936/J XXIII. GP

Eingelangt am 06.06.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Umsetzung des Bundesbahnstrukturgesetzes

 

 

Durch den Beschluss des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 (BBSG)sollte in erster Linie der stark steigende Finanzierungsbedarf der ÖBB mittelfristig deutlich gesenkt werden. Der damalige Finanzminister und der damalige Verkehrsminister sowie die Gesetzeserläuterungen sprachen von (jährlichen!) „Einsparungen von 1 Mrd Euro“ spätestens 2010 durch die Strukturreform, konkret einer laufenden Reduzierung der jährlichen Neuverschuldung für Infrastrukturinvestitionen von derzeit 1 Mrd Euro auf Null und einem mittelfristig weitgehend eigenfinanzierten Bahnsystem. Dies sollte mittels Effizienzsteigerung durch Entflechtung der Finanzierungsströme und Klärung der Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen sowie auch durch ein neues Dienstrecht und eine Novelle des ÖPNRV-Gesetzes inklusive Maßnahmen im Bereich der sogenannten „Nebenbahnen“ erreicht werden.

 

Nun stellt der vorliegende Rohbericht des Rechungshofes zur „Überprüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie und der ÖBB-Unternehmensgruppe mit dem Schwerpunkt Umsetzung des Bundesbahngesetzes“ neben zahlreichen sachlichen und formalen Missständen sowie Gesetzwidrigkeiten in den verschiedensten Bereichen der Umsetzung des BBSG massive Zielverfehlungen fest. Eine kleine Auswahl:

 

1. Es wurde keine Kostensenkung erreicht, sondern budgetäre Zuschüsse sogar zu Lasten der ÖBB reduziert, Kreditaufnahmen mit Haftungszusagen des Bundes nahmen zu, sodass ohne massive Bezuschussung mittelfristig das Eigenkapital der ÖBB Infrastruktur Bau AG aufgezehrt wird.

 

2. Die Haushaltsbelastung 2005 übersteigt dennoch auf Grund der Zinsen für die Haftungszusage des Bundes für Anleihen der Infrastruktur Bau AG inkl. der Zinsen den Vergleichswert von 2003.

 

3. EU-Recht (keine Verschränkung zwischen Infrastrukturgesellschaften und Absatz) wurde nicht berücksichtigt. Die Zurechnung der Infrastruktur Betrieb AG zum staatlichen Sektor gefährdet künftig die Zurechung der Infrastruktur Bau AG zum Unternehmenssektor.

 

4. Die Personalkosten konnten nicht im geplanten Ausmaß gesenkt werden.

 

5. Der geplante Verkauf des Bahnbaus an die Infrastruktur Bau AG widerspricht dem Ziel der Verantwortungsentflechtung genauso wie die nachträgliche Konzentration von bereits operativen Gesellschaften zugeordneten Aufgabenbereichen in der Dienstleistungs GmbH.

 

6. Durch die von der Holding entwickelte, dem Aktiengesetz widersprechende Steuerung der einzelnen operativen Aktiengesellschaften („Konzernrichtlinien“, „Konzernvorstandsitzungen“ und personelle Verschränkungen) wurden die Entflechtungsbestrebungen und Effizienzsteigerungen konterkariert.

 

7. Die Beförderung von Gütern ging deutlich zurück.

 

Angesichts dieser gravierenden Zielverfehlungen können Sie entweder Vorschläge zur Korrektur des BBSG vorlegen oder die aufgezeigten Mängel in dessen Umsetzung abstellen.

Durch die Neubesetzung von Aufsichtsräten und Vorständen und die angekündigte Auflösung der Dienstleistungs GmbH unternehmen Sie bereits erste Schritte, die eine engere Verflechtung der operativen Aktiengesellschaften und der Holding bewirken. Dies widerspricht aber nach Ansicht des Rechungshofes dem Reformansatz des BBSG, durch mehr Eigenständigkeit der AGs eine effizientere und sparsamere Betriebsführung und mehr Transparenz bei früher und offenbar immer noch intransparenten Finanz- und Organisationsabläufen zu erzielen.

Weiters veranlassen Sie, dass die Mittelfrist- und Langfristplanung der ÖBB-Unternehmensgruppe durch die Vorgabe von landespolitisch motivierten Großinvestitionen in erhöhtem Maße zu einer exorbitanten Neuverschuldung führt, die dem Ansinnen des BBSG völlig widerspricht und zukünftige Bundesbudgets – und damit die österreichischen SteuerzahlerInnen - erheblich belastet.

 

Bisher ist somit nicht erkennbar, dass Sie die Linie Ihrer AmtsvorgängerInnen -Missachtung der Interessen der Fahrgäste und der SteuerzahlerInnen zugunsten einer sachlich-verkehrspolitisch nicht begründbaren Überordnung der Interessen der Bau- und Finanzierungslobby – verlassen. Im Gegenteil drängt sich angesichts mancher Ihrer Personalentscheidungen und sachlichen Festlegungen in der Öffentlichkeit sogar der Eindruck auf, Sie würden einer Vertiefung dieser Fehlentwicklung weiter Vorschub leisten.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Wie lautet die Stellungnahme des BMVIT zum RH-Rohbericht über die Umsetzung des Bundesbahngesetzes?

 

2.      In welcher Form und wann werden Sie das BBSG novellieren?

 

3.      Wenn nicht, warum nicht?

 

4.      Welche Konsequenzen werden Sie aus der Kritik des Rechnungshofes

a) an der Verfehlung des Einsparungsziels,

b) an der steigenden Haushaltsbelastung,

c) an der mangelhaften Berücksichtigung des EG-Rechts

ziehen?

 

5.      Auf welche Weise wollen Sie verhindern, dass letztlich auch die Infrastruktur Bau AG laut Maastricht-Kriterien dem staatlichen Sektor zugerechnet wird, da die Umätze der  Bau AG mit der Betriebs AG die marktinduzierten Umsätze übersteigen?

 

6.      Ist Ihnen bewusst, dass im Fall einer Überprüfung der EG-Rechts-Konformität der Strukturen und Abläufe in der ÖBB-Unternehmensgruppe durch den EuGH der Verweis darauf, dass die (nominelle) aktienrechtliche Unabhängigkeit der Vorstände (zB der Infrastruktur Betrieb AG) die EG-Rechtskonformität „vorerst“ garantiere, angesichts der personellen und aktienrechtlich fragwürdigen „realen“ personellen, richtlinienartigen, ... Verflechtungen mit ihren Diskriminierungspotenzialen für Dritte wohl kaum von Gewicht wären, da der EuGH seine Entscheidungen bekanntlich auf den wirklichen wirtschaftlichen Gehalt und nicht auf die formale Konstruktion abstellt?

 

7.      Soll die Holding künftig der Konzeption des BBSG (kollegial, schlank, strategisch, je ein Vorstand der 4 operativen AGs) entsprechen oder wird sie entgegen dem BBSG als personalintensive (und damit kostspielige), aktienrechtlich bedenkliche Konstruktion (Steuerung „mittels dem österreichischen Aktienrecht sonst fremden Instrumenten“, Zitat RH) weitergeführt?

 

8.      Aus der vom BMVIT eingeholten Rechtsmeinung zu den Konzernrichtlinien, die im RH-Rohbericht zitiert und analysiert wird, geht hervor, dass die personellen Verflechtungen der Aufsichtsräte der einzelnen Gesellschaften mit Holding-Organfunktionären, die Satzungen und Geschäftsordnungen für deren Aufsichtsräte und Vorstände die dezentralen Abläufe wesentlich erschwert anstatt vereinfacht haben.

a) Wie werden Sie dieser Fehlentwicklung entgegenwirken?

b) Verstärken Sie nicht gerade durch Ihre jüngsten Entscheidung über Vorstände und Aufsichtsräte die zentralisierenden Tendenzen, die den fundierten Erkenntnissen des RH zufolge Abläufe erschweren und verteuern?

 

9.      Klare Kostenzuteilungen wurden im System ÖBB alt nicht erreicht. Das BBSG wollte eine Änderung dessen durch interne Verträge zwischen den einzelnen Unternehmen erzielen, was zu 174 Verträgen im Umfang von über 2,3 Milliarden Euro führte. Um den Betrieb aufrecht erhalten zu können, wurden Leistungen ohne schriftliche Vertragsbasis erbracht.

      Wann werden die Verträge vervollständigt und aktualisiert?

 

10.    Was werden Sie unternehmen, damit keine Bau-Entscheidungen mehr auf Basis unzureichender Projektunterlagen erfolgen?

 

11.    Welche qualitativ einwandfreien Bau-Projektunterlagen liegen nun für die Entscheidung für den Bau des Koralmtunnels vor, die 2004/05 fehlten?

 

12.    Können Sie die Aussage des Rechnungshofs „im Zusammenhang mit dem Projekt Koralmtunnel“ bestätigen, wonach „Umfang und Qualität der Entscheidungsgrundlagen zum Zeitpunkt der Eigentümerentscheidung durch den damaligen Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie nicht jenen Erfordernissen entsprachen, wie sie §43 Abs.1 BBSG zwingend vorsah“ (und weiterhin vorsieht), mit anderen Worten also die Eigentümerentscheidung gesetzwidrig erfolgte?

 

13.    Wer trägt Ihrer Ansicht nach die Verantwortung dafür?

 

14.    Falls Sie die in Frage 11 angesprochene Aussage des Rechnungshofs nicht bestätigen können - was können Sie konkret zur Widerlegung dieser Aussage des Rechnungshofs vorbringen?

 

15.    Können Sie bestätigen, dass seitens des BMVIT (und des BMF) sechsjährigen Rahmenplänen für die Schieneninfrastruktur zugestimmt wurde, obwohl Ihnen bzw Ihrem Haus die als Voraussetzung dafür in §43 Abs.2 BBSG zwingend vorgesehenen jährlichen Rationalisierungs- und Einsparungspläne nicht vorlagen?

 

16.     Wer trägt Ihrer Ansicht nach die Verantwortung a) für die Nichtvorlage, b) für die dennoch (und damit gesetzwidrig) erfolgten Entscheidungen?

 

17.    Wurde im Zusammenhang mit dem Rahmenplan 2007-2012 ein nach §43 Abs.2 BBSG zwingend vorgesehener jährlicher Rationalisierungs- und Einsparungsplan unterbreitet, wurde dieser auch zur Kenntnis genommen und was sieht dieser insgesamt sowie im Rahmen der gesetzlich verpflichtenden halbjährlichen Vorschaurechnung konkret vor?

 

18.    Zu welchem Zeitpunkt wurden konkret die auf §45 BBSG bezogenen, jeweils sechs Wochen nach Ablauf des Kalenderhalbjahrs fälligen halbjährlichen „Berichte mit besonderer Berücksichtigung der Rahmenplan-Erfüllung in zeitlicher und kostenmäßiger Sicht“ seitens der ÖBB Infrastruktur Bau AG seit Inkrafttreten des BBSG jeweils vorgelegt? (Bitte um Angabe des exakten Datums zu jeder erfolgten Vorlage.)

 

19.    Auf welche Weise werden Sie der Empfehlung des Rechungshofes nachkommen, Prioritäten nach einer sachlichen (!) Gewichtung von Bauprojekten vorzunehmen?

 

20.    Was haben Sie bzw. Ihr Ressort in dieser Hinsicht in Bezug auf ÖBB-Projekte seit dem Zeitraum der dem Rohbericht zugrundeliegenden RH-Prüfung (Juni bis September 2006) konkret bereits unternommen, zB bei der Vorbereitung der jüngsten Reihung von Infrastrukturprojekten?

 

21.    Was werden Sie unternehmen, damit die SCHIG – wie gesetzlich vorgesehen - umfassende und qualitativ gute Projektunterlagen zeitgerecht erhält, sodass sie ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen kann?

 

22.    In welcher Form und wodurch werden Sie dafür sorgen, dass die Zahl der Langsamfahrstellen bis 2011 deutlich reduziert und nicht erhöht wird?

 

23.    Auf welche Weise wollen Sie verhindern, dass IBE in größerem Umfang bezahlt als eingenommen wird?

 

24.    Welche Konsequenzen a) haben Sie bereits, b) werden Sie bis wann im einzelnen setzen, um Wiederholungen der vom Rechnungshof heftig kritisierten Interessensverquickungen des ehemaligen Aufsichtsratsmitglieds und gleichzeitigen Beratungs-Auftragnehmers Fredmund M. verlässlich und lückenlos vorzubeugen?

 

25.    Wodurch ist in Zukunft sichergestellt, dass sich die Infrastruktur Bau AG an den Erfordernissen des Personenverkehrs und den hier bereits von Ihnen und den ÖBB-Spitzen wiederholt angekündigten übergeordneten Zielen (Taktfahrplan, Barrierefreiheit) orientiert?

 

26.    Was werden Sie bis wann konkret unternehmen, damit die Rail Cargo Austria nicht weiterhin – wie im RH-Rohbericht klar herausgearbeitet und kritisiert - durch Konzernaktivitäten, -richtlinien, marktferne Kostentragungsregelungen etc. wirtschaftlich eingeschränkt wird?

 

27.    Wie werden Sie sicherstellen, dass die in der Speditionsholding Gmbh zusammengefassten selbständigen Auslandstöchter der RCA künftig von Ein- und Durchgriffsversuchen seitens der ÖBB Holding und der DLG verschont bleiben?

 

28.    Was

a) haben Sie bereits wann im einzelnen unternommen,

b) werden Sie wann im einzelnen unternehmen,

um die im Rohbericht an Sie bzw. Ihr Ressort gerichtete Empfehlung des Rechnungshofs, „zukünftig (...) auch die zulässige – möglichst sinkende – Neuverschuldung der ÖBB Infrastruktur Bau festzulegen“, umzusetzen?