1733/J XXIII. GP

Eingelangt am 05.11.2007
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Anfrage

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

 

betreffend: Megaflop Dienstleistungsscheck

 

 

Im Unterschied zum BMWA sehen wir im Dienstleistungsscheck keine „Erfolgsgeschichte“.

 

Ursprünglich aus der Absicht geboren, die geschätzten 1,7  Milliarden Euro, die in Österreich im Privatbereich für diverse Dienstleistungen „schwarz“ gearbeitet werden, in reguläre Arbeitsverhältnisse überzuführen bzw. zumindest für die Sozialabgaben zu erschließen, stellte sich schon nach einem Jahr heraus, dass der Dienstleistungsscheck dafür nicht geeignet ist: im Jahr 2006 wurden Schecks im Wert von rund 1 Million Euro (genau: € 997.734,-) verkauft. Das entspricht bei einem Stundenlohn von 10 € (inkludiert: Sonderzahlungen) rund 50 zusätzlichen  Vollzeitbeschäftigungen. Oder bezogen auf die 1,7 Milliarden Euro:  deutlich weniger als 1 Promille der vermuteten Schwarzarbeit im Haushaltsbereich wurde durch den Dienstleistungsscheck erfasst.

 

Tatsächlich haben natürlich wesentlich mehr Menschen den Dienstleistungsscheck beansprucht bzw. eingelöst, als in den 50 Vollzeitäquivalenten zum Ausdruck kommt:

 

2.478 waren es zwischen 1.1.2006 und 31.3.2007, die insgesamt Schecks um € 1.347.874,- eingelöst haben.  Das ergibt  einen Betrag von € 36,26 (!!) pro Monat und Person bei durchgehender Beschäftigung.

 

Das würde bedeuten, dass die durchschnittliche DienstleisterIn pro Woche (nicht einmal) einen Scheck zu  8 Euro (inkl. Sonderzahlung bzw. Urlaubsersatzleistung!) für ihre Dienstleistung erhält!

·        Das durchschnittliche Monatsentgelt von € 36,26 ergibt bei einer Stunde Arbeit pro Woche einen Arbeitslohn (exkl. Sonderzahlung und Urlaubsentschädigung) , der in den meisten Bundesländern unter dem zu zahlenden Mindestlohntarif liegen würde!!!

·        Auch der Betrag von durchschnittlich € 544, den 2.478 ScheckempfängerInnen innerhalb von 15 Monaten  insgesamt erlöst haben, macht das Kraut nicht fetter!

Der „Kurier“ hat im April 2007 darüber berichtet, dass es beim Dienstleistungsscheck  zu Fällen von Missbrauch durch nahe Angehörige gekommen sei. Die Wiener Gebietskrankenkasse wies auf Anfrage der APA ebenfalls im April 07 darauf hin, dass 8 Anträge auf freiwillige Versicherung im Zusammenhang mit dem Scheck abgelehnt wurden, weil „familiäre Naheverhältnisse“ vorhanden waren.

 

Die Zeitschrift „Gewinn“ berichtete schon in ihrer Ausgabe vom September 2006 von der „neuen“ Linie der Kassen, wonach ab sofort Ehegatten und Kinder vom Dienstleistungsscheck bzw. der damit verbundenen Möglichkeit der freiwilligen Selbstversicherung  ausgeschlossen sind.

Faktum bleibt jedenfalls, dass die über § 19a ASVG geregelte freiwillige Selbstversicherung die günstigste Form der Kranken- und Pensionsversicherung darstellt.  Sozialrechtlich ist der Dienstleistungsscheck damit der geringfügigen Beschäftigung gleichgestellt, bietet aber jede Menge Schlupflöcher  (bei Arbeitsrecht,  Einkommen), die ihn schwer kontrollierbar machen.

Die in den Erläuterungen zum Gesetz gemachten Versprechungen haben jedenfalls mit der Realität des Dienstleistungsschecks nichts zu tun. In den Erläuterungen hieß es:

 

„Mit dem Dienstleistungsscheck soll für die Vertragspartner ein Anreiz gesetzt werden, die Beschäftigung im Haushalt aus einem mehr oder weniger völlig ungeregelten Bereich in ordentliche Beschäftigungsverhältnisse, die arbeits- und sozialrechtlich abgesichert sind, zu überführen“.

 

Mit dem Dienstleistungsscheck-Gesetz wurde  einerseits eine neue Form der begünstigten Sozialversicherung für Rechtskundige geschaffen und andererseits eine neue  Form eines besonders prekären Arbeitsverhältnisses.

 

·        So kann auch durch die ununterbrochene Aneinanderreihung von befristeten Dienstleistungsscheckverhältnissen kein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis entstehen.

·        Der vorgeschriebene Mindestlohntarif ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und kaum bekannt (2007 beträgt er zwischen € 6,09 und € 7,27 ohne Einrechnung der Sonderzahlungen bzw. Urlaubsentschädigung).

·        Es gibt im Unterschied zu geringfügiger Beschäftigung selbst bei  ununterbrochener Aneinanderreihung von Dienstleistungsverhältnissen keinen Urlaubsanspruch, sondern (nur) einen Anspruch auf Ersatzleistung, die aber durch das vereinbarte Entgelt bereits abgegolten ist.

·        Es gibt (auch im Unterschied zur geringfügigen Beschäftigung) keinen Entgeltanspruch im Krankheitsfall oder eine Pflegefreistellung.

·        Es gibt keinerlei ArbeitnehmerInnenschutz.

·        Es gibt (im Unterschied zur geringfügigen Beschäftigung) auch keinen Abfertigungsanspruch.

 

Auch die weiteren, schon vor und bei Einführung des Dienstleistungsschecks geäußerten Kritikpunkte bleiben aufrecht:

 

·        Die Geringfügigkeitsgrenze, die das Entgelt  zu einer einzelnen Person begrenzt, dürfte zwar angesichts des durchschnittlichen Monatsentgelts von 36 Euro nur für wenige ein tatsächliches Problem darstellen, ist aber wegen der Bestimmung des § 1 bzw. 2, wonach Sonderzahlungen (13.,14.,15. Gehalt, Urlaubsersatzleistungen)  zwar im Entgelt abzugelten, aber nicht für die Entgeltgrenze zu berücksichtigen sind,  nur kompliziert zu handhaben.

·        Die Handhabung des Schecks und seine Auszahlung, die etliche Wochen nach der Dienstleistung  durch die Gebietskrankenkasse erfolgt, machen ihn für Personen, die dringend auf  Geld angewiesen sind, unbrauchbar.

·        Der Scheck ist kein Angebot an in Österreich aufhältige, aber nicht arbeitsberechtigte Personen, sich auf legale Arbeitsverhältnisse einzulassen. Gerade diese Menschen leisten aber den überwiegenden Teil dieser Arbeiten.

·        Der Dienstleistungsscheck bietet keine Entwicklungsmöglichkeiten.

·        Der Dienstleistungsscheck ist eine Dumpingkonkurrenz für alle Formen von angestellter Beschäftigung, wie sie z.B. über Dienstleistungsgesellschaften organisiert wird.

·        Der Dienstleistungsscheck wurde im Jahr 2006 laut Ihrer Anfragebeantwortung mit einer Werbekampagne (Informationsaufwand) beworben, die € 395.987,31 gekostet hat.

·        In den Erläuterungen zum Gesetz wurde mit einem laufenden Aufwand für das Jahr 2006 in der Höhe von 650.000 Euro und Entwicklungskosten (EDV) in der Höhe von 600.000 Euro gerechnet.

·        Die Summe aller eingelösten Schecks betrug 2006  € 997.734.

·        Die Einführung des Dienstleistungsschecks (Werbung / technische Einführungskosten) hat jedenfalls im ersten Jahr mehr  öffentliches Geld gekostet als über Dienstleistungsschecks ausbezahlt wurde!

 

Und was ist jetzt die Erfolgsgeschichte?

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1). Haben Sie die im § 11 des DLSG nach einem Jahr vorgeschriebene Evaluierung  der Umsetzung und Auswirkungen des Gesetzes durchgeführt?

 

2). Was sind im Detail die Ergebnisse der Evaluierung?

 

3). Wer wurde mit der Evaluierung beauftragt?

 

4). Mit welchen Kosten war die Evaluierung verbunden?

 

5). Welche einmaligen Kosten zur Herstellung der Voraussetzungen zur Vollziehung des DLSG  gemäß  § 6 (3)  wurden bis zum Stichtag der Anfrage bisher aus der Gebarung Arbeitsmarktpolitik bezahlt?

 

6). Welche laufenden Kosten gemäß § 6 (2) DLSG wurden im Jahr 2006  zur Abdeckung des Personal- und Sachaufwandes an die Sozialversicherungsträger aus der Gebarung Arbeitsmarktpolitik überwiesen?

 

7). Welche weiteren Kosten sind dem BMWA bisher zur Herstellung und Abwicklung des Dienstleistungsschecks erwachsen?

 

8). In den  Erläuterungen zum DLSG rechneten Sie bzw. Ihr Ressort mit 4.000 Personen  für 2006 und 20.000 bis 2010, die über den Dienstleistungsscheck Beschäftigung finden würden.

a)     Warum  sind nach Ansicht Ihres Ressorts die „plausibel erscheinenden Annahmen“ (aus den Erläuterungen) für 2006 nicht eingetroffen?

b)     Rechnen Sie noch mit einer Steigerung auf 20.000 Personen bis 2010?

 

9). Wie viele Personen haben  seit 1.1. 2006 bis zum Stichtag der Anfrage Dienstleistungsschecks eingelöst?

 

10). Wie hoch war die Summe der eingelösten Dienstleistungsschecks in den einzelnen Monaten des Jahres 2007 bis zum Stichtag der Anfrage?

 

11). Planen Sie Änderungen beim Dienstleistungsscheck? Wenn ja, welche?

 

12). Warum wollen Sie den Dienstleistungsscheck trotz erwiesener Erfolglosigkeit bzw. falscher Anreize nicht einfach einstellen?

 

13). § 5 DLSG sieht vor, dass die angeführten Sozialversicherungsträger die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben auf Weisung des BMWA zu vollziehen haben. Ist Ihr Ministerium auch befugt, der VAEB die Nennung bzw.Veröffentlichung von statistischen Daten zum Dienstleistungsscheck zu verbieten?