121/J XXIII. GP

Eingelangt am 29.11.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Zentralbahnhof Wien und Rahmenplan 2007-2012

 

 

Verschiedene ÖBB-Aufsichtsräte stehen kurz vor der Beschlussfassung über das Stadtentwicklungsprojekt Wiener Zentralbahnhof.

 

Die Finanzierungsfrage für das Bahnhofsgebäude samt Anlagen ist nach wie vor ungelöst. Ursprünglich wurden rund 800 Mio Euro kalkuliert, dann musste diese Summe auf höheren Auftrag hin auf 400 Mio „schön“ gerechnet werden. Im Rahmenplan 2006–2011 wird der Zentralbahnhof mit völlig unrealistischen 488 Mio veranschlagt, die u.a. Kosten für Absiedlung und Interimslösungen nicht berücksichtigen. Inzwischen ist von 600 Mio die Rede, aus informierten Kreisen heißt es aber jetzt wieder, das Projekt koste 969 Mio Euro.

 

Bereits vor der letzten Aufsichtsrats-Befassung wurde noch bis ins Morgengrauen des Sitzungstags hektisch nach zusätzlichen Einnahmsquellen gesucht, um das Finanzierungsloch beim Zentralbahnhof wenigstens oberflächlich zu stopfen. Dabei wurde unter anderem ein zusätzlicher Schnellzugstakt von St. Pölten Richtung Flughafen über den Zentralbahnhof erfunden. Dessen Kostendeckungsbeitrag (zusätzliches Schienenbenutzungsentgelt) wäre jedoch im Vergleich zum fehlenden dreistelligen Millionen-Euro-Betrag von verschwindender Höhe - damit befasste ÖBB-Bedienstete sprachen hinsichtlich der Summe von einem "Nasenrammel", wie unbeteiligte Mitreisende den teilweise in einem Zug auf der Südbahnstrecke geführten Gesprächen entnehmen konnten. (Ganz unabhängig davon ist die Frage naheliegend, ob Flugreisende aus St. Pölten tatsächlich stündlich einen ganzen Schnellzug nach Wien-Schwechat füllen würden, und wie die direkte Konkurrenz dessen zum CAT im Abschnitt Wien-Flughafen sich "netto" in der Ertragssituation des ÖBB-Konzerns niederschlagen würde.)

 

Eine seriöse Klärung der Kostenfrage ist anstatt buchhalterischer Sandkastenspiele dringend geboten. Diese ist auch wegen der Erstellung des gesetzlich verbindlichen Rahmenplans 2007–2012 von zentraler Bedeutung. Die erforderliche Zustimmung des Verkehrs- und Finanzressorts zum Rahmenplan setzt die Finanzierbarkeit voraus, also die Steigerung der jährlichen Bundeszuschüsse von 1,1 Mrd auf mindestens 1,5 Mrd Euro. Ohne diese zusätzliche Finanzierung aus dem Bundesbudget muss der Rahmenplan redimensioniert werden, um einen Konkurs der ÖBB Infrastruktur Bau AG, die bereits derzeit über 5 Mrd Bankverbindlichkeiten zu bedienen hat, zu vermeiden.

 

Fußnote: Damit rächt sich die bisherige Infrastrukturpolitik im Bahnbereich, die milliardenverschlingenden Großbauvorhaben wie Unterinntal, Lainzer Tunnel, Koralmtunnel, etc. zugunsten von Baufirmen und Banken den Vorzug gab. Vergleichsweise kostengünstige Verbesserungen zu Gunsten der KundInnen wurden vernachlässigt und der Staatshaushalt mit Milliarden belastet.

 

Die Finanzierung des Zentralbahnhofs, eines in seinem Kern nicht verkehrstechnischen, sondern stadtentwicklungsorientierten Projekts – wie das Verhältnis von sechs Bahnsteigen zu umfangreichen bahnfremden Immobilien-Deals beweist -, hängt auch mit den geplanten Grundstückserlösen des Areals zusammen. Laut APA-Meldung vom 13.10.2006 wollen die ÖBB die rund 200 Mio große Lücke bei der Finanzierung des neuen Hauptbahnhofes mit Immobilien-Erlösen, Beiträgen der Stadt Wien und aus TEN-Mitteln aus Brüssel schließen.

Entgegen den marktüblichen Gepflogenheiten werden laut internen Informationen die Grundstücke aber nicht zum Verkauf ausgeschrieben und an einen oder mehrere Bestbieter veräußert, sondern sollen auf eine intransparente Art verkauft werden, wodurch die Höhe des Erlöses leiden kann.

 

Diese Vorgangsweise führte in jüngster Zeit laut internen Informationen zB bereits beim Verkauf der Werkstätte Floridsdorf (ca 72.400 m2, an das Konsortium Siemens-Porr Solution-VAMED) zu einem vergleichsweise niedrigen Erlös von 360 Euro/m2.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.             Wie hoch sind die gesamten Kosten (inklusive Absiedlung, Übergangslösungen,...) des Zentralbahnhofs Wien?

 

2.             Wieviel wird für die Risiko-Vorsorge kalkuliert?

 

3.             Wie hoch ist der fix zugesicherte Beitrag der Stadt Wien, und welche Zusicherung mit Verbindlichkeit liegt dem konkret zugrunde?

 

4.             Wie hoch ist der fix zugesicherte Beitrag aus TEN-Mitteln, und welche Zusicherung mit Verbindlichkeit liegt dem konkret zugrunde?

 

5.             Wie hoch werden die Grundstückserlöse kalkuliert?

 

6.             Von wem und in wessen Auftrag wurden die entsprechenden Bewertungen erstellt, auf denen diese Kalkulation fußt?

 

7.             Warum erfolgt keine öffentliche Ausschreibung des Verkaufs der Grundstücke?

 

8.             Warum erfolgt keine öffentliche Interessentensuche?

 

9.             Welche Optionen liegen derzeit vor?

 

10.        Wieviel des Areals soll zu welchem Quadratmeterpreis an PORR, Raiffeisen oder Kallinger gehen?

 

11.        Welche Wohnungsgenossenschaften haben Kaufoptionen in welchem Umfang und zu welchem Quadratmeterpreis?

 

12.        Warum wurde für die Errichtung des Zentralbahnhofs kein Architekturwettbewerb veranstaltet?

 

13.        Warum erfolge für den Verkauf der Werkstätte Floridsdorf keine Ausschreibung oder öffentliche Interessentensuche?

 

14.        Wie erklären Sie sich den niedrigen Preis von 360 Euro pro m2?

 

15.        Auf welche Weise wollen Sie künftig – allgemein und konkret beim Zentralbahnhofs-Projekt - vermeiden, dass durch Planungsfehler, geringe Immobilienerlöse und andere Vorkommnisse der Republik als Eigentümer der ÖBB Schaden erwächst?

 

16.        Welche Kosten entstehen dadurch, dass die jüngst errichtete Gebäude und Anlagen der ÖBB-Traktion am Süd-/Ost-Bahnhof nun im Sinne der Optimierung der Immobiliengeschäfte rund um das Zentralbahnhof-Projekt erneut an einen anderen, noch dazu für die künftige Abwicklung des Eisenbahnbetriebs nachteiligen Standort übersiedelt und neu errichtet werden müssen?