847/J XXIII. GP

Eingelangt am 16.05.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Abgeordneten Kai Jan Krainer

und GenossInnen

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

betreffend „Juristischer Dilettantismus im BMWA - Rückzahlung der Beiträge zur

Arbeitslosenversicherung“

Nach einem Spruch des Verwaltungsgerichtshof vom 20. Dezember 2006 (VwGH 2005/08/0057-7) stellt die mit 1.1.2004 wirksame Regelung in § 2 Abs. 8 Arbeitsmarktpoli- tik-Finanzierungsgesetz (AMPFG), wonach der Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei Män- nern erst ab Vollendung des 58. Lebensjahres, bei Frauen hingegen schon ab Vollendung des 56. Lebensjahres aus öffentlichen Mitteln getragen wird, eine EU-rechtswidrige Diskriminie- rung aufgrund des Geschlechts dar. Die Rechtsgrundlage für diese Entscheidung bildet die EU-Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicher- heit (RL 79/7/EWG) und auf deren Basis die ständige Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EG spricht eine eindeutige Sprache:

„Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend:

-          den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,

-         die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,

-          die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für un- terhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.“

Trotzdem wurde im Rahmen des Budgetbegleitgesetz 2003 folgender § 2 Abs.8 AMPFG be- schlossen: „Für Frauen, die das 56. Lebensjahr und für Männer, die das 58. Lebensjahr voll- endet haben, ist der Arbeitslosenversicherungsbeitrag aus Mitteln der Gebarung der Arbeits- marktpolitik zu tragen." Abgesehen davon, dass in dem Begutachtungsverfahren zum diesem Ministerialentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zum Budgetbegleitge- setz 2003 (33/ME, XXII.GP) im April 2003 die vorgesehene Mindestfrist von vier Wochen nicht eingehalten wurde, waren bereits in den Begutachtungs-Stellungnahmen klare Warnun-gen bezüglich Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu vernehmen. So wurde vom Ver- fassungsdienst des Bundeskanzleramtes (3/SN-33/ME, XXII.GP), Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs (8/SN-33/ME, XXII.GP), dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (9/SN-33/ME, XXII.GP) sowie der Wirtschaftskammer Österreich (12/SN-33/ME, XXII.GP) davor gewarnt, dass es sich bei dieser Regelung um Dis- kriminierung aufgrund des Geschlechts handeln könnte. So schreibt beispielsweise die Wirt- schaftskammer Österreich:

„Aus Gleichheitsgründen sollten jedoch die Beiträge für Männer und Frauen ab dem gleichen Alter (56) entfallen.“

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Dr. Martin Bartenstein im BMWA diese Warnungen hochkarätiger Rechtsexperten in den Wind geschlagen hat.

Mit dem Spruch des VwGH vom 20. Dezember 2006 müssen die Gebietskrankenkassen die oben erläuterte Diskriminierung dadurch ausschließen, dass sie die gesetzlichen Bestimmun- gen zugunsten der benachteiligten Gruppe anwenden. Demnach gilt nun auch für Männer, dass ab dem vollendeten 56. Lebensjahr kein Arbeitslosenversicherungsbeitrag mehr vorzu- schreiben ist. Damit aber nicht genug. Die Gebietskrankenkassen sehen sich auch mit Rück- zahlungsforderungen von Seiten jener Dienstnehmer und DienstgeberInnen konfrontiert, die seit dem 1. Jänner 2004 ungebührlich Beiträge entrichtet haben. Der Beitrag zur Arbeitslo- senversicherung beträgt insgesamt sechs Prozent der Lohnsumme wobei er je zur Hälfte mit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geleistet wird. In der Zeitschrift „Format" Nr 18/07 (Seite 78) sowie über das Internetportal der Wirtschaftskammer Österreich (http://portal.wko.at) wurde bzw. wird auf die Rückforderungsmöglichkeit hingewiesen, wodurch anzunehmen ist, dass eine große Zahl von Dienstnehmer und DienstgeberInnen davon gebrauch machen wer- den.

Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit nachstehende


 

Anfrage

1.       Waren die JuristInnen des BMWA, die den Ministerialentwurf 33/ME XXII.GP im Jahr 2003 verfasst haben, angehalten Gesetzesvorlagen aus Ihrem Ministerium auf ihre EU- Rechtskonformität zu prüfen?
Wenn ja, wurde dies auch im Fall des § 2 Abs. 8 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) getan und zu welchem Ergebnissen sind die zuständigen JuristInnen des BMWA zum damaligen Zeitpunkt gekommen?
Wenn nein, warum nicht?

2.                            Warum wurde beim Begutachtungsverfahren zum Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpo- litik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsmarktservicegesetz, das Insolvenz- Entgeltsicherungsgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geän- dert werden (Budgetbegleitgesetz 2003; 33/ME, XXII.GP) die vorgesehene Mindestfrist von vier Wochen nicht eingehalten (siehe Stellungnahme des Amtes der Niederösterrei- chischen Landesregierung; 21/SN-33/ME)?

3.                            Warum wurden im Rahmen des oben genannten Begutachtungsverfahrens die zitierten Stellungnahmen hinsichtlich einer möglichen Geschlechterdiskriminierung von Ihnen nicht ernst genommen bzw. nicht berücksichtigt?

4.                            Welche Konsequenzen werden Sie aus der Erfahrung dieser Fehleinschätzung ziehen?

5.             Im Wochenmagazin „Format“ Nr. 18/07 (Seite 78) wird berichtet, dass für Männer über 56 für das Jahr keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr zu zahlen sind. Ist diese Information korrekt?
Wenn ja, in welchen Bereichen kommt es dadurch zu Einnahmenausfällen und wie hoch wird die Geldsumme dieser Einnahmenausfälle geschätzt?

6.                            Sollte das BMWA mit Einnahmeausfällen rechnen (siehe Frage 5), wie planen Sie diese Mindereinnahmen in den Budgetjahren 2007 und 2008 budgetär zu bedecken?

7.                            Im Wochenmagazin „Format“ Nr. 18/07 (Seite 78) wird berichtet, dass die seit 1.1.2004 ungebührlich entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Männer über 56 zu- rückgefordert werden können. Ist diese Information korrekt?

8.                            Wie groß schätzen Sie bzw. ist die Anzahl an Dienstnehmern und DienstgeberInnen, die seit 1.1.2004 ungebührlich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Sinne des VwGH- Spruchs vom 20. Dezember 2006 (VwGH 2005/08/0057-7) entrichtet haben?

9.                            Wie groß wird die Geldsumme der ungebührlich entrichteten Beiträge zur Arbeitslosen- versicherung von Seiten des BMWA geschätzt bzw. wie groß ist diese Geldsumme?

10.                     Wie groß ist die Geldsumme der bisher eingeforderten Rückzahlungen ungebührlich entrichteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung?

11.                     Wie groß wird die Geldsumme der gesamten Rückzahlungsforderungen ungebührlich entrichteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geschätzt?

12.                     Wie planen Sie diese Rückzahlungssummen ungebührlich entrichteter Beiträge zur Ar- beitslosenversicherung budgetär zu bedecken?