IV-3 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag, 19. Juni 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIII. Gesetzgebungsperiode               Dienstag, 19. Juni 2007

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

RAT 10494/07

 

Europäischer Rat am 21./22. Juni 2007 – Entwurf von Schlussfolgerungen

(15287/EU XXIII.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In der der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 19. Juni 2007, die im Vorfeld des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 2007 abgehalten wurde, wurden insbesondere die Themen EU-Verfassungsvertrag, Erweiterung des Schengen-Raumes, Migrationspolitik sowie die aktuelle Situation im Kosovo und im Nahen Osten diskutiert.

 

Die von den Grünen, von der FPÖ und vom BZÖ eingebrachten Anträge auf Stellungnahme zum Verfassungsvertrag sowie zur Migrationspolitik erhielten nicht die erforderliche Mehrheit.

 

 

 

 

 

Der Europäische Rat beabsichtigt bei seiner Tagung am 21. und 22. Juni, zur Lösung der offenen Fragen um den Entwurf eines EU-Verfassungsvertrags ein Mandat für die geplante Regierungskonferenz unter portugiesischem Vorsitz zu formulieren. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer stellte dazu fest, dass es das Anliegen Österreichs sei, so viel wie möglich von der Substanz des Vertragsentwurfs zu erhalten und zentrale Punkte abzusichern. Dazu zähle ein rechtsverbindlicher Grundrechtskatalog mit subjektiven Rechten der Unionsbürgerinnen und –bürger gegenüber den Institutionen sowie eine klare soziale Dimension, damit die EU ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen kann. Diese soziale Dimension müsse durch die Wirtschaftspolitik der schlagkräftigen Euro-Gruppe abgestützt werden, sagte er. Weiters hielt der Bundeskanzler eine klare Kompetenzordnung für notwendig, um den Regionen und Kommunen Raum zur politischen Selbstverwaltung zu bieten. Die EU-Institutionen müssten effizient und demokratisch legitimiert sein, die EU sollte eine einheitliche Rechtspersönlichkeit erhalten und einheitliche Verfahren sollten die Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen stärken.

 

Die Chancen für eine Einigung schätzte Gusenbauer 50:50 ein. Bundesministerin Ursula Plassnik wies darauf hin, dass man vom Wort "Verfassungsvertrag" abgehen werde und man ein klassisches Vertragsänderungsverfahren anstrebe.

 

Die Absicht, die nationalen Parlamente stärker einzubinden, wurde von allen begrüßt, man sprach sich aber gegen ein absolutes Vetorecht, eine so genannte "Rote Karte", aus. Vielmehr werde eine "Gelbe Karte" bevorzugt, denn Aufgabe der nationalen Parlamente sei es in erster Linie, die eigene Regierung zu kontrollieren und zu unterstützen, selbstverständlich aber auch inhaltliche Positionierungen vorzubringen.

 

In der Diskussion wurde auch das Verhalten der polnischen und britischen Regierung beleuchtet, wobei überwiegend für die polnische Haltung mehr Verständnis gezeigt wurde als für die britische. Schließlich, so der allgemeine Tenor, habe Großbritannien den Vertragsentwurf unterschrieben, nachdem es mit Vehemenz durchgesetzt hatte, dass die Integration nicht so weit geht, wie es von vielen gewünscht worden war. Dann habe es Großbritannien jedoch verabsäumt, den Ratifikationsprozess einzuleiten und jetzt setze es eine "red line" nach der anderen. Mit kritischem Unterton wurde der Vorschlag von US-Präsident Bush kommentiert, den britischen Premier Tony Blair zum ersten EU-Präsidenten zu küren.

 

Die Linie der Bundesregierung wurde von SPÖ und ÖVP unterstützt. Abgeordneter Caspar Einem (S) unterstrich die Notwendigkeit, den Prozess, eine neue Rechtsgrundlage für die EU zu schaffen, zum Abschluss zu bringen. Damit könnte sich die EU wieder vermehrt inhaltlichen Fragen widmen, die für die Menschen von Bedeutung sind. Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) meinte, dass sich die oftmals übertriebene Rhetorik so mancher Staatenvertreter und -vertreterinnen in der Vergangenheit als nicht hilfreich erwiesen habe.

 

Auch die Grünen befürworteten das geplante Vorgehen von Bundeskanzler und Außenministerin, Abgeordnete Ulrike Lunacek brachte jedoch einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem unter anderem die Aufnahme der Grundrechte-Charta und ihrer Rechtsverbindlichkeit, die Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Union durch die doppelte Mehrheit, die Rechtspersönlichkeit, die Ausdehnung der Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit und die Stärkung der Außenpolitik gefordert wird.

 

Dieser Antrag auf Stellungnahme wurde ebenso abgelehnt wie die beiden Anträge von FPÖ und BZÖ zum Thema Verfassungsvertrag. Die Regierungsparteien argumentierten, man wolle den österreichischen Regierungsmitgliedern im Rat keine "Handfesseln" anlegen.

 

Seitens der FPÖ bekräftigte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch abermals, der Verfassungsvertrag sei gescheitert, man müsse daher von Neuem beginnen. Im Falle einer auch nur minimal geänderten Neuauflage eines Vertrages fordert die FPÖ in ihrem Antrag, einen neuerlichen Ratifizierungsprozess in Gang zu setzen und eine nationale Volksabstimmung darüber abzuhalten.

 

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) erläuterte den Antrag seiner Fraktion und trat für die Schaffung eines Kerneuropa unter Teilnahme Österreichs ein. Auch darüber müsste eine Volksabstimmung nach Auffassung des BZÖ abgehalten werden. Der weitere Aufbau könnte nach Auffassung Scheibners in einem Modulsystem erfolgen, wobei ein so genannter "mittlerer Ring" für jene EU-Mitgliedsstaaten da sein sollte, die nur partiell an einzelnen Politikbereichen teilnehmen wollen. Und schließlich sollte ein "äußerster Ring" den Rahmen für eine Partnerschaft für Europa darstellen. Dies könnte, so Scheibner, ein Modell für die Türkei sein.

 

 

Das zweite zentrale Thema des Hauptausschusses war die Frage der Migration. Hier habe es große Fortschritte gegeben, berichtete Bundesministerin Ursula Plassnik, vor allem in Richtung einer umfassenden europäischen Migrationspolitik, einer engen Vernetzung und des Kampfes gegen illegale Migration. Die Grünen legten auch zu diesem Thema einen Antrag auf Stellungnahme vor, in dem insbesondere Maßnahmen zur Vereinheitlichung von Regularisierungs- bzw. Bleiberechtsregelungen gefordert werden. Die FPÖ wiederum verlangte in ihrem Antrag, sich dafür einzusetzen, dass einerseits illegale Migranten nicht auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden und dass andererseits in Zukunft europäische Entwicklungshilfe an Drittstaaten an entsprechende Migrantenrückführungsabkommen gekoppelt werden. Beide Anträge blieben in der Minderheit.

 

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer warnte davor, von Aktionen aus humanitären Gründen ein Recht abzuleiten. Dies könnte zu einer Aushebelung der Asylverfahren führen, daher müsse man hier eine klare Trennung vornehmen, stellte der Kanzler fest.

 

 

 

 

Zunächst gingen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Bundesministerin Ursula Plassnik auf den EU-Verfassungsvertrag ein, der im Zentrum der Diskussion im Rat stehen wird. Österreichs Interesse liege darin, so viel wie möglich von der Substanz des Vertrags zu erhalten. Der Bundeskanzler zeigte wenig Verständnis für jene Mitgliedsstaaten der EU, die den Entwurf unterschrieben, jedoch dann kein Ratifizierungsverfahren eingeleitet haben und nun mit größeren Änderungswünschen kommen. Neben Frankreich und den Niederlanden, wo es negative Volksabstimmungen gegeben habe und die jeweiligen Regierungen daran gebunden seien, würden von Großbritannien, Tschechien und Polen größere Bedenken geäußert. Was Polen betrifft, so stehe jedoch die Mehrheit der Bevölkerung positiv zu Europa, sagte Gusenbauer. Alle anderen Mitgliedsstaaten hätten große Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Der Vertrag werde sicherlich nicht unverändert bleiben, und Österreich sei bereit, inhaltlich sinnvollen Veränderungen und Ergänzungen, etwa im Bereich der Klima- und Energiepolitik oder der Migrationspolitik, zuzustimmen.

 

Die Solidarität dürfe jedoch keine Einbahnstraße sein, unterstrich der Kanzler. Er teile auch die Auffassung der Niederländer, dass bei zukünftigen Erweiterungen die Kopenhagener Kriterien strikter ausgelegt werden und vor allem auf die Aufnahmefähigkeit der EU mehr Rücksicht genommen wird.

 

Bundesministerin Ursula Plassnik erläuterte, dass man nicht mehr von einem Verfassungsvertrag sprechen werde, da das Wort "Verfassung" in Zusammenhang mit staatlichen Symbolen beziehungsweise mit Superstaat gebracht werde, was jedoch niemand wolle. Man strebe daher ein klassisches Vertragsänderungsverfahren an, wobei der kommende EU-Rat einen präzisen Reparaturauftrag formulieren soll. Die letzten drei Jahre seien keine verlorene Zeit gewesen, hielt die Ministerin fest, denn man habe gesehen, wo der Schuh drücke, wo Nachbesserungen erforderlich seien – etwa bei Energie, Klimaschutz und Sicherheit – und wo man zeitgemäße Werkzeuge brauche. Der "alte Schaltplan" habe eben seine Grenzen erreicht, sagte sie.

 

Auf jeden Fall wolle man vor der Europawahl 2009 eine klare Rechtsgrundlage schaffen. Als einen der wichtigsten Punkte des so genannten Lösungskorridors bezeichnete Plassnik die Rückkehr zum klassischen Vertragsänderungsverfahren. Da von einigen Staaten die Hymne sowie die Flagge wieder thematisiert worden seien, meinte Plassnik, es werde nichts daran ändern, ob wir diese Symbolik in den Vertrag hineinschreiben oder nicht. Vehement widersprach sie jenen zwei Staaten, die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts wieder massiv in Frage stellen. Plassnik hält eine eigenständige Rechtspersönlichkeit der EU für notwendig, um internationalen Organisationen beitreten zu können. Auch werde die Abschaffung der Säulenstruktur von den Mitgliedern nicht grundsätzlich in Frage gestellt, berichtete sie, wobei aufgrund ihrer speziellen Situation die zweite Säule in einzelnen Teilen erhalten bleiben soll. Was die Energiesolidarität betrifft, so könnte man aus Sicht Österreichs Polen entgegenkommen. Frankreich wiederum stört die Festschreibung der Preisstabilität.

 

Gusenbauer und Plassnik sprachen auch die Rolle der nationalen Parlamente an, wobei der Bundeskanzler für die "Gelbe Karte" als richtiges Instrument plädierte und die "Rote Karte" ablehnte. Er sei bereit, die weitere Stärkung der Parlamente zu prüfen, dies dürfe jedoch nicht auf Kosten des Integrationsprozesses gehen, sagte er.

 

Die Erweiterung der Euro-Zone um Malta und Zypern werde von Österreich begrüßt, so Gusenbauer weiter, wenn diese die Konvergenz-Kriterien erfüllen.

 

Als Erfolg im Bereich Wirtschaft und Umwelt wertete der Bundeskanzler die Neudefinition einer nachhaltigen Verkehrspolitik im Rahmen der Wegekostenrichtlinie, wo die Internalisierung externer Kosten stärker verankert werden soll. Das sei der Schlüssel für eine effektive Klimapolitik, stellte er fest.

 

 

Eingeleitet wurde die Diskussion über den Verfassungsvertrag von Abgeordnetem Caspar Einem (S). Es sei notwendig, alles zu versuchen, um das Thema vom Tisch zu bekommen, um sich wieder jenen Politikbereichen zuwenden zu können, die für die Menschen von Bedeutung sind, betonte er. Die EU habe an Komplexität gewonnen, die kaum mehr erklärbar sei. Wenn es darum geht, etwas einfacher zu machen, dann dürfe man nicht gleich von einem Superstaat reden, bemerkte er kritisch. Was die Rolle der nationalen Parlamente betrifft, so ist für ihn die Debatte über die Subsidiarität nicht besonders glücklich verlaufen, da sie signalisiert habe, man müsse die Bevölkerung vor der EU schützen. Dies sei falsch, denn es gehe in erster Linie darum, die nationalen Regierungen zu kontrollieren und zu unterstützen. Außerdem sollten sich die nationalen Parlamente nicht nur auf die Frage der Subsidiarität und der Proportionalität beschränken, sondern es müsste auch ihr Anliegen sein, sich wesentlich stärker inhaltlich an der europäischen Debatte zu beteiligen.

 

Ähnlich argumentierte sein Klubkollege Abgeordneter Andreas Schieder, der insbesondere die Subsidiaritätsprüfung für Regionen und Kommunen mit Klagerecht einforderte. Auch er sprach sich für den Erhalt substantieller Teile des Verfassungsvertrags aus, zumal die Skepsis vieler EU-Bürger und -Bürgerinnen sich auf die mangelnde Handlungsfähigkeit der EU gründe. Die EU brauche daher den Vertrag, um handlungsfähiger zu werden und um die Effizienz zu steigern.

 

Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) stimmte Einem zu, der bemerkt hatte, ihn rege die Position Polens weniger auf als jene von Großbritannien, wiewohl er beide Positionen im Gegensatz zum Völkerrecht sehe. Auch Schüssel betrachtete die "red lines" der Briten viel kritischer als jene der Polen. Ihm zufolge sollte man insbesondere auf das Element der Solidarität achten.

 

Schüssel ging dann insbesondere auf die Verbesserungen der Wegekostenrichtlinie und die Beschlüsse von Heiligendamm ein, die er als besonders wichtig für die internationale Klimapolitik bezeichnete. Außerdem unterstrich er die Bedeutung der rechtlichen Grundlage für das europäische "Institute of Science and Technology", für das sich auch Österreich als Standort bewirbt.

 

Der Zweite Präsident des Nationalrats Michael Spindelegger (V) sah in der Bewältigung der offenen Frage des Verfassungsvertrags eine Symbolkraft, ob die Union in der Lage ist, die Krise zu überwinden. Ein Scheitern würde für die Integration einen Rückschlag für viele  Jahre bedeuten, befürchtete er.

 

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) beleuchtete die Gründe für die Entwicklung in Bezug auf den Verfassungsvertrag aus ihrer Sicht. Für sie war es ein großer Fehler, bei der damaligen Regierungskonferenz die Zivilgesellschaft nicht eingebunden und eine europaweite Volksabstimmung verhindert zu haben. Als wesentlich erachtete sie nun die Verankerung der Grundrechte-Charta und eine Stärkung der Außenpolitik. Eine Vetokarte für die nationalen Parlamente lehnte auch Lunacek ab, indem sie auf die Kontrolle der eigenen Regierung als Hauptaufgabe der nationalen Parlamente hinwies.

 

Jede Unterstützung, wenn es darum geht, die Substanz des Vertrags zu erhalten, kam auch von Grünen-Klubobmann Alexander van der Bellen. Er sprach sich dagegen aus, einer "Ruine" zuzustimmen, denn dann sei man gescheitert. Als frustrierend empfand er es, dass jene Staaten, die den Vertrag bereits ratifiziert haben und zwei Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren, nicht mit einer Stimme sprechen. Auch für ihn schneiden die "roten Linien" der Briten tief, er äußerte sich jedoch auch besorgt über die neuen Misstöne aus Polen. Denn seiner Einschätzung nach sind diese in erster Linie gegen Deutschland gerichtet.

 

Seitens der FPÖ stellte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch abermals fest, dass der Verfassungsentwurf gescheitert ist. Die Strukturen seien für die Menschen nicht verständlich gewesen, man habe die Thematik übereilt präsentiert und daher die Bevölkerung überfordert. Nach Ansicht von Bösch müsse man nun von Neuem beginnen, was einen neuerlichen Ratifizierungsvorgang nach sich zieht. Unabdingbar ist für Bösch eine nationale Volksabstimmung. Diese entspreche auch dem Prinzip der vielbeschworenen Bürgernähe, sagte er. Die EU müsse sich neue Strukturen geben und in die Lage versetzt werden, Politik im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu machen. Wörtlich sprach Bösch von einer realistischeren Politik der EU mit mehr Hausverstand. Insbesondere müsste seiner Ansicht nach in vielen Bereichen das Einstimmigkeitsprinzip erhalten bleiben. Dezidiert wandte er sich gegen eine Vergemeinschaftung der Außen- und Justizpolitik. Auch trat er für die Beibehaltung der halbjährlich wechselnden EU-Präsidentschaft ein.

 

Bösch kritisierte die Regierung, da diese keine Schritte gegen die Vollbeitrittsverhandlungen mit der Türkei setze und forderte den Bundeskanzler auf, einer Änderung des Vertragsentwurfs nicht ohne EU-weite Volksabstimmung zuzustimmen.

 

Auch Klubobmann Heinz-Christian Strache (F) übte Kritik am gegenwärtigen Vertragsentwurf, weil dieser in Richtung Bundesstaat gehe, und verlangte eine Volksabstimmung. Er erwähnte auch, dass neun Länder nicht ratifiziert haben und aufgrund einer Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe der deutsche Bundespräsident noch nicht unterschrieben habe.

 

Sein Klubkollege Peter Fichtenbauer meinte, in der EU werde keine Krise ausbrechen, wenn man beim kommenden EU-Gipfel scheitere. Die soziale Falle der Vergemeinschaftung und Vertiefung sei einfach nicht lösbar. Konkret sprach Fichtenbauer den Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an und vermutete dahinter eine Tür zur Einführung eines "Gesinnungsstrafrechts". Die Abschiebung Illegaler könnte in Zukunft als Verstoß dagegen interpretiert werden, so seine Befürchtung.

 

Für einen völlig neuen Aufbau der EU in Form eines Modulsystems plädierte Abgeordneter Herbert Scheibner (B). Danach sollte es ein Kerneuropa, einen "mittleren Ring" für Mitglieder, die nur an Teilbereichen teilnehmen, und schließlich besondere Partnerschaftsabkommen geben. Es wäre in den letzten drei Jahren Zeit gewesen, eine Grundsatzdebatte über eine Neuordnung zu führen, meinte er. Jetzt versuche man "herumzudoktern", was zu größeren Problemen führe. Scheibner war auch gegen einen Vollbeitritt der Türkei zur EU und meinte, für die Türkei sowie für einige Balkan-Länder sollte man maßgeschneiderte Kooperationen schaffen.

 

 

In einer Replik auf die vorangegangene Diskussion meinte Bundeskanzler Gusenbauer, aufgrund der massiven Unzufriedenheit mit dem Vertrag von Nizza habe man einen umfassenden Entwurf vorlegen wollen. Es sei ein großer Fehler gewesen, den "Abstimmungsfleckerlteppich" zuzulassen, und keine europaweite Abstimmung abzuhalten. Als falsch empfinde er es auch, dass man den Ratifizierungsprozess auf Eis gelegt hat, denn damit hätten jene, die schon immer mit großer Skepsis an das Thema herangegangen sind, Oberwasser bekommen. Somit habe sich das politische Kräfteverhältnis verändert. Der Umstand, dass man nun schon so lange diskutiere, lähme die politische Handlungsfähigkeit der EU, weshalb es notwendig sei, einen Abschluss der Verfassungsdiskussion zu erreichen. Er widersprach daher Abgeordnetem Van der Bellen und meinte, ein kleiner Fortschritt sei noch immer besser als gar keiner. Die Bundesregierung agiere jedenfalls aufgrund des Beschlusses des Nationalrats und versuche ein Maximum an Substanz herauszuholen. Zusammenfassend unterstrich Gusenbauer, es gehe nun um ein klares und eng formuliertes Mandat für die Regierungskonferenz unter portugiesischem Vorsitz, dann müsse ein neuer Ratifikationsprozess eingeleitet werden.

 

Auch der Bundeskanzler zeigte für die Haltung der neuen Mitgliedsstaaten Verständnis, wies jedoch darauf hin, dass man immer darum bemüht gewesen sei, alle mit einzubeziehen. Bundesministerin Plassnik betonte eindringlich, man müsse die Bedenken Polens ernst nehmen und konzedierte Bundeskanzlerin Merkel einen hohen Grad an Sensibilität in dieser Frage. In Bezug auf die Energiesicherheit konnte sich Plassnik vorstellen, Polen insoweit entgegenzukommen, als man im Kontext des Energieartikels den Krisen-Reaktionsmechanismus noch besser sichtbar macht als bisher.

 

 

 

 

Bundesministerin Ursula Plassnik ging in ihrer einleitenden Stellungnahme auch auf die Fortschritte im Bereich Inneres und Justiz ein. Man sei auf gutem Weg, eine umfassende europäische Migrationspolitik mit entsprechender Vernetzung zu schaffen, um im Kampf gegen illegale Migration erfolgreich zu sein. Neben Afrika werde auch Ost- und Südost-Europa in Bezug auf Entwicklungspolitik großes Augenmerk geschenkt, sagte sie. Für sie steht Integration und kultureller Dialog im Vordergrund und man dürfe sich nicht allein auf radikale Gruppen beschränken. Die Vorbereitungen auf die Erweiterung von Schengen mit Beginn 2008 laufen laut Plassnik auf Hochdruck. Die Erweiterung betreffe vier Nachbarländer Österreichs, erläuterte sie. Plassnik hob auch hervor, dass nun der Prümer-Vertrag in den Schlussfolgerungen erwähnt wird.

 

 

Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) knüpfte daran an und meinte, dass damit ein Durchbruch gelungen sei. Nun werde eine enge Zusammenarbeit einiger Mitgliedsstaaten (Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich, Spanien und Österreich) im Bereich der Justiz und der Polizei erstmals von einer informellen Ebene auf eine europäische Ebene gehoben. Die bevorstehende Erweiterung der Schengen-Zone bezeichnete Schüssel als wesentliche Erleichterung für die Bürgerinnen und Bürger, sie hänge allerdings noch von den Beschlüssen und der Evaluierung ab. Die Erweiterung sollte auch mit Begleitmaßnahmen verbunden sein, wie zum Beispiel der Beibehaltung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres in der Übergangszeit und die Schleierfahndung.

 

Ähnlich argumentierte der Zweite NR-Präsident Michael Spindelegger (V), der von einer wichtigen Weichenstellung sprach. Insbesondere betonte er die Notwendigkeit, neben Afrika auch die ost- und südosteuropäischen Nachbarn der EU in die Strategie aufzunehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Bürgerinnen und Bürger durch die Ausweitung der Schengen-Grenzen ein Ansteigen der Kriminalität befürchten, drängte Spindelegger ebenfalls auf die Beibehaltung des Assistenzeinsatzes und auf die Schleierfahndung. Seitens der EU müssten bestimmte Qualitätskriterien auf Dauer gewährleistet werden, forderte er. Hinsichtlich des europäischen Asylsystems plädierte Spindelegger für die Aufteilung der Lasten und wandte sich gegen ein Bleiberecht, zumal dieses ein falsches Signal sei und eine Einladung an die Schlepper darstellen würde, so Spindelegger.

 

Im Gegensatz dazu setzte sich Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) dafür ein, ein Bleiberecht zu gewähren, zumal auch die UNO dies als Teil einer umfassenden Migrationspolitik betrachtet.

 

Eine völlig andere Meinung vertrat dazu Abgeordneter Herbert Scheibner (B), der das Bleiberecht als Legalisierungsaktion mit Einladung an alle Schlepperorganisationen dieser Welt umschrieb. Die Vereinheitlichung der Asylpolitik auf EU-Ebene sei notwendig, sagte Scheibner, und bei der Erweiterung der Schengen-Zone erwarte er sich, dass die neuen Länder die Sicherheitsstandards auch zu hundert Prozent erfüllen. Ein Augenzwinkern oder gar die Erteilung von Auflagen für die Zukunft dürfe es nicht geben, merkte er an.

 

Für Abgeordneten Heinz-Christian Strache (F) läuft die Diskussion um die Migrationspolitik in eine völlig falsche Richtung. Es könne nicht sein, dass man die illegale Einwanderung stärke, so Strache.

 

Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) fragte, ob die Ausweitung der Schengen-Zone im März 2008 realistisch sei und in welchem Ausmaß die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen in Zusammenhang mit der EURO 2008 zu verstehen sind.

 

 

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer bekräftigte nochmals, dass man auf Grund der Initiative von Bundesministerin Plassnik in die Strategie nicht nur Afrika, sondern auch die östlichen und südöstlichen Regionen Europas mit einbeziehe. Der Rat der EU werde sich speziell mit dieser Frage befassen.

 

Was das Bleiberecht betreffe, so habe auch Österreich für Flüchtlinge nach großen politischen Veränderungen in Nachbarländern ein Bleiberecht ausgesprochen. Dies seien aber Aktionen aus humanitären Gründen gewesen. Würde man daraus ein Recht ableiten, so würden insofern Probleme entstehen, da Asylverfahren damit ad absurdum geführt würden. Außerdem hätten derartige Einzelstaat-Entscheidungen auch Auswirkungen auf andere Staaten im Schengen-Raum.

 

Die Agentur "FRONTEX" stelle für Österreich ein wichtiges Anliegen dar, erläuterte Gusenbauer, und sie erhalte nun von den Mitgliedsstaaten die entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen.

 

Der Bundeskanzler versicherte, dass nur jene Staaten, die die Bedingungen erfüllen, in den Schengen-Raum aufgenommen werden. So sei beispielsweise die Slowakei unterstützt worden, ihre Außengrenzen Schengen-fähig zu machen. Die Slowakei befinde sich nun auf gutem Weg und er gehe davon aus, dass sie die Bedingungen erfülle, ohne der Bewertungskommission vorgreifen zu wollen.

 

Was die Wiederaufnahme der Grenzkontrollen während der EURO 2008 betrifft, so würde dies alle Grenzen betreffen und nicht nur jene zu den neuen Mitgliedsstaaten, betonte er.

 

 

 

 

Die Mitglieder des Hauptausschusses diskutierten auch außenpolitische Kernthemen, wie den Kosovo und die aktuelle Situation im Nahen Osten. Bundesministerin Ursula Plassnik unterstützte den Plan von Marti Ahtisaari und betonte, man brauche nun rasch eine UNO-Resolution, auch für die EU-Präsenz im Kosovo. Sie unterstrich die Notwendigkeit seitens der EU, hier vereint aufzutreten. Ein großes Anliegen Österreichs sei die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Serbien gewesen, erläuterte sie. Dem Ziel, eine vertragliche Beziehung mit Serbien zu schaffen, sei man einen wichtigen Schritt näher gekommen, sagte Plassnik. Auch die Kommission arbeite intensiv in der Frage der Visa- und Sicherheitspolitik.

 

 

Dies wurde von Abgeordnetem Caspar Einem (S) begrüßt, der jedoch eine kohärente EU-Position vermisste. Sein Klubkollege Andreas Schieder ergänzte, gerade die Außenpolitik zeige, wie dringend die EU hier gestärkt auftreten und handlungsfähig sein müsse.

 

Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) erachtete einen Stufenplan zur Integration der Balkan-Staaten als einen Schlüssel zur Befriedung des Konflikts.

 

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (F) wiederum meinte, man dürfe nicht glauben, dass man hier etwas verordnen könne. Wichtig wäre, die Zustimmung beider Seiten zu erhalten.

 

Für Abgeordneten Herbert Scheibner (B) war die Wiedervereinigung des Kosovo mit Serbien von vornherein eine Utopie. Schon allein wegen des kulturellen Hintergrunds wäre der Friede gefährdet. Man habe hier wichtige Jahre versäumt und er, Scheibner, hoffe nun, dass man mit dem Vorschlag Ahtisaaris weiterkomme.

 

 

Auch die Außenministerin unterstrich die Notwendigkeit eines einheitlichen Auftretens der EU in der Kosovo-Frage. Österreich tue alles, um Serbien zu unterstützen, stellte sie fest. Eines werde aber nicht gehen, nämlich auf die Zustimmung Serbiens zu warten. Die Ungewissheit für die Bevölkerung sollte bald beendet werden, denn diese führe nur zu Unruhen.

 

Was den Nahen Osten betrifft, so hätten sich die EU-AußenministerInnen auf eine massive Unterstützung von Präsident Mahmud Abbas geeinigt, fuhr Ministerin Ursula Plassnik fort. Diese sei aber mit der Beachtung des palästinensischen Grundgesetzes verbunden. Für die Bevölkerung im Gaza-Streifen werde es weiterhin humanitäre Unterstützung geben. Der Trend nach einer dauerhaften Zweiteilung der palästinensischen Gebiete wurde von Plassnik mit großer Sorge betrachtet. Sie sprach die Hoffnung aus, mit internationaler Unterstützung doch zu einem positiven Ergebnis kommen zu können.

 

 

Auch Abgeordneter Caspar Einem (S) zeigte sich besorgt darüber, mit welchem Eifer insbesondere die USA und Israel nun das Westjordanland als Palästina ansehen. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Hamas die Wahlen gewonnen hat, und diese nicht in die Gespräche einzubeziehen, werde man auf die Dauer nicht halten können, sagte er.

 

Abgeordneter Andreas Schieder (S) meinte, Europa könnte gerade in diesem Konflikt als fairer Verhandler auftreten.

 

Für Klubobmann Wolfgang Schüssel (V) war es sinnvoll, Mahmud Abbas zu unterstützen, auch wenn man mit ihm mehr Hoffnung verbunden habe als dieser dann eingehalten hat. Auf keinen Fall dürfe man nun Gaza beiseitelegen, bemerkte Schüssel. Neben der Unterstützung von Abbas und seiner Übergangsregierung sei es notwendig, humanitäre Hilfe in Gaza zu leisten, wobei sichergestellt werden müsste, dass das Geld nicht wieder in falsche Kanäle kommt. Er halte auch Versuche für sinnvoll, mit vernünftigen Leuten der Hamas ins Gespräch zu kommen.

 

Dazu meinte Abgeordnete Ulrike Lunacek (G), es wäre von vornherein richtig gewesen, mit der gesamten Einheitsregierung Gespräche zu führen. Grundsätzlich plädierte sie für die Aufgabe israelischer Siedlungen im Westjordanland.

 

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) sah das Machtvakuum in Palästina als Ursache für die Probleme. Man sollte jetzt die Zeit nützen, so Scheibner, verschiedene offene Fragen, wie beispielsweise die Grenze zwischen Syrien und Israel, zu klären, und mit gemäßigten arabischen Ländern Kontakt aufzunehmen.

 

 

Auch Bundesministerin Plassnik vertrat die Auffassung, eine Spaltung zwischen Gaza und Westjordanland könne auf Dauer nicht hingenommen werden. Die Hamas mache es jedoch der EU nicht leicht, stellte sie fest. Sie habe sich bei ihren Amtskolleginnen und -kollegen dafür eingesetzt, enger mit der Arabischen Liga zusammenzuarbeiten, sie sei jedoch nicht durchgekommen. Man hätte sich auf das Mekka-Agreement berufen können, so ihr Vorschlag. Jedenfalls sei die EU bemüht, Syrien mit einzubeziehen, und die EU habe Israel auch zu einem Siedlungsstopp in den palästinensischen Gebieten aufgefordert. Schließlich versicherte Plassnik, dass Kommissarin Ferrero-Waldner genau darauf achte, dass die Gelder nicht in dunkle Kanäle fließen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

ANTRAG

 

auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

 

 

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Alexander Van der Bellen

 

betreffend den Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 und die weitere Vorgangsweise in der Regierungskonferenz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa

 

Eingebracht im Zuge der Verhandlungen des EU-Hauptausschusses am 19. Juni 2007

 

 

 

Am 29. Oktober 2004 haben die Staats- und RegierungschefInnen der Europäischen Union in Rom in einer feierlichen Zeremonie den Vertrag über eine Verfassung für Europa (Verfassungsvertrag) unterzeichnet. Der österreichische Nationalrat hat am 11.05.2005  mit nur einer Gegenstimme den Verfassungsvertrag ratifiziert. Bis heute haben achtzehn Mitgliedstaaten, das sind zwei Drittel aller Mitgliedstaaten (darunter Spanien und Luxemburg über eine Volksabstimmung) und die Mehrheit der Bevölkerung der Europäischen Union, den Verfassungsvertrag ratifiziert. Weitere vier Mitgliedstaaten haben die Ratifizierung in Aussicht gestellt. Die negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden haben zu einem Stopp des Ratifizierungsprozesses geführt. Dadurch ergibt sich die dringende Notwendigkeit, für die gegenwärtige deutsche Ratspräsidentschaft eine Lösung für diese Krise zu finden.

 

Nach zweijähriger Reflexionsphase unternimmt nun die deutsche Ratspräsidentschaft den Versuch, auf dem bevorstehenden Gipfel der Europäischen Staats- und RegierungschefInnen eine „road map“ mit der Einberufung einer Regierungskonferenz, einem genau umrissenen Mandat und einem Abschluss bis Ende des Jahres auf Grundlage des Verfassungsvertrages durchzusetzen.

 

Diese Anliegen werden auch nachdrücklich in der Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 7.Juni 2007 (Bericht Brok/Crespo)  sowie von den VertreterInnen aller Parlamente des interparlamentarischen Treffens zur Zukunft Europas am 11./12.Juni 2007 in Brüssel eindringlich unterstützt. Nicht eine einzige der Forderungen von Regierungen, die den Verfassungsvertrag ablehnen, erhielt die Unterstützung der interparlamentarischen Versammlung.  Europafahne und Europäische Hymne stellen ein wichtiges Zeichen der Idee der Einigung Europas und des Charakters der Union nicht nur als eine Union der Staaten, sondern auch als eine der Bürgerinnen und Bürger dar.

 

Jede Ausdehnung der Vetomöglichkeiten einzelner Regierungen und jegliche Einschränkung der Rechte des Europäischen Parlamentes würde einen enormen Rückschritt im Integrationsprozess bedeuten. Sie unterbinden die Chancen, die wachsenden politischen Herausforderungen in Europa, wie beispielsweise den Klimaschutz, zu bewältigen.

 

Die Errungenschaften des Verfassungsvertrages, vor allem die Demokratisierung, der Grundrechtsschutz, die Transparenz und die Handlungsfähigkeit, müssen im Mandat der Regierungskonferenz gesichert werden.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

 

Der österreichische Bundeskanzler möge beim Europäischen Rat am 21./22. Juni2007 klarstellen, dass für die Republik Österreich folgende Errungenschaften unabdingbare Voraussetzungen für die Ratifikation des Verfassungsvertrages dargestellt haben und weiterhin darstellen:

 

 

 

 

 

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der Grünen wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

ANTRAG

 

auf Stellungnahme gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

 

 

der Abgeordneten Ulrike Lunacek, Alexander Van der Bellen

 

betreffend eine umfassende Migrationspolitik der Europäischen Union

 

Eingebracht im Zuge der Verhandlungen des EU-Hauptausschusses am 19. Juni 2007

 

 

 

Der kommende Europäische Rat wird in seinen Schlussfolgerungen seine bisherige Migrationspolitik, basierend auf dem Haager Programm, beschließen. Der vorliegende Entwurf für dieses Dokument ist an einigen Stellen unvollständig.

 

In europäischen Konzepten im Rahmen des Artikel 63 EGV (Visa, Asyl und Einwanderung) wird dem Phänomen der irregulären Migration nur unvollständig Rechnung getragen. Nach Feststellungen des Europarates leben ca. 4,5 Millionen Menschen derzeit in der EU ohne Aufenthaltsrecht. Viele von ihnen sind bereits seit Jahren, manche seit Jahrzehnten, aufhältig und bestens integrierte Mitglieder der Gesellschaft.

 

Es wird bisher lediglich der Kampf gegen die illegale Migration in den Vordergrund gestellt. Der Begriff ist nur insoferne richtig gewählt, als die mit irregulärer Migration oft zusammenhängenden Problematiken der Schlepperei, Ausbeutung und des Menschenhandels tatsächlich mit polizeilichen Mitteln zu bekämpfen sind.

 

Es ist mittlerweile Kenntnisstand in vielen EU–Staaten, dass allein repressive Maßnahmen (verstärkte Grenzüberwachung/Abschiebeintensivierungen) die irreguläre Migration nicht verhindern. Österreich verhindert – von den wenigen Schlüsselkräften abgesehen –  legale Erwerbszuwanderung und verstärkt auf diese Weise noch zusätzlich irreguläre Migrationsbewegungen. 

 

Die UNO erkennt das Mittel des Bleiberechts von Menschen ohne Aufenthaltsrecht als einen Teil einer umfassenden Migrationspolitik an. Regulariserung geschieht in der Praxis durch Zuerkennung von Aufenthaltsgenehmigungen bzw. Bleiberechten an Betroffene nach bestimmten Kriterien.

 

Innerhalb der EU gab es in den letzten 25 Jahren mehr als 20 Regularisierungsprogramme für 4 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsrecht. Am 10.10.2005 wurde von der Europäischen Kommission ein Verständigungsmechanismus über von einzelnen Mitgliedstaaten geplante Regularisierungen vereinbart. Weitere Maßnahmen wurden nicht vereinbart.

 

Der Europarat hat in seinem Dokument vom 20. 07. 2007 kritisiert, dass es auf EU–Ebene keinen Versuch gibt, eine europäische Position und Richtlinien für Regularisierungen unter den Mitgliedstaaten auszutauschen und zu entwickeln. 

 

In Österreich gibt es in zahlreichen Landtagen Mehrheitsbeschlüsse, Regularisierungs- bzw. Bleiberechtsregelungen in Österreich zu schaffen. Zahlreiche Abgeordnete, darunter auch von ÖVP, SPÖ, BZÖ haben sich für Bleiberechtsregelungen für Integrierte ausgesprochen.  Zuletzt hat sich ein Regierungsmitglied, Justizministerin Maria Berger, für eine Bleiberechtsregelung in Österreich ausgesprochen.

 

Eine Vervollständigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates um den Aspekt der Regularisierung als Mittel einer umfassenden europäischen Migrationspolitik wäre aus menschenrechtlichen Erwägungen geboten. Es geht dabei letztlich um die Einhaltung des Menschenrechtes auf Privat- und Familienleben gemäß Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention.

 

Eine Bekräftigung der Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben fehlt im vorliegenden Entwurf auch gänzlich in Zusammenhang mit der Etablierung der Grenzschutzagentur FRONTEX. 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art 23e Abs. 2 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

 

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Zuge der Beschlussfassung über die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates darauf hinzuwirken, dass

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Diese Vorhaben sind durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wäre

 

 

 

 

 

Folgender Antrag der FPÖ wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Bösch, Strache und Dr. Fichtenbauer

 

betreffend des Verhalten der Mitglieder der österreichischen Bundesregierung

am Europäischen Rat am 21. und 22. Juni 2007 bzgl.

der Verhandlungen über einen Verfassungsvertrag für die Europäische Union

 

 

Im Zuge der deutschen EU-Ratspräsidentschaft – und ganz konkret am Europäischen Rat vom 21. und 22. Juni 2007 – wird der Versuch unternommen, den durch zwei Volksreferenden in Frankreich und in den Niederlanden eigentlich gestorbenen Vertrag über eine Verfassung für die Europäische Union wieder zu beleben.

Dies soll in Form einer leicht abgespeckten Variante – einer „Verfassung light“ sozusagen – geschehen, die ohne großes Aufsehen und im schlimmsten Fall ohne neuerliche Ratifizierung in den einzelnen Mitgliedsstaaten oder nur mit einer EU-weiten Volksabstimmung in Kraft gesetzt werden soll.

Ein solcher Arts veränderter Vertrag über eine neue Verfassung für die Europäische Union sollte aber selbstverständlich in Form einer nationalen Volksabstimmung neuerlich ratifiziert werden, zumal nicht nur in Österreich eine solche Verfassung einen schwerwiegenden Eingriff, wenn nicht gar eine Aushebelung der Bundesverfassung darstellt. Entscheidungen dieser Art dürfen nicht über die Köpfe der Bürger der europäischen Mitgliedsstaaten hinweg entschieden werden.

 

Da sich allerdings abzeichnet, dass keineswegs an nationale Volksabstimmungen gedacht ist, stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden aufgefordert, sich bei allen entsprechenden Räten, insbesondere beim Europäischen Rat am 21. und 22. Juni 2007, dafür einzusetzen, einen neuerlichen Ratifizierungs-Vorgang in den einzelnen Mitgliedsstaaten im Falle einer auch nur minimal geänderten Neuauflage eines Vertrages über eine Verfassung für die Europäische Union zu erwirken. In der Republik Österreich soll dies zwingend in Form einer nationalen Volksabstimmung über den Verfassungsvertrag geschehen.“

 

Wien, am 19. Juni 2007

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

Folgender Antrag der FPÖ wurde vom BZÖ unterstützt, von SPÖ, ÖVP und Grünen jedoch abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

Antrag auf Stellungnahme

(gemäß Art. 23e B-VG)

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Bösch, Strache und Dr. Fichtenbauer

 

betreffend das Verhalten der Mitglieder der österreichischen Bundesregierung

am Europäischen Rat am 21. und 22. Juni 2007 bzgl. Verhandlungen über eine Verteilung von Migranten auf EU-Mitgliedsstaaten

 

 

 

Die von Deutschland unterstützte Forderung Maltas, illegale Einwanderer auf alle EU-Mitgliedsstaaten aufzuteilen, soll auf dem kommenden Rat am 21. und 22. Juni 2007 Thema sein.

 

Diese Diskussion läuft jedoch in eine völlig falsche Richtung, denn es kann nicht sein, dass hier über eine Aufteilung diskutiert wird, anstatt diese illegale Zuwanderung überhaupt zu verhindern, bzw. illegale Einwanderer in ihre Herkunftsländer zurückzuführen.

 

Würde man Einwanderer auf Europa verteilen, würde das nur eine weitere Sogwirkung auf den afrikanischen Kontinent haben und weitere illegale Migration verursachen. Die europäische Migrations- und Grenzsicherungsagentur FRONTEX sollte vielmehr sicherstellen, dass illegale Einwanderer den afrikanischen Kontinent erst gar nicht verlassen können, bzw. deren Schlepperboote umgehend wieder zurückgeschickt werden. Außerdem wäre es anzuraten, über weitere Maßnahmen nachzudenken, seien es Auffanglager in Nordafrika oder Abkommen mit Entwicklungsländern, die von der Union und ihren Mitgliedsstaaten Entwicklungshilfe erhalten.

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Artikel 23e B-VG

 

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung werden aufgefordert, sich bei allen entsprechenden Räten, insbesondere beim Europäischen Rat am 21. und 22. Juni 2007, dafür einzusetzen, dass einerseits illegale Migranten nicht auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden und dass andererseits in Zukunft europäische Entwicklungshilfe an Drittstaaten an entsprechende Migranten-Rückführungsabkommen gekoppelt wird.“

 

Wien, am 19. Juni 2007

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.

 

Folgender Antrag des BZÖ wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt und blieb somit in der Minderheit:

 

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

des Abgeordneten Scheibner

 

betreffend die Zukunft der Europäischen Union 

 

 

eingebracht im Zuge der Verhandlungen des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union in der Sitzung am 19.06.2007

 

 

Nach dem Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden ist seit nunmehr zwei Jahren offensichtlich, dass der vorliegende Verfassungsvertrag Geschichte ist. Die Ablehnung des Europäischen Verfassungsvertrages hat gezeigt, wie groß die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Politik dieser Europäischen Union ist. Die gegenwärtig nicht gerade als rosig zu bezeichnenden Zukunftsaussichten für das Projekt Europa unterstreichen nicht zuletzt Aussagen des ehemaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, der im Juni des Vorjahres in diesem Zusammenhang den Regierungsverantwortlichen in der Europäischen Union vorwarf, die EU „in die schlimmste Krise ihrer Existenz zu führen, weil sie sich weigern, von den Problemen zu reden, die sie spalten“. Weil es „keine gemeinsame Vision der EU“ gebe und die Bürger „so beunruhigt“ seien, bestehe eine Gefahr für das Bestehen der Union, meinte Delors.

 

Von einer „Europäischen Vertrauenskrise“ sprechen Erich Hochleitner und Manfred Scheich und stellen fest, dass das Nein zum Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden nicht ein Votum gegen Europa sondern es war ein Votum gegen die Politik der Union, vor allem in Zusammenhang mit den Herausforderungen der Globalisierung und der Erweiterung der Union (Arbeitspapier Juni 2006 „Die Aufnahmefähigkeit der EU: Politische und institutionelle Grenzen; S. 15). Aussagen, wie vom deutschen Vizepräsidenten der Kommission Verheugen getätigt, wonach er das Mitspracherecht der Nationalstaaten bei der EU-Gesetzgebung deutlich einschränken möchte, sind wohl nicht geeignet das Vertrauen der Bevölkerung der Mitgliedstaaten in diese Europäische Union zu stärken. (APA 345 5 AA 0147 21. November 2006)

 

Die Europäische Union ist für viele Bürger kompliziert, undurchschaubar und zu zentralistisch. Die, nicht nur räumliche, Distanz zwischen den Bürgern und dem Entscheidungszentrum ist offenkundig. Mehr Bürgernähe, erhöhte Transparenz, gelebte Subsidiarität sowie Schritte gegen das bestehende Demokratiedefizit sind ein Gebot der Stunde.

 

Der Erfolg der derzeitigen Versuche auf Wiederbelebung des Vertrages für Europa ist aus jetziger Sicht völlig offen. Wie die aktuelle Situation der Europäischen Union im Vorfeld des Europäischen Rates vom 21. und 22.06.2007 zeigt, stehen im Vordergrund europäischer Politik derzeit die Aufgaben einer Krisenfeuerwehr, die durch Korrekturen, die  bestenfalls den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Mitgliedstaaten darstellen, versucht, die eine Krise vor dem Aufkeimen der nächsten zu beenden. Nicht zu unrecht spricht daher die deutsche Ratsvorsitzende Merkel in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Union überhaupt wieder herzustellen. (APA508/15.05.2007)

Eine ernsthafte Debatte über die Zukunft der EU ist daher dringend notwendig. Dabei steht immer wieder die Option eines „Kerneuropas“ in Diskussion, wie unter anderem vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Prodi angedacht. Die Weiterentwicklung Europas muss von einem Ausbau von Demokratie und Bürgerrechten geprägt sein. Mehr Gemeinsamkeit in Europa darf niemals weniger Freiheit für seine Bürger bedeuten. Regelungsdichte und Bürokratie sind abzubauen, anstatt sie auf supranationale europäische Ebenen zu verlagern. Im Sinne der Verwirklichung und Umsetzung dieser Ideen ist es erforderlich, den bestehenden Rechtsbestand sowie die Strukturen und Mechanismen der Union auch generell zu überdenken und neue Formen der Integration zu entwickeln. Kosmetische Änderungen können diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

 

Im Sinne eines Europas für die Bürgerinnen und Bürger sowie im Interesse des Fortbestands des Friedensprojektes Europa stellt der unterfertigte Abgeordnete daher nachstehenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG

 

 

Der Hauptausschuss wolle beschließen:

 

„Der Bundeskanzler wird ersucht, sich beim Europäischen Rat am 21. und  22. Juni 2007 in Brüssel für die Umsetzung nachstehender Maßnahmen im Interesse des Fortbestandes eines auf Frieden und Wohlstand abzielenden Europas der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen:

 

 

 

Weiters wird der Bundeskanzler ersucht, sich beim Europäischen Rat für die EU-weite zeitgleiche Durchführung nationaler Volksabstimmungen in allen Mitgliedsstaaten bei weitgehenden Vertiefungsschritten, wie etwa die Abgabe von Kompetenzen, Änderungen im Bereich der Institutionen und Organe der EU, Finanzen, Erweiterungen etc., die alle rechtsverbindlich sind - d.h. Erfordernis der mehrheitlichen Zustimmung aller Bürger in allen Mitgliedstaaten - einzusetzen.“

 

Das gegenständliche Vorhaben ist durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen bzw. auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet, der Angelegenheiten betrifft, die durch Bundesgesetz oder Bundesverfassungsgesetz umzusetzen wären.