1644/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.10.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Scheibner

Kollegin und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend keine Gnade für Kinderschänder und gegen gefährliche vorzeitige Haftentlassungen

Justizminister Dr. Christian Broda, im Amt von 21. April 1970 bis 24. Mai 1984, ist den Ös­terreicherinnen und Österreichern unter anderem mit seiner Schreckensvision einer „gefäng­nislosen Gesellschaft" in Erinnerung geblieben. Allein von 1970 bis 1980 stieg die Zahl der strafbaren Handlungen von 285.507 auf 347.013 - das waren 61.506 oder 22 % Straftaten mehr pro Jahr!

Wenn sich nun die erste sozialdemokratische Justizministerin seit Broda ausdrücklich als des­sen Nachfolgerin sieht, ist dies für die auf Sicherheit bedachte Bevölkerung zu Recht ein Alarmsignal. Dies umso mehr, als sich - bedingt durch ausländische Straftäter und viele der organisierten Kriminalität zuzurechnende Straftaten - die Sicherheitssituation in Österreich nach einem Rückgang der Kriminalität in den vergangenen Jahren (2006 wurden um 15.777 gerichtlich strafbare Delikte weniger registriert als 2005) wieder deutlich verschlechtert hat, wie die aktuelle Statistik angezeigter strafbarer Handlungen von Jänner bis August 2007 be­legt:

              +   12,3 % in Oberösterreich,

              +    8,0 % in Vorarlberg,

              +    7,3 % im Burgenland,

              +    6,4 % in Niederösterreich,

              +    5,1% in Tirol,

              +    4,1 % in Kärnten,

              +    3,5 % in Salzburg und

              leicht sinkende Zahlen nur in Wien (wo allerdings bereits 36 Prozent aller bundesweit verzeichneten Straftaten begangen werden!) und in der Steiermark.

Derzeit wäre also eigentlich hartes Durchgreifen erforderlich und nicht die Umsetzung gefähr­licher Utopien!

Angesichts von jährlich rund 2.500 bekannt werdenden Fällen von Kindesmissbrauch (Quel­le: BKA) und einer um ein Vielfaches höher liegenden Dunkelziffer nicht zur Anzeige ge­brachter Missbrauchsfälle herrscht speziell in diesem Bereich weiterhin massiver Handlungs­bedarf:

              Mindeststrafen und Strafverschärfungen wurden immer wieder gefordert, finden sich aber nicht in Ent­würfen des Justizministeriums wieder.

              Eine vom BZÖ initiierte Entschließung für ein Berufsverbot für Sexualverbrecher wurde im Mai 2007 zwar vom Nationalrat - gegen die Stimmen der Grünen - angenommen, trotz Ablauf der Umsetzungsfrist mit 1. September 2007 liegt dem Nationalrat aber nach wie vor nicht einmal ein Bericht der Bundesregie­rung vor.

              Auch die allgemeine Empörung über die Schutzlosigkeit von Volksschülern gegenüber einem amtsbe­kannten Sexualtäter auf Freigang hat die Justizministerin nicht zum Tätigwerden veranlasst.

              Die Bevölkerung empfindet die Strafen für Sexualdelikte und Kindesmisshandlung im Gegensatz zu den für Eigentumsdelikte verhängten Strafen als eklatant unausgewogen.

              Die im geltenden Regierungsprogramm angekündigte Verschärfung der Strafdrohung für lang andauernde Freiheitsentziehung und Gewalt (Fall Kampusch) wartet immer noch auf ihre Umsetzung.

Offenbar entspricht aber ein härteres Vorgehen gegen Sexualstraftäter nicht dem Selbstbild von Justizministerin Berger, was angesichts dessen, dass einer Justizministerin die Sicherheit der Bevölkerung primäre Aufgabe sein sollte, ein mehr als bedrohlicher Befund ist.

Auch etliche andere berechtigte, weil im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung liegende Vorschläge im Bereich des Strafrechts werden von Justizministerin Berger beharrlich nicht aufgegriffen. Hierzu zählen beispielsweise:

■      effektive Auflagen und Kontrollmaßnahmen auch ohne bedingte Entlassung

Auch ohne bedingte Entlassung sollte die Möglichkeit bestehen, bereits im Urteil Auflagen und Kon­trollmaßnahmen im Einzelfall auszusprechen. Der Einsatz dieser Mittel hängt dann nicht von einer oft ge­rade wegen der Gefährlichkeit des Straftäters abgelehnten bedingten Entlassung ab.

■      Bessere Rückfallsvermeidung durch Unterscheidung zwischen verschiedenen Straftäter­gruppen

Durch eine stärkere Unterscheidung in Strafrecht und Strafvollzug hinsichtlich der Resozialisierungs­möglichkeit zwischen verschiedenen Straftätergruppen (z.B. zwischen Berufskriminellen einer- und ge­strauchelten Bürgern andererseits) könnten Rückfälle besser vermieden werden.

■      nachträgliche Einweisung von   Sexualstraftätern in Anstalten für  geistig abnorme Rechtsbrecher

In vielen Fällen, in denen erst während der Haft Klarheit über das Gefährdungspotential des Verurteilten gewonnen wird, wäre die Einweisung von Sexual Straftätern in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbre­cher auch nach Haftende durch das Gericht sehr wünschenswert.

■      deutliche Aufstockung der Zahl der Justizwachebeamten

Die Justizministerin konnte sich in den Budgetverhandlungen in diesem Punkt gegen den Finanzminister nicht wirklich durchsetzen.

■      Errichtung zusätzlicher Haftraumkapazitäten

Die schon in der XXII. GP vorbereitete Erweiterung der Haftraumkapazitäten wurde durch die Justizmi­nisterin nur sehr verzögert und abgeschwächt weiterbetrieben statt dringend notwendige weitere Projekte anzugehen.

Nach diesem Befund über die Dinge, die Justizministerin Berger nicht tut soll nun geprüft werden, was sie tut: Schon kurz nach ihrem Amtsantritt kündigte Justizministerin Berger an, die Häftlingszahlen in den überbelegten heimischen Strafvollzugsanstalten durch ein Haftent­lastungspaket um 10 Prozent senken zu wollen. Dies wären bei einem Rekordstand von über 9.000 Straf- und Untersuchungshäftlingen (davon fast die Hälfte Ausländer und viele Berufs­verbrecher) über 900 Straftäter, die entweder gar nicht inhaftiert oder vor Abbüßen ihrer Haft­strafe wieder früher auf die Bevölkerung losgelassen würden.

Trotz heftiger Kritik schickte die Justizministerin das von ihr angedrohte Haftentlastungs­paket nun nach längerer Funkstille Ende September in Begutachtung. Die vorgesehenen Re­gelungen sollen aber bereits mit 1. Jänner 2008 in Kraft treten, womit belegt ist, dass Justiz­ministerin Berger (entgegen ihrer Beteuerungen anlässlich der Einrichtung eines Broda-Gedenkschreins im Bundesministerium für Justiz) nicht einmal ernsthaft plant, bei der Inten­sität der parlamentarischen Verhandlung derart wichtiger strafrechtlicher Änderungen in die Fußstapfen des von ihr gerühmten Amtsvorgängers zu steigen.

Der vorliegende Entwurf entpuppt sich gemäß den Ankündigungen als echter Anschlag auf die Sicherheit in Österreich. Die Justizministerin gibt zwar vor, durch bessere Gestaltung des Strafvollzugs mehr Sicherheit anzustreben, in Wahrheit jedoch höhlt der Entwurf Strafrecht und Strafvollzug in deren wesentlicher Schutzfunktion für die Bevölkerung deutlich aus und beschränkt sich genau auf das, was die Justizministerin bereits in ihrer ersten Pressekonferenz angekündigt hat:

Ein Haftentlastungs- oder besser Haftentlassungspaket zu sein, dessen Ziel - neben dem höchstpersönlichen Ziel, die Nachfolge Brodas zu erlangen - in einer deutlichen Reduktion der Haftstrafen liegt, um die aufgrund steigender Kriminalität überfüllten Gefängnisse zu lee­ren und den dringend erforderlichen Bau zusätzlicher Haftanstalten entbehrlich zu machen. Die Interessen der Bevölkerung kommen dabei leider ganz überwiegend zu kurz.

Dies zeigen folgende Beispiele:

•     „Reform“ der bedingten Entlassung (Dies ist das Kernstück des Entwurfs).

In Reaktion auf die durch „richterliches Gewohnheitsrecht" herausgebildete regional deutlich unterschiedli­che Wahrscheinlichkeit, bei gleichen Voraussetzungen bedingt entlassen zu werden, schießt die Justizminis­terin durch eine allgemein deutliche Erleichterung der bedingten Entlassung über das Ziel hinaus. Eine Ver­einheitlichung der Rechtsanwendung wäre durchaus wünschenswert, um den „Entlassungstourismus" zwi­schen den in verschiedenen Gerichtssprengeln liegenden Strafvollzugsanstalten abzustellen. Die Zahl der bedingten Entlassungen aber generell und undifferenziert deutlich hochzuschrauben gefährdet aber gerade in Zeiten zunehmender Professionalisierung der Straftäter die Sicherheit. Bedingte Entlassungen mögen bei gestrauchelten Normalbürgern sinnvoll sein, bei ausländischen Berufsverbrechern sind sie nach Meinung der Antragsteller absolut fehl am Platz.

Bedenklich ist weiters, dass nach den Vorstellungen der Justizministerin bedingte Entlassungen künftig aus generalpräventiven Gründen nur noch sehr beschränkt abgelehnt werden können (nur bei Verurteilten, die aus einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedingt entlassen werden wollen).

Noch bedenklicher ist aber, dass auch in spezialpräventiver Hinsicht nicht mehr die begründete Annahme Voraussetzung sein soll, dass der Rechtsbrecher bei einer bedingten Entlassung keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde sondern eine Versagung der bedingten Entlassung nur noch zulässig sein soll, wenn die Begehung strafbarer Handlungen mit schweren Folgen drohen. Demgemäß haben Straftäter, die wegen Delikten ohne schwere Folgen einsitzen wohl künftig die bedingte Entlassung schon mit der Verur­teilung praktisch „in der Tasche“.

Dazu kommt die Verkürzung der grundsätzlichen Mindestanhaltezeit von drei auf zwei Monate und die Möglichkeit der bedingten Entlassung auch aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe. Die bedingte Entlassung nähert sich damit dem gelockerten Vollzug einer Freiheitsstrafe als neue Vollzugsform an.

•     Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit.

Bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung sollen hinkünftig fachkundige Laienrichter direkt durch das Bundesministerium für Justiz in die entscheidenden Senate entsandt werden. Diesen aus dem Bereich der Bewährungshilfe stammenden Personen stehen im Senat keine Vertreter der staatlichen Strafrechtspfle­ge (etwa durch Beteiligung der Staatsanwaltschaft) als Gegengewicht im Dienste der Bevölkerung gegen­über. Andererseits könnte eine derartige Beteiligung der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft unter einer Schülerin Justizminister Brodas, der bekanntlich sein Weisungsrecht mehrfach für eigene politische Zwecke missbrauchte, wohl ohnehin keine Verbesserung bringen.


•     Besondere Vergünstigungen für ausländische Straftäter

Statt sich - wie im geltenden Regierungsprogramm noch angekündigt - der Verhinderung des „Kriminal­tourismus" zu widmen und zur angekündigten „deutlichen Verstärkung der Bemühungen auf Übernahme des Strafvollzugs durch den Heimatstaat" hinzuwirken, sieht die Justizministerin für (EU-)ausländische Straftäter sogar eine besondere Vergünstigung vor:

Statt ihre Strafhaft nach Möglichkeit im Heimatland abzusitzen, sollen nicht aufenthaltsverfestigte ausländi­sche Verurteilte künftig noch früher als einheimische Straftäter, nämlich generell bereits nach Verbü­ßung der Hälfte der Strafe, aus der Strafhaft zu entlassen sein, wenn gegen sie ein Aufenthaltsverbot be­steht und sie freiwillig auszureisen versprechen. Sollten sie dieses Geschenk missbrauchen, ist nur der Voll­zug des Strafrestes vorgesehen.

Praktisch bedeutet dies: Endlich von der Polizei - meist erst nach etlichen Straftaten - dingfest gemachte ausländische Berufsverbrecher werden gegen das Versprechen (!) auszureisen bereits nach der halben Strafe im Inland (!) auf freien Fuß gesetzt, statt dass für einen Vollzug der Haftstrafe bzw. die Resozialisierung in ihrem Heimatland gesorgt würde und ohne ihre Rückkehr dorthin (wohl sehr zur „Freude“ der Sicherheits­behörden des eigenen Landes) auch nur sicherzustellen. Diese ausländischen Berufsverbrecher können also von ihrer kriminellen Organisation unmittelbar nach der Ausreise in anderen Ländern eingesetzt werden, ja selbst - z.B. unter einem neuen Namen - in Österreich, weil sie ja für den Fall einer nochmaligen Festnah­me lediglich den Vollzug der ausstehenden Reststrafe riskieren.

Etwas wirklichkeitsfremd mutet auch die Erläuterung dieses Vorschlags an, die davon ausgeht, dass bei aus­ländischen Straftätern der Vollzugszweck der Resozialisierung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Enthaftung erreicht sei.

•     Einsatz der elektronischen Fußfessel unter technischen Einschränkungen

Kritikwürdig ist auch, dass die bereits in der XXII. GP initiierte elektronische Fußfessel nun technisch ein­geschränkt zum Einsatz kommen soll - man begnügt sich mit einer Überwachungsmöglichkeit auf Basis ei­ner Festnetz-Technologie. Frei- und Ausgänge sollen in Zukunft zwar überwacht werden, die mindere Technologie wird aber nur eine Überwachung an der Arbeitsstelle oder am Wohnsitz ermöglichen - damit kann eine Wiederholung des Falles der missbrauchten Volksschülerin in Wien aber sicher nicht verhindert werden.

Angesichts dieser Fakten liegt wohl auf der Hand, dass die ersten Begründungen der Justiz­ministerin - „10 % weniger Häftlinge" - korrekter waren als der jetzt im vorliegenden Ent­wurf gemachte Versuch, die Reform als angeblich der Sicherheit der Bevölkerung dienend schön zu reden.

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bundesmi­nisterin für Justiz nachstehende

Anfrage:

1.                           Wie viele Haftentlassungen haben seit Ihrem Amtsantritt stattgefunden? Wie viele da­von vorzeitig?

2.                           Wie viele Sexualstraftäter wurden seit Ihrem Amtsantritt vorzeitig entlassen?

3.                           Wie viele Straftäter befinden sich derzeit im gelockerten Vollzug? Wie viele davon sind Sexualstraftäter?

4.                           Wie viele der etwa 3.600 ausländischen Inhaftierten aus über 100 Nationen sind Asyl­werber?

5.                           Weshalb setzen Sie - wenn es Ihnen um die Sicherheit der Bevölkerung geht - den Vor­schlag nicht um, die oft wünschenswerte Möglichkeit der Einweisung von Sexualstraf­tätern in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher auch nach Haftende durch das Gericht zu schaffen?

6.                           Welche konkreten Maßnahmen werden Sie vorschlagen, um den Justizanstalten für Ihre Entscheidungen über Hafturlaub und Freigang künftig auch die der Polizei vorliegenden Informationen über Strafanzeigen zugänglich zu machen?

7.             Wann werden Sie einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Strafdrohung für lang andauernde Freiheitsentziehung und Gewalt (Fall Kampusch) vorlegen?

8.             Wann werden Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen, um die eklatanten Ungleichgewichte bei den Strafen für Eigentumsdelikte im Vergleich zu Delikten gegen Leib und Leben
oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung zu beseitigen?

9.                           Werden Sie die BZÖ-Forderung auf ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafen bei schweren Straftaten wie Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch von Unmündigen mit Todesfolge unterstützen? Wenn nein, warum erscheint Ihnen z.B. für das gewaltsa­me und qualvolle Sterben eines Mädchens eine maximale Strafdrohung von zehn Jahren Freiheitsstrafe wie nach § 92 StGB angemessen?

10.                    Meinen Sie nicht, dass ein Straftäter, der ein Mädchen sexuell missbraucht und dessen Tod verursacht, auf der tiefsten Stufe des Unrechts steht und daher ausschließlich mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden sollte? Wenn nein, warum nicht?

11.                    Unterstützen Sie den Beschluss des Schweizer Nationalrats, dem Volkswillen in der Frage einer lebenslangen Verwahrung von extrem gefährlichen, nicht therapierbaren Gewalt- und Sexualtätern ohne Haftprüfung zu folgen? Wenn nein, warum lehnen Sie diese vom Schweizer Volk verlangte Änderung, die wahrscheinlich auch der Meinung einer Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher entspricht, ab?

12.                    Ist es richtig, dass Sie eine deutliche Reduktion der Strafdrohung für gewerbsmäßigen Suchtgifthandel planen?

13.                    Welche Reduktion des durchschnittlichen Häftlingsstandes und welche Gesamtzahl be­günstigter Straftäter wird Ihr Haftentlastungspaket jährlich bewirken?

14.                    Wieso ergreifen Sie statt der bedenklichen generellen Erleichterung der bedingten Ent­lassung keine Maßnahmen, die nur das evidente West-Ost-Gefälle in der praktischen Anwendung beseitigen?

 

15.         Wie rechtfertigen Sie die durch die geplante generelle Erleichterung der bedingten Ent­lassung bewirkte Missachtung des ursprünglichen Richterspruchs?

16.         Wieso sehen Sie bei bedingten Entlassungen keine Differenzierung nach der Natur des Delikts vor? Wieso sollen insbesondere auch Sexualstraftäter in den Genuss der erleich­terten bedingten Entlassung kommen?

17.         Weshalb halten Sie trotz der deutlich höheren Rückfallsquote eine bedingte Entlassung für Sexualstraftäter für vertretbar?

18.         Welche Delikte gelten nach der Judikatur gerade noch nicht als Straftaten mit schweren Folgen (bitte nennen Sie Beispiele aus jedem Abschnitt des Besonderen Teils des StGB) und sind damit künftig kein Hindernis für eine bedingte Entlassung mehr?

19.         Wie rechtfertigen Sie die Strafhaft eines Täters wegen einer Tat ohne schwere Folgen, wenn gleichzeitig Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen werden sollen, die - nach Erwartung der Gerichte - weiterhin derartige Taten begehen werden?

20.         Frau Ministerin, Sie haben in Ihrem Amtseid gelobt, Ihre Amtspflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen; wie vereinbaren Sie es mit Ihrem Gewissen, als für die Sicherheit der Bevölkerung Mitverantwortliche, dass  nach Ihren Vorschlägen Rechtsbrecher vorzeitig auf freien Fuß gesetzt werden, bei denen nicht einmal mehr ei­ne halbwegs positive Prognose erstellt werden kann?

21.         Wie werden Sie unter dem Aspekt der Generalprävention Fälle wie den der Frau Abge­ordneten Petrovic behandeln, die sich im Zusammenhang mit dem Verstecken illegal in Österreich aufhältiger Personen öffentlich dazu bekannte, strafbare Handlungen zu be­gehen und auch weiterhin begehen zu wollen?

22.         Hat die Staatsanwaltschaft wegen der Aussage von Frau Abgeordneter Petrovic („Ich gehöre zu denen, die mithelfen, Leute zu verstecken" Der Standard, 10. Oktober 2007) schon Vorerhebungen eingeleitet und ist davon auszugehen, dass der Antrag auf Aufhe­bung der Immunität gestellt wird?

23.         Weshalb wollen Sie die „fachmännischen Laienrichter" bei bedingten Entlassungen bewusst selbst auswählen und entsenden und in ständiger Abhängigkeit halten (mehr­malige zeitlich befristete Wiederbestellungsmöglichkeit wie oftmals bei den unabhängi­gen Verwaltungssenaten kritisiert, keine Entlohnung, außer sie stehen im öffentlichen Dienst), statt wie allgemein üblich die richterliche Unabhängigkeit durch eine nicht willkürliche sondern zufällige Auswahl abzusichern bzw. überhaupt wie allgemein üb­lich Sachverständigengutachten vorzusehen?

24.         Wird die elektronische Fußfessel nach Ihrem Modell geeignet sein, Fälle wie beispiels­weise das schreckliche Sex-Attentat auf ein 6-jähriges Mädchen in einer Wiener Schule - der Täter hatte unbegleiteten Ausgang - zu verhindern?

25.         Wann kann in Anwendung Ihres Haftentlastungspakets z.B. jener niederösterreichische Arzt, der wegen des über ein Jahr andauernden Missbrauchs seiner 13-jährigen Stief­tochter zu lediglich drei Jahren Haft (davon nur acht Monate unbedingt) verurteilt wur­de, erstmals bedingt entlassen werden?

26.         Wann kann in Anwendung Ihres Haftentlastungspakets jener Vorarlberger Fußball­trainer, der sich jahrelang an 20 Buben vergriffen hatte und zu lediglich zwei Jahren Freiheitsstrafe (davon nur acht Monate unbedingt) verurteilt wurde, frühestens bedingt entlassen werden?

27.         Weshalb verzichten Sie zur Gänze, entgegen Ihren Ankündigungen, auf spezialpräven­tive Voraussetzungen für die vorzeitige Haftentlassung nicht aufenthaltsverfestigter Ausländer?

28.         Wie wollen Sie der Gefahr begegnen, dass ausländische Täter, die nach Ihrem Entwurf künftig Anspruch auf eine Haftentlassung nach der Hälfte der verhängten Strafe haben sollen, allein schon durch die modernen Kommunikationsmittel vielfach auch vom Aus­land aus weiter in Österreich operieren können?

29.         Wie soll die Identifikation ausländischer Täter sichergestellt und damit deren Wieder­einreise und allfällige weitere kriminelle Tätigkeiten nach vorzeitiger Enthaftung wirk­sam verhindert werden angesichts der praktischen Erfahrungen der Kriminalpolizei, dass bestimmte Personenkreise schon bei der Einreise als Name häufig „Joe Brown“ angeben, und in zahlreichen Ländern Dokumente wie Geburtsurkunde, Staatsbürger­schaftsnachweis etc. nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität bestehen wie in Öster­reich oder schlichtweg einfach käuflich erhältlich sind?


30.         Im geltenden Regierungsprogramm wurde die Verhinderung des „Kriminaltourismus“ als eines der Ziele der rot-schwarzen Regierung vereinbart; wie steht diese Zielsetzung mit dem Haftentlastungspaket im, Einklang, nach dem ausländischen Inhaftierten ein 50 % - Rabatt auf die Haftzeit bei gleichzeitiger Ausreisevereinbarung gewährt wird?

31.         Wie rechtfertigen Sie, dass Inländer für eine bedingte Entlassung eine gerichtliche Ent­scheidung unter Abwägung des Gefahrenpotentials brauchen, ausländische Straftäter aber - ohne Rücksichtnahme auf die Art ihrer Taten - einen Rechtsanspruch auf Frei­heit nach Abbüßung der Hälfte der Strafhaft allein für ihr Versprechen auf Ausreise aus Österreich haben?

32.         Der Opferhilfe ist im geltenden Regierungsprogramm ein eigenes Kapitel gewidmet; haben Sie Verständnis dafür, dass Opfer von Straftaten, die mit ansehen müssen, wie ih­re Peiniger aufgrund Ihres Haftentlastungspakets vorzeitig entlassen werden den Glau­ben an den Rechtsstaat verlieren? Wenn nein, warum?

33.         Weshalb soll das vorliegende Haftentlastungspaket schon mit 1. Jänner 2008 in Kraft treten?

34.         Wie viel Zeit wird bis dahin für die Verhandlungen mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien - nach dem Muster Ihres Vorbildes Broda - zur Verfügung stehen?

35.         Wenn Sie mehr Sicherheit erreichen wollen, warum setzen Sie sinnvolle Schritte für mehr Sicherheit wie ein Berufsverbot für Sexualverbrecher trotz einer vorliegenden Entschließung des Nationalrats vom 3. Mai 2007 nicht um?

36.         Wann wird die Bundesregierung, der Sie angehören, dem Nationalrat den in der von vier Parteien unterstützten Entschließung vom 3. Mai 2007 (19/E) bis 1. September 2007 angeforderten Bericht zur Umsetzung eines Berufsverbots für Sexualstraftäter ü­bermitteln?

37.         Halten Sie es nicht für eine eklatante Missachtung des Nationalrats, wenn eine Ent­schließung ohne jegliche Begründung von der Bundesregierung ignoriert wird? Wenn nein, warum?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR dringlich zu behandeln.