1351/J XXIII. GP

Eingelangt am 10.07.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Am 30.09.2015 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Kai Jan Krainer und GenossInnen

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Entschließungsantrag der SPÖ vom 02.07.2007, eingebracht im Zuge der Debatte im Untersuchungsausschuss betreffend „Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister“

 

 

In der ersten Sitzung der XXIII. Gesetzgebungsperiode, am 30.10.2006, wurde die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend „Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe Adria und weitere Finanzdienstleister“ beschlossen. ÖVP und BZÖ stimmten gegen diesen Antrag. Von Mitte Dezember 2006 bis Anfang Juli 2007 fanden insgesamt rund 40 Sitzungen statt. In über 390 Stunden konnten wichtige Erkenntnisse zu den insgesamt 18 Untersuchungsgegenständen gewonnen werden. Leider war das Verfassen eines gemeinsamen Berichtes aufgrund der zeitlichen Einschränkungen nicht mehr möglich, eine mündliche Berichterstattung erfolgte durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses FMA, Dr. Martin Graf, im Zuge der Plenardebatte am 6. Juli 2007.

 

In diesem Sinne hat die sozialdemokratische Fraktion ihre Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss FMA und ihre Schlussfolgerungen für eine künftige Reform der Finanzmarktaufsicht in Form eines Entschließungsantrags am 2. Juli 2007 in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses FMA eingebracht. Da die Sitzung vertagt wurde, bestand keine Möglichkeit mehr, über die einzelnen Punkte zu diskutieren beziehungsweise den Antrag abzustimmen. Der Bundesminister für Finanzen hat in der Plenardebatte am 6. Juli 2007 nur allgemein zum Untersuchungsausschuss FMA Stellung genommen.

 

Darüber hinaus sind in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand AMIS noch Fragen hinsichtlich der Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich offengeblieben, die einer Klärung bedürfen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

 

Anfrage:

 

1.    In welchen Punkten und mit welcher Begründung sehen Sie und ihr Ressort im beiliegenden Entschließungsantrag (siehe Anlage) notwendige Ansatzpunkte für Reformen?

 

2.    In welchen Punkten und mit welcher Begründung vertreten Sie bezüglich der Ausführungen des Entschließungsantrages (siehe Anlage) einen anderen Standpunkt und sehen daher keinen Handlungsbedarf?

 

3.    Laut Medienberichten (zuletzt APA vom 13.Mai 2007)haben die AMIS-Geschädigten eine Amtshaftungsklage in der Höhe von 60 Mio Euro gegen die Republik eingebracht. Sind Ihnen bzw. dem Bundesministerium für Finanzen mögliche Kosten im Falle einer Amtshaftung bzw. im Entschädigungsfall in der Causa AMIS bekannt?

 

4.    Wenn ja, bis zu welchem Maximalbetrag könnten Ihren Informationen zufolge derartige Kosten entstehen?

 

5.    Besteht aus Ihrer Sicht eine Möglichkeit diese allfälligen Kosten zu vermeiden bzw. zu verringern? Wenn ja, welche?

Anlage: Entschließungsantrag der Abgeordneten Krainer und GenossInnen, eingebracht im Zuge der Debatte im Untersuchungsausschuss „Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-Adria und weitere Finanzdienstleister“.

 

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Krainer, Genossinnen und Genossen

Eingebracht im Zuge der Debatte im Untersuchungsausschuss Finanz-marktaufsicht

 

 

Aus den Ergebnissen der Befragungen der Auskunftspersonen und der vorgelegten Akten hat sich ergeben, dass die Finanzmarktaufsicht im Interesse des österreichi-schen Kapitalmarktes und der SparerInnen und Sparer im Sinne der folgenden Emp-fehlungen neu gestaltet werden muss:


INHALTSVERZEICHNIS

 

1      Executive Summary. - 5 -

1.1       Die Reform der Aufsicht tut Not - 5 -

1.1.1       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand BAWAG.. - 5 -

1.1.2       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand AMIS.. - 6 -

1.1.3       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Hypo-Alpe-Adria. - 7 -

1.1.4       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Entsendepraxis Staatskommissarinnen und Staatskommissare. - 7 -

1.2       Weiterführende Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses. - 11 -

1.2.1       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand MobilTel - 11 -

1.2.2       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand MobTel - 12 -

1.2.3       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Casino Jericho. - 12 -

1.2.4       Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Geldwäsche/Ostgeschäfte  - 13 -

2      Systemanalyse Finanzmarktaufsicht in Österreich. - 14 -

2.1       Volkswirtschaftliche Bedeutung des Finanzsektors. - 14 -

2.2       Entwicklung der Finanzmarktaufsicht - rechtliche Grundlagen, Institutionen und Aufgaben  - 16 -

2.2.1       Vor 1997. - 16 -

2.2.2       2002 bis heute. - 17 -

2.2.3       Schnittstellen und Koordinationsnotwendigkeiten in der Finanzmarktaufsicht - 19 -

2.3       Internationale Trends und das niederländische Modell der Finanzmarktaufsicht - 20 -

2.4       Bewertung der österreichischen Finanzmarktaufsicht durch den Rechnungshof - 21 -

2.5       Zusammenfassung: - 24 -

3      Die Causa BAWAG.. - 25 -

3.1       Die Bank. - 25 -

3.2       Die Karibikgeschäfte I (1987 bis 1994) - 26 -

3.3       Der Fall ATOMIC.. - 27 -

3.4       Die Karibikgeschäfte II (1995 bis 2000) - 28 -

3.4.1       Die erste Phase von 1995 bis Oktober 1998. - 28 -

3.4.2       Die Verluste im Oktober 1998. - 30 -

3.4.3       Gemäldeverwertung und Bilanzierung. - 30 -

3.4.4       Vranitzky. - 31 -

3.4.5       Die Fortsetzung (1998 bis Ende 2000) - 32 -

3.4.6       Der Elsner-Flöttl-Deal nach den Totalverlusten Ende 2000. - 32 -

3.5       Exkurs: Das sogenannte Meinl-Papier - 34 -

3.6       Bilanzierungsprobleme und ÖGB-Garantie. - 35 -

3.7       Verlustverschleierung nach 2000. - 36 -

3.8       OeNB-Prüfbericht 2001. - 36 -

3.9       Spaltungs- und Verschmelzungsvorgang BAWAG P.S.K. - 38 -

3.10    REFCO-Blitzkredit - 39 -

3.11    Die „neue“ Bank. - 39 -

3.12    Haftung der Republik Österreich. - 40 -

3.13    OeNB-Zwischenbericht 2006. - 41 -

3.14    Fragebogen RH-UA BAWAG.. - 43 -

3.15    Großkreditevidenz (GKE)-Abfrage zum SPÖ-Obligo. - 44 -

3.16    Datenschutzanforderungen in der FMA.. - 45 -

3.17    Indiskretionen der FMA.. - 47 -

4      AMIS.. - 49 -

4.1       Einleitung. - 49 -

4.2       Das Vorgehen der BWA und der FMA.. - 49 -

4.2.1       Die Konzessionserteilung an PLB AG/AMIS AG.. - 49 -

4.2.2       BWA-Prüfbericht vom 25.08.1999. - 51 -

4.2.3       BWA-Prüfbericht vom 17.08.2000. - 51 -

4.2.4       FMA-Prüfbericht vom 06.06.2002. - 52 -

4.2.5       Übergang der Konzession an AFC AG.. - 53 -

4.2.6       Fondssuspendierung durch die CSSF im März 2004. - 54 -

4.3       Die Anlegerentschädigung im Fall AMIS.. - 56 -

5      Hypo-Alpe-Adria Bank (HAAB) - 59 -

5.1       Sachverhalt - 59 -

5.2       Chronologie - Ursache und Ereignisse betreffend Testatrückzug bzw. „Swap“-Verluste  - 60 -

5.3       Bewertung der beschriebenen Hypo Geschäfte durch die OENB.. - 63 -

5.4       Bewertung der Prüfvorgänge. - 64 -

5.5       Verfahrensrechtliche Verletzungen der FMA: - 66 -

5.6       Eingriff der FMA in die Bilanzierung 2004: - 68 -

5.7       Verweigerung bzw. Verzögerung der FMA betreffend Akteneinsicht für die Vertreter der HAAB   - 69 -

5.8       Einstellung des Verfahrens gegen die Vorstände der HAAB.. - 70 -

6      MobilTel - 71 -

6.1       Erstverkauf 2002. - 71 -

6.2       Zwischenschritt im Sommer 2004. - 73 -

6.3       Zwischenresümee: Die BAWAG im MobilTel-Deal - 75 -

6.4       Die Telekom Austria übernimmt bulgarischen MobilTel - 76 -

6.5       Interventionsversuche für Chernoy. - 78 -

6.6       Mobtel - 80 -

6.7       Vizekanzler Gorbach als „Türöffner“ - 82 -

7      Casino-Projekte. - 84 -

7.1       Casino-„Oasis“ in Jericho. - 84 -

7.2       Zahlungen an Sharon. - 85 -

7.3       Intervention der Außenministerin. - 86 -

8      Geldwäscherei - 87 -

8.1       Erläuterungen zu Geldwäscherei - 87 -

8.2       Methoden zur Bekämpfung von Geldwäscherei - 87 -

8.3       Systemschwächen. - 88 -

9      Rechtshilfeansuchen Liechtenstein. - 91 -

10        StaatskommissärInnen. - 92 -

 


1      Executive Summary

1.1    Die Reform der Aufsicht tut Not

[1] Seit Ende der 90er Jahre wurde auf breiter politischer Ebene über eine Reform der Finanzmarktaufsicht in Österreich diskutiert. Während die SPÖ schon im Jahr 1999 für eine Allfinanzlösung in der OeNB argumentierte und das Finanzministerium 1999 einen Reform-Gesetzesentwurf vorlegte, der eine Allfinanzaufsicht als OeNB-Tochter vorsah, wurde von Seiten der Blau/Schwarz-Regierungskoalition seit 2000 ein Projekt der losgelösten Behörde betrieben und 2002 auch umgesetzt. Seit da-mals gibt es in Österreich ein System, das im Wesentlichen eine neu geschaffene Behörde (FMA) und eine historisch gewachsene Aufsichtsstruktur in der OeNB vor-sieht. Dieses System hat in den letzten Jahren deutliche strukturelle Mängel ausge-wiesen, wurde aber auch von einer politischen Dimension überschattet: Die FMA hat nicht, wie in den letzten 5 Jahren zu erwarten gewesen wäre, an ihrer Kompetenz und Reputation gearbeitet, sondern sich als Handlanger einer bestimmten Koalitions-regierung erwiesen bzw. war Teil des Netzwerkes des damaligen Finanzministers Grasser.

 

[2] Der Aufbau einer neuen Behörde muss fünf Jahre nach dem Start als misslungen bezeichnet werden: Es gibt nicht zuletzt laut Rechnungshofbericht gravierende Mä-ngel in zentralen Bereichen wie der internen Revision und der MitarbeiterInnenqualifi-kation, der hohen Fluktuation der MitarbeiterInnen, eine unzureichende Prüfungstä-tigkeit bei den Vor-Ort-Prüfungen aber auch bei den Follow-Up-Prüfungen, sowie keine Anzeichen der vom Gesetzgeber 2002 gewünschten Effizienzsteigerung und der Umsetzung des Allfinanzgedankens. Diese Kritik wird durch die Ergebnissen der Befragungen im Untersuchungsausschuss Banken bestätigt. Diese Befragungen ha-ben folgende gravierende Unzulänglichkeiten der FMA zu Tage gefördert:

 

1.1.1     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand BAWAG

 

1.1.2     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand AMIS

 

1.1.3     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Hypo-Alpe-Adria

·  [10] Im Jahr 2006 hat die OeNB, nach dem Rückzug des Testats am 30 März 2006 für die Bilanz 2004 durch die Wirtschaftsprüfer, einen kritischen Prüfbe-richt zu den sog. Swap-Geschäften der Hypo-Alpe-Adria-Bankengruppe vor-gelegt. Die FMA hat bis jetzt keine behördlichen Maßnahmen gesetzt, es fand auch noch keine Schlussbesprechung statt. Zudem steht der Verdacht im Raum, dass die FMA einen Aktenvermerk, der von einer FMA-Mitarbeiterin am 26.04.2006 angelegt und unterzeichnet wurde, nachträglich abgeändert hat.

·  [11] Die FMA behinderte die Rechtsanwälte der HAAB bei der Akteneinsicht in die Unterlagen der FMA.  Zudem hat die FMA noch vor Abschluss des Ver-fahrens und noch vor Beendigung der Vorortprüfung durch die OeNB in einem informellen Gespräch gegenüber Dr. Ederer die Abberufung des Vorstandes gefordert, was einer Vorverurteilung entspricht und aus verfahrensrechtlicher Sicht unvertretbar ist.

· [12] Das Aufsichtsratspräsidium hätte nach Informationen durch den Vorstand über die Verluste unmittelbar den Aufsichtsrat informieren müssen, da der Vorstand den Verpflichtungen des § 81 AktG nicht nachgekommen ist.

· [13] Die FMA griff in die vom Vorstand der HAAB gemeinsam mit den Wirt-schaftsprüfern erarbeitete Bilanzierungsvariante für das Bilanzjahr 2004 ein.

 

1.1.4     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Entsendepraxis Staats-kommissarinnen und Staatskommissare

 

[16] Diese offensichtlichen Unzulänglichkeiten sind nicht alleine auf persönliches Ver-sagen der FMA-Führung zurückzuführen. Es hat sich auch gezeigt, dass die Behörde selbst massive strukturelle Defizite aufweist. Daher sind sofortige entschiedene und klare Schritte zu einer Reform notwendig; kosmetische Reparaturen alleine reichen nicht, um das Funktionieren der österreichischen Finanzmarktaufsicht sicherzustellen und die Reputation des österreichischen Finanzplatzes wieder herzustellen.

 

[17] Eine entschiedene und klare Reform der österreichischen Finanzmarkaufsicht muss  folgende Prinzipien berücksichtigen: Es soll ein System sein, das international kommunizierbar ist; die Institution sollte über eine anerkannte Reputation verfügen und langjährige Erfahrung in der Prüftätigkeit haben; sie sollte weiters der Größe des Landes angemessen sein und auch der österreichischen Besonderheit der speziellen Lead-Funktion des österreichischen Bankensektors in den Mittel- und osteuropäi-schen Ländern gerecht werden; weiters müssen die von unabhängigen Institutionen wie dem Rechnungshof identifizierten Schnittstellenprobleme und Organisations-mängel beseitigt werden; die Unabhängigkeit der Behörde muss gegen politische Einflussnahme sichergestellt werden, anderseits muss eine klare Rechenschafts-pflicht gegenüber den demokratischen Institutionen gewährleistet sein.

 

[18] Auf Basis dieser Prinzipien und der zusammenfassenden Würdigung der Ergeb-nisse des Untersuchungsausschusses gibt es 2 Möglichkeiten, wie die Finanz-marktaufsicht in Österreich gestaltet sein kann:

1.    Gesamte Aufsicht in die OeNB: Auf personeller Ebene ist die Nationalbank deutlich qualifizierter als die Finanzmarktaufsicht (sie weist u.a. auch eine gerin-gere Personal-Fluktuation auf) und genießt internationale Reputation. Der Aufbau entsprechender Personalressourcen in der FMA würde noch lange dauern, ist je-denfalls nicht nur eine Frage von Managementunzulänglichkeiten des Vorstandes und wäre angesichts vorhandener, qualifizierter OeNB-Ressourcen ineffizient. In der OeNB finden sich gewachsene stabile Strukturen, d.h., eine Integration der neuen Aufgaben ist organisatorisch gut möglich. Durch die Kombination von mik-ro- und makroprudentieller Aufsicht in einer Institution kommt es zu max. Syner-gieeffekten und auch zur bestmöglichen Vorkehrung für den Krisenfall. Offen ist die Frage, ob die OeNB diese Funktion an eine Tochter auslagert oder in der In-stitution lässt. Auch wie mit den Eigentumsverhältnissen in der Bank umgegan-gen wird, muss diskutiert werden, stellt aber kein Hindernis für eine solche Lö-sung dar.

2.    Prudentielle Aufsicht in der OeNB, Verhaltensaufsicht in der FMA: Dieses in der Fachdiskussion häufig als niederländisches Modell bezeichnete System, ver-einigt die präventive Aufsicht in der Notenbank mit der Gesamtsystemaufsicht. Die Aufsicht über den immer bedeutender werdende "Conduct of business", kon-kret die Wohlverhaltensregeln, könnten in der FMA verbleiben. Damit können auch die existierenden Zielkonflikte, die zwischen beiden Aufsichtssystemen be-stehen, entschärft werden.

 

[19] Über eine institutionelle Reform der Finanzmarktaufsicht hinaus muss sofort ein Maßnahmenkatalog umgesetzt werden, der folgende inhaltliche Punkte umfasst:

·        [20] Rückübertragung der Recht setzenden Aufgaben (Erlassung von Verordnun-gen) in das BMF; die Tätigkeit der Finanzmarktaufsicht soll  unter Einbeziehung von ExpertInnen laufend evaluiert werden.

·        [21] Verbesserung des Systems der begleitenden Kontrolle (Staatskommissäre) bei den Banken, insbesondere Ausweitung der Informationsrechte der Staatskommissäre Richtung Vorstand; volles Auskunftsrecht (und –pflicht!) der Staatskommissäre nicht nur gegenüber dem Vorstand, sondern auch gegenüber dem Bankprüfer und gegenüber der internen Revision der Bank; Haftungs- und Strafbestimmungen für Staatskommissäre, die ihren Aufgaben und Verpflichtun-gen nicht nachkommen.

·        [22] Verbesserungen bei den Bankprüfern (Wirtschaftsprüfern der Institute), ins-besondere bei Großbanken. Bestellung von zumindest zwei von einander völlig unabhängigen Bankprüfern jeweils für den gesamten Zeitraum von vier Jahren; zwingende Rotation nach spätestens vier Jahren, wobei bei einem der Prüfer da-bei immer eine „externe Rotation“ stattfinden muss; verschärfte Strafbestimmun-gen für Bankprüfer; Wirtschaftsprüfer dürfen nicht gleichzeitig als Berater des Kreditinstituts tätig sein.

·        [23] Verbesserungen bei Aufsichtsräten, insbesondere Beschränkung der Auf-sichtratsmandate bei Banken auf fünf Mandate pro Person, wobei der AR-Vorsitz doppelt zu rechnen ist; Ausweitung der Informationserteilung und –verpflichtung; Übermittlung aller Prüfberichte der Aufsicht sowie Informationen über alle Aufla-gen der Aufsicht, die dem Vorstand erteilt wurden, mit der Verpflichtung der Auf-sichtsräte, die Einhaltung regelmäßig zu kontrollieren, an jedes einzelne Auf-sichtsratsmit-glied; Aufsichtsratsvorsitzende, die nicht dafür sorgen, dass alle re-levanten Informationen an alle Mitglieder des Aufsichtsrates berichtet werden, müssen von der Aufsicht abberufen werden.

·        [24] Die Zusammenarbeit mit den ausländischen Aufsichtsbehörden muss deulich intensiviert werden, insbesondere sind Geschäfte von Kreditinstituten mit Offsho-re-Plätzen und Ländern ohne funktionierende Aufsicht zu beschränken bzw. von der Aufsicht genau zu kontrollieren.

·        [25] Klare Trennung von Kreditgeschäft, Beteiligungen, Treasuring und Wertpa-pierhandel/Vermögensverwaltung für Kunden, insbesondere darf es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass ein Kreditinstitut Verluste aus dem einen Bereich (z.B. Veranlagungsverluste im Treasuring) in Beteiligungen, die wiederum mit Krediten finanziert werden, verstecken kann; sichergestellt muss weiters sein, dass sowohl der Wertpapierhandel (Devisenhandel) für Kunden klar von den Ei-gengeschäften des Instituts getrennt ist; Absicherung dieser Vorschriften durch scharfe Strafbestimmungen, um eine genügende generalpräventive Wirkung zu erzielen.

·        [26] Verbessertes Risikomanagement, insbesondere muss das Risikomanage-mentsystem eines Instituts umso besser überwacht werden, je stärker es seine Erträge statt aus dem „konservativen“ Einlagen-Kreditgeschäft aus anderen Er-tragsquellen bezieht.

·        [27] Verbesserung der Bilanzierung und Bewertung, insbesondere ist durch ein Bündel von Maßnahmen sicherzustellen, dass die Bewertungen in einem vernünf-tigen Rahmen bleiben und entsprechende Reserven in der Bewertung auch im Falle der Aufwertung erhalten bleiben.

·        [28] Die Aufsicht hat dafür zu sorgen, dass Geschäfte von Kreditinstituten mit ei-gentümerlosen Konstruktionen (Stiftungen, Trusts, Anstalten) einer besonderen Sorgfaltspflicht unterworfen werden, insbesondere ist aus den Erfahrungen mit diversen Fonds-Skandalen (AMIS etc.) die Konsequenz verschärfter Auflagen und Kontrolle zu ziehen.

·        [29] Der österreichische Corporate Governance Codex ist von den großen Kredit-instituten verpflichtend umzusetzen.

1.2    Weiterführende Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses

[30] Im Zuge der Recherchen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses sind neben behördenrelevanten Erkenntnissen auch überraschende Details zu Tage getreten, die zwar keine direkten politischen Empfehlungen für Reformschritte impli-zieren, aber dennoch beachtenswert erscheinen. Im Verlauf der Tätigkeit des Unter-suchungsausschusses kristallisierten sich fragwürdige Aktivitäten einzelner Mitglie-der der österreichischen Bundesregierung heraus. Im Folgenden sollen die Erkennt-nisse jener Untersuchungsgegenstände dargestellt werden, die keiner unmittelbaren gesetzlichen Reformschritte bedürfen, jedoch als Anstoßpunkte für einen notwendi-gen Umdenkprozess hinsichtlich politisch-wirtschaftlicher Kultur in diesem Land ver-standen werden sollten.

 

1.2.1     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand MobilTel

 

1.2.2     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand MobTel

 

1.2.3     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Casino Jericho

 

1.2.4     Erkenntnisse aus dem Untersuchungsgegenstand Geldwäsche/Ostgeschäfte

 

Die überbordenden Treuhandgeschäfte sowie das zunehmende Engagement der österreichischen Wirtschaft in Ländern mit hohem Geldwäscherei-Gefährdungspotential erfordern effektive Kontrollsysteme. Folgende Maßnahmen sind in diesem Bereich umzusetzen:

Verschleierungsversuche wie im Fall der MobilTel gegenüber den bulgarischen Be-hörden sollen der Vergangenheit angehören:

 

 


2      Systemanalyse Finanzmarktaufsicht in Österreich

[46] Bevor auf die einzelnen Prüfgegenstände und Erkenntnisse des Untersuchungs-ausschusses eingegangen wird, sollen hier die regulatorischen Voraussetzungen für den Finanzsektor beschrieben bzw. das österreichische System dargestellt werden. Auf Basis dieser Darstellung wird dargelegt, welche Probleme grundsätzlicher Art für die Finanzmarktaufsicht in Österreich bestehen und welche Verbesserungsmöglich-keiten denkbar wären. Dazu wird auf Berichte, die dem Untersuchungsausschuss vorgelegt wurden (z.B. Rohbericht des Rechnungshofes zur FMA), genauso wie auf externe Informationen zurückgegriffen.

[47] Im Wesentlichen haben Finanzmärkte – wie alle anderen Märkte auch – die Auf-gabe, die Allokation knapper Ressourcen effizient sicherzustellen. Sie bedürfen aber – wie alle anderen Märkte auch – eines regulatorischen Rahmenwerks, um diese Aufgabe auch reibungslos zu erfüllen und Missbräuche zu verhindern. Finanzmarkt-stabilität und -sicherheit ist eine zentrale Voraussetzung für Stabilität und Wachstum einer Volkswirtschaft. Die Institutionen, die diese sicherstellen, müssen daher auch so effektiv als möglich funktionieren.

2.1    Volkswirtschaftliche Bedeutung des Finanzsektors

[48] Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Banken- und Finanzsektors in Öster-reich kann auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden. Zum einen ist eine rein quantitative Beschreibung des Finanzsektors möglich (auf Basis der Bilanzen, VGR etc.). Zum anderen könnte geschätzt werden, welchen Beitrag zum Wachstum ein funktionierender Kapitalmarkt (z.B. durch die Möglichkeit der Schaffung von private equity für Unternehmen und die damit verbundenen start ups etc.) hat; dies ist eine methodisch anspruchsvolle Aufgabe, die im Rahmen dieses Berichts nicht geleistet werden kann.

[49] Die österreichischen Kreditinstitute erreichten 2006 eine Bilanzsumme von 798 Mrd. Euro. Auch wenn zuletzt die Bedeutung der Kapitalmärkte deutlich zugenom-men hat, bildet der Bankkredit immer noch die mit Abstand wichtigste Außenfinanzie-rungsquelle für die Unternehmen in Österreich. Mehr als ein Drittel der Außenfinan-zierung des Unternehmenssektors stammte Ende 2006 von Bankkrediten, deutlich mehr als Anleihen (7,5%) oder börsennotierte Aktien (24%).

Die Bruttowertschöpfung des österreichischen Bankensektors belief sich im Jahr 2005 (neuere Zahlen liegen nicht vor) auf 8,3 Mrd. EUR. Damit trugen die Banken 3,8% zum österreichischen BIP bei. Der Beitrag zum BIP hat sich in den letzten Jah-ren leicht ausgeweitet, nachdem er in den Neunzigerjahren stark rückläufig gewesen war.

[50] Der österreichische Bankensektor spielt eine wesentliche Rolle für den inländi-schen Arbeitsmarkt. Laut OeNB-Statistik waren Ende letzten Jahres 77.661 Perso-nen (nach Köpfen) im österreichischen Bankwesen beschäftigt, das entsprach 2,3% aller unselbständig Beschäftigten laut Statistik Austria. Die in den letzten Jahren zu beobachtenden Konsolidierungstendenzen der österreichischen Banken machen sich in der Beschäftigungsentwicklung bemerkbar.

[51] Auf Basis der oben verwendeten Zahlen ergibt sich, dass die Produktivität – ge-messen als Wertschöpfung je unselbständig Beschäftigten – im Bankensektor deut-lich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt liegt. Im Jahr 2005 erwirtschaftete einE BeschäftigteR im Bankwesen im Durchschnitt rund 108.000 EUR, das waren um 53% mehr als für die Gesamtwirtschaft (71.000 EUR).

[52] Im Lauf des letzten Jahrzehnts haben die österreichischen Banken ihre Präsenz auf den Bankenmärkten Zentral- und Osteuropas massiv ausgebaut. Ende 2006 ent-fielen insgesamt 20% der Bilanzsumme aller österreichischen Banken und knapp 40% der gesamten Vorsteuerergebnisse[1] auf das Geschäft in Zentral- und Osteuro-pa. Insgesamt waren per 31. Dezember 2006 elf österreichische Banken mit 62 voll-konsolidierten Tochterbanken in dieser Region aktiv. Zieht man die zu diesem Zeit-punkt noch nicht vollends abgeschlossenen Restrukturierungen der UniCredit in Be-tracht, halten österreichische Banken mittlerweile 23,7% am gesamten Bankenmarkt in Zentral- und Osteuropa (ohne Russland). Die internationale Dimension des öster-reichischen Banken- aber auch Versicherungssektors mit ihrer starken Ertragsantei-len in Zentral- und Osteuropa rücken die Notwendigkeit des internationalen Wirkens der österreichischen Finanzmarktaufsicht und ihrer internationalen Reputation in das Zentrum von Reformüberlegungen. Finanzmarktkrisen in Zentral- und Osteuropa füh-ren zur Krise der Finanzmarktstabilität in Österreich. Die Absicherung von Konzern-zentralen der internationalisierten Finanzinstitute in Österreich bedeutet die Siche-rung von tausenden Arbeitsplätzen. Ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung des Standortes Österreich ist eine funktionierende, international agierende und anerkann-te Finanzmarktaufsicht.

2.2    Entwicklung der Finanzmarktaufsicht - rechtliche Grundlagen, Institutio-nen und Aufgaben

2.2.1     Vor 1997

[53] Vor 1997 war die Aufsicht über den Finanzmarkt in Österreich sektoral gegliedert und als oberste Behörde fungierte das Bundesministerium für Finanzen (BMF). Dort war sowohl die behördliche als auch die analytischen Aufgaben der Finanz-marktaufsicht angesiedelt. Es handelte sich also um eine integrierte Finanz-marktaufsicht im BMF. Bestellt vom BMF wurden auch die sog. Staatskommissäre auf die in einem Folgekapitel noch spezieller eingegangen wird.

[54] Mit Inkrafttreten des Bankwesengesetzes (BWG) 1994 wurde die Möglichkeit von aufsichtlichen Vor-Ort-Prüfungen in Kreditinstituten geschaffen. Lt. BWG wurde diese Aufgaben der Bankenaufsichtsbehörde im BMF übertragen. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen hatte die Bankenaufsichtsbehörde die Möglichkeit, die Durchführung von Vor-Ort-Prüfungen an die Oesterreichische Nationalbank zu be-auftragen. In der Praxis wurden jedoch alle Vor-Ort-Prüfungen an die OeNB beauf-tragt, was mit der dort vorhandenen hochwertigen Expertise im Bankwesen zusam-menhing. Damit wurde die OeNB neben ihrer Zuständigkeit für das aufsichtliche Mel-dewesen (Monatsausweis, Quartalsbericht, Großkreditevidenz) und die Off-Site-Analysen de facto auch für die aufsichtlichen Vor-Ort-Prüfungen zuständig. Seitens der OeNB wurden diese Aufgaben auch aufgrund ihrer Funktion als Aufseher über die makroprudentielle Finanzmarktstabilität, einer Grundfunktion einer nationalen No-tenbank im Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) übernommen  (siehe insb. Art 105 Abs. 5 EGV, bzw. Art. 3 der Satzung des ESZB).

[55] Mit der Gründung der Bundeswertpapieraufsicht (BWA), die 1997 aus dem BMF ausgegliedert wurde und in weiterer Folge als Aufsichtsbehörde über den Wert-papiermarkt und die Finanzdienstleister fungierte, wurde die Alleinzuständigkeit des BMF als Aufsicht über den gesamten Finanzmarkt durchbrochen.

[56] In weiterer Folge wurde 1999 unter Finanzminister Edlinger von der damaligen Bundesregierung ein Gesetzesentwurf in den Nationalrat eingebracht, der die voll-ständige Übertragung der Bankenaufsicht an die OeNB vorsah. Aufgrund der Been-digung der Legislaturperiode im Sommer 1999 wurde dieser Entwurf im Nationalrat nicht mehr beschlossen. Von der Blau/Schwarzen Regierung wurde ab 2000 ein an-deres Konzept der Finanzmarktaufsicht verfolgt, nämlich die Installierung einer un-abhängigen Behörde.

Finanzmarktaufsicht vor 2002

OeNB
Meldewesen/Statistik, Vor Ort Prüfungen, Analysen, Interna-tionales, makroprudentielle Aufsicht

BMF:
Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörde,
Gesetzesvorschläge, Aufsicht

2.2.2     2002 bis heute

[57] Im März 2002 wurde das Finanzmarktaufsichtsgesetz (FMA-G) in der jetzig gül-tigen Form beschlossen und damit die Finanzmarktaufsicht in Österreich neu gere-gelt und wesentliche Bereiche der bestehenden Aufsicht (sowie auch das dafür zu-ständige Personal) in die FMA übergeführt. Hintergrund dieser Neuregelung war der Wunsch zum einen, die Zuständigkeiten für die Banken-, Versicherungs-, Wertpa-pier- und Pensionskassenaufsicht in einer Behörde zu vereinen (integrierte Auf-sicht/Allfinanzmarktaufsicht) und damit Synergieeffekten zu erreichen bzw. Doppel-gleisigkeiten zu vermeiden. In wie weit das gelungen ist, soll im folgenden dargestellt werden.

Im Kern regelt das FMA-G die Schaffung einer unabhängigen und weisungsfreien Finanzmarktaufsicht in Österreich sowie Änderungen im materiellen Aufsichtsrecht. Die Unabhängigkeit der FMA basiert auf einem parlamentarischen Beratungspro-zess, deren Ergebnis ein Allparteienantrag zur Schaffung einer All-Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde war (verfassungsrechtliche Bestimmung). Allerdings sollte dieser Allparteienantrag auch nicht überinterpretiert werden: Die SPÖ hielt an der starken Involvierung der OeNB im Aufsichtsprozess nicht zuletzt aufgrund der Finanzmarkt-stabilitätsfunktion der Notenbank und der Kriseninterventionsfunktion fest und mach-te die Festschreibung vor allem der Kompetenzen für Vor-Ort-Prüfungen auf gesetz-licher Basis zur Grundlage für ihre Zustimmung zur Verfassungsänderung.

„Wir wollen – wir wollten das schon in der Vergangenheit – im Hinblick auf die Bedeutung dieser Neuregelung eine einvernehmliche Lösung. Wir haben auch von Anfang an – und das werden Sie zugeben, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen – klargelegt, dass wir für eine unabhängige, weisungs-freie, eng mit der Oesterreichischen Nationalbank verbundene Finanzmarktauf-sicht eintreten. Aber ganz entschieden sind wir gegen die Schaffung einer neuen, aufgeblähten, teuren Behörde, die noch dazu die Kompetenzen der Oesterreichi-schen Nationalbank beschränkt … Einige Punkte möchte ich aber doch noch da-zu anführen, warum wir so großen Wert auf die Nationalbank legen. Die ausge-zeichnete internationale Reputation, das hohe Vertrauen der österreichischen Bevölkerung und der Finanzmarktakteure in die Oesterreichische Nationalbank legen es nahe, dass die Finanzmarktaufsicht ihre Tätigkeit nach dem Konzept einer Tochtergesellschaft ausübt, die nahe bei der Oesterreichischen National-bank angesiedelt ist. Dies hätte sicherlich positive Auswirkungen. Eines darf nicht sein, nämlich dass gerade in dieser heiklen Zeit risikoreiche Experimente mit solchen Organisationen gemacht werden.“. (Dr. Kurt Heindl in: Stenographi-sches Protokoll, 5. Juli 2001, 75.Sitzung, Seite 202ff).

[58] Die neu gegründete FMA besteht aus einem Vorstand und einem Aufsichtsrat. Der Vorstand setzt sich aus 2 Mitgliedern zusammen, die seit 2002 Ergebnis politi-scher Bestellung waren/sind (Dr. Grünbichler bis 2004, Dr. Pribil seit 2002, Mag. Traumüller seit 2004) – nicht zuletzt, da das Nominierungsrecht dem Bundesminister für Finanzen bzw. der OeNB zukommt. Der Aufsichtsrat besteht aus dem Vorsitzen-den den das BMF bestellt, seinem Stellvertreter (Bestellungsrecht liegt bei der OeNB) und 4 weiteren Mitgliedern (je zwei werden vom Bundesminister für Finanzen und der OeNB).

Die Aufgaben der FMA bestehen im Wesentlichen in ihrer Behördenfunktion. Das  Bankwesengesetz (BWG) und weitere Gesetze dieses Bereichs (Wertpapierauf-sichtsgesetz etc.) gibt der FMA verschiedene bestimmte Befugnisse, wie die Kon-zessionserteilung und –rücknahme bei best. Bankgeschäften, die Aufsicht über Kre-dit- und Finanzinstitute, die Eigentümerkontrolle, die Überwachung festgelegter Stan-dards, Sanktionen bei Verstößen gegen das BWG und auch internationale Koopera-tionen.

[59] In ihrer Funktion als Kontrollorgan wird die FMA von OeNB unterstützt. So liegt das Meldewesen bei der OeNB (Kreditinstitute melden best. Daten der Nationalbank, die dann diese Daten auf Plausibilität prüft und mittels bestimmter statistischer Me-thoden auswertet, Auffälligkeit feststellt und an die FMA meldet). Die OeNB hat auf-grund EU rechtlicher Bestimmungen (Vertrag und Satzung der EZB), ebenfalls einen Auftrag zur Sicherstellung eines funktionierenden Finanzmarktes: Aufgrund der Tat-sache, dass sie in Krisenzeiten (z.B. BAWAG Krise Mai 2006) eine sog. Lender of Last Resort Funktion hat (d.h. Bereitstellung der Liquidität an solvente Institute), gibt es die Notwendigkeit der Kenntnis auch von Einzelinstituten. Was die Vor-Ort-Prüfungen betrifft, so gibt es die zuvor zitierte gesetzliche Verpflichtung (§ 70 Abs. 1 Z3 BWG) für die FMA, für Prüfungen im Markt- und Kreditrisikobereich - und damit rund 85% aller Fälle - die OeNB zu beauftragen.

 

Finanzmarktaufsicht nach 2002

2.2.3     Schnittstellen und Koordinationsnotwendigkeiten in der Finanzmarktaufsicht

 [60] Aus den vorangegangenen grafischen Darstellungen ergibt sich schon relativ deutlich, dass es sowohl vor als auch nach der Reform der Finanzmarktaufsicht die Notwendigkeit zur Koordinierung gab.

[61] Seit der Gründung der FMA besteht ein sog. Finanzmarktkommittee , das beim BMF angesiedelt ist. Es treffen sich dort VertreterInnen des BMF, der FMA und der OeNB. Hier werden zum einen die österreichischen Positionen zu neuen Richtlinien-vorhaben der EU diskutiert, sowie andere legistische Fragen besprochen. Außerdem wird die wirtschaftliche Lage der Systembanken analysiert und auch die Koordination in Krisenfällen vorgenommen.

[62] Darüber hinaus besteht das Koordinationsforum (Managementebene) zwi-schen der FMA und der OeNB, das das Nachfolgegremium der bis 2002 existieren-den Expertenkommission ist. Dieses Gremium berät die beiden Institutionen über Fragen des Bankwesens und dient zur Abstimmung des Prüfungsprogramms.

[63] Auf Ebene der AbteilungsleiterInnen besteht das sog. Abteilungsleiterforum. Hier soll eine enge und direkte Abstimmung zwischen den betroffenen Abteilungen der FMA und der OeNB erfolgen, sowie die Sitzungen des Koordinationsforums vor-bereitet werden.

2.3    Internationale Trends und das niederländische Modell der Finanz-marktaufsicht

[64] Für die Finanzmarktaufsicht kommen – national sowie international – drei Institu-tionen in Frage: Das Finanzministerium, eine unabhängige Behörde und die Natio-nalbanken. Es hat sich international noch kein „Best-practice-Modell“ herausgebildet:

Die Spannweite reicht von Ländern, die für jeden Aufsichtbereich eine eigene Aufsicht vorsahen (sektorale Aufsicht), bis hin zu Ländern, die alle Aufsichtsbe-reiche in einer einzigen Institution zusammenfassen (integrierte Aufsicht)“ (Rech-nungshof Rohbericht 2007: Seite 22).

Allerdings zeichnen sich Trends ab, die einen Weg zur effizientesten Gestaltung des Aufsichtssystems weisen. Als ein solcher Trend könnte sich jene Entwicklung dar-stellen, wie sie in den Niederlanden begonnen wurde und nun auch in anderen Län-dern – Frankreich, Portugal und Italien – umgesetzt wird.

[65] In den Niederlanden liegt die gesamte hoheitliche, prudentielle Aufsicht inklusive Versicherungsaufsicht in der Zentralbank. Die sog. „Conduct of business“ Aufsicht (Einhaltung von Transparenzbestimmungen und Informationspflichten) liegen bei der Finanzmarktaufsicht (Netherlands Authority for the Financial markets, AFM):

The Dutch Central Bank (De Nederlandsche Bank) is, after the merger with the Pensions and Insurance Board .. in 2004 responsible for prudential supervision. The supervision of market conduct focuses on the question of whether the par-ticipants in the financial markets are handled properly and whether they have ac-curate information. This supervision is the responsibility of AFM.” (Homepage AFM, Barrage 28. Juni 2007).

[66] Darüber hinaus wurden in Tschechien und der Slowakei die Finanzmarktaufsicht zur Gänze in die jeweilige Notenbank integriert.

2.4    Bewertung der österreichischen Finanzmarktaufsicht durch den Rech-nungshof

[67] Der Rechnungshof hat in der zeit vom 4. Oktober 2006 bis 10. November 2006 die Gebarung der Finanzmarktaufsichtsbehörde überprüft. Mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses hat er seine Prüftätigkeit frühzeitig beendet und Ende März einen Rohbericht mit der Bitte um Stellungnahme an die FMA sowie an das BMF und die OeNB übermittelt. Dieser Rohbericht wurde auch dem Untersuchungs-ausschuss aufgrund eines entsprechenden Beweisantrags vorgelegt. Durch die früh-zeitige Beendigung der Untersuchung hat sich der Rechnungshof NICHT mit konkre-ten aufsichtsbehördlichen Maßnahmen in Bezug auf ausgewählte Banken, auf Wert-papierdienstleistungsunternehmen und auf Emittenten auseinandergesetzt, ebenso wenig mit Staatskommissären bzw. Amtshaftungsangelegenheiten (siehe Rech-nungshof Rohbericht 2007: Seite 15). D.h., die Causa AMIS wurde vom RH nicht un-tersucht!

[68] Der Bericht umfasst einen ausgedehnten Analyseteil und unterbreitet auch Vor-schläge für eine Reform der Finanzmarktaufsicht in Österreich. Dabei sind folgende Aussagen in Bezug auf die FMA zentral [in eckigen Klammern werden diese Kritik-punkte durch exemplarische Beispiele aus dem Untersuchungsausschuss belegt]:

·        [69] Probleme bei der internen Revision: Der Rechnungshof kritisiert, dass trotz der ständig steigenden Personalkapazitäten der Aufbau einer internen Revision nur unzureichend und zeitverzögert vor sich ging und die Mehrheit der Abteilungen nach 5 Jahren noch keiner Innenrevision unterzogen wurden. [Die fehlende interne Revision trat im Untersuchungsausschuss (USA) insb. auch bei der Frage der Weitergabe sensibler Daten an Externe (Abfrage SPÖ Kredite) zu Tage: Wenn öffentlich Daten bekannt wurden, die nur aus der OeNB oder der FMA kommen konnten, wurde nie intern ermittelt, ob sie aus dem Hause gekommen sein konnten]

·        [70] Große Personalfluktuation: Die aus Austritten abgeleitete Fluktuations-rate betrug 2004 5,7%, 2005 10,6% und 2006 13,4% (siehe Rohbericht 2007: Seite 35). Gründe dafür waren die Unzufriedenheit der Zusammenführung, das schnelle Wachstum verbunden mit dauernd wechselnden Teams bzw. fehlende Entwicklungsmöglichkeiten. Diese hohe Fluktuation hat natürlich auch negative Auswirkungen auf das innerorganisatorische Know-how und die Motivation.

·        [71] Keine Effizienzsteigerung und Einsparungen: Der Mitarbeiterstand hat sich in den 5 Jahren seit des Bestehens um 125% erhöht. 5 Jahre nach Grün-dung gibt es immer noch keine integrierte Aufsicht; die Gliederung innerhalb der FMA folgt immer noch einer sektoralen Logik. Zusammenfassend stellt der RH fest, dass „.. eine nachvollziehbare Bewertung der behaupteten Kosten-vorteile und Effizienzsteigerungen … nicht vorgelegt werden“ konnte (Rech-nungshof Rohbericht 2007, Seite 12). [Dass diese Gliederung erhebliche Inef-fizienzen mit sich bringt, zeigt nicht zuletzt der Fall des sog. Meinl-Papiers, auf das im Kapitel zur politischen Verantwortung Grassers noch genauer einge-gangen wird. In der FMA funktioniert offenbar nicht einmal die Kommunikation zwischen den einzelnen ReferentInnen, die für unterschiedliche Banken zu-ständig sind. Ebenso erhellend waren die Aussagen der Referentin, die für "Geldwäsche" in der FMA zuständig ist: Sie hatte in den letzten 5 Jahren keine Möglichkeit, Prüfberichte einzelner Banken zu lesen und wurde auch nur un-zureichend über Auffälligkeiten informiert].

·        [72] Wenige Follow-Up-Prüfungen: Der Anteil der Follow-up-Prüfungen be-trug 11%. Diese unzureichenden Prüfungen werden vom RH als „entschei-dende Schwäche des Aufsichtssystem“ (Rechnungshof-Rohbericht 2007, Sei-te 57) bezeichnet.[Auch hier finden sich deutliche Hinweise durch die Aussa-gen im Ausschuss zu den Bereichen Hypo-Alpe-Adria und vor allem AMIS].

·        [73] Kein Ausnützen der Sanktionsmöglichkeiten nach BWG: Die FMA wird vom RH kritisiert, da sie von ihrer Sanktionsmöglichkeit nach BWG in un-terschiedlichen Bereichen (Fehlendes Risikomanagement in Banken, Daten-falschmeldungen etc) relativ selten Gebrauch macht. [Dies ist eine Einschät-zung, die sich auch mit den Praxisbeispielen BAWAG, Amis, Hypo-Alpe-Adria deckt, wie sie im Weiteren dargestellt werden].

·        [74] Schnittstellenproblematik und Doppelgleisigkeiten: Die Kritik des RH geht insbesondere dahin, dass das „in Österreich herrschende Aufsichtsmo-dell mit einer überwiegend sektoralen Gliederung innerhalb der FMA und einer Mitwirkung der OeNB im Bankenbereich die gesamthafte Umsetzung einer in-tegrierten Aufsicht erschwerte.“ (Rechnungshof Rohbericht 2007: Seite 67). Weiters kritisiert der RH die mangelnde Funktionalität der div. Koordinations-gremien zwischen diesen Instituten [Dies hat sich insb. bei der BAWAG ge-zeigt. Die Haltung der FMA gegenüber der OeNB und das daraus abzuleiten-de Gesprächsklima bezeichnete Dr. Ittner aus der Nationalbank folgenderma-ßen: „Wir sind in Diskussionen mit der Behörde immer wieder darauf hinge-wiesen worden, was unsere Funktion ist; Fact Finders, wir waren die, die Fak-ten zu erheben hatten. Wir waren in der Sicht der Behörde nicht dafür da, sie an irgendwelche Maßnahmen zu erinnern.“ (16. Sitzung Seite 4) Die OeNB er-fährt nicht automatisch, welche behördlichen Maßnahmen die FMA nach ihren Berichten setzt.]

[75] Vor diesem Hintergrund beurteilt der RH die Möglichkeiten für eine Reform, und misst dem Modell, dass die gesamte Banken- und Versicherungsaufsicht in der OeNB angesiedelt sein soll und die FMA nur noch als Wertpapieraufsicht dient, eine hohe Effizienz, niedrige Schnittstellenprobleme bei allerdings hohen Re-organisationskosten ein. Vor dem Hintergrund der Kosten, schneidet gemäß RH ein Modell besser ab, in dem die gesamte Banken, Versicherungs- und Wertpapier-aufsicht in der FMA ist. Damit verliert die OeNB allerdings ihren Zugang zum Ban-kensektor auf Einzelinstitutsebene und hat damit Probleme im Krisenfall.

In einer Reaktion auf die Stellungnahme der Nationalbank hält der RH folgende Moti-vation für die von ihm propagierte Variante der Gesamtaufsicht in der FMA fest: "Da der RH von der weitgehenden Beibehaltung der vom Gesetzgeber im Jahr 2001 geschaffenen Rechtskonstruktion ausging, wurde die durchaus denkmögliche Variante der Einrichtung der integrierten Aufsicht bei der OeNB vom RH daher vorerst nicht in die Modellbetrachtungen einbezogen." (Rechnungshof, Gegenäußerung, 2007: Seite 7).

Vor dem Hintergrund der breiten RH-Kritik an der gesamten Struktur der FMA und der problematischen Auswirkungen dieser Lösung für den Krisenfall ist dieses Argu-ment kritisch zu sehen und kann nur nahe legen, dass der Gesetzgeber jedenfalls einen breiteren Zugang zur Problemlösung haben sollte.

2.5    Zusammenfassung:

[76]Seit Ende der 90er Jahre wurde auf breiter politischer Ebene über eine Reform der Finanzmarktaufsicht in Österreich diskutiert. Während die SPÖ immer für eine Integration in der OeNB argumentierte, wurde von Seiten der Blau/Schwarz-Regierungskoalition seit 2000 ein Projekt der unabhängigen Behörde propagiert, das 2002 auch umgesetzt wurde. Dieses System hat in den letzten Jahren deutliche strukturelle Mängel ausgewiesen, insbesondere was die Frage der Doppelgleisigkei-ten und Schnittstellen zur OeNB betrifft. Der Aufbau einer neuen Behörde muss 5 Jahre nach dem Start als misslungen bezeichnet werden: Es gibt gravierende Män-gel in zentralen Bereichen wie der internen Revision und der Mitarbeiterqualifikation, sowie keine Anzeichen der vom Gesetzgeber 2002 gewünschten Effizienzsteigerung und des Allfinanzgedankens. Daher liegt eine grundlegende Reform dieses Modells nahe, der die Finanzmarktaufsicht näher an die Zentralbank heranführt, zumal auch international betrachtet dieser Weg eingeschlagen wird.

 


3      Die Causa BAWAG

3.1    Die Bank

[77] Die BANK FÜR ARBEIT UND WIRTSCHAFT AKTIENGESELLSCHAFT heißt nach dem Erwerb der P.S.K. im Jahr 2000 seit 31.12.2004 BANK FÜR ARBEIT UND WIRTSCHAFT UND ÖSTERREICHISCHE POSTSPARKASSE AKTIENGESELLSCHAFT; im Folgenden kurz BAWAG genannt.

 

[78] Im Jahr 1996 hatte die Bayrische Landesbank (Bayern-LB) insgesamt 46,43% der BAWAG erworben: 30,66% für 310 Mio. EUR vom Konsum und weitere 15,77% für 150 Mio. EUR vom ÖGB. Im Juni 2004 verkaufte die Bayern-LB dem ÖGB ihren BAWAG-Anteil zum Preis von rund 700 Mio. EUR. Zur Finanzierung nahm der ÖGB einen Kredit bei der Bayern-LB auf.

Die Bayern-LB begründet den Verkauf damit, dass sie keine Mehrheit und damit nur begrenzten Einfluss auf die BAWAG gehabt hätte. Von den Karibikgeschäften II und den damit einhergehenden Verlusten hätte sie nichts gewusst.

 

[79] Am 15. Mai 2007 wurde der Verkauf der BAWAG an das von Cerberus Capital Management L.P. angeführte Konsortium abgeschlossen. Das Konsortium um Cer-berus hält nunmehr 100% der Anteile der BAWAG und besteht aus Fonds und Gel-dern, die von Beteiligungen der Cerberus European Investments verwaltet werden, sowie aus anderen Finanzinstituten (Österreichische Post AG, Generali Holding Vienna AG, Wüstenrot Verwaltung- und Dienstleistungen GmbH) und Einzelaktionä-re. Bis zum Verkauf an das Konsortium um Cerberus hatte der ÖGB als Mehrheitsei-gentümer immer maßgeblichen Einfluss auf die BAWAG.

 

[80] Helmut Elsner (seit 01.09.1978 BAWAG-Vorstandsmitglied) folgte am 01.06.1995 KR Ing. Walter Flöttl als Generaldirektor und blieb bis zu seiner Pensio-nierung am 24.04.2003. Danach übernahm Dkfm. Johann Zwettler (seit 1995 BAWAG-Vorstand). Zwettler erklärte nach der REFCO-Pleite im November 2005 zum Jahresende seinen Rücktritt. Ihm folgte zum 01.01.2006 Prof. Dr. Ewald Nowotny (seine Amtsperiode soll bis Frühjahr 2008 laufen), der am 17.03.2006 die FMA über die Karibikgeschäfte und deren Folgen informierte.

 

Mitglieder des BAWAG-Vorstandes ab 1995:[2]

 

Beginn

Ende

Anmerkung

GD Walter FLÖTTL

 

31.05.1995

 

Dkfm. Dr. Gerhard PARTIK

 

31.05.1995

 

Dkfm. Dr. Gerd BRAUNSPERGER

 

31.05.95

 

GD Helmut ELSNER

vor 1995

24.04.2003

 

Mag. Hubert KREUCH

vor 1995

30.04.2006

 

GD Dkfm. J. ZWETTLER

01.06.1995

31.12.2005

 

MMag. Dr. Christian BÜTTNER

01.05.1996

30.04.2006

 

Ing. Mag. Dr. Josef SCHWARZECKER

01.06.1995

30.04.2006

 

Mag. Peter NAKOWITZ

25.04.2003

30.04.2006

 

Mag. Herbert LEGRADI

01.10.05

 

davor P.S.K

GD-Stv. Dr. Stephan KOREN

01.10.05

 

davor P.S.K

Jochen BOTTERMANN

01.10.05

 

davor P.S.K

GD Prof. Dr. Ewald NOWOTNY

01.01.2006

 

bis 2008

 

[81] Bis April 1997 war Herbert Tumpel Aufsichtsratsvorsitzender und übergab diese Position dann an Günter Weninger. Dieser gab schließlich am 24.03.2006 bekannt, dass die BAWAG Ende 2000 sehr hohe Verluste durch die Karibikgeschäfte erlitten sowie der ÖGB daher Haftungen übernommen hatte und erklärte seinen Rücktritt von allen BAWAG- und ÖGB-Ämtern. Wenige Tage später - am 27.03.2006 - trat auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zurück.

 

3.2    Die Karibikgeschäfte I (1987 bis 1994)

[82] Im Jahr 1987 nahm die BAWAG unter GD Walter Flöttl Spekulationsgeschäfte – intern als Sondergeschäfte geführt und später als Karibikgeschäfte bezeichnet – mit Dr. Wolfgang Flöttl bzw. dessen Firmen auf. Dabei handelte es sich vornehmlich um Kreditgeschäfte, bei denen verschiedene Offshore-Gesellschaften im Einflussbereich des Dr. Wolfgang Flöttls insgesamt bis zu 23 Mrd. ATS zur Verfügung standen. Ähn-liche Transaktionen wurden auch später von 1995 bis 1998 (Anfangsphase der Kari-bikgeschäfte II) vorgenommen.

 

[83] Im Februar 1994 wurden diese Karibikgeschäfte in den Medien bekannt. Auf-grund der anhaltenden negativen Berichterstattung sowie der anschließenden Prüf-ungshandlungen der OeNB wurden „von der BAWAG innerhalb kürzester Zeit sämt-liche offene Kreditlinien und Veranlagungen zurückgeführt“, wie sich aus der 2006 im Auftrag der FMA erfolgten Prüfung von Ernst & Young ergibt. Das Obligo wurde von der BAWAG bis 05.05.1994 als vollständig rückgeführt gemeldet:

„Die Geschäfte wurden von Ross Capital Markets (RCM) strukturiert (diese Firma ist Wolfgang Flöttl zuzurechnen). Anhand der vorgefundenen Dokumentation lässt sich zweifelsfrei die Rückführung der ersten Karibikgeschäfte nachvollzie-hen. Aus den in Frage stehenden Geschäften hat die BAWAG einen Gesamtge-winn von ATS 3.092 Mio. erzielt, wobei ohne Ausnahme alle Kapitalanlagen mit Erträgen und ohne Verlust beendet wurden.“

Der Gewinn aus den Karibikgeschäften I war sicherlich ein wesentlicher Grund für die Wiederaufnahme der Karibikgeschäfte im Juli 1995.

 

[84] Allerdings stellte die OeNB bereits 1994 fest, dass bei den Karibikgeschäften I mehrere Bestimmungen des BWG und des AktienG verletzt worden waren: So gab es keine schriftlichen Kreditverträge, die Geschäfte wurden regelmäßig telefonisch sowie ohne Vermerke und ohne Protokolle abgewickelt, die Großveranlagungen wie-sen keine Risikobeschränkungen auf, und der Aufsichtsrat sowie der damalige Staatskommissär waren nicht informiert. Diese Verstöße waren allerdings strafrecht-lich nicht relevant, so dass die Staatsanwaltschaft Wien die im Zusammenhang mit den Karibikgeschäften I bis 1994 erhobenen Strafanzeigen am 06.09.1994 zurück-legte.

 

3.3    Der Fall ATOMIC

[85] Ein Zusammenhang zwischen Karibikgeschäften I der BAWAG und der ATOMIC-Insolvenz hätte nur dann bestehen können, wenn die Karibikgeschäfte I mit Verlust geendet hätten. Allerdings wurden die Karibikgeschäfte I mit Gewinn been-det, so dass keine Verluste kompensiert werden mussten.

 

[86] Die ATOMIC-Pleite hatte sowohl markttechnische, als auch hausinterne Gründe. Zudem war das Vorgehen der BAWAG konfrontativ und teilweise sehr konfliktiv. Die BAWAG hätte ATOMIC sicherlich „retten“ können. Allerdings war es wohl auch der spezielle Konflikt der beiden Hauptakteure, Elsner und Rohrmoser, der zu einer Es-kalation führte, in der eine gemeinsame Lösung irgendwann nicht mehr möglich war.

 

[87] Das im Herbst 1994 eröffnete ATOMIC-Insolvenzverfahren wurde im März 2006 mit einer ungewöhnlich hohen Konkursquote in der Höhe von 93,5% abgeschlossen. Der Firmenkonkurs erbrachte 73,5%. Die Hauptgläubiger BAWAG und INVEST KREDIT erhielten zudem weitere 20% aus dem Zwangsausgleich gegen die Privat-person Alois Rohrmoser.

3.4    Die Karibikgeschäfte II (1995 bis 2000)

3.4.1     Die erste Phase von 1995 bis Oktober 1998

[88] Die Spekulationsgeschäfte bzw. die „Sondergeschäfte“ mit Dr. Wolfgang Flöttl wurden im Juli 1995 auf Betreiben GD Elsners mit Zustimmung des Aufsichtsrates wieder aufgenommen. Jedoch waren die Darstellungen an den Aufsichtsrat bis zu den Verlusten im Oktober 1998 fehlerhaft, unzureichend und irreführend.

 

Am 20.07.1995 stellte Elsner, assistiert von Zwettler, die vom Vorstand geplante Wiederaufnahme der Karibikgeschäfte mit Wolfgang Flöttl als eine lukrative und mit äußerst geringem Risiko behaftete Fremdwährungsveranlagung dar. Die im OeNB-Prüfbericht von Juli 1994 dargestellten diesbezüglichen Mängel seien beseitigt wor-den. Tatsächlich wurden die im Oktober 1994 seitens des BMF (basierend auf dem OeNB-Prüfbericht 1994) aufgetragenen Maßnahmen niemals von der BAWAG um-gesetzt. Die Geschäfte waren auch nicht, wie behauptet wurde, besichert.

 

Weiters wurde angegeben, „dass diese Geschäfte aufgrund der Größenordnung nicht aufsichtsratspflichtig waren, dennoch würde der Vorstand von sich aus darüber berichten und bittet um zustimmende Kenntnisnahme."[3]

 

Tatsächlich fielen die Geschäfte bereits unter die Regeln für Großveranlagungen, denn die drei Kreditnehmer (drei Flöttl-Firmen) mussten durchaus (entgegen den Darstellungen Elsners im Aufsichtsrat) als Gruppe verbundener Kunden betrachtet werden.

„Geplant war die Einräumung eines Refinanzierungsrahmens in der Höhe von 400 Mio. USD. Dies entspricht etwa 295 Mio. EUR. Bei Eigenmitteln der BAWAG … per Stichtag August 1995 von EUR 1.070 Mrd. entspräche dies rund 28% der Eigenmittel. Angesichts der damaligen BWG-Bestimmungen (ab 15% Vorliegen einer GVA, GVA-Grenze von 40%) und der nachfolgend erfolg-ten Splittung auf drei Kreditnehmer (die konkreten Kreditnehmer werden nicht angeführt), handelt es sich einerseits aufgrund des Risikogleichlaufes und an-dererseits aufgrund der … Eigentumsverhältnisse um eine GVA und ist durch die erfolgte Darstellung und Splittung des Geschäftes praktisch eine Irreführung des Aufsichtsrates gegeben.[4]

 

Außerdem sicherte Elsner monatliche Wertberichte und die Möglichkeit täglicher De-poteinschau zu und versprach dem Aufsichtsrat regelmäßig zu berichten bzw. im Fal-le einer Ausweitung der Geschäfte den Aufsichtsrat ebenfalls zu informieren.

[89] „1995 ging die erste Tranche in Höhe von USD 200 Mio. an die Firma Capi-tal Markets Arbitrage Inc., Delaware. 1996 wurden die nächsten beiden Tran-chen ausbezahlt: USD 225 Mio. an die Firma Global Markets Arbitrage Ltd., Grand Cayman, und 125 Mio. an International Markets Arbitrage, Grand Cay-man. Zu diesem Zweck wurde mit Vorstandsbeschluss von 23.1.1996 der Rahmen von 400 auf 550 Mio. erhöht.“[5]

 

1998 wurde noch ein zusätzlicher Kredit in Höhe von 89 Mio. USD an die Flöttl-Firma Narrow Investments ausbezahlt. Der Aufsichtsrat wurde über diese Erhöhungen nicht informiert. Insgesamt war überhaupt nur ein kleiner Kreis von MitarbeiterInnen infor-miert.

3.4.2     Die Verluste im Oktober 1998

 [90] Im Oktober 1998 trat ein Totalverlust der ab 1995 zur Verfügung gestellten Gel-der von 639 Mio. USD ein. Der Aufsichtsrat war bis zu diesem Zeitpunkt unzurei-chend und falsch informiert und damit getäuscht worden. Die Verluste wurden über-haupt nur dem Aufsichtsratsvorsitzenden Weninger mitgeteilt. Ab Oktober 1998 er-gingen diesbezügliche Informationen überhaupt nur noch an den Aufsichtsratsvorsit-zenden Weninger und nicht mehr an den gesamten Aufsichtsrat.

Dabei war es das von Generaldirektor Elsner und Aufsichtsratsvorsitzenden Wenin-ger formulierte Ziel, die Verluste nicht öffentlich werden zu lassen.

 

[91] Zur Verschleierung der Verluste im Oktober 1998 und zur fortgesetzten Aus-schaltung des Aufsichtsrates wurde es erforderlich, eine angemessene Gegenpositi-on zu den Verlusten aufzubauen. Zu diesem Zweck vereinbarten Elsner und Flöttl jun., einen Großteil des Vermögens Flöttls nominell auf die BAWAG zu übertragen. Ob Elsner dazu auf Flöttl Druck ausübte bzw. ob Flöttl in einem starken wirtschaftli-chen Abhängigkeitsverhältnis von der BAWAG war, erscheint fraglich. Wahrschein-lich ist vielmehr dass es sich um einen Deal gehandelt hat, von dem sowohl Elsner als auch Flöttl profitiert haben.

 

3.4.3     Gemäldeverwertung und Bilanzierung

[92] Dabei wurde vor allem die umfassende Gemäldesammlung Flöttls verwendet, deren Wert sich nach Angaben in der BAWAG-Anklageschrift (vom 23.10.2006) auf rund 241 Mio. USD belief. Außerdem gehörten drei Liegenschaften Flöttls in London, auf den Bahamas und auf den Bermudas dazu, deren Wert etwa 26 Mio. USD betra-gen haben soll (die Übertragung der Liegenschaft auf den Bermudas erwies sich als nicht durchsetzbar). Um nun an diese Flöttl'schen Aktiva heranzukommen, musste die BAWAG vorher noch Kredite abdecken, die Flöttl bei Sotheby’s (ca. 154 Mio. USD) und bei der Meinl Bank (ca. 18 Mio. USD) hatte. Daraus ergibt sich ein Vermö-gen Flöttls in Höhe von etwa 95 Mio. USD.

 

Allerdings sollte dieses Vermögen nicht zur Kompensation der Verluste aus den Ka-ribikgeschäften II verwendet werden, vielmehr sollten die Transaktionen eine Ver-lustverschleierung ermöglichen. Folglich erhielt Flöttl von der BAWAG einen Kredit in Höhe von 90 Mio. USD sowie weitere Betriebsmittel, die er für sich selbst und seine Firmen verwenden konnte und nicht zurückzahlen musste.

 

[93] Im weiteren Verlauf der Verlustverschleierung wurde der tatsächliche Wert der Gemälde (241 Mio. USD, siehe oben) dem benötigten Betrag angenähert (bzw. der Verlustverschleierung angepasst): Elsner erklärte dem Vorstand im Oktober 1998, dass die Gemälde einen Wert in Höhe von etwa 698 Mio. USD hätten, und dass das Unternehmen Flöttls zwischen 200 bis 400 Mio. USD wert sei. Durch diese Einschät-zung schien die Bilanzierung gesichert. Dem Aufsichtsrat wurde am 19.11.1998 be-richtet, dass die Karibikgeschäfte aufgrund der Marktsituation vor einiger Zeit been-det und zurückgezahlt worden seien. Darüber hinaus wurde dem Aufsichtsrat nichts mehr berichtet, lediglich der Aufsichtsratsvorsitzende wurde informiert.

 

3.4.4     Vranitzky

[94] Flöttl gab im September 2006 - in der heißen Phase des Nationalratswahlkamp-fes - bekannt, dass er Ende 1998 und 1999 derart unter dem Einfluss Elsners ge-standen wäre, dass er mit Altbundeskanzler Vranitzky gegen seinen Willen einen Beratungsvertrag vereinbaren musste. Flöttl erklärte weiter, dass er überhaupt kei-nen Beratungsbedarf gehabt hätte und überdies keine Leistung erhalten habe. Zu-nächst sprach Flöttl auch von Parteienfinanzierung an die SPÖ, was er allerdings kurz darauf dementierte. Elsner wies im Untersuchungsausschuss den Vorwurf Flöttls, Druck auf ihn ausgeübt zu haben, als „glatte Lüge“, „groben Unfug“ und „völlig sinnlos“ zurück.

[95] Vranitzky bestätigte den Beratungsvertrag mit Flöttl. Er habe Flöttl bei der Euro-Umstellung zum 01.01.1999 beraten und dafür ein Honorar in Höhe von 1 Mio. ATS erhalten, das er auch ordnungsgemäß versteuert habe.

Allerdings gab es zu Beginn der Währungsunion tatsächlich noch viele offene Fra-gen, insbesondere bezüglich Zinspolitik und Wechselkursentwicklung.

 

[96] In den Medien und im Untersuchungsausschuss wurde der Verdacht geäußert, dass das Beratungshonorar zur Kompensation von Gerichtskosten gedient hätte, die für Vranitzky noch in seiner Funktion als Bundeskanzler aus einem Prozess gegen Hans Pretterebner[6] anfielen. Pretterebner hatte zu dieser These eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung abgegeben, die im Ausschuss von der FPÖ verteilt wurde. Vranitzky teilte dazu mit, dass die Verfahrenskosten insgesamt jedoch lediglich rund 474.000 ATS betragen hätten, und dass ihm der SPÖ-Klub diese Kosten Ende 1998 erstattet hätte.

 

3.4.5     Die Fortsetzung (1998 bis Ende 2000)

[97] Aus dem Totalverlust der BAWAG von 639 Mio. USD im Oktober 1998 wurden keine Lehren gezogen: trotz absehbarer akut drohender Gefahr wurde der Kapital-einsatz erhöht und die Fortsetzung der Spekulationen angeordnet, ohne auch nur annähernd ausreichende Sicherheiten und Abfederungsmaßnahmen vorweisen zu können. Weiterhin blieb nur ein kleiner Kreis von Mitarbeitern eingeweiht. In weiterer Folge wurden in mehreren Tranchen immer wieder Gelder zur Verfügung gestellt, um einerseits die erlittenen Verluste durch erhoffte Gewinne aus neuen Spekulationsge-schäften zu kompensieren, und um andererseits die Infrastruktur Flöttls aufrechtzu-erhalten.

 

[98] Im weiteren Verlauf wurden die Spekulationen mit Flöttl zunächst mit einem Ein-satz in Höhe von 250 Mio. USD, später mit 418 Mio. USD fortgesetzt.

 

Nach weiteren Verlusten erhielt Flöttl Ende 1999 430 Mio. EUR zur unbeschränkten Veranlagung und verlor wieder alles. Nach mehreren Verlusten und einem erneuten Totalverlust im Herbst 2000 erreichte das Obligo der BAWAG einen Höchststand von etwa 1,9 Mrd. EUR.

 

3.4.6     Der Elsner-Flöttl-Deal nach den Totalverlusten Ende 2000

[99] Über den Umgang mit dem Totalverlust Ende 2000 werden Elsner und Flöttl eine Vereinbarung getroffen haben. Demnach hat Elsner dafür gesorgt, dass die BAWAG nicht gegen Flöttl vorgeht und die Verluste nicht öffentlich werden. Flöttl darf hinge-gen das verbliebene Restvermögen (8,5 Mio. EUR und 1,4 Mio. EUR) und die Mana-gement-Fees (8,5 Mio. EUR) behalten, muss allerdings die alleinige Verantwortung für die Verluste übernehmen und ebenfalls schweigen. Vor diesem Hintergrund hat Flöttl im Dezember 2000 ein Geständnis unterfertigt, in dem es heißt, dass er die Verantwortung für die Verluste übernimmt und mittellos ist.

 

[100] Flöttl gab im Untersuchungsausschuss an, dass er rund 130 Mio. USD seines Vermögens bei Spekulationen im Rahmen der Karibikgeschäfte und damit einen Großteil seines Vermögens verloren hätte. An die BAWAG hat Flöttl jedenfalls nichts verloren, auch wenn diverse Transaktionen diesen Eindruck erwecken sollten. In Wirklichkeit ist Flöttl aus den Karibikgeschäften trotz der massiven Verluste bis Ende 2000 - den Umständen entsprechend - sehr gut ausgestiegen, da er von der BAWAG auch noch 17,7 Mio. EUR (bestehend aus Restvermögen 7,8 plus 1,4 Mio. EUR und Management-Fees 8,5 Mio. EUR) erhalten hat. Folglich hat Flöttl nach Beendigung der Karibikgeschäfte noch ein gutes Geschäft gemacht.

 

[101] Gute Geschäfte hat Flöttl im Zeitraum 1998 bis 2006 auch mit der Meinl Bank-Gruppe gemacht. Über diese Geschäfte wird in einem brisanten Schreiben der Meinl Bank-Gruppe berichtet, das bei der FMA am 19.05.2006 einging. Dieses Schreiben hat die FMA allerdings weder an die OeNB noch an die Staatsanwaltschaft weiterge-leitet, obgleich es für die laufenden Ermittlungs- und Prüfverfahren wesentliche In-formationen enthält.

 

[102] Insgesamt erscheint es zudem sehr unwahrscheinlich, dass ein erfahrener Portfoliomanager wie Wolfgang Flöttl über fünf Jahre sämtliche ihm anvertraute Gel-der in einen Totalverlust führt. Im OeNB-Zwischenbericht vom 03.05.2006 heißt es dazu (Rz. 45):

„Verlustaudits über „BAWAG-Verluste“ bestehen lediglich über EUR 1.188 Mio. (758 + 430). Die Differenz auf das Gesamtobligo von EUR 613 Mio. (EUR 1.801 minus 1.188) ist vollkommen ungeklärt. Es besteht daher, insbesondere im Hin-blick auf die aufklärungswürdigen Vorgänge, die durch das zweite Andersen-Verlustaudit zutage getreten sind, der Verdacht, dass es zu Malversationen ge-kommen ist.“

 

Auch vor diesem Hintergrund hätte die FMA das Schreiben über die Geschäftsbezie-hungen zwischen der Meinl Bank und Flöttl umgehend an die Staatsanwaltschaft und die FMA weiterleiten müssen.

 

3.5    Exkurs: Das sogenannte Meinl-Papier

[103] Am 18.3.2006 wurde in einem Artikel der Tageszeitung "Die Presse" über Ver-bindungen zwischen der Meinl Bank und Dr. Wolfgang Flöttl berichtet. Auf Basis die-ser Berichterstattung stellte N.N., der seit Februar 2006 zuständi-ger Sachbearbeiter für die Meinl Bank in der FMA ist, eine Anfrage an die Meinl Bank über ihre Geschäfte mit Dr. Wolfgang Flöttl. Am 19. Mai 2006 antwortete die Meinl Bank und berichtete über diverse Millionengeschäfte zwischen der Meinl Bank Grup-pe und Dr. Wolfgang Flöttl zur Finanzierung von Immobilien, Flugzeugen und Speku-lationsgeschäften (dieses Schriftstück wurde in Folge öffentlich als „Meinl-Papier“ bezeichnet): Zeitlich parallel zu den sog. Karibikgeschäften der BAWAG und auch noch im Jahr 2006 fanden Transaktionen zwischen der Meinl Bank und Dr. Flöttl statt. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass zwar die Kredite der BAWAG an Flöttl im "Totalverlust" endeten, die Kredite der Meinl Bank Gruppe teilweise zeit-gleich – ohne Wertberichtigungsbedarf - zurückgeführt wurden bzw. sogar nur weni-ge Tage nach Auffliegen das BAWAG-Skandals offene Kredite vorzeitig getilgt wer-den konnten.

 

[104] Einige Tage vor dem Einlangen des Schreibens der Meinl Bank Gruppe an die FMA legt die österreichische Nationalbank ihren Zwischenbericht zur BAWAG vor; im Rahmen der Gemäldeverwertungen Flöttls gab es Verbindungen zwischen BAWAG, Flöttl und der Meinl Bank. Dargestellt. Die OeNB wirft in diesem Bericht die Frage auf, ob Flöttl tatsächlich mittellos (wie bis dahin behauptet) ist und sucht aktiv Flöttl-Firmen bzw. Geschäften von Dr. Flöttl. Die OeNB und auch die Staatsanwaltschaft erlangen von dem sog. Meinl Papier vor dessen öffentlichem Bekanntwerden keine Kenntnis und dies, obwohl N.N. das Schreiben der Meinl Bank Gruppe vom 19. Mai 2006 innerhalb der FMA weiter leitet.

 

[105] Die FMA beauftragt als Konsequenz dieses Papiers keine Vor-Ort-Prüfung der Meinl Bank, sondern lädt zu einer Videokonferenz mit den Vorständen der Meinl Bank am 26. Juli 2006.

 

[106] Dieser Sachverhalt erhält durch das öffentlich bekannte Naheverhältnis des ehem. Bundesministers für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser zu Julius Meinl V eine schiefe Optik. Offensichtlich wurde hier versucht, die Verbindungen zwischen dem Bundesminister a.D. Karl-Heinz Grasser, Flöttl und Meinl zu verbergen.

3.6    Bilanzierungsprobleme und ÖGB-Garantie

[107] Nach den Verlusten Ende 2000 bereiteten Elsner und Zwettler eine Bilanz vor, in der sie auch diese Verluste durch Auslagerungen und Stiftungskonstruktionen ver-schleiern wollten. Allerdings widersetzten sich Büttner, Kreuch und Schwarzecker. Sie vermuteten die BAWAG in akuter Insolvenzgefahr und weigerten sich, die Bilanz zu unterfertigen. Auch das von Wirtschaftsprüfer Dr. Reiter vorgelegte „Modell zur Bereinigung“ blieb erfolglos.

 

[108] In dieser Situation half der Aufsichtsratsvorsitzende Weninger, indem er ÖGB-Garantien unterschrieb. Am 07.02.2001 unterfertigten Weninger und Verzetnitsch eine ÖGB-Garantie für die BAWAG; sie verfügten damit über das gesamte Vermö-gen des ÖGB und seiner Tochtergesellschaften, um für die Verluste aus den Karibik-geschäften zu haften. Die Vorstände, insbesondere Elsner und Zwettler, blieben trotz der existenziellen Verluste der BAWAG im Amt. Es sollte auch weiterhin Stillschwei-gen bewahrt werden.

Auf der Grundlage der ÖGB-Garantien erstellte der Vorstand die Bilanz für das Jahr 2000; Dr. Reiter testierte, und alle Vorstandsmitglieder unterschrieben. Niemand mel-dete die Garantie dem Aufsichtsrat oder der Bankenaufsicht, und auch im ÖGB war außer Weninger und Verzetnitsch niemand informiert.

 

[109] Verzetnitsch erklärte, dass er erst 2001 im Zuge der ÖGB-Garantie von den Karibikverlusten erfahren habe. Hingegen erklärte Elsner im Untersuchungsaus-schuss, ihn bereits 1998 informiert zu haben. Im Ausschuss konnte dieser Sachver-halt nicht abschließend geklärt werden.

3.7    Verlustverschleierung nach 2000

[110] In den folgenden Jahren wurde versucht, durch diverse Maßnahmen und Kon-struktionen (Umstrukturierungen bzw. Konstruktionen bei Stiftungen, Krediten und Abschreibungen; entsprechende Bewertungen im Liegenschafts- und Beteiligungs-bereich; Erlöse aus anderen Geschäften) die Verluste zu verschleiern und das Obli-go unter dem Schirm der ÖGB-Garantie sukzessive zu verringern.

 

[111] Insgesamt ist ein völliges Versagen sämtlicher interner Kontrollinstanzen der BAWAG fest zustellen, das durch das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichts-ratsvorsitzenden, dem Ausschalten interner Kontrollstrukturen und dem Einweihen nur weniger MitarbeiterInnen möglich wurde.

 

[112] Überdies ist auf die fehlende Information bzw. bewusste Falschinformation der Bankenaufsichtsbehörde und der OeNB hinzuweisen. Auch wurden die im Oktober 1994 seitens der Aufsichtsbehörde aufgetragenen organisatorischen Maßnahmen nicht beachtet, wie auch die im OeNB-Bericht vom April 2001 angeführten schweren Mängel nicht beseitigt wurden.

3.8    OeNB-Prüfbericht 2001

[113] Die Prüfung zum OeNB-Bericht 2001 wurde zwischen dem 04.12.2000 und dem 12.02.2001 durchgeführt; es erging kein Zwischenbericht an das BMF, weil – wie die OeNB erklärte – keine Bestandsgefährdung vorlag.

 

[114] Zuvor hatte die Expertenkommission im BMF am 10.12.1998 beschlossen, im Jahr 1999 bei der BAWAG (Bezug nehmend auf die 1994 durchgeführte Prüfung und die damals beschlossenen Maßnahmen) eine „Follow-up-Prüfung“ durchzuführen. Da der Prüfungsplan jedoch 18 Institute, darunter Großbanken sowie anlassbezogene Prüfungen vorsah, war bereits auf eine mögliche Verzögerung hingewiesen worden. Ein Jahr später, am 10.12.1999, stellte die Expertenkommission fest, dass die BAWAG-Prüfung der OeNB auf das Jahr 2000 zurückgestellt werde, um das Ergebnis der Rechnungshof-Prüfung berücksichtigen zu können.

 

[115] Am 24.10.2000 fand ein Managementgespräch mit dem BAWAG-Vorstand sowie Vertreterinnen und Vertretern des BMF und der OeNB über die Übernahme der PSK statt. Dabei wurden Verluste aus den Karibikgeschäften von der BAWAG nicht erwähnt. Von Januar bis März 2001 prüfte der Bankprüfer KPMG und erteilte ein uneingeschränktes Bestätigungsvermerk.

 

[116] Der OeNB-Prüfbericht 2001 wurde mit Schreiben vom 22.05.2001 an das BMF übermittelt und war überaus kritisch. Die OeNB stellte fest, dass mehrere Bestimmungen des BWG verletzt worden waren (im Folgenden die wesentlichen Verstöße):

·   die Strukturen des Risikomanagements entsprachen nicht den Standards einer Bank dieser Größenordnung

·   bei Großveranlagungen wurden die Zustimmungs- und Informationspflichten des Aufsichtsrates nach § 27 BWG verletzt

·   seit 1999 unterblieben die jährlichen Prüfungen der Refinanzierung von Investmentfondgesellschaften (Sondergeschäfte)

·   das interne Kontrollsystem der Tochterunternehmen wurde wegen mangelnder Funktionstrennung kritisiert

·   die Einhaltung des § 42 BWG (Interne Revision) erschien nicht gewährleistet.

 

[117] Am 21.06.2001 erfolgte eine Stellungnahme der BAWAG an das BMF: die Prüfung sei differenziert und konstruktiv verlaufen und man werde die Prüfungsresultate nutzen, um Mängel zu beseitigen. Aufgrund dieser Stellungnahme wurden vom BMF keine weiteren Maßnahmen gegenüber der BAWAG beschlossen und die Prüfung wurde abgeschlossen. Die Befragung der zuständigen Beamten im BMF ergab, dass im BMF keiner der zuständigen Beamten den OeNB-Prüfbericht 2001 wirklich gelesen hatte: sie hatten den Bericht lediglich überflogen. Dabei hat sich jeder auf den anderen verlassen, bis der Akt schließlich noch 2001 eingelegt wurde. Der damalige Finanzminister Grasser hatte dabei  keine Kenntnis des OeNB-Prüfberichtes 2001. Er ließ sich diesen Bericht nicht vorschreiben, wie es unter Finanzminister Lacina noch üblich war. Grasser trägt die politische Verantwortung für diese Vorgänge in seinem Ministerium.

 

[118] Im Zusammenhang des OeNB-Prüfberichtes 2001 wurde im Untersuchungsausschuss am 26.02.2007 Mag. Ittner von der OeNB gefragt, weshalb die BAWAG im Zeitraum 1994 und 2001 nur zweimal geprüft wurde, obwohl die Karibikgeschäfte I bekannt geworden waren. Weiters wurde gefragt, wie die Prüffrequenz bei Großbanken im Zeitraum 1994 bis 2001 war. Mag. Ittner antwortete dem Ausschuss am 07.03.2007 schriftlich, dass die anderen Großbanken (ERSTE, BA CA, RZB und ÖVAG) im Zeitraum 1994 bis 2001 ebenfalls zweimal, eine Bank dreimal gemäß §70 BWG einer Prüfung unterzogen wurden.

3.9    Spaltungs- und Verschmelzungsvorgang BAWAG P.S.K.

[119] Bis zum Jahr 2005 war die P.S.K. eine Tochter der BAWAG. 2005 wurden BAWAG und P.S.K im Zuge von Spaltungs- und Verschmelzungsvorgängen zu einem Kreditinstitut (BAWAG P.S.K.) verschmolzen, das zu 100 % im Eigentum der Anteilsverwaltung BAWAG (AVB) stand. Alle Spaltungs- und Verschmelzungsvorgänge sind laut §  21 BWG bewilligungspflichtig, d. h. es ist Aufgabe der Finanzmarktaufsicht, vor der Bewilligung die entsprechenden Prüfungen vorzunehmen. Aus den im Zuge der Verschmelzung vorgelegten Bilanzen ging hervor, dass die größte Einzelposition in der Bilanz des neue Eigentümers der BAWAG P.S.K., der AVB, ein Kredit bei der BAWAG P.S.K. in der Höhe von  1,5 Mrd. Euro (bei einer Bilanzsumme von 1,8 Mrd. Euro) war. De facto waren die einzigen Sicherheiten der AVB für diesen Kredit bei der BAWAG P.S.K. die Aktien der BAWAG P.S.K.

 

[120] Wirtschaftlich hätte dieser Kredit aus zwei Gründen von der Finanzmarktaufsicht hinterfragt werden müssen:

 

1)Ein Kredit in dieser Höhe, besichert durch die eigenen Aktien, führt im Krisenfall zu einer massiven Beschleunigung des Wertverfalls der Bank, was dann im Frühjahr 2006 nach Aussagen aller Beteiligten (Vertreter der BAWAG, Wirtschaftsprüfer, Nationalbankexperten) auch so eingetreten ist. Durch den Wertverlust der Bank in Folge des REFCO-Vergleichs verringerte sich auch der Wert der Sicherheiten (Aktien der Bank) und somit musste die Bank den Kredit wertberichtigen, was wiederum mit einem Wertverlust der Bank und damit der Kreditsicherheit einherging. Damit wurde eine Dynamik ausgelöst, die schlussendlich die Frühjahreskrise massiv verschärfte.

 

2)Die Finanzmarktaufsicht hätte zu diesem Zeitpunkt die Frage stellen müssen, warum dieser Kredit von Bank an Eigentümer notwendig ist. Im Zuge der Hinterfragung wäre man damals auf die Karibikverluste gestoßen, da alle anderen Erklärungen einer näheren Prüfung nicht standgehalten hätten.

Durch die mangelhafte Prüfung dieses Vorgangs wurde dieses kurze Zeitfenster nicht genutzt, innerhalb dessen sich die Möglichkeit ergeben hat, die Verschleierung der Karibikverluste aufzudecken, mit der Folge, dass der Oktoberkredit an REFCO nicht vergeben worden wäre was zur Maikrise 2006 führte. Durch die fachliche Überforderung der FMA wurde auch eine, in weiterer Folge die Krise verschärfende Konstruktion nicht hinterfragt.

3.10 REFCO-Blitzkredit

[121] Im Oktober 2005 gewährte die BAWAG den REFCO-Blitzkredit. Die BAWAG zahlte REFCO am 10.10.2005 einen Kredit in Höhe von über 350 Mio. EUR aus, der am Vortag  bei einer sonntäglichen Vorstandsberatung unzureichend geprüft worden war. Denn am 07.10.2005 war dem REFCO-Chef Phillip Bennett von REFCO-Gremien bereits Bilanzfälschung vorgeworfen worden, und am 08.10.2005 war ihm die Zutrittsberechtigung zur Firmenzentrale entzogen worden. Trotzdem gewährte der BAWAG-Vorstand den Kredit. In den folgenden Tagen erklärte REFCO, dass die Bilanzen seit 2002 nicht mehr verlässlich seien. Bennett wurde vorübergehend verhaftet. Die REFCO-Aktien brachen ein, die New Yorker Börse nahm REFCO vom Kurszettel. Am Abend des 18.10.2005 wurde die REFCO-Insolvenz erklärt.

 

[122] Die FMA verkündete daraufhin am 21.10. 2005 eine mehrwöchige Sonderprüfung (alle Großkreditvergaben sollten durchleuchtet werden) und leitete drei Wochen später (am 11.11.2005) ein behördliches Ermittlungsverfahren ein. Im November 2005 erklärte Zwettler nach der REFCO-Pleite seinen Rücktritt zum Jahresende.

3.11 Die „neue“ Bank

[123] Am 01.01.2006 wurde Prof. Dr. Ewald Nowotny Generaldirektor der BAWAG und begann sogleich unter schwierigsten Umständen und gegen interne Widerstände die Aufklärung und die Stabilisierung der BAWAG. Nowotny besetzte die Leitung des Restrukturierungsteams, das nach der REFCO-Pleite eingesetzt worden war, neu. Er ließ fragwürdige Vorgänge in der Bank extern prüfen und schützte sich dadurch auch vor internen Täuschungen, insbesondere in Bezug auf die ÖGB-Garantie.

 

[124] Unter schwierigen Umständen wurde ein Vergleich mit den REFCO-Gläubigern erreicht, der die BAWAG vor der Insolvenz bewahrte (zunächst hatten die REFCO-Gläubigern rund 1,3 Mrd. USD von der BAWAG wegen Mithilfe zum Betrug gefordert). Die Bank musste 683 Mio. USD an die Gläubiger und Aktionäre von REFCO zahlen und verzichtete auf alle Forderungen aus dem knapp vor der REFCO-Insolvenz gewährten Kredit von 454 Mio. USD. Zudem werden 30% des Verkaufserlöses der BAWAG den REFCO-Opfern ausbezahlt, falls der Verkaufserlös über 1,8 Mrd. EUR liegt; dieser Teilbetrag ist auf 200 Mio. USD begrenzt. Dazu kommen noch die Honorare der US-Anwälte. Insgesamt kostet der BAWAG-REFCO-Vergleich voraussichtlich etwas mehr als 1 Mrd. EUR.

3.12 Haftung der Republik Österreich

[125] Insgesamt hat Nowotny die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verkauf der BAWAG geschaffen. Im Untersuchungsausschuss wurde Nowotny über den Beitrag der Haftung durch die Republik Österreich in diesen schwierigen Zeiten befragt (Untersuchungsausschuss Finanzmarktaufsicht 13. Sitzung, 14.02.2007, Seite 34f.):

 

Abg. Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP):Herr Generaldirektor, zunächst einmal wirklich ehrliche Gratulation, dass es unter deiner Führung gelungen ist, doch relativ rasch nach diesem fürchterlichen Fiasko von Karibik-Geschäften und REFCO die BAWAG wieder in ruhigere Gewässer zu lenken und auch, wie du selber berichtet hast, in hohem Ausmaß das Vertrauen der Kunden wieder zu gewinnen. Das war ja, glaube ich, wirklich das Hauptanliegen. Gratulation dazu!

Bei dieser Anerkennung deiner Leistung frage ich aber doch: Aus deiner Sicht, welchen Beitrag zur Zukunftssicherung der BAWAG hatten die Rettungsaktion der Bundesregierung und jenes Gesetz, dass wir hier im Parlament beschlossen haben? Das hatte ja wahrscheinlich einen sehr hohen Stellenwert für die Zukunftssicherung. Kannst du da ein paar Worte dazu sagen?“

 

Dr. Ewald Nowotny:Ich stehe nicht an, zu sagen: Natürlich, die Bundesregierung und auch das Parlament, das ja dann das Gesetz beschlossen hat, haben da einen ganz wichtigen Beitrag geleistet, denn wir hatten eine wirklich kritische Phase. Selbst die REFCO-Sache als solche wäre für die BAWAG unangenehm, aber nicht wirklich existenzbedrohend gewesen. Was dann wirklich dramatisch war, war, dass sich dann um den 1. Mai herum ein Banken-Run ergeben hat. … Das war die sichtbare Seite.

Daneben hat es noch eine zweite Seite gegeben, die nicht sichtbar war, aber die vielleicht die noch gefährlichere war: Das war, dass uns Korrespondenzbanken die Linien sperren und wir damit von den anderen Banken quasi abgeschnitten werden. Das war etwas, das hätten wir aus eigener Kraft in Wirklichkeit nicht bewältigen können. Das heißt nicht, dass deshalb die Bank notwendigerweise in der vollen

Existenz gefährdet gewesen wäre, denn es haben sich natürlich zu der Zeit schon andere Interessenten gemeldet, die gesagt haben, wir übernehmen die Bank in Bausch und Bogen so, wie sie ist, aber natürlich zum Schnäppchenpreis. Die Rettungsaktion hat das dann stabilisiert, relativ rasch, also innerhalb einer Woche war dann der Run vorbei. Ich meine, das Geld ist noch nicht zurückgekommen, aber es ist doch eine relativ rasche Stabilisierung erreicht worden.

Ich bin dann wirklich sozusagen international – in Frankfurt, in London, in New York – Klinken putzen gegangen, habe also mit den Banken gesprochen und habe erklärt, was ist los, sodass wir die Linien wieder aufgemacht bekommen haben. Und damit war dann zu erreichen, dass wir die Bank zu einem anständigen Preis verkaufen konnten. Also das war eigentlich der wesentliche Unterschied. Es haben sich sofort Leute gefunden, denn das war jedem klar, die Bank ist ja im Kern eine gesunde und gute Bank. Nur hätten wir sie damals wirklich zur Not, als Notverkauf abgeben müssen, während wir sie dann eben doch ordentlich verkaufen konnten.“

3.13 OeNB-Zwischenbericht 2006

[126] Nachdem Nowotny langsam die Umstände der Karibikgeschäfte und deren Verluste aufklärte, informierte er am 17.03.2006 die FMA und anschließend die Öffentlichkeit (Pressekonferenz am 24.03.2006 gemeinsam mit Weninger und Koren). Am 28.03.2006 erteilte die FMA der OeNB einen Prüfauftrag und am 03.05.2006 lag der OeNB-Zwischenbericht vor.

 

[127] Laut diesem Zwischenbericht wurden  im Zuge der Prüfung folgende Verletzungen des Bankwesengesetzes (BWG), insb. die §§ 27 und 39 betreffend, festgestellt (in Klammern jeweils die Gesetzesstellen, gegen die verstoßen wurde):

 

  1. Eingehen offener Devisenpositionen ohne entsprechende Eigenmittelunterlegung (§ 26 BWG)
  2. Keine angemessene Begrenzung einer Großveranlagung (§ 27 Absatz 1 BWG)
  3. Unvollständige Erfassung und Darstellung der Gruppenmitglieder einer Gruppe verbundener Kunden (§ 27 Absatz 4 BWG)
  4. Fehlende Darstellung der Konditionen in den AR-Anträgen; fehlende Angabe der Gruppenmitglieder in AR-Anträgen; Nichteinholung der Zustimmung des Aufsichtsrates, vielmehr bewusste Irreführung des Aufsichtsrates (§ 27 Absatz 6 BWG)
  5. Überschreitung der Großveranlagungsgrenze (§ 27 Absatz 7 BWG)
  6. Keine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Verpflichteten (§ 27 Absatz 8 BWG)
  7. Ausschaltung der Verwaltungs-, Rechnungs- und Kontrollverfahren, Irreführung der Innenrevision, indem die Geschäfte als beendet dargestellt wurden (§ 27 Absatz 9 BWG)
  8. Rechtsgeschäfte mit dem Eigentümer ohne Zustimmung des Aufsichtsrates (§ 28 Absatz 3 BWG)
  9. Keine jährliche Berichterstattung bezüglich dieser Geschäfte
  10. Keine angemessene Begrenzung des bankgeschäftlichen Risikos aus den Karibikgeschäften; keine Beachtung des Risikogleichlaufs; keine Bedachtnahme auf die Gesamtertragslage (§ 39 Absatz 1 BWG)
  11. Ausschaltung der Verwaltungs-, Rechnungs- und Kontrollverfahren; äußerst mangelhafte bis fehlende Risikoüberwachung; äußerst mangelhaftes bis fehlendes Sicherheitenmanagement (§ 39 Absatz 2 BWG)
  12. Zwischen Juni 2001 und November 2003 Ausnahme der Geschäftsleitung von Prüfungen der Innenrevision; keine Prüfung der Organgeschäfte (§ 42 Absatz 1 BWG)
  13. Unterbleiben von materiellen Prüfungen bzgl. der Sondergeschäfte (§ 42 Absatz 1 BWG)
  14. Im Zusammenhang mit diesem Unterbleiben fehlende Wahrnehmung der Aufgaben der Konzernrevision (§ 42 Absatz 7 BWG)

3.14 Fragebogen RH-UA BAWAG

[128] Noch im März 2006 erteilte der Nationalrat dem Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofes einen umfassenden Prüfauftrag. Zur Vorbereitung auf die Befragungen in diesem Ausschuss wurde im Kabinett Grasser der Fragebogen RH-UA BAWAG verfasst und zur Beantwortung an die FMA und die OeNB gesendet. Dieser „Fragebogen“ beginnt mit drei Zielen und macht damit klare Vorgaben für die Beantwortung:

1. Keine Verfehlungen der Behörden

2. Netzwerk der SPÖ verantwortlich für den Schaden in der BAWAG und im ÖGB – keine Wirtschaftskompetenz

3. ÖVP/BZÖ Regierung rettet die BAWAG und 1,3 Mio. Menschen vor der Pleite.

 

Der Fragebogen wurde von Grassers Kabinettsmitarbeiter, Hans Georg Kramer, verfasst. Sowohl in der OeNB als auch in der FMA ging der Fragebogen an Vertrauensleute Grassers: In der OeNB an Josef Christl und in der FMA an die Vorstände Pribil und Traumüller. Trotzdem erklärten beide FMA-Vorstände zunächst im Untersuchungsausschuss, das Dokument RH-UA BAWAG nicht zu kennen.

In der FMA wurde der Fragebogen dann von Matthias Klinger für den Vorstand bearbeitet. Am 31.05.2006 wurde eine „erste Ausarbeitung unserer Beantwortung“ an Hans Georg Kramer gemailt, der sogleich  - 44 Minuten später – antwortete:

 „…Bitte bei den Antworten die 3 Instanzen angeben, es kann sie jeder gestellt bekommen

Wenn möglich oder vorhanden einbauen dass die Vorstände in den Managementgesprächen [sic!] nicht nur keine Hinweise auf die Situation machten sondern sogar von einer sehr guten Lage der Bank sprachen…wie werden unseren Plan übertreffen..  usw

Die Verantwortung [sic!] WP mehr herausheben [sic!] …Redepflicht [sic!] gegenüber der FMA“

 

Der Fragebogen RH-UA BAWAG und der Umgang damit zeigt, wie Grasser sein Amt als Finanzminister missbrauchte, die FMA und die OeNB für seine politischen Zwecke vereinnahmte und sich Informationen beschaffte. Grasser nennt den Fragebogen sein „Recht auf Selbstverteidigung“ (APA0234 5 WI 0279 II vom 03.03.2007). Ob er als Bundesminister für Finanzen ein solches Recht in diesem Ausmaß hatte, prüft zurzeit die Staatsanwaltschaft.

3.15 Großkreditevidenz (GKE)-Abfrage zum SPÖ-Obligo

[129] Der Fragebogen RH-UA BAWAG ist ein dokumentierter Beleg dafür, wie Grasser die FMA politisch vereinnahmt hat. Ebenso hat sich der frühere Bundesminister für Finanzen bei der FMA in Wahlkampfzeiten offenbar Informationen zum SPÖ-Obligo bei der BAWAG - und damit Informationen über den politischen Gegner - beschafft.

 

[130] Ausgangspunkt ist ein Artikel über die SPÖ-Kredite bei der BAWAG in der Tageszeitung ÖSTERREICH vom 01.09.2006. Darin wurden konkrete Zahlen über Verbindlichkeiten der SPÖ bei der BAWAG veröffentlicht. Demnach lag der Kontorahmen im Juli 1999 bei 3,4 Mio. EUR und wurde im September auf 5,2 Mio. EUR aufgestockt. Weiter wurde berichtet, dass die SPÖ im Juli 2000 einen Kredit in Höhe von 4,4 Mio. EUR erhielt, der im Jahr 2003 auf 7,5 Mio. EUR aufgestockt wurde. Als Quelle wurden BAWAG-Vorstandsprotokolle genannt.

 

[131] Am 11.09.2006 sandte der Rechtsanwalt der SPÖ, Dr. Gabriel Lansky, einen Brief an die OeNB und an die FMA mit der Aufforderung, diesen Informationsfluss aufzuklären. Die OeNB antwortete auf diesen Brief, sie habe keine Informationen an die Presse weitergeleitet. Mag Andreas Ittner von der OeNB erklärte am 26.02.2006 im Untersuchungsausschuss, dass die OeNB den Vorgang intern sofort untersucht habe, und dass diesbezüglich ein Aktenvermerk vorliege. Laut diesem Aktenvermerk der OeNB haben drei FMA-Mitarbeiter am 22.08.2006 (von 10:15 bis 13:55 Uhr) und am 23.08.2006 (von 11:04 bis 15:28 Uhr) insgesamt 258 Großkreditevidenzabfragen zum SPÖ-Obligo durchgeführt und in Excel-Sheets transponiert.

 

[132] Die FMA-Vorstände Traumüller und Pribil bestritten vehement, dass die in ÖSTERREICH veröffentlichten Informationen über die SPÖ-Kredite aus der FMA gekommen seien. Zudem würden der FMA die im Zeitungsartikel zitierte Datenquelle, die BAWAG-Vorstandsprotokolle, gar nicht vorliegen. FMA-Vorstand Pribil erklärte diesbezüglich dreimal, dass sich der Artikel in ÖSTERREICH auf Vorstandsprotokolle beziehe, und dass damit kein Hinweis vorliege, dass diese Daten aus der FMA kommen würden (Protokoll U-Banken 16. Sitzung, 2. Tag, Seiten 10 und 12).

 

[133] Am 11.04.2007 berichtete jedoch der für die GKE-Abfragen zuständige FMA-Gruppenleiter, dass er im August 2006 vor dem Hintergrund der Abfrage zum SPÖ-Obligo bei der BAWAG von FMA-Mitarbeiter Dr. Bernd Träxler Auszüge aus zwei BAWAG-Vorstandsprotokollen erhalten habe. Die GKE-Abfragen seien durchgeführt worden, um die Informationen aus den Vorstandsprotokollen über die SPÖ-Kredite zu vervollständigen. Die Informationen aus den BAWAG-Vorstandsprotokollen hatte sich die FMA am 11.08.2006 im Wege der Amtshilfe bei der Staatsanwaltschaft in Form von Vorstandsprotokollauszügen besorgt und am 17.08.2006 beim Banken Jour-fixe dem Vorstand zur Kenntnis gebracht. In dieser Sitzung wurde dann die GKE-Abfrage angewiesen (durchgeführt am 22. und am 23. August 2006). Am 24.08.2006 wurden die Ergebnisse der GKE-Abfragen dem Vorstand übergeben.

Und genau diese von der FMA ermittelten Daten, Zeiträume und Quellen (Vorstandsprotokolle) wurden später in der Zeitschrift ÖSTERREICH veröffentlicht. Die FMA hatte nach Erscheinen des Artikels keine interne Prüfung durchgeführt, allerdings trotzdem der SPÖ mitgeteilt, dass die Informationen nicht aus der FMA kommen. Die Beschaffung der BAWAG-Vorstandsprotokollauszüge sowie die 258 GKE-Abfragen zum SPÖ-Obligo bei der BAWAG seien routinemäßig im Rahmen der BAWAG-Prüfung erfolgt. Allerdings findet sich genau zu diesen Vorgängen kein einziger Eintrag in dem von Träxler geführten BAWAG-Tagebuch der FMA, während allerdings Telefonate und Beschaffungsvorgänge genau dokumentiert sind.

3.16 Datenschutzanforderungen in der FMA

[134] Vor dem Hintergrund der GKE-Abfragen zum SPÖ-Obligo wurde eine beteiligte FMA-Mitarbeiterin zu den Datenschutzstandards in der FMA befragt. Sie war in der FMA nicht über Datenschutzmaßnahmen informiert worden. Inhalte des DSG waren ihr nicht bekannt. Sie wurde lediglich technisch eingearbeitet, ansonsten war sie diesbezüglich völlig ahnungslos. So hatte sie weder ein DSG-Seminar besucht, noch konnte sie von entsprechenden internen Richtlinien der FMA berichten. Sie wusste auch nicht, inwieweit Änderungen, Abfragen und Übermittlungen von Daten - im vorliegenden Fall der GKE-Abfragen - protokolliert und dokumentiert werden. Als ihr entsprechende Protokolle der OeNB über ihre GKE-Abfragen vorgelegt wurde, war sie überrascht und erklärte, nicht gewusst zu haben, dass solche Datenlisten von der OeNB erstellt werden. Zudem ist eine andere FMA-Mitarbeiterin, die am 22.08.2006 insgesamt 50 GKE-Abfragen zum SPÖ-Obligo durchgeführt hatte, Sekretärin der FMA und nach dem DSG nicht ausgebildet, solche Abfragen durchzuführen.

 

[135] Auf die Frage, ob die FMA keine Aufzeichnungen darüber führt, wie oft eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Großkreditevidenz abfragen, erwiderte Traumüller (Untersuchungsausschuss Banken am 26.02.2007):

Dr. Heinrich Traumüller: „Also ich hielte das im Sinne des Datenschutzes im höchsten Grade für bedenklich. Ich glaube, dass ein derartiges System überhaupt nicht betrieben oder ausgewertet werden könnte, wenn da nicht vorweg ... – Der Datenschutzrat hat eine ganz klare Aussage getroffen, dass das eine indirekte Überwachung der Mitarbeiter ist. Ich hätte da größte Bedenken.“

 

Traumüller führte auf weitere Nachfragen aus:

„Ihre Frage zielt offenbar auf die Arbeitsweise der Mitarbeiter ab. Und unter dem Gesichtspunkt hätte ich größte Bedenken, meine Mitarbeiter dahin gehend zu überwachen, wie oft sie bestimmte Systeme im Rahmen ihrer Routinearbeit anzapfen. …“

 

[136] Die Äußerungen Traumüller führten zu Irritationen:

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (Grüne): „Ja, aber sind darin nicht sensible Informationen enthalten (Dr. Traumüller: „Gerade deshalb!“), sodass man sozusagen gerade mit solchen Abfragen sehr vorsichtig umgehen sollte“?

Dr. Heinrich Traumüller: „Noch einmal: Ihre Frage, wenn ich Sie richtig verstehe, zielt darauf, ob wir unsere Mitarbeiter überwachen. Und ich verwehre mich dagegen.“

 

[137] Auf die Frage, ob nicht ein Missbrauch im Umgang mit vertraulichen Daten möglich wäre, erklärte Traumüller:

„Das ist eine sehr abstrakte Frage, wenn Sie erlauben. Noch einmal, das ist ein alltägliches Tool, das soll und wird genutzt, routinemäßig, anlassbezogen. Soll ich jetzt Überwachungssysteme einführen? Ich würde wirklich im Vorfeld ein Rechtsgutachten des Datenschutzrates einfordern.“

 

Der FMA-Vorstand Pribil erklärte in diesem Zusammenhang am 28.02.2007 im Untersuchungsausschuss Banken:

Dr. Kurt Pribil: „Darf ich noch etwas sagen, was vielleicht ein bisschen aufklärend noch ist, und zwar zur internen Revision: Wir haben jetzt sogar noch einen zweiten Mitarbeiter und wir legen großen Wert darauf, dass die beiden alle Bereiche und Abteilungen durchforsten, das tun sie auch.“

 

[138] In der FMA werden Datenschutzstandards unzureichend umgesetzt. Auch das Verständnis und der Umgang mit Datensicherheitsanforderungen sind äußerst besorgniserregend. Vor diesem Hintergrund sollte dringend der Datenschutzrat eingeschaltet werden. Ebenso verfügt die FMA offensichtlich nicht über eine ausreichende interne Revision, da die Anstellung eines zweiten Mitarbeiters auch noch besonders hervorgehoben wird. Zudem hat die FMA nach Erscheinen des Zeitungsartikels in ÖSTERREICH keine interne Untersuchung durchgeführt, obwohl die veröffentlichten Informationen exakt jenen Daten entsprachen, die die FMA zwei Wochen zuvor erhoben hatte.

3.17 Indiskretionen der FMA

[139] Im Wahlkampfjahr 2006 ist es zu einer Reihe weiterer Indiskretionen gekommen, die sich auf die FMA zurückführen lassen. In den folgenden Ausführungen werden die wesentlichen Verstöße zusammen gefasst.

 

1. Veröffentlichung des OeNB-Prüfberichtes über den ÖGB

[140] Besonders auffällig ist der Fall über die Veröffentlichung der OeNB-Prüfung beim ÖGB Ende 2006: Die Zeitschrift NEWS veröffentlichte am 23.11.2006 und die Zeitschrift Profil am 11.12.2006 Auszüge aus dem Schlussbericht der OeNB-Prüfung beim ÖGB. Mag. Andreas Ittner von der OeNB erklärte dazu, dass nach den OeNB-internen Prüfungen das Berichtsexemplar des BMF im PROFIL veröffentlicht worden sei. Er konnte jedoch nicht sagen, ob das Exemplar an das Ministerium oder an den Minister persönlich  gegangen sei (16. Sitzung, S. 60 ff.) Aus einem Aktenvermerk der OeNB (vgle. Bericht im STANDARD am 14.03.2007) geht schließlich hervor, dass offensichtlich das Exemplar des Finanzministers im PROFIL veröffentlicht wurde.

 

2. Veröffentlichung eines Dossiers der BAWAG

[141] Am 22.03.2006 übermittelte die BAWAG ein 8-seitiges Dossier an die FMA. Dieses Papier wurde nur der FMA vorgelegt und wurde am 27.03.2006 in der Zeitschrift PROFIL veröffentlicht. Dieses Dossier hat überhaupt nur die FMA erhalten, und deshalb kann auch nur die FMA dieses Dossier weitergeleitet haben - es sei denn, die BAWAG hätte selber dieses Papier an die Öffentlichkeit gebracht, was in Anbetracht des brisanten Inhalts nicht plausibel erscheint. Herr Dr. Traumüller hat dem Untersuchungsausschuss – ohne konkret dazu befragt worden zu sein – erklärt, die FMA hätte noch vor Erhalt  dieses Papiers einen Anruf von der Presse erhalten und erfahren , dass ein Journalist dieses Papier bereits hatte (16. Sitzung, S. 155 ff.).

 

3. Veröffentlichung einer Besprechung zwischen FMA und US-Staatsanwälten

[142] Etwa Ende April 2006 fand in Wien eine Besprechung der FMA mit US-Staatsanwälten in der Causa REFCO statt. An diesen Gesprächen waren nur die FMA und die US-Staatsanwälte beteiligt. Kurze Zeit später berichtet die Zeitschrift NEWS (27.04.2006) und die Zeitschrift PROFIL (28.04.2006) detailliert aus den Akten der US-Staatsanwaltschaft.

 

4. Veröffentlichung des OeNB-Zwischenberichts vom 03.05.2006

[143] In der Zeitschrift NEWS wurde überdies am 18.05.2006 über den kurz vor der Fertigstellung befindlichen Prüfbericht der OeNB berichtet und bereits über verschiedenste Fakten berichtet, die sich erst im Bericht wiederfinden. NEWS hat diesen Zwischenbericht vom 03.05. 2006 dann in einer Sonderbeilage fast komplett abgedruckt.

Über diesen Vorgang liegt ein Innenrevisionsbericht der OeNB vor. Demnach stammt der an die Medien weitergeleitete Bericht mit großer Wahrscheinlichkeit aus der FMA.

 

4      AMIS

4.1    Einleitung

[144] Im Jahr 1991 gründete Dagmar Partik-Wordian die AMV GmbH, eine AMIS-Vorgängergesellschaft. Wolfgang Flöttl  war mit einer Einlage von 1 Mio. USD stiller Gesellschafter. Im Jahr 1998 stieg Flöttl aus, verzichtete allerdings auf seine Einlage, die inklusive Zinsen inzwischen auf 20 Mio. ATS angewachsen war. Als Verzichtsgrund Flöttl gab Partik-Wordian im Untersuchungsausschuss an, dass die AMV GmbH im Falle der Auszahlung insolvent gewesen wäre.

 

[145] Ende der 90er Jahre hätte die AMV GmbH aufgrund wirtschaftlicher Probleme wahrscheinlich keine Konzession für Finanzdienstleistungen erhalten. Daher wurde 1998 die PLB AG gegründet, die später in AMV AG umbenannt wurde. Im Mai 2001 wurde aus der AMV AG die AMIS AG.

4.2    Das Vorgehen der BWA und der FMA

4.2.1     Die Konzessionserteilung an PLB AG/AMIS AG

[146] Die PLB Wertpapierdienstleistungs AG (PLB AG) - später in AMV Asset Management Vermögensverwaltung AG und schließlich im Mai 2001 in AMIS Asset Management Investment Services AG (AMIS AG) umbenannt – erhielt am 08.02.1999 eine Konzession der BWA für die Erbringung von Finanzdienstleistungen. Die Berechtigung umfasst die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen (§ 1 Abs. 1 Z 19 lit. a BWG); die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden (§ 1 Abs. 1 Z 19 lit. b BWG); und die Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb oder zur Veräußerung von einem oder mehrerer der in § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b bis f BWG genannten Instrumente (§ 1 Abs. 1 Z 19 lit. c BWG).

 

[147] Die Konzessionserteilung im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 19 BWG wurde am 16.07.1998 von der PLB AG (von Böhmer, Loidl und Partik-Wordian) beantragt. Dabei wurden der BWA nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Daher forderte die BWA die Konzessionsantragstellerin auf, sämtliche fehlenden Unterlagen, die Voraussetzung für die Erteilung der Konzession sind, nachzureichen.

 

[148] Zu diesem Zeitpunkt war der BWA bereits bekannt, dass die Konzessionsantragstellerin einige der Konzessionsvoraussetzungen nicht erfüllte: So fehlten beispielsweise die berufliche Erfahrung und Qualifikation des Geschäftsleiters Böhmer; an den Geschäftsleiter Glatz zu stellende Anforderungen wurden nicht erfüllt (§ 20 WAG i.V.m. § 5 Abs. 1 Z 13 BWG); ebenso waren die in § 16 Z 1 bis 3 WAG vorgesehenen Organisationspflichten („Mittel und Verfahren“, „Vermeidung von Interessenskonflikten“, „Interne Kontrollverfahren“) nicht erfüllt. Außerdem waren bestehende Kundenverträge bei der AMV GMBH im Wege einer Art „Gesamtrechtsnachfolge“ auf die PLB AG/ AMV AG übergegangen. Dadurch wurden bestehende Kundenverträge verletzt und Kundenvermögen auf die neu gegründete AG übergeleitet. Dafür wurden weder Kundenermächtigungen eingeholt noch wurden gesonderte Verträge der PLB AG/AMV AG mit den Kundinnen und Kunden geschlossen.

 

[149] Trotzdem erteilte die BWA der PLB AG am 08.02.1999 (hinsichtlich der AMIS AG am 29.03.2002) eine Konzession zur Erbringung von Finanzdienstleistungen. Es fragt sich, wie eine Konzessionsbewerberin eine Konzession erhalten kann, ohne alle Konzessionsvoraussetzungen zu erfüllen.

 

[150] Auch die nachfolgenden Prüfungen der BWA kamen zu keinen anderen Ergebnissen und trotzdem genehmigte die BWA am 29.03.2002, dass die Konzession vom 08.02.1999 nach der Umbenennung im gleichen Maße auch für die AMIS AG gilt.

 

4.2.2     BWA-Prüfbericht vom 25.08.1999

[151] Im Mai 1999 erfolgte eine Vor-Ort-Prüfung der BWA bei der AMV AG (die PLB AG war zwischenzeitlich in AMV Asset Management Vermögensverwaltung AG (AMV AG) umbenannt worden). Dabei ergaben sich bereits Fragen zu der Geschäftsleitertätigkeit von Glatz, ohne dass die BWA diesbezüglich Maßnahmen ergriff. Nach § 20 Abs. 1 Z5 WAG i.V.m. § 5 Abs. 1 Z 13 BWG muss der Geschäftsleiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WPDLU) diese Position als Hauptberuf ausüben. Zudem stellte die BWA im Prüfbericht vom 25.08.1999 eine Reihe von Verstößen fest, darunter: Durchführung unzulässiger Bankgeschäfte (Halten von Kundengeld, § 1 Abs. 1 Z 1 BWG); Verstoß gegen die im Konzessionsbescheid vom 08.02.1999 enthaltenen Auflagen hinsichtlich der Vertragsgestaltung mit freien Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen; die Kundenidentität konnte durch die AMV AG nicht immer belegt werden (§ 17 Z 2 WAG); fehlende Kontroll- und Mitteilungsverfahren (§ 16 Z 1-3 WAG); fehlende Grundlagen für die Ermittlung des Eigenkapitals (§ 22 Abs. 2 WAG); Vermittlung von Investmentfondsstrukturen mittleren Risikos bei Kunden und Kundinnen mit geringem Risikowunsch (Wohlverhaltensregeln).

 

[152] Trotz dieser Verstöße wurden die Prüfungen nicht unmittelbar fortgesetzt. Es wurden auch keine Maßnahmen gesetzt, um den gesetzlich vorgesehenen Zustand herzustellen. Stattdessen wurden die Geschäftsleiter mit Bescheid vom 16.11.1999 durch das Magistratische Bezirksamt im 4./5. Bezirk nur wegen des Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Z 1 BWG zu einer Geldstrafe von 22.000 ATS verurteilt.

 

4.2.3     BWA-Prüfbericht vom 17.08.2000

[153] Im Februar 2000 erfolgte in Folge der zuvor beschriebenen Verstöße (Halten von Kundengeld) erneut eine Vor-Ort-Prüfung der BWA bei der AMV AG. Dabei wurden schwerpunktmäßig alle Bankkonten untersucht. Es stellte sich heraus, dass das im vorangegangenen Prüfbericht bereits beanstandete Treuhandkonto bei der Raiffeisenlandesbank NÖ/Wien noch immer bestand, und dass noch immer Kunden und Kundinnen  auf dieses Konto einzahlten, obwohl eben dieser Umstand im November 1999 zur Verurteilung der Geschäftsleiter geführt hatte. Es dauerte in der Folge mehr als 6 Monate bis die BWA am 18.08.2000 die AMV AG aufforderte, das Kundentreuhandkonto 6.615.009 bei der Raiffeisenlandesbank NÖ/Wien  bis zum 30.09.2000 zu löschen. Ansonsten wurden trotz des Vorliegens zahlreicher Verstöße keine weiteren  aufsichtsrechtlichen Maßnahmen ergriffen. Im Folgejahr erfolgte gar keine Vor-Ort-Prüfung bei AMV AG mehr.

Es fällt hier die Passivität der BWA gegenüber AMIS auf.

 

4.2.4     FMA-Prüfbericht vom 06.06.2002

[154] Im Januar 2002 erfolgte die Vor-Ort-Prüfung der FMA bei der AMIS Asset Management Investment Services AG (AMIS AG) – im Mai 2001 war die AMV AG in AMIS AG umbenannt worden.

 

[155] Auffällig ist, dass trotz vorangegangener durchaus kritischer Prüfberichte der BWA die FMA nur noch die offensichtlichsten Versäumnisse feststellte: das Fehlen von schriftlichen Richtlinien hinsichtlich der Offenlegungspflicht von persönlichen Wertpapiertransaktionen von Mitarbeitern; die fehlende Meldepflicht i.S.d. § 21 Abs. 1 WAG i.V.m. § 20 Abs. 5 BWG hinsichtlich der Anteilsübertragung von Partik-Wordian an die MJE Consulting AG sowie (bis Juni 2001) das Fehlen einer Revisionseinrichtung (§ 18 WAG).

 

[156] Zudem wurde detailliert das Prozedere der Depoteröffnung für die Kundinnen und Kunden beschrieben, ebenso der Depotverkauf. Allerdings sind die von den Prüfern beschriebenen Abläufe nicht rechtmäßig, was den Prüfern aber offensichtlich nicht einmal auffiel: es wurden keine entsprechenden Gesetzesverstöße vermerkt.

 

[157] Die FMA-Prüferin Mia Maricic hat am 09.05.2007 im Untersuchungsausschuss außerdem erklärt, dass keine einzige Depoteröffnung geprüft wurde. Ebenso wenig wurde das Halten von Kundengeldern geprüft. Maricic meinte dazu im Ausschuss, dass im vorliegenden Fall die FMA dafür gar nicht zuständig sei, da es sich um Produkte in Luxemburg handelte. Trotzdem steht im FMA-Prüfbericht 2002, aufgrund „der im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung vorgenommenen Prüfungshandlungen ergeben sich keine Anhaltspunkte, die auf das Halten von Gelder und Instrumenten von Kunden seitens der AMIS hindeuten würden“.

 

[158] Diese Mängel im Prüfbericht sind insbesondere den damaligen Vorständen Pribil und Grünbichler nicht aufgefallen, die den Bericht ebenso unterfertigt hatten.

 

[159] Im Zusammenhang mit AMIS erklärte Pribil am 29.06.2007 im Untersuchungsausschuss, dass man nichts machen könne, wenn die Leute lügen. Diese Aussage bedarf keiner weiteren Kommentierung.

 

4.2.5     Übergang der Konzession an AFC AG

[160] Mit Bescheid der FMA vom 02.12.2002 fand der Übergang der Konzession von der AMIS AG auf die AMIS FINANCIAL CONSULTING AG (AFC AG) statt. Die AFC AG war ein Tochterunternehmen (100%) der AMIS AG. Vor dem Hintergrund der bereits vorliegenden Verstöße gegen WAG und BWG hätte diese Konzessionserteilung bzw. -erweiterung nicht erfolgen dürfen.

 

[161] Insgesamt lagen bis zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung folgende Verstöße vor: Durchführung unzulässiger Bankgeschäfte („Halten von Kundengeld“, § 1 Abs. 1 Z 1 BWG); Verstoß gegen sämtliche im Konzessionsbescheid vom 08.02.1999 enthaltenen Auflagen hinsichtlich der Vertragsgestaltung mit freien Mitarbeitern; die Kundenidentität kann durch die AMV AG vielfach nicht belegt werden (§ 17 Abs. 1 Z 2 WAG); keine bzw. fehlende Kontroll- und Mitteilungsverfahren (Revision, § 16 Z 1-3 WAG); fehlende Grundlagen für die Ermittlung des Eigenkapitals (§ 22 Abs. 2 WAG); Vermittlung von Investmentfondsstrukturen mittleren Risikos bei Kunden mit geringem Risikowunsch (Wohlverhaltensregeln); das Fehlen von schriftlichen Richtlinien hinsichtlich der Offenlegungspflicht von persönlichen Wertpapiertransaktionen von Mitarbeitern; die fehlende Meldepflicht i.S.d. § 21 Abs. 1 WAG i.V.m. § 20 Abs. 5 BWG hinsichtlich der Anteilsübertragung von Partik-Wordian an die MJE Consulting AG; das Fehlen einer Revisionseinrichtung bis Juni 2001 (§ 18 WAG); der ausschließliche Vertrieb AMIS-eigener Produkte (§ 13 WAG); der Risiko-Mix bei bestimmten AMIS-Produkten (§§ 13, 14 WAG); die Revisionstätigkeit durch den Geschäftsleiter Böhmer (§ 16 WAG).

 

[162] Wie aus einem Schreiben der FMA vom 14.08.2002 an die AMIS AG hervorgeht, fanden während des laufenden Konzessionsverfahrens erneut Untersuchungen der FMA bezüglich des „Verdachtes auf Halten von Geldern“ statt. Dieser Verdacht hat sich hinsichtlich eines Kontos der AMIS AG bei der Burgenländischen Anlage & Kredit Bank AG (Konto-Nr. 530 3334 0000) erhärtet. Und trotzdem wurde der AFC AG am 02.12.2002 die Konzession bescheidmäßig mitgeteilt.

 

[163] Weiters bestanden rechtlich fragwürdige vertragliche Beziehungen zwischen der AMIS AG und der AFC AG (100%ige Abhängigkeit der AFC AG von der AMIS AG), über die die FMA im Jahr 2003 eine umfassende Korrespondenz mit der AFC AG führte, ohne allerdings Maßnahmen zu setzen.

 

4.2.6     Fondssuspendierung durch die CSSF im März 2004

[164] Der FMA wurde mit einem Schreiben vom 12.03.2004 der Suspendierungsbescheid der Luxemburgischen Aufsichtsbehörde CSSF nebst deutscher Übersetzung zugestellt. Darin heißt es:

„Die IBL (Investment Bank Luxemburg) kann in ihrer Eigenschaft als Depotbank der SICAV AMIS Funds nicht mit Gewissheit das Bestehen und die tatsächliche Verfügbarkeit der Vermögenswerte bestätigen.“

 

[165] Obwohl die Nichtverfügbarkeit der Vermögenswerte der SICAV AMIS Funds in Luxemburg gemeldet wurde, begann die FMA nicht sofort mit Sonderprüfungshandlungen. Im Jahr 2004 wurde überhaupt keine Prüfung der FMA mehr durchgeführt, obwohl es Anfragen von besorgten Kunden und Kundinnen gab.

 

[166] Erst am 06.12.2004 forderte die FMA die AFC AG zur Stellungnahme auf, allerdings nicht hinsichtlich der Fondssuspendierung in Luxemburg, sondern hinsichtlich des AFC-Produktes „AMIS Vario Invest“. Denn auch bezüglich dieses Produktes lagen der FMA diverse Kundenanfragen vor. Ansonsten verhielt sich die FMA weiterhin passiv.

 

[167] Auch das Aufsichtsjahr 2005 verlief zunächst  - wie schon in den Vorjahren - ohne eigene Prüfhandlungen der FMA gegenüber der AFC AG, obwohl der FMA kritische Kundenanfragen vorlagen. Vielmehr beschränkte sich die FMA auf Fragenkataloge, ohne jedoch jemals substantielle Antworten zu erhalten.

 

[168] Schließlich kam es am 13.03.2005 doch zu einem Managementgespräch. Dies bedeutet, dass die FMA seit der Suspendierung der Fonds in Luxemburg über ein Jahr benötigte, um zumindest ein klärendes Managementgespräch mit der AFC AG zu führen.

 

[169] Erst mit Bescheid vom 21.03.2005 wird von der FMA erstmals die Untersagung der Geschäftsführung durch Böhmer und Mitter angedroht, wenn nicht binnen 14 Tagen der rechtmäßige Zustand hergestellt wird. Die AFC AG muss sicherstellen, dass gemäß §§ 20 Abs. 1 Z 5 WAG i.V.m. § 5 Abs. 1 Z 14 BWG die Hauptverwaltung im Unternehmen selbst eingerichtet wird (Auflösung des Managementvertrages zwischen AMIS AG und AFC AG). Weiter sind die zu erbringenden Finanzdienstleistungen gem. § 13 Z 1 WAG mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesse ihrer Kunden zu erbringen und nach § 16 Z 2 WAG so zu organisieren, dass keine Interessenkonflikte hergestellt werden. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 19 BWG ist bei der Erbringung der Finanzdienstleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 19 lit. A bis c BWG das Halten von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Instrumenten zu unterlassen, so dass die AFC AG niemals diesbezüglich Schuldner ihrer Kunden und Kundinnen werden kann.

 

[170] Bei diesen Bedingungen handelt es sich lediglich um Minimalanforderungen, die allerdings die AFC AG nicht erfüllen kann. So kommt es am 08.04., 22.04., 03.05., 13.05., 03.06., 08.06., 13.06., 01.07. und 20.07. zu Gesprächen, bei denen es vor allem um die Themen Einhaltung der Eigenkapitalbestimmungen und auch das Halten von Geld geht. Durch dieses verzögerte Vorgehen über Monate wird der Anlegerschaden in der Folge deutlich größer. Erst am 31.08.2005 bestellt die FMA einen Regierungskommissär (DDR. Wagner, KPMG) mit sofortiger Wirkung.

 

[171] Am 14.10.2995 erlässt die FMA erneut einen Bescheid, in welchem der rechtmäßige Zustand der AFC AG gem. §§ 24 Abs. 3 WAG i.V.m. § 70 Abs. 4 Z 1 BWG wieder herzustellen ist, indem die AFC AG Maßnahmen setzt, um die drohende Insolvenz abzuwehren, einen Eigentümerwechsel herbeiführt, eine Klärung des prognostizierten Fehlbetrags herbeiführt, der sich aus der Differenz zwischen dem Vermögen des TTM Sicav und des AMIS Funds Sicav einerseits und den Angaben in der Software der AFC/ AMIS AG „Investor“ andrerseits ergibt sowie Mitteilungen über Kunden-Depotstände und –Differenzen.

 

[172] Nach einem Teilbericht der KPMG vom 28.09.2005 erstattete die FMA am 30.09. 2005 eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdachts von amtswegig zu verfolgenden strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der AFC AG und der AMIS AG gemäß § 84 StPO. Die KPMG zeigte in ihrem Teilbericht sämtliche seit Jahren  - insbesondere 2000 bis 2005 - begangenen Verstöße der AFC AG und der AMIS AG gegen WAG und BWG auf, die von der FMA bis dahin entweder nicht erkannt, oder insofern bekannt nicht geahndet worden waren. Die letzte Vor-Ort-Prüfung hatte im Jänner 2002 stattgefunden.

 

[173] Am 13.10.2005 legte die KPMG einen zweiten Teilbericht vor, auf dessen Basis die FMA am 14.10.2005 eine weitere Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattete.

 

[174] Am 07.11.2005 eröffnete das Handelsgericht Wien den Konkurs über die AFC AG. Am 23.12.2005 bezifferte die KPMG den Fehlbetrag des verwalteten Kundenvermögens mit rund 69,9 Mio. EUR. Allerdings geht der Schaden, den die AMIS-Kunden und -Kundinnen erlitten haben, weit darüber hinaus.

4.3    Die Anlegerentschädigung im Fall AMIS

[175] Als Reaktion auf diesen Fehlbetrag traten die geschädigten Kundinnen und Kunden an die  AeW, die „Anlegerentschädigung von WPDLU GmbH“, heran forderten eine Entschädigung.

 

[176] Die AeW ist die einzige nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz eingerichtete Haftungsgesellschaft für Anlegerinnen und Anleger. Derzeit gehören ihr 86 Vermögensverwalter als Gesellschafter an. Die AeW ist verpflichtet, Entschädigungen zu leisten, wenn das entsprechende WPDLU konzessionswidrig gehandelt hat; im vorliegenden Fall, wenn das WPDLU Kundengelder gehalten hat. Im Entschädigungsfall sorgt die AeW für die Einhebung der Beiträge ihrer Gesellschafter, um die Entschädigungsleistungen – höchstens 20.000 EUR pro Anleger - an geschädigte Anleger auszahlen zu können. Die Auszahlung der Entschädigungen durch die AeW muss binnen drei Monaten, in Sonderfällen binnen eines halben Jahres, erfolgen. Für diese Entschädigungszahlungen werden keine laufenden Beiträge eingehoben, sondern jedes AeW-Mitglied muss bei Eintritt eines Entschädigungsfalles Beiträge leisten. Die Beitragsleistungen sind für jeden Gesellschafter mit höchstens 10% seines Eigenkapitals pro Jahr begrenzt, können aber über Jahre laufen.

 

[177] Zudem muss die AeW GmbH Vorkehrungen treffen, um den geschädigten Anlegern unverzüglich (innerhalb von drei Monaten, in Sonderfällen binnen eines halben Jahres) die Entschädigungen auszahlen zu können, §§ 23b Abs. 2, 23c Abs. 1 WAG.

 

[178] Die AeW GmbH hat allerdings keine entsprechenden Vorkehrungen getroffen und verfügt lediglich über ein Eigenkapital in Höhe von 40.000 EUR. Ein Geschäftsführer der AeW GmbH, Dr. Andreas Pascher, erklärte am 15.06.2007 im Untersuchungsausschuss, dass die AeW GmbH im Entschädigungsfall derzeit umgehend auf etwa 5,5 Mio. EUR zugreifen könne (10% des Eigenkapitals der WPDLUs).

 

[179] In der Causa AMIS sah sich die AeW GmbH zu keiner Zahlung an die geschädigten AMIS- Kunden verpflichtet. Die anschließende Klage des AMIS-Sammelklagevereins wurde im letzten Jahr vom Handelsgericht Wien zunächst abgewiesen mit der Begründung, dass sie an die AMIS-Masse gerichtet werden müsse -  und da keine Masse vorhanden wäre, könnten die Anleger nicht entschädigt werden. Die AeW begründete ihre Ablehnung zur Zahlungsverpflichtung u.a. auch damit, dass die Gelder nicht unmittelbar von der AFC AG (dem AeW-Mitglied und Konzessionsträger) gehalten wurden, sondern unberechtigter Weise von der AMIS AG bzw. der verbundenen Gesellschaft TFA selbst.

 

[180] In einem neuen Urteil in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Wien vom 30.04.2007 wurde nun diese Argumentation abgewiesen: In einem Entschädigungsfall müssen die Gelder nicht unmittelbar von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WPDLU) gehalten werden. Es reicht aus, wenn über verbundene Gesellschaften, die wirtschaftlich von dem WPDLU oder den Organen beherrscht werden, ein mittelbares Halten besteht.

 

[181] Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde erwartet, dass die AeW in Revision beim Obersten Gerichtshof geht, und dass dieser das OLG-Urteil bestätigt. Dann hätte die erste Instanz, das Handelsgericht Wien, das mittelbare Halten von Kundengeldern durch AMIS (bzw. verbundene Gesellschaften) feststellen müssen. Und wie bereits ausgeführt wurde, liegen die entsprechenden Belege vor. Anschließend hätte die AeW geschädigte AMIS-Kunden entschädigen müssen.

 

[182] Allerdings hat die AeW GmbH auf die Revision vor dem OGH verzichtet, so dass der Fall nun direkt vor das Handelsgericht Wien kommt. Anschließend kann die Aew GmbH in Berufung vor das OLG Wien und danach in Revision vor das OGH gehen. Die AeW GmbH wird dann – so wird derzeit erwartet – die geschädigten AMIS-Kunden entschädigen müssen. Derzeit wurden 140 bis 165,4 Mio. EUR von rund 10.500 Personen angemeldet.

 

[183] Folglich müssten mindestens rund 140 Mio. EUR von den 86 österreichischen Finanzdienstleistern, die Gesellschafter der AeW sind (bzw. sein müssen: Konzessionsvoraussetzung), an die AeW gezahlt werden. Die WPDLUs müssen pro Jahr lediglich bis 10% ihres Eigenkapitals in den Entschädigungstopf einzahlen, so dass es der AeW GmbH unmöglich sein könnte, die Entschädigungen innerhalb der Frist zu leisten, so dass die AeW möglicherweise Insolvenz anmelden müsste.

 

[184] Vor diesem Hintergrund teilte Pascher und  Mag. Johannes Gotsmy, der zweite Geschäftsführer der AeW GmbH, im Untersuchungsausschuss mit, dass die AeW GmbH seit 2006 (Geschäftsjahr 2005) von den Wirtschaftsprüfern nur noch ein eingeschränktes Testat erhalten hat.

 

[185] Wenn die Insolvenz eintreten würde, hätte Österreich keine funktionierende Anlegerentschädigungseinrichtung, die jedoch laut EU-Richtlinie 97/9/EG zwingend erforderlich ist. Für WPDLUs ist die Mitgliedschaft in einer „funktionierenden“ Anlegerentschädigungseinrichtung eine wesentliche Konzessionsvoraussetzung, so dass die Konzession zum Betrieb des Finanzdienstleistungsgeschäfts „erlischt“, wenn ein WPDLU nicht mehr Mitglied ist (§ 23 b Abs. 1 WAG).

 

[186] Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, warum die WPDLUs einen dreistelligen Millionenbetrag für das Versagen der FMA zahlen sollten. Zudem könnten einige WPDLUs durch die hohen Zahlungen an die AeW GmbH insolvenzbedroht sein.

 

[187] Außerdem laufen diesbezüglich Staatshaftungsverfahren gegen die Republik Österreich – zusätzlich zur Entschädigung durch die AeW. In diesen Staatshaftungsprozessen werden zusätzliche Forderungen in Höhe von etwa 50 bis 60 Mio. EUR (inklusive anfallender Zinsen) gegen die Republik Österreich erhoben. Diese ergeben sich aus Klagen geschädigter AMIS-Kunden und -Kundinnen, die mehr als 20.000 EUR verloren haben, sowie aus möglichen Ansprüchen der AMIS-Franchisenehmer.

 

[188] Nach derzeitigen Berechnungen ergibt sich ein Gesamtschaden in Höhe von etwa 215 Mio. EUR. Dieser hätte verhindert werden können, wenn die FMA ordnungsgemäß geprüft hätte.

5      Hypo-Alpe-Adria Bank (HAAB)

5.1    Sachverhalt

[189] Am 30. März 2006 wurde das Testat der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte betreffend die Bilanz 2004 der Hypo-Alpe-Adria Bank (HAAB), durch Mitteilung an die Finanzmarktaufsicht per Fax zurückgezogen. Diesem Rückzug des Testats schloss sich die Wirtschaftsprüfungskanzlei Confida - Klagenfurt, welche in gemeinsamer Verantwortung und Haftung das Testat ausgestellt hatte, an. Dieser Vorfall wurde durch eine Indiskretion bzw. Weiterleitung den Medien am selben Tag zugespielt (siehe Kronenzeitung vom 30. März 2006). Der Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Kulterer, der zu diesem Zeitpunkt in Zagreb war, erfuhr um 15:30 Uhr vom Testatsrückzug.

Am Abend des 30. März 2006 wurde Mag. Ronald Laszlo von der OeNB darüber informiert, dass er mit der Vor-Ort-Prüfung von der FMA beauftragt werde.

5.2    Chronologie - Ursache und Ereignisse betreffend Testatrückzug bzw. „Swap“-Verluste

[190] Anlass für die Vorgänge rund um den Rückzug des Testats waren „Wechselkurswetten“, die in der Öffentlichkeit als Swap-Verluste bezeichnet wurden, im Bereich der  Treasury-Abteilung durch Christian Rauscher.

Der zuständige Treasury-Vorstand Dr. Kulterer begründet diese Nicht-Information folgendermaßen.

[191] Dr. Wolfgang Kulterer: „Bei einem gesamten Swap-Volumen von 9 Milliarden, das sind 60 Prozent der Bilanzsumme – Sie wissen, dass andere österreichische Banken das Doppelte und mehr an Swap-Volumen auf der Bilanzsumme fahren –, war für mich klar, dass das 3 Prozent des Swap-Volumens sind. Im Gegenzug hatten wir zu dem Zeitpunkt aber auch sehr positive Marktwerte. Es ist ein kleiner Teil davon in die negative Bewertung gerutscht – aus Gründen, die ich hier nicht näher erläutern kann und auch nicht will, weil es Teil eines Verfahrens ist –, aber es stand auch ein großes Volumen von positiven Swaps gegenüber. Daher gab es für mich zu dem Zeitpunkt eigentlich diesbezüglich keine Krisensituation.“ (36. Sitzung, Seite 9)

[193] Mag. Ronald Laszlo: „Wenn Sie erlauben, würde ich gleich auf die Situation von 2006 überleiten. – Diese ist insofern differenziert zu beurteilen, als zum einen Verbesserungsmaßnahmen, muss man einräumen, gemacht wurden. Das war insbesondere im Bereich der Risikomessung auch der Fall. Also die Hypo hat in dieser Übergangszeit auch ein Projekt gemacht. Das hat sich Total Bank Management genannt. Und da war ein Modul davon, dass man die lange urgierten und eigentlich bis 2006 nicht vollständig umzusetzenden Empfehlungen, Auflagen oder Defizite, die einerseits durch vorhergehende Prüfberichte, aber auch durch die hausinterne Revision als auch durch ein Outsourcing-Projekt mit einem Sachverständigen festgestellt wurden, nachzieht. Und da ist einiges passiert. Aus unserer Sicht zu wenig. Wo ist viel passiert? – In der Bepreisung der Finanzprodukte. Also 2006 hat die Hypo den überwiegenden Teil ihrer Strukturen, die sie im Buch hat, dann auch tatsächlich richtig bewerten können. Davon haben wir uns vor Ort auch ein Bild gemacht. Und das ist so: Was die Hypo 2006 nach wie vor nicht hatte, war ein Produkteinführungsprozess.“ (30. Sitzung, Seite 76)

[197] Dr. Othmar Ederer: „Er habe am 19. Mai 2005 erstmals eine Information vom Vorstandsdirektor Dr. Kulterer über ein „Treasury-Problem“ erhalten. Der Vorstand der Hypo habe sich dann mit dem Präsidium des Aufsichtsrates, also Dr. Moser und ihm beraten. Im Vordergrund habe die Frage gestanden, wie solle es weitergehen. Nach Klärung der Sachlage (Was sei den eigentlich passiert?) folgten eine Problemlösungsanalyse, deren Detaillierung  vom Vorstand schriftlich eingefordert worden sei. Diese langte beim Präsidium des Aufsichtrates am 29. Juni 2005 ein. Meine Frage an VD Dr. KULTERER, warum einerseits so spät die Information erfolgte und warum auch weiterhin strenges Stillschweigen eingefordert werde, beantwortete dieser so: „Im Sinne der Bank und seiner Eigentümer, damit im Sinne aller Kunden.“. Er sei selbst Vorstand einer Kapitalgesellschaft (Anmerkung: GRAZER WECHSELSEITIGE Versicherung) und wisse um die möglichen  Gewissenskonflikte in einer solchen Situation sehr wohl Bescheid.  Folglich sei das Präsidium des Aufsichtrates aber zur Auffassung gelangt, dass seitens des Vorstandes der HYPO das bestmögliche in der Situation unternommen worden sei.  „SWAP und Gegen-SWAP“ seien als Lösungsansatz akzeptiert worden. Die unterlassene rechtzeitige Information des Präsidiums des Aufsichtrates hingegen als unerfreulich eingestuft worden.“ (Protokoll der außerordentlichen Sitzung der Kärntner Landesregierung am 5. April 2006; Seite 13f)

5.3    Bewertung der beschriebenen Hypo Geschäfte durch die OENB

[198] Mag. Ronald Lazlo: „Wir haben uns bei der Prüfung dann auf diese Produkte konzentriert. Letztendlich handelt es sich bei diesem so genannten strukturierten Swap oder bei dieser geschriebenen Option um ein verhältnismäßig sehr komplexes Finanzprodukt: Sie tauschen eine fixe Zahlung, die Sie aus Sicht der HB Int erhalten, gegen – man kann vielleicht sagen – eine Art Wette, nämlich eine Wechselkurswette, Hintergrund oder ökonomische Motivation eines solchen Geschäftes ist, dass man sich auf die gesamte Laufzeit des Swaps das Funding, die Refinanzierung etwas günstiger als seine tatsächliche Bonität durch diese Finanzstruktur erwirtschaften kann. Auf der anderen Seite haben Sie aufgrund der Wechselkursbewegung die Verpflichtung zu einer Zahlung, die in Perioden wiederkehrend der Fall ist, und das ist abhängig von der Wechselkursentwicklung. Das ist im Falle der Hypo-Finanzstrukturen eine verhältnismäßig komplizierte, also auch giftige Variante gewesen, weil diese Produkte sehr rasch und mit einer hohen Sensitivität in einen negativen Marktwert gedreht sind, oder mit anderen Worten: Die Zahlung, die die Hypo auf Basis der Wechselkursbewegung an die Counterparties zu leisten hatte, ist um ein Vielfaches höher als der mögliche Ertrag, den man sozusagen aus dem Funding lukrieren kann. Also ein nicht wirklich – wenn man es sich genau anschaut – attraktives Investment für die Bank. Aber das hat ja, würde ich meinen, die Historie dann gezeigt.“ (30. Sitzung, Seite 74)

5.4    Bewertung der Prüfvorgänge

[199] Obwohl die OeNB/FMA die Hypo-Alpe-Adria Bank in den Jahren 2001 und 2004 geprüft hat (Prüfberichte und Protokoll – Aussagen Laszlo) wurde die FMA offiziell erst zum Zeitpunkt des Rückzugs des Testats am Nachmittag des 30 März  2006 durch ein Fax der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte informiert. Der Rückzug des Testats erfolgte zuerst von der Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte und in Folge dieses Rückzuges erfolgte dann auch der Testatsrückzug durch die Wirtschaftsprüfungskanzlei Confida.

Dkfm Walter Groier: „Normalerweise wird ein Bestätigungsvermerk zurückgezogen, wenn der Wirtschaftsprüfer feststellt, dass er eine falsche Bilanz testiert hat. Im gegenständlichen Fall ist es auch öffentlich geworden, dass Deloitte, der Co-Prüfer von uns, von sich aus diesen Bestätigungsvermerk zurückgezogen hat. Wir selbst haben diesen Bestätigungsvermerk im Gefolge dieser Maßnahme zurückgezogen, und zwar eher aus Haftungs- und Risikoüberlegungen.“ (30. Sitzung; Seite 4)

[200] Am selben Abend wurde Mag. Ronald Laszlo (OeNB) von der FMA betreffend Rückzug des Testats informiert - ihm wurden der Prüfauftrag und die Leitung übertragen.

Mag. Ronald Laszlo: „Ich habe am 30. ungefähr um 18 Uhr oder 18.30 Uhr erfahren, dass das Testat zurückgezogen wurde, und habe um 21 Uhr dann gewusst, dass ich Prüfleiter in der Hypo Alpe-Adria bin. Wir sind dann am nächsten Tag gegen 8 Uhr schon dort gewesen. Es hat sehr rasch einen Prüfauftrag gegeben, der mittels Fax dann auch an die Hypo übermittelt wurde. Die Prüfung war gleich am nächsten Tag um 8 Uhr. Ich persönlich hatte einen Ansprechpartner in der FMA, das ist der zuständige Abteilungsleiter dort, Herr Dr. Saukel.“ (30. Sitzung; Seite 81f)

[201] Am 31. März 2006 begann um 8:00 Uhr in der Früh die Vor-Ort-Prüfung durch die OENB unter der Leitung von Herrn Mag. Laszlo. Die Information betreffend Rückzug des Testats an den Hypo-Vorstandsdirektor Dr. Wolfgang Kulterer erfolgte ebenfalls am 30 März 2006.

Dr. Wolfgang Kulterer: „Ich habe am 30. März am späten Nachmittag – ich war gerade in Zagreb – um 15.30 Uhr erfahren, dass der Wirtschaftsprüfer Deloitte bei der Finanzmarktaufsicht vorstellig wurde und dort angekündigt hat, das Testat für 2004 zurückzuziehen. In unserem Hause war weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat über dieses Ansinnen informiert. Man war völlig unvorbereitet darauf.
Am selben Abend konnten wir das dann in den Zeitungen lesen, was fatal war, weil man keine Chance hatte, irgendein erklärendes Gespräch zu führen.“
(36. Sitzung; Seite 7)

[202] Aufgrund des Testatsrückzuges wurde Dr. Kulterer am 31. März 2006 durch die FMA zu einem Gespräch vorgeladen.

MMag. Christine Siegl: „Es war zuerst eine Besprechung im großen Kreis, wo beide FMA-Vorstände anwesend waren, dann Vertreter von verschiedenen FMA-Abteilungen, insbesondere auch der Rechtsabteilung, der 3.1, der Wertpapieraufsichtsabteilung. Dr. Göth war dabei, von Confida glaube ich, Herr Groier, Dr. Kulterer, verschiedene Mitarbeiter der Hypo, aber genau weiß ich das eben nicht mehr.“ (30. Sitzung nicht öffentlich; Seite 10)

Dr. Wolfgang Kulterer: „Am nächsten Morgen um 8 Uhr waren wir bei der Finanzmarktaufsicht vorgeladen, um dort zu erklären und die weitere Vorgangsweise abzusprechen. Zu diesem Zeitpunkt war uns auch nicht bekannt, dass bereits ein Prüfungsteam nach Kärnten unterwegs ist und um 8 Uhr mit der Prüfung begonnen hat. Das war ein bisschen chaotisch.“ (36. Sitzung; Seite 7)

[203] Am 21. April 2006, also noch vor Beendigung der Vor-Ort-Prüfung, fand ein Gespräch zwischen dem stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrates und Eigentümervertreter der GRAWE Dr. Othmar Ederer und den Vorständen der FMA Herrn Dr. Kurt Pribil und Herrn Dr. Heinrich Traumüller statt. Bei diesem Gespräch wurde Herrn Dr. Ederer mitgeteilt; dass

„..GL Dr. Kulterer spätestens mit 01.07.2006 aus dem Vorstand ausscheiden sollte…“ (Aktenvermerkt MMag. Siegl vom 26.04.2006; Seite 1)

[204] Dr. Othmar Ederer: „Dann hat man mir sehr klar mitgeteilt, dass aufgrund dieser Vorkommnisse doch massivste Verletzungen seitens des Vorstandes gemäß §39 BWG erhoben worden sind und dass eine Amtsenthebung unvermeidlich sei. Der Vorstand könne dem nur dann entkommen, wenn er von sich aus die Konsequenzen ziehe.“ (35. Sitzung; Seite 62)

[205] Der oben erwähnte Aktenvermerk, welcher von Frau MMag. Siegl unterfertigt wurde, wurde im Nachhinein abgeändert ohne die Unterfertigte davon in Kenntnis zu setzen (Verdacht des Missbrauchs von Unterschriften und der Dokumentenfälschung).

MMag. Christine Siegl: „Zu diesem Aktenvermerk wäre auch anzumerken, dass er nachträglich geändert wurde, ohne dass ich davon Kenntnis hatte. Aber inwieweit diese Änderung erfolgte, ist mir auch nicht bekannt.“ (34. Sitzung; Seite 18)

5.5    Verfahrensrechtliche Verletzungen der FMA:

[206] Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist es unvertretbar, dass die FMA in ein noch laufendes Verwaltungsverfahren eingreift und die Abberufung eines Vorstandes fordert. Zu diesem Zeitpunkt lag noch kein vollständiges Ermittlungsergebnis vor, da die Prüfung vor Ort noch nicht abgeschlossen war. Weiters hatte die Hypo-Alpe-Adria Bank noch kein Parteiengehör gemäß §45 Abs. 3 AVG und §71 Abs.6 BWG erhalten.  Die gegenständliche Vorgangsweise der FMA entspricht nicht den Ansprüchen eines ordnungsgemäßen Vollzuges des BWG und der ordnungsgemäßen Anwendung des AVG.

[207] Bis auf die Vorladung von Herrn Dr. Kulterer durch die FMA am 31 März 2006 wurde ihm als Vorstandsvorsitzender in der Zeit der Vor-Ort-Prüfung kein Gesprächstermin bei der FMA gewährt.

Dr. Wolfgang Kulterer: „Ich habe den nächsten persönlichen Kontakt zur Finanzmarktaufsicht erst am 27. Juli gehabt, als ich dort mit den Eigentümervertretern vorstellig geworden bin und erklärt habe, dass ich zum Schutz der Bank meine Funktion zurücklege. In der Zwischenzeit gab es mit dem Vorstand der Hypo Alpe-Adria Bank keine Kontakte von Seiten des Vorstandes der Finanzmarktaufsicht.“ (36. Sitzung; Seite 7)

Die Weigerung der FMA Gespräche mit dem Generaldirektor Dr. Kulterer und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Moser zu führen wird auch von Dr. Ederer bestätigt.

Dr. Othmar Ederer: „Direkte Gespräche mit Herrn Kulterer und mit Herrn Dr. Moser wurden von der FMA nicht geführt und wurden auch den Personen gegenüber meines Wissens verweigert.“ (35. Sitzung; Seite 96)

[208] Die Vor-Ort-Prüfung wurde vom OeNB-Prüfungsteam durchgeführt und der Prüfbericht wurde von Mag. Ronald Laszlo im Mai 2006 an die FMA übergeben.

Mag. Ronald Laszlo: „Wir haben den Prüfbericht abgefasst – das war ungefähr um den 24. oder 25. Mai – und haben ihn nach der Approbation dann auch dort im Institut übergeben mit einer Frist und Stellungnahme an die FMA: Seitdem habe ich persönlich kein weiteres Feedback dazu erhalten.“ (30. Sitzung; Seite 82)

Am 31. Mai 2006 wurde der OENB-Prüfbericht von der FMA sowohl an die Hypo-Alpe-Adria Bank als auch an die Hypo-Alpe-Adria International übergeben. Nach der fristgerechten Stellungnahme der Hypo-Alpe-Adria Bank verfasste wiederum die OeNB eine Stellungnahme, welche sie an die FMA übermittelte.

Mag. Ronald Laszlo: „Dann haben wir die Stellungnahme kommentiert, weil es den einen oder anderen kontroversiellen Punkt gegeben hat – und haben unsere Stellungnahme an die FMA übermittelt. – Das ist jetzt kein Vorwurf, aber: Faktum ist, dass ich dann mit etwaigen behördlichen Maßnahmen et cetera nicht mehr konfrontiert wurde.“ (30. Sitzung; Seite 83)

 

[209] Unterlassung von dringenden behördlichen Maßnahmen:

Obwohl im OeNB-Prüfbericht gravierende Mängel im Risikomanagement der Bank festgestellt wurden, fand bis zum heutigen Tag keine Schlussbesprechung der FMA mit der Hypo-Alpe-Adria Bank betreffend Konsequenzen und behördliche Maßnahmen statt. D.h., die Behörde hat nach über einem Jahr nach Übermittlung des OeNB-Prüfberichtes das Kreditinstitut nicht beauftragt, die gravierenden Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Begründung: Die FMA-Abteilung Off-Site-Analyse hat keine Stellungnahme an die FMA-Behördenabteilung übermittelt, aufgrund dessen ein Verfahren geführt hätte werden können (nach Aussage Siegl).

5.6    Eingriff der FMA in die Bilanzierung 2004:

[210] Mit dem Datum 19. Mai 2006 erließ die FMA einen Bescheid, in dem festgelegt wurde, dass die Bilanz 2004 bis 30. Mai 2006 neu zu erstellen sei. Die Hypo-Alpe-Adria Bank erarbeitete eine Variante der Bilanzierung für die Bilanz  des Jahr 2004, die den Jahresgewinn von ursprünglich 172 Millionen Euro auf 68 Millionen Euro reduzierte. Diese Variante wurde im Aufsichtsrat diskutiert und mit den Wirtschaftsprüfern besprochen.

Dr. Wolfgang Kulterer: „Der gesamte Aufsichtsrat, der Vorstand und beide Wirtschaftsprüfer wären eigentlich hinter dieser Bilanzierung gestanden.“ (36. Sitzung; Seite 8f)

Dr. Wolfgang Kulterer: „Dr. Ederer fragt ein weiteres Mal, ob die Wirtschaftsprüfer auch die vom Vorstand vorgelegte Bilanz 2004 mit einem positiven EGT im Konzern von rund 68 Millionen testiert hätten. Dies wird sowohl von Groier, Vertreter von Confida, als auch vom Grundsatz von Spitzer, Vertreter von Deloitte, bejaht. Spitzer führt erläuternd aus – weil ja ein Mitglied von Deloitte hier die Verhandlungen geführt hat –, dass seitens Deloitte keine endgültige Aussage zu den angesprochenen Zahlen getroffen werden könne – weil die Prüfung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war –, Spitzer betont jedoch ausdrücklich, dass auch seitens Deloitte die von der FMA abgelehnte Umwidmung von Derivatpositionen unterstützt worden wäre. – Zitatende.“ (36. Sitzung; Seite 8)

[211] Diese Bilanzierungsvariante wurde von der FMA abgelehnt und die Hypo-Alpe-Adria Bank musste eine Bilanzierungsvariante anwenden, die aus Sicht der Hypo zu einem Minus von 99 Millionen Euro in der Bilanz führte.

Dr. Wolfgang Kulterer: „Da die Gespräche zwischen Vorstand und FMA auch in dieser Angelegenheit nicht möglich waren, wir aber erstens den Zwang hatten, bescheidmäßig zu bilanzieren – aufgetragen von der FMA –, und es zweitens unzumutbar war, die Bank weiterhin mit einer offenen Bilanz stehen zu lassen – weil man ja am Kapitalmarkt komplett blockiert ist – war es eine untragbare Situation. Daher mussten wir – das sage ich auch ganz offen – in die Knie gehen und die minus 99 Millionen akzeptieren.“ (36. Sitzung; Seite 8)

5.7    Verweigerung bzw. Verzögerung der FMA betreffend Akteneinsicht für die Vertreter der HAAB

[212] Die FMA erteilte zwar keinen Bescheid betreffend Verweigerung der Akteneinsicht, dennoch ist augenfällig, dass diese, entgegen den Bestimmungen des §17 AVG, behindert bzw. verzögert wurde.

Die Hypo-Alpe-Adria Bank stellte über ihre Anwälte mehrere Anträge auf Akteneinsicht. Diese Akteineinsicht wurde dem Rechtsvertreter der Hypo-Alpe-Adria Bank International, DDr. Laurer, unter anderem mit der Begründung verweigert, dass DDr. Laurer nur eine Vollmacht der Hypo-Alpe-Adria Bank International hätte und nicht auch der Tochterbank (HBA) und dass diese beiden Akten innerhalb der FMA gemeinsam geführt werden. Auch nach der Vollmachterteilung an Herrn DDr. Laurer durch die Tochterbank wurde die Akteneinsicht nicht gewährt.

Mailverkehr zwischen dem Abteilungsleiter der FMA Dr. Oliver Schütz und MMag. Christine Siegl vom 21. April 2006 – Bezug nehmend auf das Ansuchen von Herrn DDr. Laurer auf Akteneinsicht:

„Zur Info! Aus meiner Sicht muss der erstmal präzisieren, was er will – und dann kriegt er einen Termin (der von uns bestimmt wird) – wir gehen auf solche Geschichten in der Form sicher nicht ein, LG Oliver!“

[213] Nach mehreren Anträgen auf Akteneinsicht und der Ankündigung der FMA die Akten via Fax oder E-Mail durchzuführen (dies wurde von Seiten der FMA für den 5. Mai 2006 in Aussicht gestellt), reichte die Hypo-Alpe-Adria Bank Int. am 5. Mai 2006 ohne Kenntnis über den Akteninhalt eine Stellungnahme bei der FMA ein. Sie behielt sich allerdings vor, nach gewährter Akteneinsicht eine neuerliche Stellungnahme abzugeben.

5.8    Einstellung des Verfahrens gegen die Vorstände der HAAB

[214] Von Seiten der FMA wurde mit Schreiben vom 19. Mai 2006 (GZ FMA KI23 5155/0042-BEH/2006) ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 I.V.m. § 5 Abs. 1 Z 7 BWG gegen die Vorstandsmitglieder  Dr. Wolfgang Kulterer, Mag. Günther Striedinger und Thomas Klaus Morgl eingeleitet. Den drei Vorständen wurden Verfehlungen gemäß § 63 Abs. 4 BWG vorgeworfen. Bei Dr. Kulterer kamen noch Verfehlungen gemäß § 39 Abs. 1 und 2 hinzu. Dieses Verfahren wurde im August 2006 von Seiten der FMA eingestellt.

MMag. Christine Siegl: „Ich war der Überzeugung, dass die Einstellung des Verfahrens in Bezug auf Dr. Kulterer deswegen notwendig war, weil er von sich aus zurückgetreten ist. In Bezug auf Mag. Striedinger war es das Gleiche, und in Bezug auf Mag. Morgl war es einfach im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und im Rahmen des Ermessensspielraumes und der Angemessenheit meines Erachtens verfahrensrechtlich die richtige Entscheidung.“ (30. Sitzung nicht öffentlich; Seite 5)

[215] Laut MMag. Siegl wurde das Verfahren gegen Dr. Kulterer mit dem Hinweis eingestellt, dass

„… sollte Dr. Kulterer sich einmal wider als Geschäftsleiter einer Bank bewerben oder würde eine derartige Anzeige an die FMA ergehen, dann wäre an den damaligen Verfahrensstand anzuknüpfen und allenfalls das Geschäftsleiterqualifikationsverfahren fortzusetzen.“ (30. Sitzung nicht öffentlich; Seite 8)

 

[216] Kein Verfahren gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Moser und den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Ederer

Das Aufsichtsratspräsidium hätte nach Informationen durch den Vorstand über die Verluste unmittelbar den Aufsichtsrat informieren müssen, da der Vorstand den Verpflichtungen des § 81 AktG nicht nachgekommen ist. Das Aufsichtsratspräsidium hat nach der Information über die Verluste gewusst, dass es Probleme mit der beschlossenen Bilanz gibt, dass Bonus-Zahlungen an den Vorstand aufgrund falscher Ertragszahlen geflossen waren, und dass die Wirtschaftsprüfer von den Verlusten nicht informiert sind. Aufgrund dieser Umstände hätte die FMA ein Verfahren gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden, der auch als Bankprüfer tätig ist, einleiten müssen. Ebenso hätte ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gegen den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, der Generaldirektor einer von der FMA beaufsichtigten Versicherung ist, eröffnet werden müssen.

6      MobilTel

6.1    Erstverkauf 2002

[217] Die bulgarische MobilTel EAD – der größte GSM-Konzern des Landes – war bis 2002 im 100-prozentigen Besitz der Off-Shore-Firma EMTF. EMTF wurde damals dem Geschäftsmann Mikhail Chernoy[7] zugeschrieben, der Aufgrund des Verdachts auf Bestechung bulgarischer Regierungsbeamter im Jahr 2000 mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in Bulgarien belegt wurde. Aufgrund der physischen Abwesenheit des Eigentümers Chernoy verselbständigte sich das Management der ersten und zweiten Ebene – „Enteignung“ und Missmanagement waren die Folge. Als die bulgarischen Behörden aufgrund der Eigentumsverhältnisse mit einem MobilTel-Lizenzentzug drohten, war Chernoy gezwungen -  zumindest offiziell – zu verkaufen. Im Wiener Geschäftsmann Martin Schlaff fand Chernoy einen Partner, um den „Verkauf“ darzustellen. Im Jänner 2002 wurden 100% der MobilTel, um 680 Millionen USD[8] an die Mobiltel Holding GmbH verkauft.

[218] Beteiligt an der Mobiltel Holding GmbH waren zu 15 Prozent die BAWAG, zu 25 Prozent Mag. Martin Schlaff mit seiner MS Privatstiftung (MS-PS) sowie mit je 15 Prozent Dr. Josef Taus, die Management Trust Holding AG (MTH – ebenfalls Taus zuzurechnen) sowie die Cordt & Partner Management und Finanzierungs Consulting GmbH (Firmenbuch FN218020v). Die Mobiltel Holding GmbH fungierte gemäß Aktenlage ausschließlich als Treuhänderin für die MS Privatstiftung bzw. als Vehikel zur offiziellen Abwicklung der Transaktion. Dr. Josef Taus, Mitgesellschafter bei der Mobiltel Holding GmbH, bestätigte die reine Treuhänderfunktion im parlamentarischen Untersuchungsausschuss:

Dr. Josef Taus: „Diese Mobiltel Holding war der Treuhänder für die MS-Stiftung.“[9] (38. Sitzung, Seite 6)

Finanziert wurde der Ankauf zu 100 Prozent von der BAWAG durch einen Lombardkredit an die MS-PS in Höhe von rund 700 Mio. USD. Die MS Privatstiftung überwies das Geld direkt an ein EMTF-Konto bei der BAWAG.

[219] Gegenüber den bulgarischen wurde – juristisch korrekt - dargestellt, dass die MobilTel über die Mobiltel Holding GmbH direkt in den Besitz der österreichischen Investorengruppe überging. Der entsprechende Kreditantrag der BAWAG bestätigt, dass die MobilTel Holding GmbH in Bulgarien offiziell als Käuferin auftreten soll, da der Erwerb durch die bulgarischen Behörden (u.a. der Fernmeldebehörde, Finanzministerium) genehmigungspflichtig war. Gegenüber den österreichischen Behörden wurde die Treuhandschaft der MobilTel Holding GmbH offen gelegt, gegenüber den bulgarischen Behörden jedoch nicht.

 [220] Die damalige Darstellung gegenüber den bulgarischen Behörden war, dass Chernoy gänzlich aus der MobilTel verschwunden sei – aus heutiger Sicht erscheint dies als wenig glaubwürdig. Erstens: Im finanztechnischen Sinn wurde das Geld zwar an die die EMTF überwiesen, 530 Mio. USD wurden jedoch als Bardepot zur Besicherung des MS-PS-Kredites bei der BAWAG hinterlegt – die EMTF bzw. Chernoy hatte damit kein unmittelbares Verfügungsrecht über 78 Prozent des MobilTel-Kaufpreises. Als Sicherheit für den Rest des Kredites verpfändete die Mobiltel Holding GmbH bzw. in Wirklichkeit die MS-PS die Anteile an der bulgarischen MobilTel sowie aktuelle und zukünftige Dividenden. Zweitens: Im Kaufvertrag wurde EMTF bzw. Chernoy eine so genannte „Call-Option“ zugestanden. Damit hatte er das Recht, den Kaufvertrag rückabwickeln zu lassen, falls innerhalb der Optionszeit von zwei Jahren kein Weiterverkauf erfolgte oder der Verkaufspreis nachträglich als zu niedrig erschien. Und Drittens: Im Kaufvertrag wurde eine „Besserungsklausel“ zu Gunsten Chernoys fixiert, wonach bei einer weiteren Veräußerung, die Hälfte eines 780 Mio. USD übersteigenden Kaufpreisteiles an die EMTF fließen sollte. Diese drei Vereinbarungen machen deutlich, dass mit dieser Transaktion der drohende Lizenzentzug durch die bulgarischen Behörden, und somit der ultimative Wertverlust für Chernoy abgewendet werden sollte. Die bulgarischen Behörden wurden getäuscht, Chernoy kam mit einem blauen Auge davon, Martin Schlaff war der lachende Dritte, der einen satten Gewinn einfuhr, ohne jegliches wirtschaftliches Risiko[10] tragen zu müssen.

[221] Dass dieses Vorgehen von Schlaff und Chernoy weitgehend unbemerkt vonstatten gehen konnte, ist auf der einen Seite auf die Verschleierung der Konstruktion und die mangelnde Aufmerksamkeit der Behörden, andererseits auf das Desinteresse bzw. Vogel-Strauss-Verhalten honoriger Geschäftsmänner, wie Dr. Josef Taus zurückzuführen. Taus gab gegenüber dem Untersuchungsausschuss an, sich trotz seiner direkten Beteiligung an der Mobiltel Holding GmbH nicht für die Details und Hintergründe der Transaktion bzw. den Verkäufer interessiert zu haben:

Dr. Josef Taus: „Ich habe gefragt und die Auskunft bekommen: Es ist alles wasserdicht!“ (38. Sitzung, Seite 5)

„Das ist ein großer Betrag gewesen, und die BAWAG hat hier finanziert. Ich war darin überhaupt nicht involviert.“ (38. Sitzung, Seite 6)

„Ich habe mich nicht darum gekümmert.“ (38. Sitzung, Seite 26)

„Das war nicht meine Funktion!“ (38. Sitzung, Seite 29)

6.2    Zwischenschritt im Sommer 2004

[222] Im Sommer 2004 trat die MobilTel-Transaktion in die nächste Phase ein. Die Mobiltel Holding GmbH verkaufte ihre Anteile an das Bieterkonsortium BidCo, wobei 60 Prozent an die neu geschaffene MTel Holding GmbH und 40 Prozent an die luxemburgische Stripe Investments S.à.r.l. ergingen. Die MTel Holding GmbH gehörte der CST-Holding GmbH, die wiederum zu Zwei-Drittel der MS Privatstiftung und zu je einem Sechstel der H.F.R.C Privatstiftung (Cordt) und Dr. Josef Taus. Taus trat, laut eigenen Angaben, wiederum als Treuhänder für die MS Privatstiftung auf. Die luxemburgische Stripe S.à.r.l. war ein Bankenkonsortium aus sieben Partnern, an dem die BAWAG nach Vertragsabschluss mit 125 Millionen Euro partizipierte. Der gesamte Kaufpreis für die MobilTel betrug bei diesem Verkauf im Sommer 2004 1,2 Milliarden Euro.

[223] Erklärt wird dieser Verkauf im Nachhinein damit, dass die „anklopfenden strategischen Investoren“ (insb. Vodafon und Telekom Austria/Mobilkom) die Nähe zum ursprünglichen Verkäufer Chernoy (siehe oben) vor einem Einstieg abschreckte[11]. Mit dem Weiterkauf in dieser Phase wurde laut Aussagen involvierter Personen die Verbindung zu Chernoy „endgültig und tatsächlich gekappt“.

Dr. Josef Taus: „Damit war diese ursprüngliche Eigentümergeschichte weg.“ (38. Sitzung, Seite 9)

[224] Aufgrund des Verkaufs an die MTel Holding GmbH und Stripe S.A. wurde die vertragliche Besserungsklausel EMTFs schlagend. Die EMTF bzw. Chernoy erhielt rund 150 Mio. Euro aus dem Verkaufspreis und war nun auch im wirtschaftlichen Sinn aus der bulgarischen MobilTel verschwunden. Die BAWAG sollte laut Vertrag 15 Prozent des Reingewinns bei einem Weiterverkauf erhalten (35-52 Mio. Euro). Der damalige Generaldirektor Zwettler vertrat jedoch den legitimen Rechtsstandpunkt, dass nur rund 40 Prozent der MobilTel im wirtschaftlichen Sinn weiterverkauft wurden – der Rest blieb schließlich weiterhin in Händen von Schlaff, Taus und Cordt. Schlaff trat also in Verhandlungen mit Zwettler ein, mit dem Ergebnis, dass sich die beiden auf eine Pauschalzahlung in Höhe von 75 Mio. Euro einigten.

[225] Auch bei diesem Verkauf wurde eine Treuhandkonstruktion gewählt (MTel Holding GmbH bzw. CST Holding GmbH). Dass selbst die Bankenpartner beim Weiterverkauf beispielsweise nichts von der reinen Treuhandfunktion des Dr. Josef Taus wussten – oder wissen wollten – zeigt ein Blick in den Prospekt zur Kapitalerhöhung, der am 17. November 2004 von der ABN Amro, Citiygroup, INF, RZB, Erste Bank und EFG Eurobank öffentlich aufgelegt wurde. Dort wurde Taus als zehnprozentiger Shareholder der MobilTel ausgewiesen. Laut Angaben Taus’ bekam er für seinen Anteil an der Transaktion lediglich ein Aktienpaket von rund 0,8 Prozent. Hier wird noch zu klären sein, aus welchem Grund die Prospektwahrheit ignoriert wurde und welche Konsequenzen daraus für die Herausgeber (u.a. RZB und Erste Bank) erwachsen.

6.3    Zwischenresümee: Die BAWAG im MobilTel-Deal

[226] Die verantwortlichen Vorstände zur Zeit des MobilTel-Geschäfts – Elsner, Zwettler und Büttner bzw. Nakowitz als damaliger Generalsekretär – gaben an, dass sich die Rolle der BAWAG auf die Finanzierung der Transaktion beschränkte. Die Beteiligung an der Mobiltel Holding GmbH diente demnach ausschließlich als Kontrollinstrument, um Einblick in die Transaktionen zu bekommen. Neben der Zinsen und Spesen für das Kreditgeschäft, wurde zwischen Schlaff und Zwettler eine Pauschalzahlung in Höhe von 75 Millionen Euro vereinbart (siehe oben), die die BAWAG erhalten sollte.

[227] Wie der Aktenlage zu entnehmen ist, wurden die 75 Millionen jedoch nicht direkt an die BAWAG überwiesen – in der Bilanz scheint die Summe nirgendwo auf. Stattdessen stellte ein, Martin Schlaff nahestehender, israelischer Zwischenhändler vier Scheinfirmen[12] in den USA zur Verfügung, über die, als Kredit getarnt, die 75 Millionen Euro an BAWAG-Stiftungen[13] in Liechtenstein transferiert wurden. Die Konstruktion wurde gewählt, um die Verluste der Stiftungen – die im Zuge der Karibik-Geschäfte entstanden sind (82 Mio. USD) - abzudecken. Der israelische Zwischenhändler erhielt für diese Transaktion eine Provision von rund einer Million USD, wobei der Verdacht besteht, dass diese Provision schlussendlich bei Mag. Martin Schlaff bzw. einer seiner Stiftungen gelandet ist.

[228] Im Zusammenhang mit dem MobilTel-Deal und der Transaktion über die vier US-Gesellschaften stehen folgende Verdachtsmomente gegen die damalige BAWAG-Geschäftsleitung im Raum:

Die Klärung dieser Verdachtsmomente obliegen jedoch nicht dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, sondern ist Aufgabe der österreichischen Justiz.

6.4    Die Telekom Austria übernimmt bulgarischen MobilTel

[229] Bereits Ende 2002 keimten Gerüchte auf, wonach die Telekom Austria bzw. ihre Tochter Mobilkom die bulgarische MobilTel übernehmen wolle - die Verantwortlichen der Telekom Austria (Dr. Heinz Sundt und Dr. Boris Nemsic) dementierten diese Pläne jedoch. Mobilkom-Chef Nemsic erklärte, dass zwar eine Expansion in Südosteuropa verfolgt werde, das primäre Interesse aber auf Bosnien-Herzegowina und Serbien fokussiert sei. (vgl. APA-Meldungen vom 5. Dezember 2002).

[230] Kurz nach einer Reise des damaligen Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel gemeinsam mit Helmut Elsner, Martin Schlaff, Leo Wallner, Erhard Busek und Josef Taus am 26. März 2003 nach Sofia[14], änderte sich die Meinung der TA-Führung. Ab diesem Zeitpunkt wurden ernsthafte Interessensbekundungen der Telekom-Führung öffentlich hörbar. TA-Generaldirektor Sundt verlautbarte zu diesem Zeitpunkt, dass ein Kauf der bulgarischen MobilTel bei entsprechenden Rahmenbedingungen bereits Anfang 2004 realisierbar wäre, jedoch nur unter der Bedingung, dass die TA „mindestens 50 Prozent und eine Aktie“ übernehmen könnte, wobei auch eine Komplettübernahme denkmöglich wäre. („Der Standard“; 26.3.2003; 3.4.2003; 7.6.2003; 27.6.2003; 3.9.2003; 4.9.2003)

[231] Nach einer zufriedenstellenden Unternehmensprüfung wurde am 24. September 2003 der TA-Aufsichtsrat mit einer möglichen Übernahme befasst, der sich positiv zu einem Ankauf äußerte. Laut Medienberichten war der Kaufpreis ein wesentlicher Knackpunkt – die TA wollte deutlich weniger als den in Branchenkreisen kolportierten Kaufpreis von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro zahlen. Nichtsdestotrotz bestätigte TA-Generaldirektor Sundt am 17. Oktober 2003, ein Angebot für die bulgarische MobilTel abgegeben zu haben. Die Einstiegsverhandlungen wurden jedoch wieder abgebrochen, weil die damaligen Mobiltel-Eigentümer, laut Sundt, lediglich eine Minderheitenbeteiligung verkaufen wollten. Laut unbestätigten Medienberichten, soll Sundt jedoch durch den TA-Aufsichtsrat – insbesondere Peter Michaelis – bei den Kaufverhandlungen gebremst worden sein, da der damalige Kaufpreis von rund einer Milliarde Euro zu hoch erschien.

[232] Nachdem sich die Eigentümerverhältnisse bei der Mobiltel im Sommer 2004 wiederum veränderten (siehe oben), nahm die TA die Verkaufsgespräche wieder auf. Die TA beauftragte darauf hin eine nochmalige Unternehmensprüfung, Ende November 2004 unterzeichnete die TA-Führung einen Vorvertrag. Die anschließend Exklusivverhandlungen führten im Dezember 2004 dazu, dass die TA für 80 Mio. Euro eine Kaufoption erwarb und die MobilTel-Übernahme letztendlich im Juli 2005 finalisiert wurde. Der stolze Kaufpreis: 1,6 Milliarden Euro.

[233] Wie in der Befragung des parlamentarischen Untersuchungsausschuss deutlich wurde, spielte Dr. Josef Taus eine entscheidende Rolle beim Verkauf an die Telekom Austria. Neben seiner Funktion als Treuhänder für Martin Schlaff bzw. Unbekannte, als Aufsichtsratsvorsitzender bei der MobilTel, als technischer Konsulent sowie als Mann mit Renomee, diente Taus offensichtlich als Bindeglied der Schlaff-Gruppe zur Telekom Austria[15]. Auf Taus’ Drängen wurde TA-Generaldirektor Heinz Sundt 2003 in den Aufsichtsrat der bulgarischen MobilTel gewählt. Taus erklärte, dass er sich eine Übernahme der MobilTel durch die TA wünschte - diese Meinung tat er selbst im MobilTel-Aufsichtsrat offen kund:

Dr. Josef Taus: Dann kam man zu mir und fragte: Sie kennen ja die, [...] soviel wir wissen, können Sie mit denen reden? Das tat ich. Ich habe aber gleich am Anfang der Diskussion gesagt: Ich persönlich habe nichts finanziert, es ist euer Geschäft, es ist euer Geld, ich kann euch meine Meinung sagen: Ich würde es sehr gerne an die Telekom verkaufen. [...] Ich habe gesagt: Nehmen wir doch einmal den Herrn Sundt in den Aufsichtsrat. Das war mein Vorschlag, und das wurde auch gemacht.“ (38. Sitzung, Seite 9)

[234] Warum die Übernahme der MobilTel durch die Telekom Austria erst im Jahr 2005 erfolgte, bleibt - abgesehen von der Ablehnung des ursprünglichen Verkäufers Chernoy – weitgehend im Unklaren. Aufklärung darüber können nur die damaligen TA-Führungsmitglieder bzw. die verantwortlichen Regierungsmitglieder geben. Fest steht jedenfalls, dass der größte Profiteur letztendlich der „Zwischenhändler“ Schlaff war. Fest steht weiters, dass der Verkauf an die Telekom Austria und die Rolle der Verantwortungsträger Anlass für weitere Ermittlungen gibt.

6.5    Interventionsversuche für Chernoy

[235] Mikhail Chernoy war, über die ihm zurechenbare EMTF, der Verkäufer der MobilTel EAD im Jahr 2002. Dem Untersuchungsausschuss vorliegende Einvernahmeprotokolle der Staatsanwaltschaft bestätigen, dass bei der Festlegung wesentlicher Eckpunkte des ersten MobilTel-Verkaufes an die Mobiltel Holding GmbH Vier-Augen-Verhandlungen zwischen Mikhail Chernoy und Mag. Martin Schlaff stattgefunden haben. Vor dem Untersuchungsausschuss unterstrich auch Dr. Josef Taus die tragende Rolle von Schlaff:

Dr. Josef Taus: „Ich habe Ihnen vorhin gesagt, dieses Geschäft hätte nach meinem heutigen Wissen damals außer Mag. Schlaff niemand fertig gebracht. Er konnte es!“ (38.Sitzung, Seite 8)

[236] Die vorliegenden Akten lassen die bisherigen Geschäfte und Geschäftspraktiken des Mikhail Chernoy in einem dubiosen Licht erscheinen. Das Bundeskriminalamt - insbesondere die Abteilung für organisierte Kriminalität - lieferte umfangreiche Aktenordner zu Verdachtslagen gegen Mikhail Chernoy. Demnach lagen gegen den MobilTel-Verkäufer Vorwürfe wegen Mord und Erpressung, Bestechung, Verbindungen zur organisierten Kriminalität und dem Besitz von Scheinfirmen vor. Im Jahr 2001 wurde Chernoy in Deutschland der Geldwäsche im Ausmaß von rund 3,7 Mrd. Euro verdächtigt. Bereits im Jahr 2000 verhängte Bulgarien ein Einreise- und Aufenthaltsverbot über ihn.

Trotz der schwerwiegenden Verdachtsmomente gegen die Person Chernoy, stellte der Leiter der Wirtschaftspolizei, Roland Horngacher, auf Anfrage des damaligen BAWAG-Generaldirektors Helmut Elsner der MobilTel-Transaktion am 28.11.2001 einen Persilschein aus. Horngacher bestätigte der BAWAG, dass keine Umstände bekannt seien, die ein Nichteingehen der Geschäftsverbindung zu Chernoy geboten erscheinen liessen.

Diese fragwürdige Unbedenklichkeitserklärung Horngachers wurde schließlich vom BAWAG-Vorstand dazu benutzt, sich den MobilTel-Deal vom Aufsichtsrat absegnen zu lassen.

[237] Auch Dr. Josef Taus erklärte gegenüber dem Untersuchungsausschuss, nichts über Chernoys bisherigen Geschäfte und dessen einschlägigen Ruf gewusst zu haben Dennoch gab Taus zu, im Kabinett des Innenministers Strasser, bei Mag. Ulmer, am 1. Dezember 2003 auf Anfrage Schlaffs für Chernoy interveniert zu haben:

Dr. Josef Taus: „Er [Anm.: Schlaff] hat gesagt: Ist es möglich, dass der Herr Cornoy oder Chernoy – ich weiß nicht, wie er genau heißt – ein Einreisevisum nach Österreich kriegen kann? Und ich habe gesagt: Ich werde halt schauen, ich werde mich erkundigen!“ (38. Sitzung, Seite 19)

Zum damaligen Zeitpunkt verweigerte die österreichische Botschaft in Tel-Aviv Chernoy die Ausstellung eines Visa, weil eine Schengen-Einreisesperre der französischen Behörden vorlag. Taus war jedoch nicht der einzige, der in dieser Sache vorsprach. Casinos Austria Generaldirektor Dr. Leo Wallner intervenierte am 11. Dezember 2003 bei Generalsekretär Kyrle im Außenministerium. Mag. Schlaff intervenierte, laut Bundeskriminalamt-Bericht, direkt bei der österreichischen Botschaft in Tel-Aviv und die BAWAG bei Mag. Roland Horngacher.

[238] Die weitaus brisanteste Intervention in Sachen Visa für Chernoy erfolgte jedoch bereits ein halbes Jahr früher – sie war schlussendlich auch von Erfolg gekrönt. Ein Aktenvermerk des BMI vom 22. Oktober bestätigt, dass das im Mai 2003 ausgestellte Schengen-Visum aufgrund Interventionen des Außenministeriums[16] ausgestellt wurde. Die Bedenken des Leiters der Konsularabteilung bei der österreichischen Botschaft in Tel-Aviv wurden in den Wind geschlagen.

Aus heutiger Sicht ist nicht nachzuvollziehen, warum für Chernoy trotz massiver Bedenken des Bundeskriminalamts und der österreichischen Botschaft ein Schengen-Visum für den Zeitraum von 27. Mai 2003 bis 26. November 2003 erwirkt wurde.

6.6    Mobtel

[239] Vor dem Einstieg der österreichischen Investorengruppe Schlaff/Taus/Cordt war die serbische Mobtel Srbija BK-PTT in Besitz der BK-Trade, die zu 100 Prozent der YUCYCO Holding (Familie Karic) gehörte, und der staatlichen Postgesellschaft JP-PTT. Die österreichische Telekom Austria bekundete bereits seit 2003 massives Interesse an einem Einstieg in den serbischen Mobilfunkmarkt. Der logische Weg zu einem Einstieg in Serbien führte zu diesem Zeitpunkt über die marktbeherrschende serbische Mobtel. Aufgrund der ungeklärten Eigentümerverhältnisse – sowohl Bogoljub Karic (51%) als auch die JP-PTT (58%) beanspruchten einen Mehrheitsanteil – hielt sich die österreichische TA vorläufig zurück. Der Damalige Vizekanzler und Infrastrukturminister Hubert Gorbach erklärte zur damaligen Möglichkeit eines direkten Geschäfts der TA mit dem Staat Serbien:

Hubert Gorbach: „Das wäre meines Erachtens nicht möglich gewesen. [...] Also mir war völlig klar, da muss zuerst einiges passieren, damit der Deal dann endgültig zur Telekom Austria auch stattfinden kann.“ (38. Sitzung, Seite 61)

[240] An dieser Stelle trat, so wie bei der MobilTel in Bulgarien, die Investorengruppe Schlaff/Taus/Cordt als „Zwischenhändler“ in Erscheinung. So war in Akten zu lesen, dass die MS Privatstiftung den Anteil der BK-Trade übernehmen wollte, wobei anschließend geplant war, dass die TA den Anteil der serbischen JP-PTT übernehmen sollte. Hubert Gorbach bestätigte diesen Plan gegenüber dem Untersuchungsausschuss:

 „Ich habe das so in Erinnerung, dass die Investorengruppe Taus/Cordt/Schlaff eine Optionsvereinbarung hatte mit der Telekom Austria, die auch von Dr. Nemsic bestätigt wurde, [...].“ (38. Sitzung, Seite 58)

[241]Ursprüngliche Struktur der Mobtel
 
 Aufgrund des Vorkaufsrechts der JP-PTT konnte die Investorengruppe die Anteile an der serbischen Mobtel nicht direkt erwerben - sie musste den Umweg über die BK-Trade gehen und diese zur Gänze von Bogoljub Karic kaufen. Die Finanzierung des Geschäfts der österreichischen Investorengruppe erfolgte über eine 400 Millionen Euro Bankgarantie der BAWAG.

Struktur nach BK-Trade Ankauf der MS Privatstiftung

[242] Laut BAWAG-Kreditantrag vom 22. Juni 2005 (genehmigt am 28. Juni 2005) sollte unmittelbar nach Vertragsabschluss ein erster Teil des Kaufpreises in der Höhe von 100 Millionen Euro an die YUCYCO Holding von Karic fließen. Ein weiterer Teilbetrag in der Höhe von 150 Millionen Euro sollte erst zur Zahlung gelangen, „nachdem via Kauf der restlichen Mobtel-Anteile durch die Telekom-Austria (bis längstens 15. Oktober 2006) die Kontrolle über 100% der Mobtel Serbien erlangt werden konnte“. Wurde diese Kontrolle schließlich erreicht, sollte ein weiterer Kaufpreisanteil von 70 Millionen Euro in Form einer „Call-Option“ für einen 20% Anteil an der Mobtel Serbien erfolgen.

Als Vehikel für die Transaktion gründete die Investorengruppe rund um Schlaff die Arrandene Enterprises Ltd. mit Sitz in Limassol, Zypern. An dieser war die MS Privatstiftung mit 80 Prozent, Dr. Josef Taus und die H.F.R.C. Privatstiftung mit jeweils 10 Prozent beteiligt.

6.7    Vizekanzler Gorbach als „Türöffner“

[243] Bereits am 11. Mai 2005 hat die Schlaff/Taus/Cordt-Gruppe den Vertrag zur Übernahme der BK-Trade-Anteile unterschreiben. Am 13. Mai reiste Vizekanzler Hubert Gorbach zu einem routinemäßig geplanten Treffen zu seinem Amtskollegen nach Belgrad. Abseits der ministeriellen Routine fungierte Gorbach laut eigenen Angaben als

„Türöffner zu den Regierungskreisen in Serbien“ (38. Sitzung, Seite 59)

für die Investorengruppe rund um Martin Schlaff. Gorbach arrangierte ein gemeinsames Treffen mit Schlaff und Taus sowie serbischen Regierungsmitgliedern.

[244] Als Ende 2005 der Mobtel die Funklizenz entzogen und sie unter staatliche Verwaltung gestellt wurde, flackerte der schwelende Anteilsstreit wieder auf. Vizekanzler Hubert Gorbach sah sich veranlasst, wiederum nach Serbien zu reisen und dort bei seinen Regierungskollegen für die österreichische Investorengruppe zu intervenieren. Am 17. Jänner 2006 flog Gorbach, direkt aus Dubai kommend, nach Belgrad zu einer Krisensitzung. In dieser Sitzung wurde die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vereinbart, die eine einvernehmliche Lösung finden sollte - eine erste Sitzung hielt die Gruppe  am 27. Jänner ab. Am 28. Februar 2006 wurde in einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Lösung präsentiert – anwesend war Hubert Gorbach, Martin Schlaff und der serbischen Finanzminister Mladjan Dinkic. In der Pressekonferenz wurde die Bildung einer Mobtel-Nachfolgefirma (Mobi63) verlautbart, die zu 70 Prozent der serbischen Post und zu 30 Prozent Schlaff gehören sollte. Diese Firma sollte gemeinsam mit der Funklizenz versteigert werden. Die Erlöse aus der Versteigerung sollten sich der serbischen Staat und Mobi63-Miteigentümer Schlaff im Verhältnis 82 zu 18 Prozent teilen.

[245] Brisantes Detail an den Interventionen ist, dass Gorbach im Privatjet von Martin Schlaff zu den verschiedenen Treffen anreiste. Im Untersuchungsausschuss vom 27. Juni 2007 erklärte Gorbach:

Hubert Gorbach: Am 17. Jänner war „ich in Kuwait […], bin von Kuwait kommend gelandet, […] und bin dann weitergeflogen mit dem Flugzeug des Herrn Mag. Schlaff. – Ich glaube sogar, […] dass Mag. Schlaff und mein Kabinettschef von Wien nach Belgrad geflogen sind, […].“ (38. Sitzung, Seite 73)

Zu der Reise am 28. Februar gab Gorbach zu Protokoll:

Hubert Gorbach: „Die müsste meines Erachtens auch mit dem Flieger von Herrn Schlaff erfolgt sein, weil da der Anlass eigentlich auch der war, die Einigung zu besiegeln und auch zu verkünden. Also da hatte ich auch nicht irgendeinen anderen Anlass dort tätig zu sein. Und da haben wir schon sehr genau getrennt – also nicht, dass ich dann auf Kosten der Republik zum Vorteil der Investorengruppe oder von wem auch immer womöglich irgendwo hingeflogen wäre.“ (38. Sitzung, Seite 73)

In welcher Funktion Gorbach für Schlaff und Co. intervenierte, als offizieller Repräsentant Österreichs oder privater Lobyist, bleibt weitestgehend offen.

[246] Nach dieser Einigung wurde die Mobtel im Sommer 2006 über eine öffentliche Versteigerung verkauft, bei der die Telekom Austria leer ausging. Die norwegische Telenor bot 1,5 Mrd. Euro und bekam den Zuschlag – 18 Prozent des Kaufpreises erhielt die Gruppe Schlaff/Taus/Cordt. Der Telekom Austria gelang Ende 2006 dennoch der Markteinstieg in Serbien. Sie erwarb eine Funklizenz um 320 Millionen Euro und gründete ein neues Mobilfunkunternehmen.


7      Casino-Projekte

7.1    Casino-„Oasis“ in Jericho

[247] Mitte der 1990er Jahre brachte der Investor Martin Schlaff die BAWAG mit Mitgliedern der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammen. Ziel dieser Kontakte war der Bau eines Casinos in Jericho. Am 17. Dezember 1996 unterzeichnete die „Palestine Commercial Services Co.“ und eine Gruppe österreichischer Investoren einen Vertrag über die Errichtung eines Casinos in Jericho. Als Betreibergesellschaft wurde die „CAP Holding AG“ mit Sitz in Liechtenstein gegründet, an der die „MS Privatstiftung“ (Martin Schlaff – 49,5%), die „Palestine Commercial Services Co.“ (Palästinensische Autonomiebehörde – 23,1%), die „Casinos Austria International“ (16,5%) und die BAWAG (11%) beteiligt waren (und noch immer sind). Am 13. September 1998 wurde das Casino Oasis in Jericho eröffnet.

[248] Die Investitionskosten für die Errichtung des Casinos betrugen rund 50 Mio. USD in der ersten Baustufe. Laut Aussagen von Dr. Leo Wallner, hat die BAWAG das Projekt finanziert („Der Standard“, 7.10.2006). Die Casinos Austria sprachen im Herbst 1998 von der „bisher größten Investition im palästinensischen Autonomiegebiet“ („Wirtschaftsblatt“, 16.9.1998). In einer zweiten Ausbaustufe wurde ein Hotelkomplex angeschlossen, der 181 Zimmer und 14 Suiten beherbergt – Betreiber der im Juni 2000 fertig gestellten Anlage ist InterContinental Hotel. Kolportierte Investitionskosten für diesen Ausbau: 100 Mio. USD.

[249] Das Casino „Oasis“ in Jericho war in den Jahren des Betriebes ein wahrer „Renner“. Täglich pendelten hunderte Israelis ins Oasis, um dort ihr Geld zu verspielen – in Isreal selbst ist das Glücksspiel verboten. Bereits im ersten vollen Geschäftsjahr 1999 warf das Casino einen Gewinn von rund 60 Mio. USD ab. Im Besucherrekordmonat April 2000 kamen täglich 3.556 Spieler ins „Oasis“. Im August 2000 machte das Casino mit 16,4 Mio. USD seinen höchsten Profit während des Bestehens. („Der Standard“, 10.10.2006)

[250] Nachdem Ariel Sharon mit seinem Besuch am Tempelberg (28. September 2000) die zweite Intifada ausgelöst hatte, ging es mit dem Casino Oasis schnell bergab. Die Zahl der Besucher sank im Oktober 2000 auf Null. Als eine israelische Panzergranate die Büroetage des Casinos verwüstete, wurde es bis auf Weiteres geschlossen. Lediglich eine 40-köpfige Instandhaltungstruppe ist seitdem im Casino beschäftigt. („Der Standard“, 7.10.2006)

[251] Die BAWAG war über ihre Tochter „Austost Anstalt“ an der CAP mit fünf Millionen Euro (11%) beteiligt. Laut Medienberichten hat die BAWAG einen Barkredit in der Höhe von 40,5 Millionen Euro an die CAP vergeben. Die Finanzierung soll über die karibische Stiftung „Monte Brook“ gelaufen sein. Im Jahr 2001 wurde das Engagement beim Casino in der Bilanz von fünf auf 120 Millionen Euro aufgewertet (Kreditlinie an die Liechtensteiner BAWAG-Tochter „Austost Anstalt“). Laut Mitteilung der BAWAG wurde mit dieser Aufwertung versucht, die Verluste aus den Karibik-Geschäften bilanziell teilweise abzudecken – aus dieser Vorgehensweise resultiert die Haftung des ÖGB. Im Jahr 2004 war das Casino noch mit 113,3 Mio. Euro in der Bilanz verbucht. Erst mit der Bilanz 2005 wurde das Casino-Projekt wertberichtigt (gegen Null). In diesem Fall konnte der Untersuchungsausschuss keine Aufklärung bringen, da die involvierten Persönlichkeiten von ihrem Entschlagungsrecht gebraucht machten.

7.2    Zahlungen an Sharon

[252] Im Jänner 2006 berichteten israelische und österreichische Medien, dass Ariel Sharon angeblich rund drei Millionen US-Dollar von Martin Schlaff erhalten haben soll, um Schulden zu begleichen und Wahlkampfkosten zu finanzieren. Die Zahlungen an Sharon sollen über Konten der BAWAG abgewickelt worden sein. In dieser Causa wurden von der israelischen Justiz Rechtshilfeersuchen an Österreich gerichtet. Bis zum Jahr 2007 wurden die geforderten Konto-Öffnungen allesamt abgewiesen. In aktuellen Unterlagen des österreichischen Bundeskriminalamtes finde sich klare Hinweis darauf, dass es über Umwege tatsächlich Zahlungen von Mag. Martin Schlaff bzw. ihm nahestehende Stiftungen an die Familie Sharon im Jahr 2002 gegeben haben soll. Die Zahlungen werden von der israelischen Justiz in engen Zusammenhang mit Lobby-Aktivitäten von Mag. Schlaff zu Gunsten des Casino-Schiffes „Cancun“ – ein Projekt der Casinos Austria – vor der Küste Eilats in israelischen Territorialgewässern gebracht.

7.3    Intervention der Außenministerin

[253] Das Rechtshilfeersuchen der israelischen Justiz gibt nicht nur Aufschluss über die kolportierten Verbindung zwischen Martin Schlaff und israelischen Regierungskreisen, es beschreibt auch einen Interventionsversuch der österreichischen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner bei ihren israelischen Amtskollegen, Außenminister Shimon Peres und Innenminister Eli Ishoi. Ferrero Waldner hat demnach zwei Briefe, datiert mit 8. Oktober 2002 an Peres und Ishoi verfasst. Die entsprechende Passage aus dem israelischen Rechtshilfeansuchen gibt als Zweck der Briefe Ferrero-Waldners an, spezielle Visa-Vereinbarungen für Angestellte der Casinos Austria auf dem Casino-Schiff zu erwirken. Die Briefe der Außenministerin sollen laut Rechtshilfeersuchen Faxsendungen aus dem Umfeld Martin Schlaffs vom selben Tag (08.10.2002) stark ähneln.

Diese Faktenlage bringt eine neue Facette in den ursprünglichen Verdacht ein, dass die Intervention Ferrero-Waldner als gefällige Gegenleistung für das Engagements Martin Schlaffs bei der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Israel im Jahr 2002 diente. Außerdem kursierten in den Medien Gerüchte, dass die österreichische Regierung die Ermittlungen der Israelis bewusst behindert haben, um im Abtausch eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu Israel zu bekommen.


8      Geldwäscherei

8.1    Erläuterungen zu Geldwäscherei

[254] Geldwäscherei bezeichnet grundsätzlich den Vorgang der Einschleusung illegalen Geldes in den legalen Wirtschafts- und Finanzkreislauf. Die Finanzmittel sind entweder das Ergebnis illegaler Tätigkeiten (bspw. Suchtgifthandel, illegaler Waffenhandel, Betrug) bzw. sollen der Finanzierung illegaler Tätigkeiten dienen (bspw. Terrorismus). Nach dem österreichischen Strafgesetzbuch ist Geldwäsche (§165 StGB) und Terrorismusfinanzierung (§278d StGB) ein Straftatbestand und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren sanktioniert.

[255] Der erste Schritt bei Geldwäscherei ist die Einspeisung der durch Straftaten „erwirtschafteten“ Bargeldmengen in den Finanz- oder Wirtschaftskreislauf. In einer zweiten Phase wird versucht, die Herkunft der Vermögenswerte mittels einer Vielzahl von Transaktionen zu verschleiern. Mittel zur Verschleierung sind oftmals Scheingeschäfte und Auslandszahlungen unter Nutzung von Offshore-Banken und Scheingesellschaften in Ländern mit geringen Schutzvorschriften, Korruptionsproblemen oder überbordenden Vorschriften zum Bankgeheimnis. In der dritten und letzten Phase, der Integration, wird das „gewaschene Geld“ für den Erwerb von Firmenanteilen, Immobilien oder Lebensversicherungen herangezogen.

8.2    Methoden zur Bekämpfung von Geldwäscherei

[256] Wichtigstes Instrument zur Bekämpfung der Geldwäsche ist die Identifizierung der Kunden („Know Your Costumer“-Prinzip – KYC), um anonyme wirtschaftliche Transaktionen zu verhindern. Banken, Versicherungen, Börseunternehmen, Rechtsanwälte, Notare oder beispielsweise Immobilienmakler sind verpflichtet, ihre Kunden vor der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu identifizieren (Legitimationsprüfung). Banken, Versicherungen und Börseunternehmen haben darüber hinaus die Pflicht, Konten und Transaktionen hinsichtlich Geldwäschereiverdachts fortlaufend zu überwachen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, geeignete Kontroll- und Mitteilungsverfahren einzurichten bzw. durchzuführen. Es ist Aufgabe der Aufsicht (FMA), die Tauglichkeit der Schutzmaßnahmen zu kontrollieren. Die behördliche Kontrolle erfolgt im Rahmen der bankenaufsichtlichen Prüfhandlungen (idR Vor-Ort-Prüfungen).

Etwaige Mängel in den Systemen werden in den zugehörigen Prüfberichten dargestellt und deren Behebung in den anschließenden Management-Gesprächen mit der betroffenen Banken-Leitung vereinbart.

[257] Jede Versicherungsgesellschaft, jedes Bankinstitut, jeder Rechtsanwalt etc. ist gesetzlich verpflichtet, verdächtige Kundentransaktionen – unabhängig von Art und Höhe – bei der Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminalamts zu melden. Um den Institutionen Hilfestellungen zu bieten, welche Transaktionen und Kundenbeziehung tatsächlich als verdächtig einzustufen sind, veröffentlicht die FMA regelmäßig Rundbriefe als Orientierungshilfe. Folgende Geschäfte werden von der FMA zur sorgfältigen Prüfung empfohlen (Auswahl)[17]:

Die Meldepflicht von Banken an die Geldwäschestelle des Bundeskriminalamts besteht nach §41 BWG bei Verdacht

8.3    Systemschwächen

[258] Im Zuge der Aufklärungsarbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde ein Aktenberg von Geldwäscheverdachtsmeldungen übermittelt. Diese Verdachtsmeldungen sind jedoch keine faktischen Geldwäschereifälle – nachgewiesene Fälle von Geldwäscherei wurden im Rahmen des Untersuchungsausschusses nicht gesichtet.

Dennoch konnten Systemschwächen hinsichtlich der Geldwäscherei-Meldepraxis identifiziert werden. Dem Untersuchungsausschuss wurde beispielsweise ein Akt des Bundeskriminalamtes vorgelegt, der folgenden Vorgang beschreibt. Ein landläufig bekannter Waffenhändler hatte zwei Konten bei der BA-CA. Auf einem dieser BA-CA-Konten wurden innerhalb weniger Tage rund 250.000 Euro eingezahlt und kurze Zeit später weiter überwiesen. Auf dem zweiten Konto derselben Person wurden im selben Zeitraum innerhalb von zwei Wochen sieben mal 50.000 Euro in bar eingezahlt (Summe 350.000 Euro). Darüber hinaus langte auf dem Konto eine Überweisung über 200.000 Euro ein. Diese 200.000 Euro leitete der Kunde sofort wieder weiter. Ein Monat später ließ sich die betreffende Person 340.000 Euro in bar auszahlen. Hätte die Bank die Richtlinien der FMA verinnerlicht, hätte sie umgehend eine Geldwäscherei-Meldung an das Bundeskriminalamt übermitteln müssen. In diesem Fall erstattete die BA-CA laut vorliegenden Akt jedoch erst Meldung, als massive Vorwürfe gegen die betreffende Person in den Medien kolportiert wurden und bereits Ermittlungen liefen – ein volles Jahr später. In Fällen wie dem oben beschriebenen, wäre die FMA als Aufsichtsorgan verpflichtet, eine Prüfung der Meldesysteme der Bank vorzunehmen, was sie nach dem Informationsstand des Untersuchungsausschusses im vorliegenden Fall jedoch bisher nicht getan hat.

[259] Ein weiteres Beispiel für Probleme im Bereich der Geldwäscherei-Bekämpfung liefert der aktuelle Vorort-Prüfbericht der Österreichischen Nationalbank zur Hypo-Alpe-Adria Bank, der dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt wurde[18]. In dem Prüfbericht wird ausgeführt, dass die Bank weder verdächtige Transaktionen ordnungsgemäß gemeldet hat, noch über ausreichende Schutzsysteme verfügt. Die, im Kapitel MobilTel angeführten Vorgänge innerhalb der BAWAG verstärken die Zweifel an der Meldepraxis der Geldinstitute – die Meldekultur der österreichischen Banken erscheint in diesem Licht jedenfalls ausbaufähig bzw. förderungswürdig.

[260] Die massiv ausgeweiteten Ostgeschäfte österreichischer Unternehmen, insbesondere jene der Banken, setzen die zuständigen Behörden verständlicherweise unter erhöhten Leistungsdruck hinsichtlich Geldwäscherei – die Verdachtsmeldungen sind von 184 im Jahr 2000 auf 692 Meldungen im Jahr 2006 angestiegen. Ermittlungen wurden beispielsweise im Fall RosUkrEnergo oder  Brodosplit geführt. Darüber hinaus erfordert der vermehrte Einsatz von Treuhandgeschäften eine erhöhte Aufmerksamkeit der Behörden. Die Geldwäschemeldestelle im Bundeskriminalfall stellt in der untersuchten Praxis jedoch eine reine Verwaltungs- und Schulungseinheit dar, die weitestgehend von der Meldesorgfalt der Bankinstitute abhängig ist. Erschwerend hinzu kommt, dass sowohl die Meldestelle im Bundeskriminalamt, als auch die FMA mit personellen Problemen zu kämpfen haben. Mag. Elisabeth Florkowski von der FMA beklagte in Ihren Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss, den Personalnotstand bzw. die persönliche Überlastung in ihrer Abteilung.

Mag. Elisabeth Florkowski: „Ich habe in den letzten Jahren immer wieder eine Geldwäschestrategie an den Vorstand vorgelegt für das jeweils nächste Jahr – mit einem gewissen Ausblick auf die weitere Zukunft hinaus. Diese Geldwäschestrategie hat immer eigentlich mehr Punkte umfasst, als ich bewältigen konnte. [...] Ich habe den Eindruck persönlich, dass ich seit 11. September 2001 überausgelastet war, [...]“ (33. Sitzung, Seite 144)


 „Ich selbst [...] erhalte die Vor-Ort-Prüfungsberichte im Nachhinein, wenn alle behördlichen Verfahren abgeschlossen sind: mit der Zielsetzung, dass ich auf Dauer ausarbeite, inwieweit man die Arbeit verbessern könnte, und auch auf Dauer eine Datenbank aufbaue im Hinblick darauf, was die Feststellungen waren, damit wir da für die Zukunft etwas haben. Allerdings ist das genau eine der Aufgaben gewesen, zu denen ich bisher noch nicht gekommen bin und die jetzt im Zuge der Arbeit mit der neuen Kollegin
[19] durchgeführt werden.“ (33. Sitzung, Seite 147)

Aufgrund der steigenden Anzahl an Verdachtsfällen und dieser Aussagen muss dringend empfohlen werden, den Personalstand in den Geldwäscherei-Abteilungen aufzustocken.


9      Rechtshilfeansuchen Liechtenstein

[261] Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat am 18. Juli 2006 ein Rechtshilfeersuchen an das Fürstentum Liechtenstein gestellt. Auf Basis dieses Rechtshilfeersuchens wurden eine Reihe von Hausdurchsuchung vom Fürstlichen Landgericht bewilligt und am 10. August 2006 durchgeführt. Die im Zuge dessen beschlagnahmten Unterlagen (ca. 150 A4 Ordner und diverse Datenträger) wurden gesichtet und von wesentlichen Teilen Kopien angefertigt und ans Landesgericht für Strafsachen Wien übermittelt. Die Ermittlungen betrafen diverse in Liechtenstein domizilierte Stiftungen und Special Purpose Vehicles, die in Zusammenhang mit dem BAWAG-Ermittlungen stehen. Darüber hinaus fanden auf Basis dieser Unterlagen eine Reihe von Vernehmungen statt.

Darüber hinaus wurden Rechtshilfeersuchen an Irland, Finnland, das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und die Schweiz gestellt, die zum Großteil auch schon abgeschlossen sind.


10   StaatskommissärInnen

[262] StaatskommissärInnen sind Organe der Bankenaufsicht. Sie werden vom Bundesminister für Finanzen ernannt und haben zu Hauptversammlungen und Aufsichtsratssitzungen eines Kreditinstitutes eingeladen zu werden. Falls es zu bei diesen Sitzungen zu Beschlüssen kommt, die sie als Verletzung von Gesetzen und Vorschriften ansehen, so haben sie Einspruch zu erheben und hievon sofort die FMA zu verständigen. Staatskommissäre haben regelmäßig an die FMA zu berichten und sind der FMA weisungsgebunden.

 

[263] Die Befragungen der Auskunftspersonen und auch die Durchsicht der Akten vom BMF legen einen Schluss nahe: Die Entsendepraxis für StaatskommissärInnen im BMF ist vor allem eines nicht, nämlich transparent. Sämtliche der befragten StaatskommissärInnen wurden in einem nicht nachvollziehbaren Vorschlagssystem bestellt.

Dkfm. Michael Svoboda: „Schauen Sie, es gibt zwei Anlässe für Bestellungen: einmal, dass eine neue Bank dazukommt, und im anderen Fall, dass jemand abberufen wird, also dass sozusagen etwas frei wird. Und wenn das der Fall ist, dann wird die Personalabteilung informiert, und dann – seit Mitte 2003 mache ich das – rufe ich bei den verschiedenen Sektionschefs an und hole mir Vorschläge ein. Und mit diesen Vorschlägen wird natürlich eine Abstimmung gemacht: mit dem Generalsekretär, mit dem Ministerbüro.“ (4. Sitzung, Seite 66)

 

[264] Mag. Helmut Brandl als Büroleiter des Staatssekretärs Finz erklärte seine Bestellung mit den Sätzen:

Mag. Helmut Brandl: “Ich wurde von meinem Vorgänger als Büroleiter des Staatssekretärs informiert, dass ich auf Grund seiner Kenntnis aus meiner bisherigen beruflichen Laufbahn für einen Staatskommissär bei der BAWAG vorgeschlagen werde.“ (4. Sitzung, Seite 75)

 

[265] Dr Sabine Kanduth Kristen (Staatskommissärin bei der Hypo-Alpe-Adria Bank) meinte zu ihrer Bestellung

Dr Sabine Kanduth Kristen: „Soweit mir das bekannt ist, gibt es eine zuständige Stelle im Finanzministerium, die einen derartigen Vorschlag unterbreitet.“ (4. Sitzung, Seite 81)

 

[266] Mag Manfred Lepuschitz als Pressesprecher des BM Karl Heinz Grasser beantwortete die Bestellpraxis seiner Person zum Staatskommissär bei der Meinl Investment GmbH folgendermaßen:

Abg. Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): „Darf ich Sie ganz konkret in diesem Zusammenhang fragen: Wollten Sie selbst vor Ihrer Bestellung – das war, glaube ich, September 2005 – den Job als Staatskommissär haben, oder wurde er Ihnen sozusagen angeboten?“

Mag. Manfred Lepuschitz:Diese Position wurde mir angeboten, da ich ja nicht in Kenntnis dessen war, dass diese Position zur Verfügung steht.“

Abg. Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): „Von wem angeboten?“

Mag. Manfred Lepuschitz: „Ich wurde nominiert und vom Kabinettschef informiert, dass ich für diese Position nominiert bin, und gefragt, ob ich das auch machen möchte.“

Abg. Dr. Christoph Matznetter (SPÖ):Wer hat Sie nominiert? Entschuldigen Sie die...“

Mag. Manfred Lepuschitz:Die internen Prozesse im BMF als solche im Hintergrund sind mir nicht bekannt.“

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ):Das heißt, Sie wissen nicht, wieso Sie nominiert wurden, also wer sozusagen der war, der gesagt hat: Mag. Lepuschitz ist der Richtige für die Meinl Investment GmbH!?“

Mag. Manfred Lepuschitz:Mein Kenntnisstand ist, dass diese Position vakant war und dass es Formalkriterien gibt, die für diese Position qualifizieren. Und so wurde ich für diese Position dem Herrn Bundesminister vorgeschlagen und nach Rücksprache, ob ich das auch tun möchte, eben dazu ernannt.
(4. Sitzung, Seite 95ff)

 

[267] Auch bei allen weiteren Auskunftspersonen konnte kein nachvollziehbarer Prozess für die Entsendepraxis von Staatskommissären im BMF festgestellt werden. Selbst der Kabinettschef des damaligen BM Karl Heinz Grasser Mattias Winkler kann sich an keine Interventionen bzw. genaue Vorgänge bei der Entsendepraxis erinnern. Auch der damalige BM Karl Heinz Grasser konnte die Frage – trotz 4,5 Stunden Befragung alleine zu diesem Thema - für die Abgeordneten nicht zufrieden stellend beantworten. Die Bestellung von StaatskommissärInnen ist ein nicht nachvollziehbarer Prozess. Warum Personen aufgrund welcher Qualifikation zu StaatskommissärInnen ernannt werden, ist nicht transparent. Dies schürt augenscheinlich zum Eindruck dass die Entsendepraxis in der Hand einiger weniger BeamtInnen bzw. KabinettsmitarbeiterInnen ist.

 

[268] Aufgrund der Befragung der Auskunftspersonen muss die bisherige Bestellpraxis zu StaatskommissärInnen kritisch überdacht werden. Des weiteren ist zu überlegen, dass die derzeit bestehende Regelung, dass auch Personen außerhalb des öffentlichen Dienstes als Staatskommissäre entsandt werden können, abgeschafft werden sollte.


Aus all den angeführten Gründen stellen die Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Untersuchungsausschuss möge beschliessen:

 

Entschließung

 

Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, umgehend eine Arbeitsgruppe mit der Reform der Finanzmarktaufsicht im Sinne der Randziffern 17-28 zu beauftragen.

 

 

 



[1] Sondereffekte im Zusammenhang mit dem Verkauf von Bankentöchtern sind dabei ausgenommen.

[2] OeNB-Zwischenbericht bei der BAWAG P.S.K. vom 03.05.2006

[3] OeNB-Zwischenbericht bei der BAWAG P.S.K. vom 03.05.2006, Rz. 208

[4] OeNB-Zwischenbericht bei der BAWAG P.S.K. vom 03.05.2006, Rz. 209

[5] OeNB-Zwischenbericht bei der BAWAG P.S.K. vom 03.05.2006, Rz. 12

[6] resultierend aus einer Unterlassungsklage gegen eine Inseratenkampagne im Jahr 1995

[7] Gegen Chernoy lagen und liegen zahlreiche Verdachtsmomente von Behördenseite vor. Er wird unter anderem der Geldwäsche, Bestechung, Erpressung und Mitwirkung an Geschäften der organisierten Kriminalität in Russland verdächtigt. In Bulgarien besteht seit dem Jahr 2000 ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen Chernoy wegen des Verdachts auf Bestechung von Regierungsmitgliedern. Während Chernoys Abwesenheit verselbständigte sich das Management der ersten und zweiten Ebene – es kam zur „Entreicherung“ der MobilTel.

[8] Zum damaligen Wechselkurs rund 768 Mio. Euro

[9] Diese Aussage steht in Übereinstimmung mit der Bilanz der Mobiltel Holding GmbH zum 31.12.2004. Dort findet sich weder eine Beteiligung an der bulgarischen MobilTel, noch ein Veräußerungsgewinn nach dem Verkauf im Sommer 2004.

[10] In dieser Transaktion trug die BAWAG alle Risiken. Einerseits weil der Kredit lediglich teilweise durch ihr eigenes Geld abgedeckt war (Bardepot), andererseits weil der Rest des Kredites durch MobilTel-Anteile besichert war, die bei einem Lizenzentzug keinen Wert gehabt hätten.

[11] Die vorliegende Aktenlage über Chernoys „geschäftliche Aktivitäten“ bestätigt, dass es für die Konzerne tatsächlich unverantwortlich gewesen wäre, in eine Geschäftsbeziehung mit Chernoy einzutreten.

[12] Nu-Tech Inc.; Advanced International Telecommunication Inc.; S&H Trading Inc.; USA Premium Inc.;

[13] Bensor, Treval und Biamo

[14] Offizieller Zweck der Reise war ein Festakt der MobilTel, bei dem zwei Bösendorfer-Flügel an das Musikkonservatorium Sofia. Die Kosten für den Besuch wurden laut Vermutungen Helmut Elsners von der MobilTel getragen.

[15] Taus war nicht nur ÖVP-Parteiobmann sondern auch langjähriger Aufsichtsrat der österreichischen Post.

[16] Außenministerin war zu diesem Zeitpunkt Benita Ferrero-Waldner, ihr Kabinettschef Mag. Ulmer.

[17] Siehe auch: http://fma.cms.apa.at/cms/site/DE/sonderthema_detail.html?channel=CH0358&doc=CMS1155809272396

[18] Dem Untersuchungsausschuss wurde der vorläufige Bericht zugestellt, da die Stellungnahme der Hypo-Alpe-Adria zum Zeitpunkt der Übermittlung noch nicht eingelangt ist. Der Endbericht ist zum jetzigen Zeitpunkt daher noch nicht verfügbar.

[19] Im Frühjahr 2007 wurde eine zweite FMA-Mitarbeiterin im Bereich Geldwäscherei eingestellt.