114/J XXIII. GP

Eingelangt am 29.11.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Ruth Becher

und GenossInnen

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Ausbau der Schienenverbindung Wien-Bratislava

Die vergangene Legislaturperiode war, was den geplanten Ausbau der Schienenverbindung
zwischen Wien und Bratislava anbelangt, von gröberen Meinungsverschiedenheiten und
Auffassungsunterschieden zwischen Verkehrsminister Gorbach und seinem Staatssekretär
Kukacka geprägt.

Zum aktuellen Hintergrund: Nachdem am 17. August dieses Jahres die slowakische
Regierung ihr Veto gegen den Verkauf des Flughafens Bratislava eingelegt hat, geht
Verkehrsstaatssekretär Kukacka via Presseaussendung (OTS153, 17.8.2006) an die
Öffentlichkeit. Sein Vorschlag: Nachdem nun die Privatisierung des Flughafens in Bratislava
auf das Abstellgleis gestellt wurde, habe auch der Ausbau der Schienenverbindung zwischen
den beiden Hauptstädten über die Götzendorfer Schleife „nicht die erste Prioritä“. Statt
dessen müsse jetzt der Ausbau der „schnellsten Verbindung der Stadtzentren" über den
Marchegger Ast vorgezogen werden. Drei Tage später legt der ÖVP-Staatssekretär noch
einmal nach und präzisiert seine Initiative in der „Kronen Zeitung": Baubeginn solle im Jahr
2008 sein und die Strecke über den Marchegger Ast selektiv zweigleisig bis 2011 fertig
gestellt werden.

Verkehrsminister Gorbach ist da ganz anderer Meinung. Das lässt er auch seinen
Staatssekretär über die Medien wissen. In einer Presseaussendung (APA457, 17.8.2006)
antwortete der Verkehrsminister seinem weisungsgebundenen Staatssekretär: Kommt gar
nicht in Frage, die Götzendorfer Schleife würde auch dann einen Konkurrenzvorteil für den
Flughafen Wien darstellen, wenn es zu keinem Zusammenschluss mit dem Airport Bratislava
kommen sollte.

Ein Ressort, zwei Meinungen also. Auf der Strecke bleibt angesichts der ministeriumsinternen
Dissonanzen der von vielerorts geforderte Schienenausbau nach Bratislava.  Dies auch


deshalb, weil die von Staatssekretär Kukacka ankündigte Vorziehung des abschnittsweisen
zweigleisigen Ausbaus der Eisenbahnverbindung über den Marchegger Ast nicht nur nicht mit
seinem Ressortchef akkordiert, sondern darüber hinaus auch gar nicht budgetiert ist. So ist
auch schwarz auf weiß in der Presseunterlage von Staatssekretär Kukacka vom 13. Juni 2006
nachzulesen, dass es für die Elektrifizierung und den Kapazitätsausbau „derzeit noch keine
Bedeckung im ÖBB-Rahmenplan gibt“.
Bestätigt wird dies durch die Aussage des
Verkehrsministers in seiner Anfragebeantwortung 4324/AB
XXII. GP.-NR vom 8. August
2006, als er auf die Frage, ob angesichts des von ihm priorisierten Schienenprojektes
zwischen Wien und Bratislava über den Flughafen Wien die erforderlichen finanziellen
Mitteln für die zwischen 2008 und 2011 anberaumten zweigleisigen Ausbaumaßnahmen auf
der Strecke Wien - Marchegger Ast vorhanden sei, antwortet: „Ich werde mich beim
Bundesminister für Finanzen rechtzeitig dafür einsetzen, dass die erforderlichen Mittel für
dieses Vorhaben durch Aufnahme in den Rahmenplan gesichert werden."

Fest steht somit, dass für den zweigleisigen und elektrifizierten Ausbau der
Schienenverbindung über den Marchegger Ast im Gegensatz zum Bau der Götzendorfer
Schleife zwischen dem Flughafen Wien und Bratislava sowie der Elektrifizierung der Strecke
zwischen Gänserndorf über Marchegg nach Bratislava kein Geld vorhanden ist und
diesbezüglich nur vage Absichtserklärungen bestehen. Dass der Ausbau auch tatsächlich nach
erfolgreicher Umweltverträglichkeitsprüfung ab 2008 in Angriff genommen werden kann, wie
der Verkehrsminister mehrmals in den Anfragebeantwortungen beteuert, muss daher mit
gebotener Vorsicht gesehen werden.

Genährt wird diese Skepsis durch diverse widersprüchliche Meldungen. Am 17. August heißt
es etwa in der APA, dass beide Projekte, Götzendorfer Spange und Marchegger Ast, im
derzeit geltenden Rahmenplan für die Finanzierung des Bahnausbaus im Zeitraum 2005 bis
2010 „nicht enthalten" seien. "Für die Jahre 2006 - 2011 gibt es bereits einen von den ÖBB
überarbeiteten Rahmenplan, der die Götzendorfer Schleife enthält, nicht aber den
Marchegger Ast. Dieser Plan wurde vom Finanzministerium und vom Verkehrsministerium
aber noch nicht genehmigt.
Am 6. September berichtet der „Standard", dass der Bau der
Götzendorfer Spange im neuen ÖBB-Rahmenplan nicht vorgesehen sei, und am 10. Oktober
wird im selben Printmedium ein nicht genannter Bahnvorstand zitiert, der „ein Blutbad"
befürchtet, wenn der neue Rahmenplan 2006-2011 an die Öffentlichkeit gelangt, zwei
Wochen später heißt es wiederum in der „Presse" (24.11.2006), dass der Schienenausbau über


den Marchegger Ast „derzeit (der) Favorit“ sei. Nicht so beim EU-Koordinator für das
prioritäre TEN-Projekt 17 „Paris-Bratislava", Peter Balazs. Laut genannten „Presse"-Artikel
präferiert er die Götzendorfer Spange, sie sei „die billigere Lösung und würde außerdem
beide Flughäfen so eng vernetzen, dass sie als ein Flughafen auftreten können".

Eine dissonante Stimmenlage, was den Schienenausbau Wien-Bratislava angelangt - ist man
angesichts dessen versucht anzumerken. Nicht so bei der Stadt Wien. Sie verfolgt
diesbezüglich eine klare Linie. Sie ist der Ansicht, dass es beider Schienenverbindungen
benötigt. Beide Varianten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, vielmehr bedingen
sie einander. Die nördliche Strecke über den Marchegger Ast erfüllt eine andere Funktion als
jene im Süden über die Götzendorfer Spange, gemeinsam sind sie als Korridor zu betrachten:
Die Spange Götzendorf dient der Integration des Wiener Flughafens in den internationalen
Verkehr, während sich der Marchegger Ast als die kürzeste und schnellste Städteverbindung
zwischen den beiden Stadtzentren Wien und Bratislava eignet.

Dem zweigleisigen und elektrifizierten Ausbau der Schienenverbindung zwischen Wien und
Bratislava über den Marchegger Ast kommt aber nicht nur aus diesem Grund große
Bedeutung zu, er ist auch deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil erstens mit ihm ein
attraktiver Nahverkehr ins niederösterreichische Marchegg und in Richtung Wien-
Südbahnhof steht und fällt und, zweitens, die damit möglich werdenden
Kapazitätssteigerungen und Fahrzeitverkürzungen der auf dieser Strecke verkehrenden
Schnellbahnlinie S80 auch im Hinblick auf den im Entstehen begriffenen neuen Stadtteil auf
dem ehemaligen Flugfeld Aspern von besonderer Relevanz wäre.

Auch hierzu ist vom Verkehrsministerium bislang nur Widersprüchliches zu hören: Mitte Mai
dieses Jahres hieß es in einer der Anfragestellerin zugestellten Beantwortung (4001/AB
XXII.
GP.-NR, 15.05.2006) noch, dass die Absicht bestehe, die „Abschnitte Stadlau bis Raasdorf
und von Siebenbrunn-Leopoldsdorf bis Marchegg" selektiv zweigleisig ausbauen zu wollen.
Drei Monate später war dieses Vorhaben aber wieder vom Tisch. In der Anfragebeantwortung
4324
XXII. GP.-NR vom 7. August steht dazu, dass nur mehr von Siebenbrunn-Leopoldsdorf
bis Schönfeld-Lassee die Schienenverbindung zweigleisig ausgebaut werden soll. Über die
Gründe, warum das Verkehrsressort auf die Ausbaumaßnahmen zwischen Stadlau und
Raasdorf verzichtet, verliert Verkehrsminister Gorbach kein Wort.


Auf der sprichwörtlichen Strecke bleibt somit eine nachfragegerechte Eisenbahnverbindung
nicht nur zwischen Wien und Bratislava über den Marchegger Ast, sondern ebenso auch eine
den Bedürfnissen der Fahrgäste angepasste Schnellbahnverbindung der Linie S80. Muss doch
letztere zwischen Stadlau-Erzherzog-Karl Straße und Hausfeldstraße mit nur einem Gleis
auskommen. Mit einer eingleisigen Trasse lässt sich kein moderner Takt-Verkehr in die Tat
umsetzen. Würde, wie ursprünglich vom Verkehrsminister beabsichtigt, innerhalb des
Streckenabschnitts zwischen Stadlau und Raasdorf ein zweites Gleis hinzugelegt, könnte man
die Kapazitätsengpässe in diesem Bereich zumindest etwas lindern, anstelle des derzeitigen
30-Minuten- bestünde so die Möglichkeit, einen attraktiveren Taktverkehr der S80
einzurichten.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten in diesem Zusammenhang an den Bundesminister
für Verkehr, Innovation und Technologie nachstehende

Anfrage:

1.              In der Anfragebeantwortung 4001/AB XXII. GP.-NR vom 15. Mai 2006 schreiben Sie,
die Streckenabschnitte „Stadlau bis Raasdorf und von Siebenbrunn-Leopoldsdorf bis
Marchegg" selektiv zweigleisig ausbauen zu wollen, etwa drei Monate später, am 7.
August,  halten  Sie  in  der  Anfragebeantwortung 4324  XXII.   GP.-NR  fest,  einen
"
zweigleisigen      Ausbau      zwischen      Siebenbrunn-Leopoldsdorf-Schönfeld-Lassee"
anzustreben. Was hat Sie dazu veranlasst, den von Ihnen angekündigten zweigleisigen
Ausbau des Streckenabschnitts Stadlau-Raasdorf nunmehr wieder hintanzustellen?

2.              Am 17. August 2006 berichtete die APA (APA562), dass es für die Jahre 2006-2011
„bereits   einen   überarbeiteten   Rahmenplan"   gebe,   bislang   fehle jedoch  noch  die
Genehmigung   vom   Finanz-   und   Verkehrsministerium.   Wurde   der   überarbeitete
Rahmenplan   2006-2011    inzwischen   vom   BMF   und    BMVIT    gemäß    §    47
Bundesbahnstrukturgesetz genehmigt?

3.              Wenn nein, warum nicht?


4.      Wenn ja, sind im überarbeiteten Rahmenplan der zweigleisige und elektrifizierte Ausbau
der Schienenverbindung Wien - Marchegger Ast - Bratislava, der Strecke zwischen Wien
und Bratislava über den Flughafen Wien und der Verbindung Wien - Gänserndorf -
Marchegg - Devinska N.
V. - Bratislava mit entsprechender finanzieller Bedeckung
enthalten?

5.             Falls Sie die Frage 4 verneinen: Welche der genannten Eisenbahnstrecken wurden aus
welchen Gründen in den überarbeiteten Rahmenplan 2006-2011 nicht aufgenommen?

6.             Im Falle der Bejahung von Frage 4: Welcher Realisierungszeitplan ist für den Ausbau
nördlich und südlich der Donau vorgesehen, und wie hoch sind die im Rahmenplan
vorgesehenen jährlichen Investitionsraten für den Ausbau der Schienenverbindung Wien -
Marchegger Ast — Bratislava, der Strecke zwischen Wien und Bratislava über den
Flughafen Wien und der Verbindung Wien - Gänserndorf - Marchegg - Devinska N.
V. -
Bratislava?

7.             In der Beantwortung der Anfrage 4341/J beteuern Sie, sich „beim Bundesminister für
Finanzen rechtzeitig dafür ein(zu)setze(n), dass die erforderlichen Mittel
für den von
Ihnen    ins    Auge    gefassten    zweigleisigen    Ausbau    der    unter    1.    angeführten
Streckenabschnitte im „Rahmenplan gesichert" seien. Damit bestätigen Sie - indirekt -
das, was schon zuvor Ihr Staatssekretär in einer Pressekonferenz erklärt hat, nämlich, dass
es für den Kapazitätsausbau über den Marchegger-Ast „keine Bedeckung im ÖBB-
Rahmenplan" gebe. „Das Projekt selbst", heißt es im Pressepapier von Staatssekretär
Kukacka vom 13. Juni 2006, „muss in den nächsten Rahmenplan (2007-2013 (sic!))
aufgenommen werden. Dazu gibt es derzeit Verhandlungen mit dem Finanzminister über
die  gesamte  Finanzierung".  
Wie  lässt  sich  diese  Aussage  mit jener  des   ÖBB-
Konzernsprechers in der APA vom 17. August desselben Jahres in Einklang bringen,
demzufolge es für die Jahre 2006-2011 „einen von den ÖBB überarbeiteten", aber vom
Finanzministerium und Verkehrsministerium noch nicht genehmigten Rahmenplan gebe?

8.             Wie hoch ist die Bezuschussung aus den TEN-Mitteln für den grenzüberschreitenden
Abschnitt Wien-Bratislava des vorrangigen TEN-Projekts Nr.   17 „Paris-Strasbourg-
Stuttgart-Wien-Bratislava"?


9.            Verkehrsstaatssekretär   Kukacka  plädiert   nach  dem   Stopp   der   Privatisierung   des
Flughafens Bratislava nun nicht mehr für die Priorisierung des Schienenausbaus zwischen
Wien und Bratislava über die Götzendorfer Schleife, sondern für die Vorziehung der
„schnellsten   Verbindung  der  Stadtzentren"   über  den   Marchegger   Ast   (OTS153,
17.8.2006). Sie sind anderer Meinung und bekräftigen via Presseaussendung (APA457,
17.8.2006) Ihre Absicht, die Strecke zwischen den beiden Flughäfen ausbauen zu wollen.
Wurde   inzwischen   eine   ressortinterne   einheitliche   Position   in   Bezug   auf   die
Schienenausbauvorhaben zwischen Wien und Bratislava gefunden?

10.     Wenn ja, wie lautet Ihr Standpunkt?

11.     Laut Ihren Ausführungen in der Anfragebeantwortung 4324 XXII. GP.-NR werde von der
ÖBB-Infrastruktur Bau AG untersucht,  ob  durch einen "größtenteils  dreigleisigen
Abschnitt zwischen Simmering und Praterkai"
eine Entlastung der Donauquerung im
Bereich Ostbahnbrücke möglich ist. Welches Ergebnis haben die Untersuchungen   der
ÖBB-Infrastruktur AG zutage gefördert?

12.     Die Fragen 13 bis 18 der Anfrage 4341/J blieben unbeantwortet. Die Anfragestellerin
erlaubt sich im Folgenden, selbige ein weiteres Mal an den Verkehrsminister zu
adressieren: Entsprechend Ihren Ausführungen soll es zu einer Priorisierung des Ausbaus
der Verbindung Flughafen Wien - Fischamend - Götzendorf - Bruck an der Leitha -
Kittsee und weiter bis zum Flughafen Stefanik östlich von Bratislava kommen. Mit
welchen prognostizierten Zahlen an Transitpassagieren zwischen beiden Flughäfen lässt
sich diese Priorisierung rechtfertigen?

13.     Liegen Ihnen Studien vor, die Ihre Feststellung, derzufolge der bevorzugte Ausbau der
Schienenverbindung zwischen Wien und Bratislava über den Flughafen Wien „kurzfristig
den größten Nutzen sowohl für die Städteverbindung, als auch die Flugpassagiere und die
Wirtschaft"
generiere, untermauern?

14.     Im Falle der Bejahung von Frage 13: Zu welchen Ergebnissen kommt/kommen die
Studie/n im Detail?


15.      Bei Verneinung der Frage 13: Womit begründen Sie ansonsten die Priorisierung des
Schienenausbaus Wien - Bratislava über den Flughafen Wien?

16.      Ihren Ausführungen im Motiventeil der Anfragebeantwortung 4001/AB XXII. GP.-NR
zufolge ist der Ausbau der Strecke über den Marchegger Ast zwischen 2008 und 2011
vorgesehen. Können Sie ausschließen, dass es infolge der Vorziehung des Ausbaus der
Verbindung   Wien   -   Bratislava   südlich   der   Donau   zu   einer   Verzögerung   der
Ausbaumaßnahmen auf der Eisenbahnstrecke Wien — Marchegger Ast - Bratislava
kommt?

17.      Wenn nein, warum nicht?

18. In der Frage 19 der Anfrage 4341/J XXII. GP.-NR begehrte die Anfragestellerin
Auskunft,     mit     welchen     Maßnahmen     im     Bereich     der Bahninfrastruktur das
Verkehrsministerium gedenke, den zunehmenden Passagierzahlen beim Grenzübergang
Marchegg   Rechnung   zu   tragen.   Dies   deshalb,   weil   die   die   Steigerung   der
grenzüberschreitenden Bahnreisenden in den Vergleichsjahren 2004 auf 2005 beim
Grenzübergang Kittsee nur vier Prozent, beim Grenzübergang Marchegg aber 37 Prozent
beträgt.   Auch  Ihr  Staatssekretär  machte  auf das  höhere  Wachstumspotential  des
Grenzübergangs Marchegg in einem Pressepaper (13.06.2006) aufmerksam. Als Antwort
auf die Fragestellung verwiesen Sie auf die Beantwortung der Fragepunkte 1 bis 7. Dort
steht zwar vieles, aber nichts, das eine zufrieden stellende Antwort im Sinne von Frage 19
darstellen   würde.   Daher   noch   einmal:   Mit   welchen   Maßnahmen   im   Bereich
der Bahninfrastruktur gedenken     Sie,     den     zunehmenden     Passagierzahlen    beim
Grenzübergang Marchegg Rechnung zu tragen und zu welchem Zeitpunkt?