695/J XXIII. GP

Eingelangt am 24.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Mag. Hauser und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend

betreffend Aufsicht über Sozialversicherungsträger AUVA - Amputation als Unfallheilbehandlung

Die AUVA hatte einem 28-jährigen Tiroler, der Mitte 2004 bei Schweißarbeiten einen Arbeitsunfall erlitten hatte, vorgeschrieben, seinen Finger amputieren zu lassen. Der war aufgrund eines Unfalls versteift, was mit einer 20-prozentigen Erwerbsminderung bewertet worden war.

Der Verlust eines Fingers wird laut Gliedertaxe aber geringer bewertet. Daraus zog die AUVA den Schluß, daß der Arbeiter mit amputiertem Finger besser gestellt wäre, was aber darüber hinaus die für die AUVA überaus günstige Folge gehabt hätte, daß sich die AUVA die Versehrtenrente erspart hätte, die ja erst ab einer zwanzigprozentigen Erwerbsminderung anfällt.

Argumentation der Versicherungsanstalt:

"Die die Gesamtfunktion der Hand störende Versteifung des Mittelfingers könnte durch Amputation behoben werden, die nach Ansicht der AUVA einen duldungspflichtigen Eingriff darstellt. Eine Amputation würde so hin eine Besserung bewirken und die Erwerbsminderung auf fünf bis zehn Prozent mindern",

Der Direktor der Landesstelle Salzburg, Johannes Krauss, hat sich zwar inzwischen zu Wort gemeldet und sein Bedauern ausgedrückt, bemerkt aber, daß die Juristen der AUVA diese Bewertung korrekt und sachlich vertreten hätten. Er gibt aber immerhin zu, daß sie es an der nötigen Sensibilität haben mangeln lassen. Damit solche Fehler in Zukunft nicht mehr vorkommen, hätte die AUVA jetzt ein eigenes Gremium eingesetzt.

In Zukunft sollen solche Fälle gemeinsam mit einem Arzt, einem Juristen und der Direktion besprochen werden.

Wie alle Sozialversicherungsträger unterliegt auch die AUVA der Kontrolle des Rechnungshofes und der Aufsicht des Bundes. Aufsichtsbehörde ist nach § 448 (1) ASVG das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend. Die Aufsichtsbehörde überwacht die Einhaltung von Gesetz und Satzung und kann Beschlüsse der Selbstverwaltungskörper aufheben.

Als Leistungen der Unfallversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unter anderem eine Versehrtenrente gewährt.

 


Anspruch auf Versehrtenrente besteht nach § 203 (1) ASVG, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalls oder eine Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens zwanzig Prozent vermindert ist. Die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens Zwanzig Prozent.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird medizinisch festgestellt auf Basis der Einstufungsverordnung (Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) gemäß § 7 KOVG).. Sie stellt eine abstrakte Einschätzung der Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dar, die die konkrete Behinderung in der jeweiligen Berufsausübung unberücksichtigt läßt.

Die Versehrtenrente und allfällige Zuschüsse können ihm auf Zeit ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Versehrte eine die Unfallheilbehandlung oder die Krankenbehandlung betreffende Anordnung ohne triftigen Grund nicht befolgt und seine Erwerbsfähigkeit dadurch ungünstig beeinflußt wird.

Die Unfallheilbehandlung hat mit allen geeigneten Mitteln die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit hervorgerufene Gesundheitsstörung oder Körperbeschädigung sowie die durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. der Fähigkeit zur Besorgung der lebenswichtigen persönlichen Angelegenheiten zu beseitigen oder zumindest zu bessern und eine Verschlimmerung der Folgen der Verletzung oder Erkrankung zu verhüten.

Allerdings führt nur eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht zum Ausschluß von der gewünschten Leistung. Der Versicherte muß sich keinen Heilverfahren unterziehen, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellen.

Aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention ist aber in jedem Fall die Zustimmung zu Heilbehandlungen erforderlich. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist in den Art. 2 u. 5 MRK normiert und verfassungsrechtlich geschützt. Daher stellt jede Operation rechtlich eine Körperverletzung dar und ist somit grundsätzlich rechtswidrig. Eine Rechtfertigung ergibt sich aus der Einwilligung des Verletzten im Zusammenhang mit dem Heilungszweck.

Erfolgt   die   Behandlung   ohne   Einwilligung   des   Verletzten,   so   wird   aus   der rechtmäßigen Heilbehandlung das Delikt der eigenmächtigen Heilbehandlung"  (§110 StGB).

 

 


In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend folgende

Anfrage:

1.            Ist Ihnen der oben genannte Sachverhalt bzw. die daraus resultierende Entscheidung der AUVA bekannt?

2.            Wenn ja, wann und welche Konsequenzen haben Sie daraus           gezogen?

3.            Wenn nein, wie gedenken Sie Ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde in Zukunft nachzukommen?

4.            Erachten Sie die oben beschriebene Entscheidung der AUVA im Sinne der Aussagen des Direktors der Landesstelle Salzburg als grundsätzlich korrekt und sachlich vertretbar?

5.            Würden    Sie    als    Bundesministerin    für    Gesundheit    eine    vom medizinischen Standpunkt nicht notwendige Amputation als geeignetes Mittel im Sinne einer zu befolgenden Unfallheilbehandlung ansehen?

6.            Wie stehen Sie zu seiner Aussage vom Standpunkt einer Medizinerin vor allem    unter    dem    Gesichtspunkt    des    durch    die    Europäische Menschenrechtskonvention verfassungsrechtlich geschützten Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit?

7.            Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um der aus diesem Sachverhalt resultierenden Kritik Rechnung zu tragen und für eine Situation zu sorgen  in der solche Entscheidungen nicht mehr getroffen werden

können?