3367/J XXIII. GP

Eingelangt am 22.01.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend ÖBB Immobilien 6: fehlende internationale Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs für Teile des Geländes des künftigen Wiener Hauptbahnhofs (und weitere Bahnhofsprojekte)

 

 

Auf ÖBB-Gründen im Bereich des jetzigen Süd- und Ost-Bahnhofes entsteht in den kommenden Jahren ein kompletter neuer Stadtteil mit Wohnquartieren, Bürogebäuden, Schulen, Kindergärten und Parks für die Bundeshauptstadt.

 

Dies bildet eine Herausforderung für Planer, Architekten, Städtebauer. In anderen europäischen Metropolen wird in solchen Fällen ein hochqualifiziertes interdisziplinäres Projektteam installiert, um die unterschiedlichen Interessenlagen von Grundstücksbesitzern, Investoren, Nutzern etc. zu bündeln und auf einen gemeinsamen, allen Beteiligten dienlichen Nenner zu bringen. Als Beteiligte sind nicht zuletzt auch die BürgerInnen als Finanziers der ÖBB zu betrachten, sind doch für das von den BürgerInnen direkt und mittels öffentlichen Geldern kofinanzierte Unternehmenskonglomerat ÖBB wesentliche Einnahmenunterschiede je nach Qualität der Immobilienentwicklung zu erwarten, was eben in Wechselwirkung mit der Inanspruchnahme der SteuerzahlerInnen und BahnkundInnen für die Sicherstellung einer ausgeglichenen ÖBB-Bilanz über Zuschüsse und Tariferhöhungen steht.

Über präzise formulierte internationale Wettbewerbe wird nach dieser Interessensbündelung dann bei einem Projekt dieser Bedeutung und Dimension üblicherweise in einem zweiten Schritt die gesamte Planerintelligenz Europas aufgeboten, um die besten, innovativsten und kreativsten Vorschläge zu erzielen.

 

In Wien wurde im Gegensatz dazu bereits der städtebauliche Masterplan und damit die wichtigste Weichenstellung für den neuen Stadtteil in einem nicht öffentlichen Expertenverfahren gefunden, zu dem ÖBB und Gemeinde gemeinsam lediglich eine ausgewählte Handvoll Architekten eingeladen hatten. Damit vergab man bereits am Beginn des städtebaulichen Prozesses die Chance auf ein zukunftsgerichtetes Procedere für eine qualitativ optimale Stadtentwicklung. Man verzichtete dadurch auf den bewährten Prozess eines öffentlichen Architekturwettbewerbs (der immerhin in Linz für ein vergleichsweise kleineres Bahnhofsprojekt angestrebt wurde).

 

Die Architektur des Bahnhofs selbst wird von den ÖBB - offensichtlich in Einvernehmen mit der Wiener Stadtplanung und der bisher tatenlos zusehenden Bundesregierung - lediglich als sekundär erachtet, als Anhängsel der – logischerweise wegen ihrer Dimension EU-weit ausgeschriebenen – Infrastrukturmaßnahmen Schiene. Und dies, obwohl das Gesamtpaket Zentralbahnhof viele hundert Millionen Euro kosten wird, wobei der Anteil der Gebäude etwa 100 bis 110 Millionen beträgt. Für die Errichtung des Bahnhofs ist die ÖBB-Infrastruktur Bau AG zuständig, für deren Infrastruktur-Aktivitäten der Bundesminister für Verkehr. Innovation und Technologie unter anderem durch seine gesetzliche Mitentscheidungskompetenz im Bereich des Rahmenplans eine Mitverantwortung hat.

Die ÖBB und damit auch ihre Grundstücke stehen zu 100 Prozent im Eigentum der Republik. Auch deshalb sollte mit diesem Zukunftsprojekt in einer wettbewerbsgerechten und gesetzeskonformen Art und Weise umgegangen werden.

 

Der nun laufende eingeschränkte Wettbewerb ohne Ausschreibung, an dem sich lediglich acht Architekturbüros beteiligen dürfen, befasst sich mit der den künftigen Bahnhof umgebenden Bebauung entlang des Wiedner Gürtels auf dem Gelände des jetzigen Südbahnhofs und beinhaltet unter anderem ein Hundert-Meter-Hochhaus, in dem die ÖBB-Zentrale untergebracht werden soll. Die Jurierung war mit Mitte Jänner 2008 festgesetzt. Diese ist nun spektakulär gescheitert, weil sich sowohl vergaberechtliche Fragwürdigkeiten sukzessive verdichteten als auch der Wiener Planungsstadtrat zuletzt sein Heil nur mehr in der Flucht sah.

 

Die Grundstücke gehören den ÖBB, 120 der Zentralbahnhofsmillionen müssen über die Verwertung derselben aufgebracht werden. Die restlichen Millionen stammen überwiegend aus Bundesmitteln (Rahmenplan), kleinere Beiträge von „nur“ einigen Dutzend Mio Euro erwartete man von der EU (TEN-Förderung) bzw. von der Stadt Wien.

 

Die ÖBB-Immobilientochter, die 120 Millionen durch Grundverkäufe aufbringen muss, agiert als privatwirtschaftliches Unternehmen. Es wurde seitens der ÖBB (und offenbar auch ihres Eigentümers Bund, der ja über die Aufsichtsräte über Vorgänge dieser Dimension Bescheid weiß) davon ausgegangen, dass die Aktivitäten nicht dem Bundesvergabegesetz unterliegen, weshalb auch nicht öffentlich über EU-weite Wettbewerbe ausgeschrieben wurde. Ob diese Rechtsmeinung zutrifft, steht sehr in Frage. Um qualitativ optimale Ergebnisse zu erzielen, hätte aber in jedem Fall die Möglichkeit bestanden - wie international üblich und wie zB selbst von der Immorent, die Immobilientochter der Erste Bank, auf dem Gelände für das neue Headquarter der Erste Bank im Areal freiwillig praktiziert - ein EU-weites Bewerbungsverfahren auszuschreiben.

 

Doch es wurde seitens der ÖBB darauf verzichtet und nur 8 handverlesene Architektenteams eingeladen. Deshalb wurden sicherheitshalber zwei – bis dato unter Verschluss gehaltene – „Gutachten“ erstellt, die den ÖBB, so behaupten diese selbst, den Freibrief für privatwirtschaftliches Agieren ausstellen. Eines davon stammt pikanterweise Medienberichten zufolge von der Kanzlei von Eduard Saxinger, mittlerweile Vizepräsident des ÖBB-Holding-Aufsichtsrats.

Hinzu kommt, dass es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht um "Gutachten" handelt, sondern die ÖBB lediglich über "Gutachterliche Stellungnahmen" verfügen - für letztere haftet der/die GutachterIn im Ernstfall nicht. Insgesamt liegt der Eindruck nahe, dass man sich seitens der ÖBB (zu) sicher war, dass sich trotz der rechtlich fragwürdigen Konstruktion kein Nichtgeladener trauen würde, zum Vergabeamt zu gehen, weil sich viele Büros die damit entstehende Konfliktsituation mit den ÖBB als einem der derzeit größten Bauherren der Nation nicht leisten können.

 

Versierte Vergabejuristen wie Christian Fink, der sowohl für die Kammer als auch im Bundesvergabeamt tätig war, glaubte jedenfalls bereits seit längerem nicht an die Nichtanwendbarkeit des Bundesvergabegesetzes, und selbst ÖBB-Mitarbeiter D. Steiner meinte schon seit Wochen, dass im Falle einer Überprüfung zumindest mit empfindlichen Verzögerungen zu rechnen sei. Eine entsprechende Überprüfung muss das Bundesvergabeamt nun durchführen, nachdem entgegen den Erwartungen der ÖBB doch ein Konsortium „nicht geladener“ Architekten die ÖBB-Ausschreibung beim BVA angefochten hat.

 

Dass trotz dieser Unklarheit über die Rechtmäßigkeit des von den ÖBB explizit „in Kooperation mit der Stadt Wien“ für das Gelände des künftigen Zentralbahnhofs ausgelobten Architektur- Expertenverfahrens so lange an der Vorgangsweise festgehalten wurde, ist auch insofern verwunderlich, als Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und Jurymitglied bereits vor Wochen gegenüber den ÖBB seine Bedenken äußerte und seine Absicht, die Jurorentätigkeit zurückzulegen, da die beiden Gutachten, die der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH angeblich bescheinigen, rein privatwirtschaftlich agieren zu dürfen, von den ÖBB selbst unter Verschluss gehalten wurden (und werden). In einer Anfrage an die ÖBB verlangte er: "Wegen der aufgetretenen Zweifel bezüglich der Frage, ob der Auslober des gegenständlichen Verfahrens dem Bundesvergabegesetz unterliegt oder nicht, ersuche ich um rechtliche Aufklärung und gegebenenfalls um Übermittlung diesbezüglicher Expertisen." Pendl: "Sollte nicht zweifelsfrei bewiesen werden, dass es sich hier um ein rein privatrechtlichen Gesichtspunkten unterliegendes Verfahren handelt, sehe ich mich leider veranlasst, meine Mitarbeit in der Jury zurückzulegen, da ich nicht verantworten kann, dass ein beispielgebendes Verfahren vorliegen könnte, von dem der überwiegende Teil der ArchitektInnenschaft ausgeschlossen bleibt."

 

Als ehemaliger Wohnbaustadtrat der Stadt Wien sind Sie ja sowohl mit Ausschreibungsmodalitäten als auch mit Architekturwettbewerben vertraut und wissen über die qualitätssteigernden und städtebaulichen Vorteile dieser Vorgangsweise Bescheid. Die Qualität des Ergebnisses dieser Vorgänge wird unmittelbaren Einfluss auf die Finanzsituation der ÖBB haben, da sie Attraktivität des Bahnhofsgegend für Fahrgäste und erzielbare Erlöse im Bereich der Immobilien mitbestimmt. Umso verwunderlicher erscheint es, dass Sie als Eigentümervertreter der Republik und als ehemaliger Wiener Verantwortungsträger die qualitätsmindernde Vorgangsweise der ÖBB kommentarlos hinnehmen, die noch dazu im Geruch steht, bestimmte Segmente bzw. Vertreter der Architekturszene zu bevorzugen. Die städtebauliche Jahrhundertchance verschmälern Sie damit sehenden Auges erheblich und bringen sich durch Schweigen persönlich in den Verdacht, ev. „Freunderlwirtschaft“ auch noch politisch zu decken. Nachdem Sie zwecks Synergieeffekten den Vorsitzenden des Aufsichtsrates der ÖBB in Ihrer unmittelbaren persönlichen Nähe im Ministerium platzierten und andererseits der Stellvertreter dieses Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. dessen Kanzlei nach Medienberichten womöglich direkt in die Fragestellung involviert ist, wird es Ihnen jedoch sicher ein Leichtes sein, über den Aufsichtsrat die entsprechenden Schritte in den ÖBB zu Gunsten städtebaulicher Qualität und Vergaberechtskonformität zu optimieren.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

ANFRAGE:

 

1.             Aus welchen Gründen und auf welcher konkreten rechtlichen Grundlage verzichteten die ÖBB im besagten Fall auf eine internationale Ausschreibung?

 

2.             Sind Sie bzw. werden Sie für eine internationale Ausschreibung des ArchitektInnenwettbewerbs zur Bahnhofs-City eintreten, wenn nein warum nicht?

 

3.             In welcher Form werden Sie tätig, damit die zwei „Gutachten“ bzw. Gutachterlichen Stellungnahmen, auf die sich die ÖBB hinsichtlich der beschränkte Ausschreibung berufen, der Jury und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?

 

4.             Wenn Sie nicht tätig werden, warum nicht?

 

5.             Haben Sie von sich aus etwas unternommen, um den Sachverhalt beim Bundesvergabeamt einer Überprüfung unterziehen lassen?

 

6.             Wenn nein, warum nicht?

 

7.             Der – auch seitens Ihrer politischen Gesinnungsgemeinschaft - vielgelobte Baukulturreport an das Parlament tritt für verstärkte Wettbewerbe zur Qualitätsverbesserung der Architektur in Österreich ein. Auf welche Weise werden Sie dies a) im allgemeinen, b) im speziellen bei den Ihnen zugeordneten Unternehmen im Bundesbesitz unterstützen?

 

8.             Welche besonderen Hintergründe sind Ihnen über die 8 geladenen Architekturbüros bekannt? Wie können Sie sich erklären, dass gerade diese geladen wurden?

 

9.             Können Sie es politisch verantworten, dass die Immorent („Erste“) als private Institution einen internationalen Wettbewerb ausschreibt, obwohl sie dazu nicht verpflichtet ist, die ÖBB als 100% Republikeigentum dies jedoch nicht für nötig halten?

 

10.        Was haben Ihnen die Vorstände der involvierten ÖBB-Teilunternehmen bzw. Ihre Aufsichtsräte in diesen Teilunternehmen zu diesem Themenkomplex wann im einzelnen berichtet?

 

11.        Was haben Ihnen der Vorstand der ÖBB-Holding bzw. Ihre Aufsichtsräte in der ÖBB-Holding, die sich ja gebetsmühlenartig als „strategische Leitgesellschaft der ÖBB“ inszeniert, zum strategischen Aspekt und Mehrwert der gewählten, vergabe- wie imagepolitisch fragwürdigen Linie berichtet?

 

12.        Wie können Sie sich erklären, dass Ihr ehemaliger Wiener Regierungskollege Planungsstadtrat Rudi Schicker bei einem von Stadt Wien und ÖBB gemeinsam ausgelobten Verfahren, an dem er selbst als Juror teilnimmt, nach Monaten plötzlich zur Einschätzung kommt, dass das Verfahren „außerhalb des Einflussbereiches der Stadt Wien geführt“ würde und sich die vergaberechtliche Einschätzung der Entscheidungsfindung der Stadt entziehe?

 

13.        Ist Ihnen bekannt, dass auch beim ebenfalls laufenden, ebenfalls von ÖBB und Stadt Wien gemeinsam ausgelobten Verfahren betreffend eine „Städtebauliche Leitidee“ für das Gelände des Wiener Nordwestbahnhofs wegen des (Zitat) „Vergabechaos, das sowohl bei den ÖBB als auch in der Stadtplanung zutage trete“ mit dem Ausstieg prominenter geladener Architekten zu rechnen ist?

 

14.         Für den Fall, dass sich die Vorgangsweise beim Verfahren zum Hauptbahnhof-Areal „BahnhofCity“ in der Überprüfung des Bundesvergabeamtes als nicht vergaberechtskonform, also nicht rechtmäßig, herausstellt – die rechtliche Beratung der ÖBB also nicht korrekt war -, sind Schadenersatzklagen angekündigt. Wer wird in diesem Fall für Schadenersatzzahlungen aufkommen?