1033/J XXIII. GP

Eingelangt am 20.06.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend fragwürdige Vorgänge und damit verbunden Verschwendung von Steuergeldern im Zuge der mangelhaften und daher mehrfachen Erstellung eisenbahnrechtlicher Bescheide im BMVIT

 

 

 

Kürzlich kam es – im Zusammenhang mit dem Großprojekt Lainzer Tunnel – erneut zur höchstgerichtlichen Aufhebung eines wichtigen, aus dem BMVIT stammenden eisenbahnrechtlichen Bescheids.
 
Das Presse-Echo über die immer wieder schwächelnden Bescheide des BMVIT war diesmal vernichtend. So war von einem „Pfusch-Bescheid“ zu lesen, von „schlampig agierenden Beamten des Ministeriums“ und von einer „Blamage für das Ministerium und die beteiligten Beamten“.
 
Diesem Ereignis folgte allerdings ein weiteres, das im früher mühsam mit Geschichten über das Ungeheuer von Loch Ness u.dgl. gefüllten Sommerloch noch für Beschäftigung bei den Medien sorgen dürfte: Während in den Pressereaktionen des Verkehrsministeriums vom 1. Juni 2007 (Freitag) von einer Sprecherin des Verkehrsministers noch mitgeteilt wurde, dass die Situation nun analysiert werden müsse, wurde bereits unmittelbar nach dem Wochenende ein neuerlicher Bescheid „nachgeschossen“ und die ÖBB Infrastruktur Bau AG baut jetzt „freiwillig“ alles ein bisschen besser und teurer.
 
Der Lainzer Tunnel ist eines der größten Bahnprojekte Österreichs, darüber hinaus ist der Zentralbahnhof Wien ohne die Anbindung dieser Eisenbahnachse nicht in der geplanten Form realisierbar. Es ist daher schwer nachvollziehbar, weshalb im eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren für ein so wichtiges Projekt wiederholt Pannen passieren und die (laut Presse) „Pfusch-Bescheide“ nicht nur einmal vom Höchstgericht wegen Mängeln aufgehoben werden müssen.
 
Ebenso ist schwer nachvollziehbar, weshalb die ÖBB Infrastruktur Bau AG jetzt auf einmal Sicherheitsmaßnahmen vornehmen kann – die „ohnehin kaum etwas kosten“ –, während sie diese während des Genehmigungsverfahrens nachhaltig verweigert hat.
 
 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 
1.      Die Presseberichte über die neuerliche Aufhebung des Genehmigungsbescheides für den Lainzer Tunnel bzw. eines wesentlichen Abschnitts waren vernichtend - „Pfusch-Bescheid“, „schlampig agierende Beamte des Ministeriums“,„Blamage für das Ministerium und die beteiligten Beamten“.
 
Haben Sie gegen diese Pressemitteilungen rechtliche oder andere Schritte unternommen oder teilen Sie diese Einschätzungen der Presse über die Arbeit Ihres Ressorts?
 
2.      Genehmigungsbescheide über den Lainzer Tunnel werden nicht zum ersten Mal vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. 
 
Wie konnte es passieren, dass gerade im Genehmigungsverfahren für ein so wichtiges Bahnprojekt von so hohem öffentlichen und auch politischen Interesse wie den Lainzer Tunnel dennoch wiederholt Pannen passieren und dann immer wieder Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben werden müssen?
 
3.      Die Mängel in den Bescheiden des Verkehrsministeriums für den Lainzer Tunnel sind vielfältig. So wurden bereits vor einigen Jahren Bescheide wegen mangelhaft geprüfter Umweltverträglichkeit aufgehoben, jetzt wiederum wurden Sicherheitsmängel beanstandet. In wesentlichen Prüfungsthemen eines Großprojektes (Umwelt, Sicherheit) passierten also Fehlentscheidungen bzw. wurde von der Behörde offenbar „drübergefahren“, womit sich die Betroffenen dann eben auf dem Gerichtsweg und letztlich beim Verwaltungsgerichtshof zur Wehr setzen müssen, mit den entsprechenden Kostenfolgen für die Allgemeinheit.
 
Wie kann es passieren, dass derart wichtige Grundsatzfragen wie Umweltverträglichkeit und Sicherheit in den Verfahren und Bescheiden offenbar nicht professionell behandelt werden und dann immer wieder Bescheide vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben werden?
 
4.      Die Eisenbahngesetznovelle 2006 und die damit verbundene Auslagerung von weiteren Behördenaufgaben aus dem Verkehrsministerium an Dritte (externe Gutachten, externe Prüfbefunde) wurde im Verkehrsausschuss des Parlaments unter anderem damit begründet, dass die Ressourcen der Eisenbahnbehörde dann auf die eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren der wichtigen Großbauvorhaben konzentriert werden können.
 
a) Wie erklären Sie die Tatsache, dass trotz des – nun wohl möglichen - konzentrierten Einsatzes der Ressort-Ressourcen für eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren wiederholt Bescheide mangelhaft waren?
b) Ist Ihnen bewusst, dass durch die wiederholte Bearbeitung derselben Bescheide im Verkehrsressort (und bei den Gerichten) Zeit und Geld verpulvert werden, wo doch gerade bei wichtigen, von der Öffentlichkeit aufmerksam mitverfolgten und letztlich auch von der Allgemeinheit finanzierten Großprojekten effiziente und sparsame Abwicklung selbstverständlich sein sollte?
 
5.      Das Verkehrsministerium hat im Eisenbahnbereich in den letzten Jahren die Mehrzahl der Kompetenzen an die Länder und an die Bezirkshauptmannschaften abgewälzt. Bei gleich bleibendem Personalstand sind beim Verkehrsministerium jetzt nur mehr die eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Hochleistungsstrecken verblieben. Das bedeutet, dass für einzelne Genehmigungsverfahren jetzt wesentlich mehr Personalressourcen zur Verfügung stehen müssen als noch vor einigen Jahren.
 
a) Wie ist es möglich, dass trotz dieser faktischen personellen Aufstockung im Bereich der eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren (gleich viel Personal bei wesentlich weniger Verfahren) trotzdem keine haltbaren Bescheide verfasst werden können?
b)Was haben Sie unternommen oder angeordnet, um hier Abhilfe zu schaffen?
c) Was werden Sie hier unternehmen oder anordnen, um hier Abhilfe zu schaffen?
 
6.      Als Verkehrsminister sind Sie gegenüber der Öffentlichkeit für die Sicherstellung ordentlicher Genehmigungsverfahren bei der Eisenbahnbehörde in Ihrem Verkehrsministerium politisch verantwortlich.
 
a) Welche organisatorischen und personellen Maßnahmen haben Sie getroffen, damit diese Pannenserie mit (laut Presse) „Pfusch-Bescheiden“ endlich beendet wird?
b) Welche Anordnungen haben Sie getroffen?
c) Welche Konsequenzen haben Sie gezogen?
 
7.      Die Aufhebung von Genehmigungsbescheiden durch den Verwaltungsgerichtshof hat sich beim Lainzer Tunnel leider zur Gewohnheit entwickelt. Scheinbar wird bei diesem Projekt mehr als bei anderen Projekten übersehen und werden dort die meisten Fehler gemacht.
 
Trifft es zu, dass Sie den langjährig für dieses Projekt zuständigen Referenten im Verkehrsministerium, dessen Genehmigungsbescheide seit Jahren immer wieder durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurden, jetzt dennoch zum Leiter der gesamten Verfahrensabteilung der Eisenbahngruppe im BMVIT befördert haben? Wie erklären Sie diese Personalentscheidung?
 
8.      Wenige Stunden nach der Aufhebung des Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hat das Verkehrsministerium schon einen neuen Bescheid nachgeschossen und die ÖBB Infrastruktur Bau AG baut jetzt „freiwillig“ alles ein bisschen besser und teurer.
 
a) Wie kann innerhalb weniger Stunden ein komplexer Genehmigungsbescheid über ein Großprojekt neu aufgerollt und neu entschieden werden?
b) Weshalb hat die ÖBB Infrastruktur Bau AG die jetzt „freiwillig“ zugesagten zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen nicht gleich von vorneherein mitgeplant und damit einen riskanten Rechtsstreit vermieden, wenn diese Maßnahmen ohnehin angeblich fast nichts kosten?
c) Welche Maßnahmen haben Sie getroffen und was haben Sie angeordnet, um diese schwer nachvollziehbaren Vorgänge aufzuklären?
 
9.      Sofern rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden, sind für die eisenbahnrechtliche Genehmigung eines Großprojektes doch einige Minimalerfordernisse einzuhalten. So muss ein geändertes Projekt der ÖBB Infrastruktur Bau AG durch entsprechende Projektsunterlagen dargestellt werden, die geänderten Projektsunterlagen müssen von Sachverständigen geprüft werden, die betroffenen AnrainerInnen und sonstigen Parteien und Beteiligten sind zu befassen, Rechtsfragen sind zu lösen usw. Während andere wichtige Aufgaben der Eisenbahnbehörde oft viele Jahre lang nicht oder nicht in brauchbarer Form erledigt werden – beispielsweise die Adaptierung der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung oder manches Zulassungsverfahren – kann ein derart umfangreicher Bescheid samt vorangehender Umplanung offenbar innerhalb eines Wochenendes erledigt werden. Das ist schwer nachvollziehbar.
 
a) Hat die ÖBB Infrastruktur Bau AG die nunmehr „freiwillig“ vorgenommenen Änderungen in brauchbarer Form durch Unterlagen belegt?
b) Durch welche Sachverständige wurde das geänderte Projekt geprüft und wie lautet das Ergebnis der Prüfung der Sachverständigen im einzelnen?
c) In welcher Weise wurden die betroffenen Parteien in das geänderte Projekt eingebunden?
 
10.    Die ÖBB Infrastruktur Bau AG muss auf Grund des neuen eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides, der praktisch über Nacht von der Eisenbahnbehörde nachgereicht werden konnte, sehr erleichtert gewesen sein. Es sollte allerdings im Sinne des geltenden Rechts auf europäischer und innerstaatlicher Ebene jeder Eindruck vermieden werden, dass die ÖBB Infrastruktur Bau AG im Vergleich zu anderen Unternehmen von der Eisenbahnbehörde in irgendeiner Form bevorzugt behandelt wird.
 
a) Trifft es zu, dass ein Sohn eines federführend involvierten BMVIT-Mitarbeiters erst vor einigen Jahren – etwa zum Zeitpunkt der ersten Aufhebung des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof – einen gut dotierten Posten bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG als Techniker angetreten hat?
b) Trifft es zu, dass der zweite Sohn desselben federführend involvierten BMVIT-Mitarbeiters erst vor kurzem – etwa zum Zeitpunkt der nunmehrigen Aufhebung des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof – ebenfalls einen gut dotierten Posten bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG angetreten hat?
c) Trifft es zu, dass bei der ÖBB Infrastruktur Bau AG in den letzten Jahren sehr selten zusätzliches Personal aufgenommen wurde und die beiden Herren daher als richtige Glückspilze bezeichnet werden können?
d) Können Sie ausschließen, dass für das antragstellende Unternehmen kostensparende – wenn auch, wie nun erwiesen, nicht rechtskonforme – eisenbahnrechtliche Genehmigungen in der Vergangenheit mit der erwähnten zeitnah erfolgreichen Jobsuche in einem auch nur irgendwie geartetem Zusammenhang steht?
e) Können Sie ausschließen, dass die nunmehrige unverzügliche Sanierung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung über ein Wochenende hinweg mit der erwähnten zeitnah erfolgreichen Jobsuche in einem auch nur irgendwie geartetem Zusammenhang steht?
f)Wie beurteilen Sie die Optik, dass Familienmitglieder Ihres federführend involvierten Ressort-Mitarbeiters gerade bei jenem Eisenbahnunternehmen unterkommen, für das dieser Mitarbeiter übers Wochenende umfangreiche Genehmigungsbescheide erstellt?