3900/J XXIII. GP

Eingelangt am 14.03.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend verkehrspolitische Konsequenzen aus dem achten Umweltkontrollbericht

 

 

 

 

 

 

Nicht nur der Rechnungshofbericht über die Luftqualität in der Steiermark (2007/8) zeigt die massiven Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschäden durch die verfehlte Landes- und Bundes-Verkehrspolitik auf, sondern vor allem auch der „Achte Umweltkontrollbericht“ des Umweltministers.

 

Die Situationsanalyse ergibt ein beängstigendes Bild:

 

·         Von 1990 bis 2005 nahm die Verkehrsleistung um etwa 21 % zu,

 

·         die Zunahme der Verkehrsleistung bei den Pkw betrug 30 %,

 

·         der Fahrzeugbestand stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf 4,2 Mio PKW 2005 an,

 

·         1990 bis 2005 hat sich die Transportleistung im Güterverkehr in Österreich um 58 % erhöht,

 

·         1990 bis 2005 nahm die Kraftstoffverkaufsmenge um 80 % zu,

 

·         der Tanktourismus belief sich auf 33% des Kraftstoffverkaufs,

 

·         die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrsbereich nahmen im Zeitraum 1990–2005 um 92 % zu,

 

·         die österreichweite CO2-Freisetzung durch den Flugverkehr hat sich seit 1990 etwa verfünffacht,

 

·         der Verkehrssektor emittierte im Jahr 2005 in Österreich mehr als 7.500 t Feinstaub und nahm in Österreich von 1990 bis 2005 um 4 % zu, damit trägt er maßgeblich zur Überschreitung von Luftgütegrenzwerten für die Feinstaubbelastung (PM10) bei,

 

·         Der Verkehrssektor ist mit 44 % der österreichischen Gesamtemissionen die Hauptquelle für Stickoxide (NOx) und verhindert auf Grund des hohen Diesel-Anteils eine nachhaltige Senkung.

 

·         Täglich werden 2,7 ha (das entspricht knapp vier Fußballfeldern) Landschaft für Verkehrsflächen verbaut.

 

·         In Österreich fühlten sich im Jahr 2003 laut Statistik Austria 29,1 % der Bevölkerung durch Lärm gestört, davon 73 % durch Verkehrslärm. Diese hohe Lärmbelastung durch den Verkehrssektor führt zu deutlichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen.

 

So kommt der achte Umweltkontrollbericht zu folgender Einschätzung:

 

„Szenarien zur Entwicklung der Verkehrsleistung sowie der Verkehrsmittelwahl in Österreich (Umweltbundesamt & Österreichische Energieagentur 2006) zeigen, dass sich ohne gegensteuernde Maßnahmen der Trend der letzten Jahre fortsetzen wird. Dies bedeutet eine überproportional starke Zunahme des umweltintensiven Straßen- und Flugverkehrs und einen Rückgang der Verkehrs- und Transportleistungsanteile im Öffentlichen Verkehr sowie im Rad- und Fußgängerverkehr.“

 

Die Ursachen dafür liegen vor allem in den Kostenstrukturen (niedrige Kraftstoffpreise, geringe variable Kosten, höhere Preissteigerung bei den Tarifen öffentlicher Verkehrsmittel) und der fehlenden Kostenwahrheit:

 

„Die Kosten für Infrastrukturerrichtung und -erhalt sowie die externen Kosten (Umweltfolge-, Unfallfolge-, Staukosten etc.) werden im derzeitigen System nur zum Teil von den Verkehrsteilnehmern und -teilnehmerinnen übernommen. Insgesamt betragen die jährlichen Kosten des Verkehrs nach groben Schätzungen in Österreich rund 93 Mrd. €, davon werden 29 Mrd. € nicht vom Verkehrssektor getragen. Die größten Anteile entfallen dabei mit 19,6 Mrd. € auf den Pkw-Verkehr und mit 5,9 Mrd. € auf den Lkw-Verkehr, bei der Bahn sind es 1,5 Mrd. € im Personen- und 1,3 Mrd. € im Güterverkehr. Die gesamten Einnahmen aus dem Pkw-Verkehr decken nur einen Anteil von 46 % der hervorgerufenen Kosten ab (VCÖ 2005). Andere Untersuchungen zeigen einen Gesamtkostendeckungsgrad des Straßenverkehrs von nur 32 % (BMVIT 2002a; siehe auch Abbildung 11 am Beispiel des Güterverkehrs).“

 

Immerhin ist die Herstellung von mehr Kostenwahrheit im Verkehr unter Einbeziehung der externen Effekte eines der Ziele im Regierungsprogramm 2007. Konkrete Maßnahmen in diese Richtung werden - mittels einer geringen Anhebung der MÖSt und der LKW-Maut sowie einer minimalen Anhebung der Vignettenpreise - nur äußerst zögerlich unternommen.

 

Gerade die Verkehrsplanung, die von Ihrem Haus u.a. durch die Genehmigung des ASFINAG-Bauprogramms, die Art und Weise der Durchführung von strategischen und projektbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Zuständigkeit für eine Gesamtverkehrsplanung mitgestaltet wird, reagierte auf den Zuwachs in der Verkehrsleistung mit einem verstärkten Ausbau des Straßennetzes und der Flugverkehrsinfrastruktur, wohingegen das Eisenbahnnetz rückläufige Streckenlängen und abseits des Hauptnetzes auch geringe Bedienhäufigkeiten aufweist. Dieser Aspekt trägt weiterhin zu verzerrten Preisstrukturen im Verkehrssektor und zu einer Bevorzugung des Straßenverkehrs bei.

 

Ein wichtiges Problem liegt in der mangelnde Integration von Umweltaspekten sowie im Fehlen verbindlicher Umweltziele und Maßnahmen in der Verkehrsplanung. Rechtlich verbindliche Umweltqualitätsziele werden in wesentlichen Planungsgrundlagen für den Verkehrssektor bisher nur äußerst zurückhaltend berücksichtigt. So existiert etwa auf Bundesebene kein Verkehrsplan, welcher eine zukünftige Verkehrsgestaltung unter Festlegung der Verkehrsmengen sowie der Verkehrsmittelwahl unter Berücksichtigung von verbindlichen Umweltzielen festlegt.

 

Im Österreichischen Generalverkehrsplan (BMVIT 2002b) wird festgelegt, welche Infrastrukturvorhaben in Österreich realisiert werden. Umwelt- oder gar Klimaaspekte spielten bei der Entwicklung des Plans keine fachlich nachvollziehbare dokumentierte Rolle, ebenso blieben Überlegungen hinsichtlich verkehrsträgerübergreifender Fragen rudimentär. Auch gibt es keine umfassende Überprüfung der Auswirkungen dieser Planungsvorhaben auf die Einhaltung von Umwelt- oder gar Klimazielen.

 

Im Regierungsprogramm 2007 ist als Ziel formuliert, die Attraktivierung von Schiene und Wasserstraße besonders zu forcieren, um eine weitere Verschiebung des Modal Split zu Lasten der umweltverträglichen Verkehrsträger aufzuhalten. Die Zielerreichung hängt wesentlich von der Entwicklung und Umsetzung entsprechender verkehrspolitischer Pläne und Programme ab, die jedoch bis jetzt - zur Hälfte der Legislaturperiode - gänzlich fehlen. Das Abnicken von Ausbauprogrammen der ASFINAG und der ÖBB seitens der Regierung ist keinerlei Ersatz für die völlig fehlende Gestaltung im Sinne einer kriterienbasierten, ökologisch und klimapolitisch akzentuierten Gesamtverkehrsplanung für Österreich. Eine deutliche Sprache spricht, wenn gerade bei der jüngsten Genehmigung der Ausbauprogramme bei Straße und Schiene seitens des Verkehrs- und des Finanzministers ohne Wimpernzucken eine stärkere Ausgabensteigerung für hochrangige Straßenprojekte als für den gesamten Schienenbereich hingenommen und sogar noch in der Öffentlichkeit als hervorhebenswerte Leistung präsentiert wurde.

 

Nicht nur die zügige Umsetzung des Regierungsprogramms wird verabsäumt, auch die Realisierung entscheidender Maßnahmen aus der beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie im Verkehrsbereich lassen unter anderem hinsichtlich folgender Punkte auf sich warten:

·         Zugang der Bevölkerung zu Mobilität (Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel)

        die am schlechtesten erschlossenen Bezirke finden sich im Wald- und Mühlviertel, Mostviertel, in der Südsteiermark und im Südburgenland;

·         Fahrleistung des Personen- und Güterverkehrs in Personen- bzw. Tonnenkilometern, welche beständig am Steigen ist;

·         Preisentwicklung im Verkehrssektor – hier steigen die Preise für den öffentlichen Verkehr seit 1986 am stärksten an;

·         externe Kosten im Verkehr;

·         verkehrsbedingte Schadstoffemissionen;

·         Energieeffizienz der Verkehrsmittel (Flottenverbrauch) – angegeben wird der Energieaufwand im Verhältnis zur Fahrleistung – welche in den vergangenen Jahren gestiegen ist;

·         Anzahl der Verkehrstoten und -verletzten. Hier sinkt die Anzahl der im Straßenverkehr getöteten Personen, jedoch kommt es bei den Verletzten seit 1996 bis 2004 wieder zu einem relativ starken Anstieg.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.             In welcher Weise sind Sie den folgenden Empfehlungen (a – j) des Achten Umweltkontrollberichts bereits nachgekommen bzw. haben Sie dort, wo Sie nicht allein zuständig sind, zu deren Umsetzung beigetragen?

 

a)             „Zur Festlegung von Zielen hinsichtlich des Gesamtverkehrsaufkommens und der Verkehrsmittelwahl sollte ein Gesamtverkehrskonzept erstellt werden. Zur Erreichung umweltpolitischer Zielsetzungen (Kyoto; NEC; Ziele des Regierungsprogramms) sollte dieses Konzept auch die Reduktion des Straßenverkehrsaufkommens und die Verlagerung zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln beinhalten. Die Umsetzung des Konzepts sollte durch nationale Rechtsvorschriften und andere Instrumente erfolgen.“

 

b)             „Zur Erreichung der umweltpolitischen Zielsetzungen ist die Schaffung von distanz- und emissionsabhängigen Kostenstrukturen im Verkehrssektor ein wesentliches Werkzeug. Um eine Anlastung der verursachten Kosten an die Verkehrsträger zu ermöglichen, soll ein System geschaffen werden, welches eine räumlich begrenzt und/oder zeitlich variable Kostenanlastung für alle Fahrzeuggruppen im Straßenverkehr ermöglicht.“

 

c)             „Zur Sicherstellung der Erreichung der jeweiligen Ziele sollten die Verkehrsmaßnahmen der Österreichischen Klimastrategie und der NEC-Strategie zügig und umfassend umgesetzt werden. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, wären weitere Maßnahmen, wie z. B. Forcierung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben, Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie Rad- und Fußgängerverkehrs zur Erreichung der Zielvorgaben zu entwickeln.“

 

d)             Zur Reduktion von Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen sollten anlassbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen am hochrangigen Straßennetz in Verbindung mit verstärkter Geschwindigkeitsüberwachung (Section Control) durchgeführt werden.

 

e)             „Zur Verringerung des Verkehrsaufkommens sollten verkehrs- und umweltpolitische Zielsetzungen in die Raumplanung integriert werden; geeignete Instrumente zur rechtlich verbindlichen Berücksichtigung der Pläne und Programme sollten geschaffen werden.“

 

f)               „Zur besseren Anbindung von Individualverkehr und Straßengüterverkehr an den öffentlichen Verkehr sollen Telematiklösungen im Verkehrssektor ausgebaut sowie Technologieförderprogramme und Technologieforschungsförderung für (alternative) Antriebs- und Kraftstofftechnologien forciert werden.“

 

g)             „Zur umweltgerechteren Gestaltung der Fuhrparke der öffentlichen Hand sowie zur Verstärkung von Nachfrage nach emissions- und verbrauchsarmen Kraftfahrzeugen sollten Richtlinien im öffentlichen Beschaffungswesen für derartige Fahrzeuge erlassen werden.“

 

h)             „Zur Unterstützung der Anstrengungen auf Ebene der Mitgliedstaaten zur Gestaltung eines umweltgerechteren Verkehrssystems sollten auf Ebene der EU eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden, wie z. B. verstärkter Einsatz biogener Kraftstoffe, Verschärfung der Emissionsgrenzwertbestimmungen, Infrastrukturförderung im öffentlichen Verkehr und Kostenwahrheit sowie Einbeziehung des Flugverkehrs in Klimaschutzmaßnahmen.“

 

i)               „Um die vermehrte Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel zu erreichen, sollten Anreizmaßnahmen verstärkt werden, die das Umsteigen von Pkw auf öffentlichen Verkehr fördern. Ökonomische Maßnahmen zur Förderung von Fuß- und Radwegeverkehr und der Benutzung des öffentlichen Verkehrs sollten geschaffen und ausgebaut werden.“

 

j)               „Zur Förderung von klimaschonendem Mobilitätsmanagement sollte das Klimaaktiv-mobil-Förderprogramm (klima:aktiv Spritsparend fahren, Masterplan Radverkehr etc.) ausgebaut werden. Die Integration der umweltfreundlichen Mobilität in internationalen Projekten für Verkehr, Umwelt und Gesundheit (v. a. EU-Interregprogramme, Alpenkonvention) sollte forciert werden, die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern und älteren Menschen im Verkehr sollte verbessert werden.“

 

1.             Soweit Sie den in Frage 1 Punkt a-j zitierten Empfehlungen des Achten Umweltkontrollberichts im Bereich Verkehr noch nicht nachgekommen sind bzw. noch nicht zu ihrer Umsetzung durch andere (Mit)Zuständige beigetragen haben: In welcher Weise und wann werden Sie den Empfehlungen (a – j) des Achten Umweltkontrollberichts nachkommen bzw. dort, wo Sie nicht allein zuständig sind, zu deren Umsetzung beitragen?