1218/J XXIII. GP
Eingelangt am 06.07.2007
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ANFRAGE
der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Akteneinsicht im Fall Aribert Heim
Aribert Heim ist ein bekannter, sich noch auf freiem Fuß befindlicher mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher.
Geboren in Radkersburg im Jahr 1914, studierte er in Wien Medizin, promovierte und meldete sich im Jahr 1940 freiwillig zur Waffen-SS. Im Oktober 1941 wurde Heim ins Konzentrationslager Mauthausen versetzt, wo er medizinische Versuche an Menschen unternahm. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, gezielt Häftlinge durch intrakardiale Giftinjektionen getötet zu haben, lebenden Personen Organe ohne Anästhesie entnommen und Kranke während der Narkose verstümmelt zu haben, sodass sie nach dem Erwachen an den Folgen verstarben.
Heim wurde im März 1945 von der amerikanischen Armee festgenommen und war dann im Kriegsgefangenenlager Ludwigsburg interniert, von wo er 1949 entlassen wurde. Erst im Jahr 1962 wurde Anklage gegen den mutmaßlichen Mörder erhoben; seit dieser Zeit ist Heim untergetaucht. Die Behörden vermuten, dass er jahrzehntelang an der spanischen Mittelmeerküste gelebt und sich Ende 2005 nach Südamerika abgesetzt hat.
Seit 2002 versucht das Simon Wiesenthal Center in Jerusalem im Rahmen der „Operation: Last Chance“, die letzten noch am Leben befindlichen Nazi-Kriegsverbrecher aufzuspüren und anzuklagen. Einer der prominentesten Fälle ist nun ebenjener Aribert Heim, gegen den am Landesgericht Linz ein Verfahren mit der Aktenzahl GZ 27 NS 5/05s (bzw. HB Landesgericht Linz zur Zahl 39 Ur 17/05 b) läuft.
Im Jahr 2005 ersuchte Ephraim Zuroff, der Leiter des Simon Wiesenthal Center, für die „Operation: Last Chance“ um Aktenzugang, der ihm anfangs zwar fernmündlich erteilt, schließlich aber doch verweigert wurde. Und heuer versuchte die renommierte Wiener Filmfirma epofilm, die im Moment den Dokumentarfilm „Gesucht: Dr. Aribert Heim“ dreht, Einsicht nicht in den laufenden Verfahrensakt, sondern in den historischen Gerichtsakt aus dem Jahr 1949, was wiederum ohne nähere Angabe von Gründen nicht gestattet wurde.
Mit diesem Vorgehen wurde zum einen die strafrechtliche Verfolgung eines mutmaßlichen NS-Verbrechers massiv behindert, zum anderen wurde hier auch die wissenschaftliche Forschung nicht unbedingt erleichtert, zumal zu befürchten ist, dass hier eine Präzedenzfall geschaffen wurde, womit in Hinkunft ähnlich gelagerte Anfragen an andere Landes- und Oberlandesgerichte ebenso abgelehnt werden könnten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die Tätigkeiten des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem und der „Operation: Last Chance“?
2. Sind Sie grundsätzlich dazu bereit, die Aktivitäten der „Operation: Last Chance“ zu unterstützen, um möglicherweise noch lebende NS-Kriegsverbrecher endlich anklagen zu können?
3. Falls nein: Warum nicht?
4. Falls ja: Wie sieht diese Unterstützung aus?
5. In wie vielen Fällen fand seit 2002 eine Zusammenarbeit mit dem Simon Wiesenthal Center, auf informellem Weg oder auch im Wege der Amtshilfe, statt?
6. Warum wurde dem Simon Wiesenthal Center die Einsicht in den Akt Aribert Heim letztlich doch verweigert, obwohl es ursprünglich eine Zusage gegeben hatte?
7. Warum wurde der Firma epofilm im Jahr 2006 die Akteneinsichtnahme verweigert, die ja gar nicht den laufenden Verfahrensakt, sondern den historischen Gerichtsakt aus dem Jahr 1949 einsehen wollte?
8. In wessen Kompetenz liegt die Entscheidung über die Erlaubnis zur Akteneinsicht am Landesgericht Linz?
9. Können Sie nachvollziehen, dass bei einem solchen Vorgehen der Verdacht entstehen kann, hier werde Aufklärung und Forschung aktiv behindert?
10. Welche in- und ausländischen Behörden sind außer dem Landesgericht Linz und dem Bundeskriminalamt noch an der Fahndung nach Aribert Heim beteiligt?
11. Sollte das Simon Wiesenthal Center erneut einen Antrag auf Akteneinsicht stellen, welche Entscheidung würden Sie diesmal treffen respektive dem/der Zuständigen nahelegen?
12. Sollte die Firma epofilm erneut einen Antrag auf Akteneinsicht – und in diesem Fall ginge es wiederum nur um die historischen Akten – stellen, welche Entscheidung würden Sie diesmal treffen respektive dem/der Zuständigen nahelegen?
13. Welche Fahndungsfortschritte haben die österreichischen Verfolgungsbehörden im Fall Aribert Heim seit 2002 vorzuweisen?
14. Existieren im Augenblick konkrete Hinweise auf den mutmaßlichen Aufenthaltsort von Aribert Heim?