3675/J XXIII. GP

Eingelangt am 03.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer
und weiterer Abgeordneter

an die Frau Bundesministerin für Justiz

betreffend „Lehrgang zum Affektkontrolltraining für Häftlinge“ in Justizanstalten

Im Online-Magazin der Tageszeitung „Der Standard" vom 1. Februar 2008 wurden unter der Überschrift „Streit um Häftlingstraining“ zwei provokante Fragen formuliert: „Wird psy-chisch kranken Häftlingen in Wien im Gefängnis beigebracht, wie sie sich gegen Justizwa-chebeamte wehren können (...)?“ - „Oder handelt es sich um ein akzeptiertes Training zur Aggressionskontrolle, wie ein Experte betont?“

Der stellvertretende Vorsitzende im Zentralausschuß der Justizwache, Johann Winkelbauer, sieht im Lehrgang eine Provokation, weil Kampftechniken vermittelt würden, die es Häftlin-gen erlaubten, sich aus der Fixierung durch Wachebeamte zu befreien. Der Leiter der Straf-vollzugsakademie des Bundes, Wolfgang Gratz, hingegen meint, es handle sich nicht um ein Kampfsporttraining, sondern um ein Programm, bei dem quasi Tai-Chi mit westlicher Philo-sophie verbunden werde und in dem auch körperliche Übungen zur Affektkontrolle vorkä-men. Soweit derStandard.at.

Anderen Quellen zufolge kommt dieses „Affektkontrolltraining“ dem sprichwörtlichen „Wolf im Schafspelz" gleich. In der Haftanstalt Wien-Mittersteig, wo alle geistig-abnormen, unzu-rechnungsfähigen und daher hochgradig gefährlichen Rechtsbrecher nach § 21/2 StGB unter-gebracht sind, umfasse die Ausbildung Selbstverteidigung, Schlagtechnik, Würgegrifftechni-ken, Angrifftechniken etc. Die Häftlinge erhielten die gleiche Ausbildung wie Justizwache-und Polizeibeamte. Die von Hofrat Dr. Gratz ins Leben gerufenen Kurse seien so gefragt, daß neue Kurse angeboten würden, „um alle Insassen ausbilden zu können". Eine Ausdehnung der umstrittenen Ausbildungsinitiative auf alle österreichischen Justizanstalten, somit auch auf Graz-Karlau, Graz-Jakomini und Wien-Josefstadt sei angedacht.

„Insider“ fordern angesichts dieser für sie unverständlichen Aktion den sofortigen Stop der Kurse sowie eine Warnung der Bevölkerung.

Daher stellen die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende


Anfrage

1.  Ist es richtig, daß in der Justizanstalt Wien-Mittersteig ein „Lehrgang zum Affektkontroll-training für Häftlinge“ angeboten wird, der einsitzende Rechtsbrecher in die Lage versetzt, sich erfolgreich gegen Justizwachebeamte zur Wehr zu setzen?

2.              Ist es richtig, daß der Lehrgang gefährliche Kampftechniken wie Schlagtechnik, Würge-technik und Angriffstechnik vermittelt?

Wenn ja, sind diese - letztlich der Abwehr von Justizvollzugsmaßnahmen förderlichen -Kampftechniken für Aggressionsabbau und Affektkontrolle unverzichtbar? Wenn nein, wie sieht das Lehrgangs-Curriculum konkret aus?

3.      Ist es richtig, daß der Lehrgang auch geistig-abnormen und hochgradig gefährlichen Rechtsbrechern offen steht, die nach § 21/2 StGB angehalten werden?

Wenn ja, wie stehen Sie zu dieser einigermaßen unverständlichen Vorgangsweise?

4.              Warum begnügen Sie sich nicht damit, in den Justizanstalten zwecks Aggressionsabbau und Affektkontrolle auf weniger umstrittene Maßnahmen, wie Sport, Fitneßtraining oder psychologische Betreuung zurückzugreifen?

5.              Haben Sie vor der Einführung des Lehrganges mit Vertretern der Justizwache Rückspra-che gehalten bzw. deren Stellungnahmen eingeholt?

Wenn ja, wie lauteten diese? Wenn nein, warum nicht?

6.    Ist es richtig, daß der Lehrgang von der gleichen deutschen Firma gehalten wird, die auch Justizwachebeamten beibringt, wie man Häftlinge richtig „fixiert“?

Wenn ja, wie heißt diese Firma und wie rechtfertigen Sie diese provokante Vorgangsweise gegenüber dem Justizpersonal?

7.              Wie hoch sind die Kosten, die dem Steuerzahler bis jetzt durch den Lehrgang entstanden sind?

8.              Wollen Sie das umstrittene Kursangebot qualitativ und quantitativ ausweiten?              Wenn ja, inwieweit?

9.              Welche Justizanstalten wären von einer Ausweitung des Angebots betroffen?

10.       Wie hoch sind die für eine Ausweitung des Angebots veranschlagten Kosten?