3341/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.01.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend unbegrenztes Fruchtgenussrecht der ASFINAG

 

 

 

 

 

Die ASFINAG muss ab dem heurigen Jahr und in Zukunft nach IFRS bilanzieren. Unter IFRS-Vorgaben würde die gegenwärtige Regelung des Fruchtgenusses angesichts des enormen Schuldenberges unweigerlich zu erheblichem „negativen Eigenkapital“ führen, d.h. den Konkurs nach sich ziehen.

 

Deshalb planen Regierung und Unternehmen die Umwandlung des derzeitigen Fruchtgenuss-Kündigungsverzichts des Bundes für die Dauer von 50 Jahren in einen immerwährenden. Zugleich soll diese Fruchtgenuss-Übertragung auf unbestimmte Zeit im Gegensatz zum seinerzeitigen Abkauf des Fruchtgenussrechts der Republik Österreich (die ASFINAG zahlte der Republik über 77 Mrd ATS, das entspricht fast 6 Mrd Euro) zu keinem Erlös für das Budget führen.

 

Damit entgehen einerseits den SteuerzahlerInnen erhebliche Budgetmittel. Andererseits kann sich die ASFINAG auf Basis dieses unbegrenzten Fruchtgenussrechtes in nicht limitierter Höhe weiter verschulden und damit zahlreiche verkehrspolitisch und wirtschaftlich fragwürdige Straßenprojekte bauen. Das ökonomische und ökologische Ungleichgewicht zwischen der Infrastruktur Schiene und der Infrastruktur Straße würde sich noch weiter zu Gunsten der Straße verlagern, was angesichts der Klimaschutznotwendigkeiten und der Unwägbarkeiten für die Zukunft des auf Verschwendung fossiler Energieträger aufgebauten Systems Straßenverkehr kontraproduktiv und nicht nachhaltig wäre. Außerdem leistet die Republik durch diese Vorgangsweise einen außerordentlichen Vermögensverzicht, durch eine spätere Privatisierung der ASFINAG würde schlagartig das gesamte Autobahn- und Schnellstraßennetz Österreichs in den De-facto-Besitz der Großinvestoren übergehen. Dies kommt einer Privatisierung des gesamten öffentlichen höherrangigen Straßengutes gleich. Die Absichten der Regierung und der ASFINAG bei der Änderung der Fruchtgenussregelung bereiten dem den Weg.

 

Im Detail ergeben sich noch zusätzliche Probleme:

 

Der Bund übertrug der ASFINAG das Recht auf Fruchtnießung im Rahmen eines mit der ASFINAG abgeschlossenen Fruchtgenussvertrages. Dieser Vertrag ist auf eine Laufzeit von fünfzig Jahren ausgerichtet; er wurde nur deswegen formal nicht auf fünfzig Jahre, sondern auf unbestimmte Zeit mit einem einseitigen Kündigungsverzicht des Bundes für die Dauer von fünfzig Jahren abgeschlossen, um Rechtsgeschäftsgebühren in erheblicher Höhe zu sparen (Rechtsgeschäfts-gebühren - Änderung der Bemessungsgrundlage von fünfzig auf drei Jahre). Die ASFINAG als Fruchtgenussberechtigte hat (jedenfalls) für die Dauer von fünfzig Jahren das Recht, die Einhebung der gesetzlich festgelegten Benützungsentgelte und Mauten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vorzunehmen. Für die Einräumung dieses Fruchtgenussrechtes bezahlte die ASFINAG einen Kaufpreis in der Höhe von ATS 77,9 Milliarden. Der Bund aber hat das Recht, nach dem Ablauf von 50 Jahren den Fruchtgenussvertrag zu kündigen und das Recht zur Einhebung der gesetzlich festgelegten Benützungsentgelte und Mauten entweder wieder auf eigene Rechnung auszuüben oder erneut zu verkaufen.

 

Verzichtet der Bund nun auf diese Möglichkeit, indem der Kündigungsverzicht unentgeltlich weiter verlängert wird, so handelt es sich ohne Zweifel um eine auf europarechtlicher Basis verbotene Beihilfe des Staates Österreich an den Marktteilnehmer ASFINAG, die zu einer entsprechenden Rückzahlungsverpflichtung in der Höhe des (verzinsten) entgangenen Entgelts führen müsste. Bezugsgröße wäre hier zum Beispiel der im Jahre 1997 bezahlte valorisierte Kaufpreis, aliquot umgerechnet auf die Jahre der tatsächlichen Rechtsverlängerung.

 

Die tatsächlichen geldwerten Vorteile ergeben sich deutlich aus internen Berichten und den unterschiedlichen Ergebnissen, die sich aus der Veränderung des Parameters „Dauer der Rechtseinräumung“ ableiten. Das Betriebsergebnis der ASFINAG ist wesentlich abhängig von der Nutzungsdauer des Fruchtgenussrechts, bei längerer Nutzungsdauer verändert sich das Ergebnis erheblich zu Gunsten der Gesellschaft.

 

Ein durchaus vergleichbarer Fall führte erst im November 2007 in der Sache EU/ThyssenKrupp/Cementir/Terni zur Verpflichtung der italienischen Regierung, Beihilfen in der Höhe von rund € 80 Millionen vom ThyssenKrupp, Cementir und Terni Nuova Industrie Chimiche zurückzufordern. Wie die EU-Kommission dazu mitteilte, ist der billige Stromtarif, der den drei Unternehmen seit 2005 für ihre Werke in Umbrien gewährt wurde, unvereinbar mit den Regeln des EU-Binnenmarkts. Der Sonderstromtarif war 1962 als Entschädigung für die Verstaatlichung eines Wasserkraftwerks eingeführt worden, das der Societa Terni gehörte, deren Rechtsnachfolger die drei begünstigten Unternehmen sind. Vorgesehen war die Stromlieferung zum Selbstkostenpreis für 30 Jahre. 1992 hatte die italienische Regierung die Sonderregelung mit Zustimmung der Kommission verlängert. Eine zweite Verlängerung für den Zeitraum von 2005 bis 2010 war der Kommission aber nicht mitgeteilt worden. Eine für eine Enteignung gewährte Entschädigung dürfe nicht unbefristet sein, erklärte die zuständige Wettbewerbskommissarin. Andernfalls nähme sie die Form einer mit dem EU-Recht unvereinbaren Beihilfe an, wenn sie – wie in diesem Fall – den Wettbewerb verzerre. Die Mittel seien daher vollständig zurückzufordern, einschließlich Zinsen.

 

Analog zu dieser Entscheidung der EU-Kommission kann auch das für eine bestimmte Zeit mit einem bestimmten Kaufpreis durch einen Marktteilnehmer erworbene Recht nicht durch den Staat unentgeltlich über den vertraglichen Zeitraum hinaus dem Vertragspartner eingeräumt (zur Nutzung überlassen) werden, ohne hiedurch gegen das Beihilfenverbot zu verstoßen.

 

Bis heute liegen noch keine Details (und überhaupt noch keine nähere schriftliche Darstellung) des geplanten Vorgehens des Bundes in diesem Zusammenhang vor. Sollte das Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden, so bedürfte es zumindest einer schriftlichen Vertragsanpassung. Gleichzeitig müsste wohl auch aus Bilanzierungsgründen das Abschreibungsverbot, das aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung für dieses Fruchtgenussrecht und nur für die ASFINAG gilt, aufgehoben werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.      Wie können Sie es verantworten, dass durch den „immerwährenden Kündigungsverzicht“ des Bundes beim Fruchtgenussrecht der ASFINAG den SteuerzahlerInnen durch De-Facto-Vermögensverzicht ein erheblicher Schaden entsteht?

2.      Warum wollen Sie sich diesen generellen Kündigungsverzicht nicht genauso wie zur Zeit der Gründung der ASFINAG in Milliardenhöhe abkaufen?

3       Wann wird die Änderung des ASFINAG-Gesetzes und/oder die Änderung des Fruchtgenuss-Vertrags in dieser Hinsicht von Ihnen geplant?

4.      In welcher Form und wann wird bei letzterer Variante das Parlament einbezogen und informiert?

5.      Wie können Sie ausschließen, dass es sich bei dieser Transaktion um eine europarechtlich unerlaubte Beihilfe handelt?

6.      Wodurch ist sichergestellt, dass in Zukunft die ASFINAG oder Teile von ihr nicht an der Börse oder auf sonstigem Weg veräußert wird/werden?

7.      Wie wollen Sie verhindern, dass angesichts des geplanten Verzichts des Bundes auf den Fruchtgenuss das Bauprogramm der ASFINAG auf Druck der Bundesländer, der Banken und Bauunternehmungen weiter aufgebläht wird, was sowohl klima- als auch verkehrspolitisch krass kontraproduktiv wäre?