70/J XXIII. GP
Eingelangt am 17.11.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Gerhard Steier, Maga Christine Muttonen und GenossInnen
an die
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
betreffend Politische Bildung und
Volkswirtschaft an Österreichs mittleren
und
höheren Schulen
Auch bei der vergangenen
Nationalratswahl war ein Rückgang
der Wahlbeteiligung
festzustellen. Dieser ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass die Vermitt-
lung gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge in den letzten Jahren offensichtlich
deutlich vernachlässigt wurde.
Im Schulwesen wird sowohl dem Unterrichtsfach Poli-
tische Bildung und Recht als auch dem Fach Volkswirtschaft ein viel zu geringer
Stel-
lenwert
beigemessen.
Das Unterrichtsprinzip „Politische Bildung" gilt zwar für alle Schultypen und Unter-
richtsgegenstände und wird in den allgemeinen
Bestimmungen der Lehrpläne fast
aller Schultypen als Ziel des Unterrichts
explizit genannt. Es umfasst neben der Ver-
mittlung von Wissen und Kenntnissen auch die Entwicklung von Fähigkeiten und
Einsichten und die Weckung von Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Han-
deln. Was die dabei nötige Anforderung an die LehrerInnen
betrifft, stellt schon der
Grundsatz-Erlass aus dem Jahr 1978 (wieder
verlautbart mit GZ 33.466/103-V/4a/94)
in seiner Einleitung fest:...... Diese Art der Unterrichtsführung und des Erziehens stellt
hohe Ansprüche an das
fachliche und pädagogische Können und an
die Einsatzfreu-
de des Lehrers....".
Es besteht aber keine spezielle Ausbildung „Politische Bildung"
für die
LehrerInnen, die dieses Unterrichtsprinzip vermitteln sollen - die Ausbildungs-
situation scheint mit
den genannten „hohen Ansprüchen" nicht unbedingt zu korres-
pondieren.
An den AHS wurde mit Beginn des
Schuljahres 2001/2002 für die Oberstufe
(11./12.Schulstufe) das Fach „Geschichte
und Politische Bildung" als Pflichtgegens-
tand eingeführt. Hier existiert ebenfalls keine eigene Ausbildung
der LehrerInnen im
Bereich „Politische Bildung"; lediglich im
Bereich der Weiterbildung gibt es für
Inte-
ressierte einen Universitätslehrgang
Politische Bildung/Civic Education MAS des In-
stituts für interdisziplinäre Forschung und
Fortbildung (IFF). Ein eigenes Unterrichts-
fach
„Volkswirtschaft",
in dem ebenfalls - neben wichtigen wirtschaftlichen Zusam-
menhängen - auch politische Bildung vermittelt
werden könnte, fehlt im Bereich der
AHS.
An den
berufsbildenden mittleren und höheren Schulen gibt es eigene
Pflichtgegens-
tände „Politische Bildung und Recht" sowie „Volkswirtschaft". Hier wird jedoch
dem
Vernehmen nach in einigen Schultypen sowohl „Politische Bildung" als auch „Volks-
wirtschaft" zunehmend von fachfremden LehrerInnen unterrichtet, die kein
einschlä-
giges
Hochschulstudium (wie z.B. Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft) samt Unter-
richtspraxis für diese Gegenstände aufweisen, sondern für andere Unterrichtsge-
genstände qualifiziert sind (z.B.
Geschichte, Deutsch, Betriebswirtschaft, Geografie,
Religion...).
Die „Qualitätssicherung" des Unterrichts
in den beiden oben angeführten
Fächern
äußert sich also darin, dass in den meisten
Bundesländern in zunehmendem Maße
fachfremde LehrerInnen unterrichten, obwohl genügend qualifizierte PädagogInnen
(JuristInnen und VolkswirtschafterInnen)
zur Verfügung stehen würden bzw.
sich be-
worben haben.
Im Einzelnen ergibt sich folgendes Zustandsbild:
Von Gesetzes wegen ist z.B. in der
3.Klasse der Handelsschule nur der Gegens-
tandsteil Politische Bildung und Recht zu unterrichten, d.h. der Lehrplan weist
hier
ausschließlich rechtliche Inhalte auf.
Demgegenüber kommt es jedoch häufig vor,
dass für den
Unterricht völlig fachfremde Lehrpersonen eingesetzt
werden. Die Schü-
lerInnen erfahren
daher häufig zu wenig über Gesetze und das Funktionieren von
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit!
Das gleiche Bild ist in einigen Fällen sogar an Handelsakademien und Höheren
Lehranstalten - quer durch die Bundesländer - zu
beobachten.
Wirtschaftspädagoglnnen älterer
Studienrichtungen -d.h. ohne gesetzlich legitimier-
te Qualifikation - unterrichten Volkswirtschaft an Handelsakademien und anderen
höheren
Lehranstalten.
Überdies erfolgten in den letzten Jahren
bei den Unterrichtsfächern Politische Bil-
dung und Recht sowie Volkswirtschaft
Stundenreduktionen in den Lehrplänen, z.B. in
der Handelsakademie
bei Politischer Bildung und Recht um ca. 25%. In den Han-
delsschulen und Höheren
Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe ist das Unterrichts-
fach Volkswirtschaft
als eigenständiger Gegenstand überhaupt eliminiert worden
bzw. fristet ein Schattendasein als Anhängsel der Betriebswirtschaft.
Aus
demokratiepolitischen Gründen ist es weiters unabdingbar, dass
in Zukunft an
den 7. und 8. Jahrgängen der AHS eigene Unterrichtsfächer
Politische Bildung und
Recht sowie Volkswirtschaft durch einschlägig ausgebildete
Fachkräfte unterrichtet
werden.
Die
unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Bil-
dung,
Wissenschaft und Kultur nachstehende
Anfrage:
1.
An welchen
berufsbildenden mittleren und höheren
Schulen wird der Unterrichts-
gegenstand Politische Bildung und Recht (bzw. der Gegenstandsteil Politische
Bil-
dung und Recht in der 3. Klasse der Handelsschule)
sowie der Unterrichtsgegenstand
Volkswirtschaft (bzw. der
Gegenstandsteil Volkswirtschaft im Mischgegenstand „Be-
triebs- und
Volkswirtschaft" in der Handelsschule und Höheren Lehranstalt für wirt-
schaftlichen Berufe) nicht von JuristInnen,
VolkswirtInnen bzw. Wirtschaftspädago-
glnnen
neuer Studienordnung (mit Wahlfach Volkswirtschaft) unterrichtet? (Bitte nach
Schultypen und
Bundesländern gegliedert anführen)
2. Wie viele PädagogInnen sind in diesen
Gegenstandsbereichen fachfremd im Ein-
satz?
3.
Seit wann unterrichten fachfremde Lehrkräfte die
unter Pkt.1 angeführten Gegens-
tände (bzw. Gegenstandsteile) und wie wird
das von der Schulverwaltung begrün-
det?
4.
Wurden bzw.
werden die Stunden in den genannten Unterrichtsgegenständen
(bzw. Gegenstandsteilen) die derzeit von
fachfremden Lehrkräften unterrichtet wur-
den bzw. werden,
gesetzlich korrekt ausgeschrieben?
5.
Sollten gesetzlich vorgesehene Ausschreibungen in den genannten beiden
Unter-
richtsgegenständen (bzw. Gegenstandsteilen) nicht erfolgt
sein: Welche Maßnahmen
werden seitens der Schulverwaltung gegen die Verantwortlichen unternommen? Wie
wird sichergestellt,
dass derartige Stunden künftig
korrekt ausgeschrieben werden
können?
6.
Ist künftig eine verpflichtende, einheitliche
Ausbildung bzw. Fortbildung für Lehre-
rInnen aller
Unterrichtsgegenstände vorgesehen, die das
Unterrichtsprinzip „Politi-
sche Bildung" vermitteln sollen? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein,
warum
nicht?
7.
Welche Maßnahmen werden seitens des Ressorts
geplant, um auch AHS-
Schülerlnnen
facheinschlägig Politische Bildung und Recht sowie die Grundlagen
der
Volkswirtschaft zu vermitteln?