723/J XXIII. GP
Eingelangt am
26.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Dr. Caspar Einem
und
Genossen
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend
die Beschaffung von Streumunition (Streubomben und Panzerhaubitzen-
granaten) durch das österreichische Bundesheer
Streumunition: Einsatz und Wirkung
„Heutzutage
ist die Streumunition eine der am meisten eingesetzten Luftabwurfwaffen und
verdrängte damit die zuvor bei Massenabwürfen übliche
Splitterbombe oder den
großflächigen Einsatz von Napalm.
Der
Einsatz von Streumunition findet vor allem gegen weiche Ziele (ungepanzerte
Fahrzeuge,
Infanterie,
Luftabwehr-Systeme, Artillerie-Stellungen) oder Infrastruktur (Straßen,
Landebahnen, Felder) statt. Da die Waffe durch die vielen
„Minibomben" keinen eigentlichen
Explosionsmittelpunkt besitzt, können die Bomblets auch hinter Deckungen
oder in
Schützengräben
gelangen. Durch den sehr großen räumlichen Wirkungsradius
erhöht sich die
Effektivität
der Waffe gegen großflächige Ziele, oder die Wahrscheinlichkeit
kleine,
bewegliche Ziele im
angegriffenen Bereich zu treffen. Streumunition ist damit, rein
militärisch betrachtet, eine der wirksamsten konventionellen Waffen, die
aus der Distanz
gegen Bodenziele eingesetzt werden
können. Ihre Wirkungsweise beinhaltet allerdings immer
die Wahrscheinlichkeit von umfassenden Begleitschäden im Zielgebiet.
Auf eine der
ursprünglichen Verwendungsformen, das Verminen ganzer Areale, wird von den
meisten Armeen
heutzutage bewusst verzichtet oder durch eine helle, auffällige
Färbung der
Submunition und/oder einen
Selbstzerstörungsmechanismus, der die Mine innerhalb von 4—48
Stunden automatisch zur Explosion
bringt, versucht eine langzeitige Verseuchung von
Einsatzgebieten zu vermeiden. Andere Streumunition wird gezielt gegen
gepanzerte
Fahrzeuge eingesetzt, da sie die relativ schwach gepanzerte Oberseite der
Fahrzeuge auch mit
kleinen Ladungen durchdringen kann.
Eine vor
allem bei Flächenbombardements eingesetzte Variante ist die
Brand-Streubombe, die
Bomblets mit Napalm, Thermit oder ähnlichen Substanzen auf einer
großen Fläche verteilen
kann. Diese Bomben
führten im Zweiten Weltkrieg zu schweren Bränden in bombardierten
Städten, als sie in das Innere der
Häuser fielen, deren Dächer bereits durch herkömmliche
Bomben zerstört waren.
Während
des Kalten Krieges entwickelten beide Seiten Streubomben, die zum Einsatz von
verschiedenen chemischen Kampfstoffen geeignet waren. Wie viele dieser
mittlerweile von
den meisten Ländern geächteten Waffen sich in den Arsenalen befinden,
ist unklar.
In
der Praxis werden Streubomben meist in einer Mischung aus Explosiv-, Splitter-
und
panzerbrechender Ladung eingesetzt.
Gefährdung der Zivilbevölkerung
Der Einsatz
von Streumunition, insbesondere der Antipersonenvarianten, wird aus
humanitären
Gründen stark kritisiert, vor allem wegen der langzeitigen Bedrohung der
Zivilbevölkerung durch die unkontrollierte Verteilung von
Blindgängern im Zielgebiet....
... Zwischen
5 und 30 % der Bomblets explodieren nicht beim Aufschlag, sondern bleiben als
Blindgänger liegen und stellen, ähnlich wie Landminen, viele Jahre
lang eine Gefährdung für
die betroffene
Zivilbevölkerung dar. Betroffen sind sehr oft Kinder, die die Bomblets
wegen
ihrer Form und leuchtenden Farbe für Spielzeug halten. Im Vergleich zu
Landminen und
Antipersonenminen ist bei Unfällen mit
den Blindgängern solcher Bomblets besonders häufig
eine Mehrzahl von Personen betroffen und eine im Durchschnitt
höhere Mortalitätsrate
festzustellen. Im Kosovo (1999), Afghanistan (2001-2002) und im Irak (2003)
wurden
zusammengenommen fast eine Million Streubomben eingesetzt, zu denen eine hohe,
noch
nicht abschließend ermittelte Anzahl im Libanon (2006) hinzukommt. Auch
an den
Schauplätzen der Indochinakriege,
besonders in Laos und Süd-Vietnam, bleiben Blindgänger
von Streubomben immer noch
gefährlich."1
Österreich
hat noch in den Jahren 2000/2001 Streumunition in größerem Umfang
beschafft,
obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich absehbar war, dass ein
Bedrohungsbild, das den
Einsatz dieser Munition erfordern könnte, nicht mehr erkennbar war.
Aus diesem
Grunde stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für
Landesverteidigung die folgende
Anfrage
1.
Welche und wie viel Streumunition befindet sich im Besitz des
österreichischen
Bundesheeres?
2. Wann wurde diese Munition beschafft?
3. Wie hoch waren die Kosten (in €)?
4.
Wie hoch ist der Anteil dieser Kosten an den Gesamtkosten der
Beschaffungsvorgänge
des Bundesheeres im Beschaffungsjahr?
5. Wie hoch ist der heute zu veranschlagende Wert dieser Munition?
6. Welche militärische Begründung wurde für die Beschaffung geltend gemacht?
7. Wer hat die Begründung verfasst?
8.
Wodurch kam das Bundesministerium für Landesverteidigung bereits
im Jahr 2001
anlässlich der Erstellung des Analyseteils zu einer österreichischen
Sicherheitsdoktrin
1 Zitiert aus http://de.wikipedia.org/wiki/Streubombe
zur Auffassung, dass für die nächsten zwanzig
Jahre keine Bedrohung Österreichs
durch traditionelle militärische Angriffe zu gewärtigen sei?
9.
Waren diese Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Streubombenbeschaffung noch
nicht
verfügbar?
10. Wer hat den Beschaffungsvorgang letztendlich vor Abfertigung unterzeichnet?
11.
Falls dies
nicht der Bundesminister für Landesverteidigung gewesen sein sollte:
Welche Freiheiten hatten die Beamten des BM
für Landesverteidigung in Fragen der
Beschaffung?
12.
Welche Menge
der im Besitz des österreichischen Bundesheeres stehenden
Streumunition wird beim Bundesheer oder
beim Entminungs- und
Entschärfungsdienst für Zwecke der Ausbildung - insbesondere
von Entschärfern -
weiterhin benötigt?
13.
Wie hoch sind die Kosten der gefahrlosen Beseitigung (Zerstörung)
des darüber
hinaus gehenden
Streumunitionsbestandes des österreichischen Bundesheeres?
14.
Wie hoch sind die Kosten der Lagerung dieses Bestandes bei
betriebswirtschaftlicher
Berechnung?