Opfer erforderlich macht.

 

2.8.           im Bereich der Schulung und Sensibilisierung von Angehörigen der

           Sicherheitsexekutive und der Justiz

Bei der Sensibilisierung der Grenzkontrollorgane im Bereich des Menschenhandels wird versucht zu vermitteln, dass nicht alle Menschen, die illegal die Schengen-Außengrenzen überschreiten, dies freiwillig tun, sondern dass es eine gewisse Anzahl von Menschen gibt, die als Opfer des Menschenhandels in die EU geschleust werden. Die Identifizierung dieser Personen durch die Grenzkontrollorgane hat zentrale Bedeutung.

 

Auf EU-Ebene wurde daher ein Projekt initiiert, welches in Zusammenarbeit mit der International Organisation for Migration (IOM) zur Ausarbeitung eines „resource book“ geführt hat. Dieses versucht unter anderem den Exekutivbeamten und -beamtinnen näher zu bringen, wie Fälle von Kinderhandel - durch Befragungen, Beobachtungen etc. - rasch identifiziert werden können. Nach erfolgter Übersetzung wird es in die berufsbegleitende Fortbildung der Exekutivbeamten und -beamtinnen Eingang finden.

 

Auf Grundlage des im Rahmen des EU-AGIS-Projekts "Awareness Training on Trafficking in Human Beings for Police, Border Guards and Customs officers in EU Member States, Accession and Candidate Countries - Development of an European Curriculum" unter Federführung des International Centers for Migration Policy Development (ICMPD) in Form eines Handbuches für den Bereich Menschenhandel (unter Einbeziehung von Kinder- und Organhandel) entwickelten Ausbildungsprogramms wird im kommenden Jahr erstmalig eine entsprechende Fortbildung im Rahmen des Seminarkatalogs der Sicherheitsakademie (SIAK) angeboten. Als Zielgruppe sind Bedienstete der Sicherheitsexekutive im exekutiven Außendienst, die im Zuge von Amtshandlungen mit Menschenhandel und Schlepperei konfrontiert sind, vorgesehen. Dieser Themenbereich ist bereits fixer Bestandteil der Aus- und Fortbildung von Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten.

 

Im Rahmen des obigen EU-AGIS-Projekts fand zudem ein nationales Pilotseminar zum Themenbereich statt. Als Zielgruppe dieses Seminars waren hauptberufliche Vortragende der Bildungszentren der Sicherheitsexekutive vorgesehen. Die Auswahl der Zielgruppe erfolgte auch unter dem Aspekt eines bedarfs- und zielgruppenorientierten Transfers entsprechender Aspekte und Inputs in die bestehenden Ausbildungsaktivitäten. Für den Bereich des Kriminaldienstes sind im Rahmen der Kriminaldienst-Fortbildungs-Richtlinien (KDFR) spezielle Fortbildungsmaßnahmen für Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen vorgesehen.

Ergänzend wurde durch das Bundeskriminalamt eine entsprechende Spezialausbildung entwickelt, organisiert und im Jahr  2006 durchgeführt.

 

Das Oberlandesgericht Wien plant im Frühjahr 2007 eine eintägige Veranstaltung zum Thema Menschenhandel und Opferschutz für ca. 40 Personen, die bereits im Fortbildungsprogramm 2006/2007 angekündigt und seit mehreren Jahren in zweijährigen Abständen veranstaltet wurde. Als Referenten und Referentinnen  wurden Richter und Richterinnen des OGH und des Landesgerichts für Strafsachen Wien, ein Vertreter des Bundeskriminalamtes sowie eine Vertreterin der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels eingeladen. Zielgruppe sind Richter und Richterinnen und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen aus dem Bundesgebiet; auch Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus den EU-Mitgliedstaaten sind eingeladen.

 

Im Zuge der Klausur mit dem Fortbildungsbeirat kündigte das OLG Wien an, derartige Fortbildungsveranstaltungen weiterhin anzubieten.

 

Das OLG Graz unterbreitet den Vorschlag einer interdisziplinären Fortbildungsveranstaltung zum Thema Menschenhandel. Die Veranstaltung könne zweitägig stattfinden, wobei die Vortragenden aus den Bereichen Justiz, Inneres und Opferschutz (Bereich Sozialbereich und Psychologie) kommen sollten. Zielgruppe seien außer Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen und Richteramtsanwärter und Richteramtsanwärterinnen auch Vertreter und Vertreterinnen von Opferschutzeinrichtungen und Vertreter und Vertreterinnen kriminal- und fremdenpolizeilicher Abteilungen. Eine solche Schulung sollte aber aufgrund der geringen Anzahl der mit diesem Problemkreis tatsächlich Befassten bundesweit abgehalten werden. Bedingt durch den Sitz des Bundeskriminalamtes als auch der betroffenen Einrichtungen und Organisationen (LEFÖ und ICMPD) sollte eine solche Veranstaltung in Wien abhalten werden.

 

Im Sprengel des OLG Innsbruck wurde überlegt, im Rahmen der Richteramtsanwärter- und Richteramtsanwärterinnenausbildung einen Vortrag zur Vorstellung der Organisation und der Tätigkeitsfelder der Kriminalitätsopferhilfe „Weißer Ring“ anzubieten.

 

Die Oberstaatsanwaltschaft Graz legte einen Bericht der StA Leoben über eine Fortbildungsveranstaltung ausschließlich zum Thema Menschenhandel und Schlepperei vor, das unter Federführung der Legisten des BMJ abgehalten werden soll.