1381/J XXIII. GP

Eingelangt am 19.09.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Konsequenzen der Vereinbarung über zivile nukleare Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Indien auf das multilaterale Abrüstungs- und Rüstungskontrollvertragssystem, sowie der diese Vereinbarung betreffenden österreichischen Position in der Nuclear Suppliers Group (NSG) und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO)

 

 

Die Vereinbarung über zivile nukleare Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Indien hat international zu einer heftigen Diskussion geführt. Insbesondere die Auswirkungen dieser Vereinbarung auf das multilaterale Abrüstungs- und Waffenkontrollvertragssystem werden von vielen ExpertInnen als höchst problematisch bezeichnet.

 

Das Ermöglichen von nuklearem Handel mit Indien, welches den zentralen Vertragssystemen, wie dem Atomwaffensperrvertrag und dem Atomteststoppvertrag, nicht beigetreten ist, bedeutet nicht nur eine Abkehr von einem internationalen Konsens der vergangenen 35 Jahre, sondern wird von zahlreichen ExpertInnen auch als eine quasi Anerkennung des Status Indiens als Nuklearwaffenmacht gesehen.

 

Kernpunkte der Vereinbarung betreffen auf indischer Seite u.a.:

·        eine Verpflichtung zur Trennung von zivilen und militärischen Atomeinrichtungen

·        Abschluss eines Indien-spezifischen Sicherheitsabkommens mit der IAEO

·        Abschluss eines  IAEO-Zusatzprotokolls

·        Weiterbestand des unilateralen Indischen Atomteststoppmoratoriums

·        Umsetzung strengerer Exportkontrollgesetze

 

Die Vereinigten Staaten haben sich ihrerseits zur Änderung der bestehenden Gesetzeslage und der darin enthaltenen Handelsbeschränkungen verpflichtet. Außerdem haben die Vereinigten Staaten zugesagt, eine entsprechende Anpassung der Richtlinien der Nuclear Suppliers Group (NSG) durchzusetzen. 

 

Die Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und Indien über die konkrete Umsetzung der im Juli 2005 getroffenen Vereinbarung gestalteten sich sehr schwierig und konnten erst kürzlich mit einer Einigung abgeschlossen werden. Jetzt kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Vereinigten Staaten in absehbarer Zeit auf einen Beschluss in der NSG drängen werden. Österreich ist einer der 44 Mitgliedsstaaten der NSG, deren Beschlüsse im Konsensprinzip getroffen werden. Gleichzeitig kann damit gerechnet werden, dass Indien die Verhandlungen mit der IAEO über das Sicherheitsabkommen und das Zusatzprotokoll zu einem raschen Abschluss bringen möchte. Österreich wurde im September 2006 für zwei Jahre in den IAEO Gouverneursrat gewählt. Die indischen Abkommen bedürfen der Zustimmung des Gouverneursrats.

 

 

Aufgrund der in naher Zukunft erforderlichen Positionierung Österreichs in den internationalen Gremien der NSG und der IAEO stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

 

 

ANFRAGE

 

1.          Wie ist der derzeitige Stand der Vereinbarung über zivile nukleare Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Indien? Was sind die Kernpunkte der zuletzt erzielten Einigung?

 

2.          Wann ist mit einer Befassung der NSG und des IAEO Gouverneursrats mit dieser Angelegenheit zu rechnen, bei welcher eine österreichische Position zu vertreten sein wird?

 

3.          Wie werden seitens des BMeiA die Auswirkungen der USA-Indien-Vereinbarung auf den Atomwaffensperrvertrag eingeschätzt? Ist diese Vereinbarung mit den Zielsetzungen dieses Vertrags vereinbar? Kann eine zivile nukleare Kooperation mit Indien als indirekte Unterstützung des Indischen Kernwaffenprogramms gewertet werden? Wenn ja, ist dies als mögliche Umgehung des Atomwaffensperrvertrags zu werten?

 

4.          Wie wurden 1995 die Beschlüsse der Erweiterungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages von Österreich interpretiert? Ist die USA-Indien-Vereinbarung mit der österreichischen Interpretation der  Beschlüsse von 1995 und dem Schlussdokument der Überprüfungskonferenz des Jahres 2000 in Einklang zu bringen? Kann eine Ausnahmeregelung für Indien als de facto Anerkennung des Status Indiens als Atomwaffenstaat gewertet werden?

 

5.          Wie sind die möglichen Auswirkungen der Vereinbarung auf das strategische Gleichgewicht in Asien einzuschätzen? Besteht im Falle einer Ausnahmeregelung für Indien eine erhöhte Gefahr eines atomaren Wettrüstens in Asien?

 

6.          Kann die Vereinbarung über zivile nukleare Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und Indien als weitgehende Aufgabe der Prinzipien der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle zugunsten wirtschaftlicher Interessen gewertet werden?

 

7.          Wie ist der Stand der Diskussion und die Abstimmung zu dieser Frage innerhalb der Europäischen Union?

 

8.          Welche Schritte werden gesetzt, um eine konsolidierte österreichische Regierungsposition zu den aus der USA-Indien-Vereinbarung resultierenden Fragen zu erreichen? Wie ist der Stand dieser Abstimmung und wie sind die Kernpunkte der voraussichtlich von Österreich vertretenden Position? 

 

9.          Gibt es eine Abstimmung zwischen Österreich und jenen Staaten, die traditionell in multilaterale Abrüstungs- und Waffenkontrollfragen ähnliche Positionen vertreten. Wenn ja, wie ist der Stand der Diskussion?

 

10.     Unter welchen Voraussetzungen ist aus Sicht des BMeiA eine österreichische Zustimmung zu einer Ausnahmeregelung für Indien in der NSG, sowie zum Sicherheitsabkommen und dem Zusatzprotokoll der IAEO möglich?

 

11.     Inwieweit ist aus Sicht des BMeiA im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen der USA-Indien-Vereinbarung auf den Atomwaffensperrvertrag eine Behandlung im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags erforderlich, bevor eine Entscheidung im Rahmen der NSG getroffen werden kann?

 

12.     Gibt es Bemühungen, den Wert einer möglichen Ausnahmeregelung für Indien für das multilaterale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime zu erhöhen, (indem von Indien erweiterte Verpflichtungen (wie vor allem eine Ratifikation des Atomteststoppvertrags und ein Stopp der Produktion von kernwaffenfähigem spaltbarem Material) gefordert werden? Wenn ja, welche Schritte können von Österreich gesetzt werden? Gibt es dazu eine Koordination mit anderen Staaten? Wird Österreich eine mögliche Zustimmung zu einer Ausnahmeregelung für Indien im Rahmen der NSG und der IAEO von solchen weitergehenden Verpflichtungen abhängig machen?