3103/J XXIII. GP

Eingelangt am 08.01.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend „Viel Show um Nichts“: Mittel aus dem Auslandskatastrophenfonds für das Tsunami-Hilfsprogramm

 

 

 

 

Die Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004, bei der 230.000 Menschen (unter ihnen auch viele TouristInnen) starben und Millionen ihre Lebensgrundlage verloren, machte auch in Österreich betroffen. Die damals große Spendenbereitschaft der ÖsterreicherInnen ist im Rückblick an den Zahlen nachzulesen: So stiegen nach Angaben der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung die Zuschüsse privater Hilfsorganisationen von 71 Mio. im Jahr 2004 auf 112 Mio. Euro im Jahr 2005. Ein Großteil dieser Steigerung ging auf den Tsunami zurück.

 

Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe und der Spendenbereitschaft der ÖsterreicherInnen verkündete die damalige Regierung, 50 Mio. Euro aus öffentlichen Mitteln für die Krisenregion bereit zu stellen. Davon sollten 34 Mio. Euro im Zeitraum von drei Jahren (also bis Ende 2007) vom Bund kommen. In multilaterale Töpfe von UN-Organisationen sollte jedoch nicht eingezahlt werden, man wollte einen bilateralen Ansatz wählen.

Bundesminister a.D. Ernst Strasser wurde als (ehrenamtlicher) Koordinator für die „Wiederaufbauhilfe Südostasien“ eingesetzt, das Innenministerium stellte ein Büro und MitarbeiterInnen zur Verfügung. Die Koordination bestand vor allem darin, Informationen über die Projekte des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie der privaten Organisationen bzw. Initiativen zusammenzutragen. Es fanden auch Treffen dieser AkteurInnen statt, aber es gab keine Steuerung (wie etwa Überprüfung aus entwicklungspolitischer Sicht, Anregung von Kooperationen verschiedener AkteurInnen, regionale und/oder sektorielle Schwerpunktsetzungen etc.).

Drei Berichte werden veröffentlicht, ehe Ernst Strasser im Dezember 2005 seine Koordinatoren-Funktion zurücklegt. Im letzten Bericht vom Dezember 2005 heißt es: „Mit Stand 07. Dezember 2005 waren bereits rund 23,1 Mio. € an öffentlichen Geldern für konkrete Projekte bzw. Maßnahmen der Humanitären und Wiederaufbauhilfe vertraglich gebunden (commitment). Rund 12,8 Mio. € dieses Betrages waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt (disbursement). Die Bundesministerien haben sich an der bisherigen vertraglich gebundenen Tsunami-Hilfe mit rund 12,7 Mio. €, die Bundesländer mit rund 6,3 Mio. €, die Städte/Gemeinden mit rund 3 Mio. € und sonstige öffentliche Geldgeber mit rund 1,1 Mio. € beteiligt.“

Seitdem ist kein Bericht mehr veröffentlicht worden.

 

Am 1. Jänner 2005 trat das Auslandskatastrophenfondsgesetz in Kraft. Die versprochenen 34 Mio. sollten über diesen vom BMeiA (damals BMaA) verwalteten Fonds verteilt werden. Ein Beirat wurde als begleitende Kontrolle für die vom Auslandskatastrophenfonds finanzierten Tsunami-Maßnahmen eingesetzt, mit Berichtspflicht an den Bundeskanzler. Organisatorisch griff dem Beirat das Finanzministerium unter die Arme. Die Berichte des Beirats wurden nicht veröffentlicht.

 

Nach Angaben des Magazins profil 51/07 („34.000.000 versprochen – 8.908.000 gehalten“) sollen laut internem Prüfbericht des o.a. Beirats im Jahr 2005 und 2006 „insgesamt 8,848 Millionen Euro“ aus Fondsmitteln für die Tsunami-Katastrophe „liquidiert“ worden sein. 2007 sollen noch 60.000 Euro dazukommen. Damit wurden tatsächlich etwa 8,9 Mio. Euro ausgegeben und von den versprochenen 34 Mio. Euro werden etwa 25 Mio. Euro(!) vom Fonds nicht abgerufen worden sein. Das ist angesichts der vollmundigen Regierungsankündigungen eine mehr als magere Ausbeute.

 

Die Entwicklungsagentur ADA finanzierte ihre Maßnahmen im Umfang von etwa 2 Mio. Euro aus dem eigenen Budget, wurde jedoch in die Gesamtkoordination nicht im entwicklungspolitisch nötigen Ausmaß einbezogen.

Die geplante Rehabilitation einer Bahnlinie in Sri Lanka (Projektvolumen 20 Mio. Euro, davon Finanzierungsanteil des Auslandskatastrophenfonds 5 Mio. Euro) wurde im März 2006 vom Ministerrat genehmigt, das Geld des Fonds wurde im Juni 2006 vom BMF frei gegeben. Das Projekt wurde von den ÖBB jedoch nicht einmal begonnen, Ausschreibungen des geplanten Projektes an andere, eventuell geeignetere (ausländische) Firmen, wurden nicht durchgeführt. Laut jüngsten Aussagen von Bundesminister a.D. Hubert Gorbach wurde das Projekt wegen „Irritationen“ mit Sri Lanka (angeblich wollten die Regierungsstellen eine Hochleistungsstrecke errichten) nicht umgesetzt. Es wurden offensichtlich auch keinerlei Anstrengungen seitens der ÖBB oder des BMVIT unternommen, das Projekt zu verbessern und die bereits genehmigten Mittel für ein sinnvolleres Infrastrukturprojekt umzuwidmen.

 

Es stellt sich daher die Frage, was mit den bereits genehmigten 5 Mio. Euro geschehen ist. Laut einer APA-Meldung vom 17. 12. 2007 sind „die fünf Mio. Euro weder bei den ÖBB noch im Verkehrs­­ministerium selbst“ nachvollziehbar  Die  Sprecherin von Verkehrsminister Faymann, Angelika Feigl wird in der gleichen Meldung mit „Die sind nirgends vermerkt." zitiert.  Man habe nur Gelder in Höhe von 1,2 Mio. Euro festmachen können, die damals für Decken, Zelte und andere Hilfsgüter als Soforthilfemaß­nahmen der ÖBB geflossen seien.

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Warum gab es in den Jahren 2006 und 2007 nicht mehr Bemühungen seitens der Bundesregierung um entwicklungspolitisch sinnvolle Projekte in den vom Tsunami getroffenen Ländern, die aus Mitteln des Auslandskatastrophenfonds hätten gedeckt werden können?

 

2. Warum erhielt die Austrian Development Agency (ADA) keine Mittel des Auslandskatastrophenfonds?

 

3. Warum wurden keine Tsunami-Projekte internationaler Organisationen (v.a. der UNO) aus dem Auslandskatastrophenfonds finanziell unterstützt?

 

4. Ist daran gedacht, die 2005 vollmundig versprochenen aber nicht abgerufenen 25 Mio. Euro, die aus Mitteln des Auslandskatastrophenfonds für Projekte im Tsunami-Gebiet verwendet werden sollten, der ADA für die im europäischen Vergleich sowieso sehr niedrig dotierte österreichische Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen? Wenn nein, warum nicht? Und wofür werden die versprochenen Mittel dann eingesetzt?

 

5. Was ist mit den für die Rehabilitation der Bahnlinie ursprünglich genehmigten 5 Mio. Euro geschehen? Sind diese wieder in den Bundeshaushalt eingeflossen? Warum wurde nicht darauf gedrängt, ein anderes ähnliches Projekt damit zu finanzieren?

 

6. Wann werden die Berichte des Beirats des Auslandskatastrophenfonds aus den Jahren 2005 bis 2007 dem Parlament übermittelt? Warum ist dies bisher nicht geschehen?

 

7. Ist künftig daran gedacht, das Parlament regelmäßig über die beim Auslandskatastrophenfonds eingereichten Projekte sowie die Tätigkeit der von der Regierung eingesetzten Beiräte zu unterrichten? Wenn ja, in welcher Form und in welchen Zeitabständen? Wenn nein, warum nicht?

 

8. Wie beurteilen Sie die Tätigkeit des von der Regierung eingesetzten Koordinators Ernst Strasser? Welche Kosten entstanden der Republik aus seiner Koordinatorentätigkeit? War vereinbart, dass seine Tätigkeit lediglich in der Sammlung und Dokumentation der geplanten Tsunami-Projekte bestehen sollte? Warum wurde nicht von vornherein jemand bestellt, wer auch entwicklungspolitisches Know-How besitzt und dadurch die Einbeziehung entwicklungspolitischer Kriterien in die Projekt-Entscheidung garantieren kann?

 

9. Welche Verbesserungen planen Sie für die Koordination künftiger internationaler Katastrophenfälle, damit nicht wieder „Viel Show um Nichts“ mit hohlen Versprechungen der Bundesregierung gespielt wird?