4388/J XXIII. GP

Eingelangt am 20.05.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Subventionierung des Flugverkehrs mit Steuergeld über den Umweg von EU-Agrarmitteln

 

 

Einer deutschen Fernsehreportage („Report München“, ARD) zufolge kassieren europäische Airlines beträchtliche EU-Subventionen unter dem Titel agrarischer Exportförderung. Dabei wird die Bordverpflegung als Agrarexport eingestuft: Die im Catering beinhalteten Agrarerzeugnisse wie Fleisch, Gemüse, Zucker verlassen rein formal betrachtet gewissermaßen im Magen der Passagiere die EU. Mit diesem Kniff wird das Catering bei Schiffen und Luftfahrtzeugen einer Agrar-Ausfuhr gleichstellt und so das Lukrieren von Agrar-Exportsubventionen ermöglicht. Die entsprechenden Zahlungen aus dem EU-Agrarbudget dürften von beträchtlicher Höhe sein. Allein bei der deutschen Lufthansa soll es sich um Beträge von 750.000 Euro jährlich handeln. Gegenüber ARD hat das Lufthansa-Cateringunternehmen „LSG Sky Chefs“ zugegeben, dass man solche EU-Agrarfördergelder bereits jahrelang und „zum Teil auch noch heute“ erhalte. Auch andere in Deutschland tätige Flugverkehrs-Caterer wie zB Gate Gourmet dürften in den letzten Jahren Millionenbeträge an EU-Agrarsubventionen „mitgenommen“ haben.

 

Während also Normalverbraucher beim Lebensmitteleinkauf mit immer höheren Preisen konfrontiert werden, fließen über den Wolken Millionen in EU-subventionierte Verpflegung für Geschäftsreisende und Übersee-Urlauber.

 

Abgesehen davon, dass Agrarsubventionen für die Landwirte und die Umsetzung von zB umwelt- und klimapolitischen Zielen im Agrarsektor und nicht für sektorfremde Konzerne wie die Fluglinien gedacht sind, ist diese Verwendung von aus Steuermitteln gespeisten EU-Subventionen auch verteilungspolitisch abwegig. Die Kunden von Fluglinien können wohl kaum als bedürftige Bevölkerungsgruppe charakterisiert werden, die auf Unterstützung aus öffentlichen Kassen angewiesen ist. Zusätzliche Subventionen für den ohnedies mit zahlreichen Steuergeschenken - steuerfreier Flugtreibstoff, steuerfreie Tickets, grundsteuerbefreite Flughäfen, ... - künstlich billig gehaltenen Flugverkehr sind auch klimapolitisch kontraproduktiv.

In ähnlicher Weise werden EU-Agrarexportsubventionen offenbar auch von Großreedereien und ihren Zulieferern für die Verpflegung auf Kreuzfahrtschiffen kassiert - eine mindestens so verfehlte Umverteilung von Steuergeld von unten nach oben wie im Luftfahrtbereich.

 

Die AUA ist als eine von offenbar wenigen Luftlinien bei diesem Subventions-Schmäh auf Kosten der steuerzahlenden Allgemeinheit bisher angeblich nicht mit von der Partie. Allerdings nicht aus großem Klimabewusstsein, wie man nach der kürzlich erfolgten, inhaltlich sehr merkwürdigen Belobigung des Groß-Klimabelasters AUA durch den Umweltminister mit dem „Grünen Ball“ eventuell hätte annehmen können. Der Grund scheint vielmehr Nachlässigkeit zu sein. Einem Bericht in der Tageszeitung „heute“ (14.5.2008) zufolge meinte eine AUA-Sprecherin dazu: „Wir kannten die Regelung bisher leider nicht, werden aber prüfen, was uns zusteht“.

 

Absurde Beispiele wie diese unterstreichen, wie reform- und transparenzbedürftig die EU-Agrarpolitik ist. Zugleich illustrieren sie aber auch das Ausmaß der Diskrepanz zwischen Klimaschutz-Sonntagsreden und gleichzeitigen kontraproduktiven Steuergeschenken für große Klimasünder wie den Flugverkehr.

 

Im erwähnten Bericht der ARD wurde Michael Mann, Sprecher der EU-Agrarkommissarin, mit den Rechercheergebnissen konfrontiert. Er zeigte sich überrascht („Es war für mich eine Neuigkeit, muss ich sagen. (...) Aber, ja, ich war schon ein bisschen überrascht.“), verteidigte nach Recherchen die Situation aber mit Hinweisen auf das Diskriminierungsverbot, das sozusagen Subventionen für alle Unternehmen erzwinge und Nichtsubventionierung nur aufgrund der Tatsache, dass es sich zB um die Luftfahrtbranche handle, nicht zuließe. Zugleich ließ er durchblicken, dass sich dies „ändern“ solle – allerdings offenbar erst dann, wenn die Agrar-Exportsubventionen in einigen Jahren vielleicht komplett abgeschafft werden.

 

Dies wäre allerdings als Reaktion auf diese völlig verfehlte Verwendung von Steuergeld völlig unzureichend. Daher werden offensichtlich Initiativen seitens der Mitgliedsstaaten erforderlich sein, um derlei zügig abzustellen, nicht zuletzt im Sinne von mehr Kostenwahrheit bei klimabelastenden Verkehrsträgern. Zugleich hat die Regierung selbstverständlich auszuschließen, dass österreichische Unternehmen sich auch noch aktiv um derartige fehlgeleitete Subventionen bemühen, wie es die AUA nun offenbar im Sinn hat.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Seit wann ist Ihnen die Tatsache bekannt, dass Fluglinien und ihre Lieferanten sowie Schifffahrtsunternehmen und ihre Lieferanten EU-Agrarexportsubventionen in Millionenhöhe für die Verpflegung an Bord erhalten?

 

2.      Wie beurteilen Sie diese Verwendung von Mitteln, die doch vor allem den LandwirtInnen, jedenfalls aber dem Agrarsektor im engeren Sinn zugute kommen sollten?

 

3.      Teilen Sie inhaltlich die Einschätzung der AUA, dass es sich hier um Gelder handelt, die den Fluglinien - also auch der AUA - „zustehen“? Wenn ja warum?

 

4.      Wie beurteilen Sie insbesondere aus klimapolitischer Sicht diese weitere Subventionierung des auch von Ihnen als besonders klimaschädlich charakterisierten Flugverkehrs?

 

5.      Wie beurteilen Sie aus verteilungspolitischer Sicht die Tatsache, dass ausgerechnet die wohl kaum als besonders bedürftig einzustufende Gruppe der Geschäftsreisenden, Fernreisenden und Kreuzfahrt-Gäste in den Genuss EU-subventionierter Verpflegung kommen?

 

6.      Müssten nach der Logik, die hier die Subventionierung von Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmen aus EU-Agrargeldern ermöglicht, im Sinne der Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit nicht auch Private, die mit anderen Verkehrsmitteln mit Agrarprodukten im Magen oder im Gepäck EU-grenzüberschreitend reisen, Anspruch auf öffentliche Unterstützung mit Steuergeld haben?

 

7.      Halten Sie eine solche Verwendung von EU-Agrarsubventionen - also von Steuergeldern auch der österreichischen Bürgerinnen und Bürger - für geeignet, die in weiten Kreisen EU-kritisch eingestellte Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ihre Steuergelder sparsam und zweckmäßig verwendet werden?

 

8.      Gehören österreichische Unternehmen a) aus dem Luftfahrtbereich (Fluglinien, Catering-Unternehmen o.ä.) b) aus dem Schifffahrtsbereich (Reedereien/Schifffahrtsunternehmen, Catering-Unternehmen o.ä.) zu den Nutznießern dieser Praxis?

 

9.      Wenn ja, welche österreichischen Unternehmen, in welchen Jahren und mit welchen Beträgen?

 

10.    Halten Sie die Absicht der EU-Kommission, diese Verwendung von EU-Agrarsubventionen nicht umgehend zu hinterfragen und abzuschaffen, für gerechtfertigt?

 

11.    Was werden Sie wann im einzelnen tun, um die schnellstmögliche Abschaffung dieser abwegigen Verwendungsschiene von EU-Agrarsubventionen anzuregen und durchzusetzen?

 

12.    Wie werden Sie sicherstellen, dass österreichische Unternehmen sich jedenfalls in Hinkunft nicht an dieser abwegigen Verwendung von EU-Agrarsubventionen/Steuergeldern beteiligen?

 

13.    Was werden Sie im Sinne des Klimaschutzes wann im einzelnen unternehmen, um im besonders klimabelastenden Flugverkehr mehr Kostenwahrheit durch mehr Steuergerechtigkeit und weniger Subventionen herbeizuführen?