3658/J XXIII. GP

Eingelangt am 03.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

der Abgeordneten Van der Bellen, Pilz, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Missbrauch des Innenministeriums für parteipolitische Zwecke

Die Affäre im Innenministerium hat das Vertrauen der Menschen in die Polizei schwer beschädigt. Acht Jahre ungehemmter Parteibuchwirtschaft haben gemeinsam mit dem Fehlverhalten von Kabinett und Spitzenbeamten das gesamte Ministerium ins Zwielicht gebracht. Tausende BeamtInnen der Sicherheitsexekutive erwarten zu Recht, dass ihre Arbeit und ihr guter Ruf nicht unter den Machenschaften der ÖVP leidet.

Seit Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue aufklärungsbedürftige Sachverhalte über den Missbrauch der politischen Macht im Bundesministerium für Inneres und in anderen Ressorts bekannt werden. Während von so gut wie allen politischen Kräften der Republik Aufklärung über diese Vorkommnisse eingefordert wird, versuchen VertreterInnen der ÖVP entweder die Verantwortung von sich zu schieben, andere Personen oder Institutionen für diese Zustände verantwortlich zu machen, den Ruf von Beamten, die sich an der Aufklärung beteiligen, zu schädigen oder Aufklärung selbst vorzutäuschen, indem diese Vorkommnisse teilweise von Personen untersucht werden sollen, die in verschiedene Malversationen verwickelt sind oder in einem Naheverhältnis zu solchen Personen stehen.

Die Liste der behaupteten Verfehlungen ist lang und sie wird täglich länger. Sie betreffen vor allem:

-    den politischen Missbrauch der Ermittlungen im Kriminalfall BAWAG im Bereich des BMI, des

BMJ und des BMF,

-    die   offenbar  erfolglose   Weisung,   dem   Untersuchungsausschuss  "Finanzmarktaufsicht,

BAWAG,       Hypo       Alpe-Adria       und       weitere       Finanzdienstleister"       (Banken-

Untersuchungsausschuss") zu übermittelnde Akten vorher dem ÖVP-Parlamentsklub zur

Einsicht zu überlassen,

-    die   politisch   motivierte   Unterlassung   der   Untersuchung   von   Ermittlungspannen   im

Entführungsfall der Frau Kampusch,

-    das mutwillige Veranlassen strafrechtlicher Ermittlungen gegen  politisch nicht opportune

Rechtsanwälte,

-    die   unzulässige   Weitergabe   von   EKIS-Daten   von   in   der   Öffentlichkeit   bekannten

AsylwerberInnen,

-    Ungereimtheiten bei der Ausfuhr von panzerbrechenden Waffen Steyr .50-HS" in den Iran,

-    Manipulationen im Vergabewesen (Neugestaltung der Gedenkstätte Mauthausen),

-    parteipolitische Besetzungen vom Innenministerium bis zu Gendarmerieposten auf dem Land,

-    Verstrickung auch von Beamten des BMI in die Visa-Affäre.

Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach der politischen Verantwortung einer Partei. Vor allem muss geklärt werden, warum sich wichtige Teile des Innenministeriums für derartige Vorgänge missbrauchen ließen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE:

1.               Hat GenMjr. Bernhard Treibenreif als Mitglied des Kabinetts der Bundesministerin für Inneres  Liese Prokop den damaligen Direktor des BKA Dr. Herwig Haidinger vor den     Nationalratswahlen 2006 angewiesen, Informationen über die SPÖ aus den BAWAG-Ermittlungen dem Kabinett zu melden?

2.               Hat Dr. Haidinger derartige Informationen ans Kabinett übermittelt?

3.               Was war der Inhalt dieser Informationen?

4.               GenMjr. Bernhard Treibenreif bestreitet, diese Informationen selbst an Medien weiter gegeben     zu haben. Können Sie ausschließen, dass so beschaffte Informationen vom damaligen Pressesprecher Mag. Johannes Rauch an Medien weitergegeben worden sind?

5.               Hat GenMjr. Bernhard Treibenreif als Mitglied des Kabinetts der Bundesministerin für Inneres Liese Prokop den damaligen Direktor des BKA vor den Nationalratswahlen 2006 angewiesen,    den hinweisgebenden Polizeihundeführer zum Fall Kampusch" nicht einzuvernehmen?

6.               Seit wann ist Ihnen bekannt, dass es schwere Ermittlungsfehler im Falle Kampusch" gegeben hat?

7.               Haben Sie Frau Kampusch sofort, nachdem Ihnen diese Fehler bekannt wurden, darüber informiert, um ihr die Chance zu geben, Schadenersatzansprüche im Wege der Amtshaftung geltend zu machen?

8.               Wenn nein, warum haben Sie Frau Kampusch nicht vor der Sitzung des Innenausschusses       am 5.2.2008 informiert?

9.               Sie haben mehrmals behauptet, dass es in obigen Zusammenhängen keine Weisung      gegeben habe. Im Widerspruch zu Ihren Äußerungen stellt Prof. Adamovich im    Zwischenbericht seiner Kommission fest: So betrachtet können die aus dem E-Mail-Verkehr hervorgehenden Äußerungen des Generalmajors Treibenreif durchaus als Weisungen verstanden werden (für das zitierte E-Mail vom 4.9.2006 ist dies nahezu mit Sicherheit anzunehmen)." Halten Sie Ihre Äußerung, es habe keine Weisung gegeben, auch jetzt noch aufrecht?

10.         Sie haben am 14.2.2008 vor dem Bundesrat erklärt: Es war immer klar, dass es eine Evaluierung geben wird. Evaluierungen werden dann durchgeführt wenn ein Fall tatsächlich abgeschlossen ist. Das ist er nicht mit Bekanntwerden des Täters, sondern dann wenn die   Arbeit der SOKO tatsächlich beendet ist, wenn man sichergehen kann, dass keine neuen Hinweise und Verdächtigungen mehr dazu kommen und die begleitenden Verfahren abgeschlossen sind." Wann sind diese Verfahren eingestellt worden?

11.         Kurz nach Bekannt werden der Ermittlungsfehler am 5.2.2008 haben Sie eine Evaluierungskommission eingesetzt. Welche Verfahren sind kurz vor der Einsetzung der Kommission eingestellt worden?

12.         Am 2. Oktober 2007 erklärten Sie in der ZiB 2:

Platter Günther (ÖVP): Aber es war klar, schon im Jahre 2003, wurde bereits ein humanitärer Aufenthaltstitel verlangt. Dort wurde das in der ersten Instanz bei der Bezirkshauptmannschaft und                  im Innenministerium abgelehnt. Es war klar, dass man keinen Aufenthalt, keinen humanitären           Aufenthalt bekommt und aber auch kein Asyl bekommt. Und eines möchte ich auch sagen: Es sind             auch Familienmitglieder straffällig geworden und deshalb ist es schon notwendig, dass man hier              einen Weg geht, dass man nicht alles tolerieren kann.

Wolf Armin (ORF): Aber können wir das jetzt einmal konkret machen, weil das den ganzen Tag              heute durch die Medien geistert. Was heißt, Familienmitglieder sind straffällig geworden? Soweit           bekannt, gibt es gegen einen der älteren Buben offenbar ein Urteil wegen versuchter gefährlicher         Drohung. Das klingt ein bisschen nach Disco-Rauferei oder so etwas.


Platter Günther (ÖVP): Nein, es gibt hier eine Verurteilung und es gibt aber auch Anzeigen. Es -                    Wolf Armin (ORF): Weswegen?

Platter Günther (ÖVP): Es - Paragraph 270 der Strafgesetzordnung, des Strafgesetzbuches, also                die gefährliche Drohung..."

Wer hat Ihnen die EKIS-Daten, auf die Sie hier Bezug nehmen, bekannt gegeben?

13.  § 270 StGB behandelt den tätlichen Angriff auf einen Beamten". Hat ein Mitglied der Familie  Zogaj einen tätlichen Angriff gegen einen Beamten begangen?

14.            Wenn nein, warum haben Sie das öffentlich behauptet?

15.            "Hören Sie endlich auf die Bevölkerung zum Narren zu halten und verurteilte Gewalttäter zu decken", richtet VP-Landesgeschäftsführer LAbg. Mag. Gerhard Kamer den eindringlichen  Appell an SP-NÖ und NÖ Grüne. (APA OTS 0096,16.11.2007) Der ÖVP-Landesgeschäftsführer bezog sich dabei auf der Öffentlichkeit unbekannte EKIS-Daten von Mitgliedern der Familie  Zeqaj. Wer aus dem BMI hat diese EKIS-Daten an die ÖVP-Niederösterreich und Herrn Mag. Karner weitergegeben?

 

16.         Wann hat das BMEIA seine positive Stellungnahme zur Ausfuhr von panzerbrechenden        Waffen vom Typ Steyr .50-HS" in den Iran zurück gezogen?

17.         Wann sind die letzten Steyr .50-HS" in den Iran ausgeführt worden?

18.         Können Sie ausschließen, dass Steyr .50-HS" ohne aufrechte Ausfuhrbewilligung nach dem   KMG ausgeführt wurden?

19.         Cobra-Kommandant und Kabinettsmitarbeiter GenMjr. Bernhard Treibenreif, Sektionschef Dr. Mathias Vogl und Landespolizeikommandant GenMjr. Andreas Pilsl stehen im Mittelpunkt gerichtlicher Ermittlungen in den Causen Kampusch", BAWAG" und Zogaj". Warum       ergreifen Sie die Partei der Verdächtigen, indem Sie die Schlüsselpersonen der Innenministeriums-Affäre in ihren Ämtern halten, während Sie den Aufdecker der Affäre von      der Spitze des Bundeskriminalamt entfernt haben?

20.   Wurde der Auftrag zur Neugestaltung der Gedenkstätte Mauthausen an Personen vergeben, welche zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe noch nicht in der Architektenliste aufgeschienen  sind?

21.   Wie Dutzende E-Mails beweisen, hat Innenminister Strasser gemeinsam mit den Kabinettsmitarbeitern Ulmer, Kloibmüller, Gallop und Karner ein System zur politischen Umfärbung von Innenministerium, Polizei und damaliger Gendarmerie entwickelt. Seit wann         ist Ihnen der politische Machtmissbrauch des damaligen Innenministers zugunsten der ÖVP bekannt?

22.   Hat es in Ihrer Amtszeit als Innenminister Interventionen von ÖVP-Politikern bei Postenbesetzungen gegeben?

23.   Wenn ja, wann, in welchen Fällen und von wem?

24.   Haben führende Vertreter des ÖAAB wie NRAbg Dr. Michael Spindelegger in diesem Zusammenhang bei Ihnen bzw. dem KBM interveniert?

25.   In welchen Fällen sind Sie diesen rot-weiß-roten" Interventionen nachgekommen?

26.   NRAbg. Kukacka hat bei dem Versuch, Dr. Herwig Haidinger als Auskunftsperson des Innenausschusses unglaubwürdig zu machen, aus Akten und internen Aufzeichnungen des     BMI öffentlich zitiert. Damit ist offenkundig, dass auch weiterhin interne Unterlagen des BMI   gegen politische Gegner eingesetzt und damit missbraucht werden. Haben Sie eine diesbezügliche Untersuchung eingeleitet?


27.    Der ehemalige Innenminister Dr. Ernst Strasser hat im profil" eine Interventionsliste" des SPÖ-Sicherheitssprechers veröffentlicht, die dieser an Ihr Kabinett geschickt haben soll. Haben Sie eine Untersuchung eingeleitet, welches Mitglied Ihres Kabinetts diese Unterlage an Dr. Strasser weiter gegeben hat?

28.    Warum sind Sie nicht bereit, den Missbrauch von Akten und internen Informationen des BMI gegen politische Konkurrenten und unliebsame Personen zu beenden?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt.