4666/J XXIII. GP

Eingelangt am 01.07.2008
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend Hepatitis C/Plasmaspenden/Regressansprüche der Sozialversicherungsträger gegen den Hoechst-Aventis-Konzern

 

 

In den siebziger und achtziger Jahren infizierten sich in den Labors der Fa. Seroplas österreichweit ca. 600 Menschen mit Hepatitis C. Grund waren mangelnde Hygienebedingungen und laxe Sicherheitsvorkehrungen.

Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus höher. Immer noch melden sich ehemalige Plasmaspender, da die Krankheit meist erst in einem späten Stadium erkannt wird, und sie erst jetzt einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und ihrer damaligen Plasmaspende herstellen können.

 

Ein  Prozess von 259 Infizierten gegen die Firma Seroplas endete im Jahr 2001 mit einem Vergleich. Obwohl der Prozess gewonnen hätte werden können, wollten die Kläger einen außergerichtlichen Vergleich. Sie hatten Angst, das Ende des Prozesses nicht mehr zu erleben. Drei Kläger starben noch während der Vergleichsverhandlungen, 30 weitere seither. Leider fiel die Vergleichssumme gering aus. Auch vier Sozialversicherungsträger, die nicht im Prozess involviert waren, schlossen sich dem Vergleich an: Die WGKK, die Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten und der gewerblichen Wirtschaft sowie die allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Für diese sind weitere Klagen also aussichtslos.

 

Laut einem Gutachten der Universität Salzburg, das von Rechtsanwalt Hans Otto Schmidt, dem damaligen Anwalt der Opfer, in Auftrag gegeben wurde, bestehen für die zehn anderen Versicherungsanstalten nach wie vor gute Chancen, sich vom Plasmakonzern die Behandlungskosten zurückzuholen. Schätzungen gehen von 72 Millionen Euro aus, die den Kassen und Versicherungen durch die Hepatitispatienten entstanden sind und die nun zurückgefordert werden könnten.

Der Hauptverband hat das Rechtsgutachten finanziell unterstützt, ebenso wie die Pensionsversicherungsanstalt und die Selbsthilfegruppe Hepatitis Liga Österreich im Wege einer Förderung durch die Konsumentenschutzsektion.

 

Das Rechtsgutachten liegt nun schon seit einiger Zeit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger vor, der jedoch von weiteren Regressforderungen Abstand genommen hat.

 

In einem an den Opferanwalt Dr. Hans Otto Schmidt gerichteten Schreiben vom 18.7.2007 vertritt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Auffassung, dass in den Fällen der Hepatitis C- Plasmaspendeopfer

 

 

1.      die Verschuldensfrage nur sehr schwierig feststellbar sei, insbesondere deswegen, da der jeweils behandelnde Arzt im Einzelfall nichts dokumentieren könne,

2.      die Regressforderungen bezüglich der Behandlungskosten der Hepatitis C – Opfer, die den Sozialversicherungen, insbesondere den Gebietskrankenkassen erwachsen sind, gegen den Hoechst Aventis Konzern aussichtslos seien und

3.      die unter 2. angeführten Behandlungskosten durch die Sozialversicherungsträger nicht feststellbar seien und somit eine Schadenersatz- Regressforderung gegenüber dem Hoechst Aventis Konzern nicht möglich sei.

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1)        Welche Sozialversicherungsträger haben sich nicht am Vergleich vom 28.06.2001 mit dem Konsortium der Haftpflichtversicherer, bei denen die Seroplas GmbH mit insgesamt € 14.534.566,83 (ATS 200,000.000,--) versichert war und an dem die Wiener Städtische Versicherung zu 50 % , die UNIQA Versicherungen AG und die Generali Versicherung AG zu jeweils 25 % beteiligt waren, unter Federführung der Wiener Städtischen, aufgrund dessen ATS 102.000.000,-- an die von RA Dr. Hans Otto Schmidt vertretenen Opfer ausgeschüttet wurden, beteiligt, obwohl sie Leistungen an Hepatitis C-Opfer, die Begünstigte aus dem genannten Vergleich waren, erbracht haben?

2)        Welche konkreten Leistungen haben die Sozialversicherungsträger an den genannten Personenkreis erbracht?

3)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger zum einen das den Hepatitis C-Opfern klagstattgebende Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.10.2000, 7 Cg 8/99v, das feststellte, dass durch den Plasmapheresevorgang die Hepatitis C Erkrankung der Plasmaspender verursacht wurde, bekannt?

4)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger zum anderen der Umstand bekannt, dass in über dreihundert Verfahren wegen Gewährung einer Versehrtenrente bei der AUVA und vor den Arbeits- und Sozialgerichten für die Hepatitis C-Opfer erfolgreich eine Versehrtenrente erkämpft werden konnte?

5)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass in jedem dieser Verfahren aufgrund von medizinischen Sachverständigengutachten jeder einzelne Fall dokumentiert und die Kausalität zwischen der Plasmaspende und der Hepatitis C Erkrankung festgestellt wurde?

6)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger weiters bekannt, dass im Strafverfahren des Landesgerichtes Klagenfurt zu 15 Hv 158/04b die beiden angeklagten Ärzte freigesprochen wurden, allerdings mit der Begründung, dass das Gericht in der Bilanzgarantie aus dem Abtretungsvertrag vom 13.10.1992 einen echten Rückgriffsanspruch der Angeklagten gegen den Hoechst-Aventis Konzern sah, auf den die Angeklagten im Hinblick auf die geltend gemachten Schadenersatzforderungen der Hepatitis C-Opfer vertrauen konnten?

7)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass diese Rechtsansicht des Erstgerichtes vom Obersten Gerichtshof in seinem Beschluss vom 09.05.2006 zu 14 Os 12/06f bestätigt und darüber hinaus noch ausgebaut wurde?

8)        Aus welchen Gründen schätzt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Erfolgschancen in möglichen Regressverfahren gegen den Hoechst-Aventis Konzern als sehr gering ein, obwohl der Hauptverband selbst sich an den Kosten des Rechtsgutachtens des Univ. Prof. DDR. Michael Rainer beteiligt hatte, dessen Gutachten auch nach Ansicht des Hauptverbandes die vom Hepatitis C-Opferanwalt RA Dr. Hans Otto Schmidt von Anfang an vertretene Überzeugung des Bestehens von Regressansprüchen der Sozialversicherungsträger gegenüber dem Hoechst-Aventis Konzern vollinhaltlich bestätigt?

9)        Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass in dem Strafverfahren des Landesgerichtes Klagenfurt zu 15 Hv 158/04b aufgrund einer Zeugenaussage eines leitenden Versicherungsangestellten hervorkam, dass der Hoechst-Aventis Konzern sich an dem Vergleich vom 28.06.2001 mit einem Drittel an der Vergleichssumme von ATS 102.000.000,-- beteiligt hat, obwohl der Hoechst-Aventis Konzern auch in der Öffentlichkeit stets bekanntgab, mit den gegenständlichen Hepatitis C-Plasmaspendenskandal nichts zu tun zu haben?

10)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass die Rechtsposition der Wiener Städtischen Versicherung, wonach der Haftungsfonds nach dem Versicherungsvertragsgesetz und der Haftpflichtversicherungspolizze Nr. 08-H360.292-1 mit ATS 200.000.000,-- erschöpft sei, angesichts der für die Hepatitis C-Opfer neu hervorgekommenen Ergebnisse des Strafverfahrens in Klagenfurt, nämlich der Mitfinanzierung des Vergleiches vom 28.06.2001 durch den Hoechst-Aventis Konzern, offensichtlich nicht mehr aufrecht zu erhalten ist?

11)    Teilt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Rechtsansicht von Univ. Prof. Dr. Peter DORALT, wonach die tatsächliche Finanzierung des Vergleiches vom 28.06.2001 durch den Hoechst-Aventis Konzern zu einem Drittel, obwohl der Hoechst-Aventis Konzern stets leugnete, mit der Entschädigung der Hepatitis C-Opfer irgendetwas zu tun zu haben, möglicherweise den Tatbestand der arglistigen Täuschung nach § 871 ABGB erfüllt und daher nach § 1385 ABGB anfechtbar wäre?

12)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass der Niederösterreichische Gebietskrankenkasse wie durch ihre Sprecherin Michaela Stitz laut dem „ZEIT“-Artikel vom 13.03.2008, Nr. 12, verlautbart, das Rechtsgutachten des Herrn Univ. Prof. DDr. Michael Rainer offensichtlich unbekannt war, da dieses vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger innerhalb der Sozialversicherungsträger nicht kommuniziert worden sei?

13)    Aus welchen Gründen ist dieses „Nicht-Kommunizieren“ innerhalb der Sozialversicherungsträger durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger erfolgt?

14)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass nach Aussage der Sprecherin Michaela Stitz laut dem „ZEIT“-Artikel vom 13.03.2008, Nr. 12, für die NÖGKK die Regressansprüche gegenüber dem Hoechst-Aventis Konzern ein „geschlossener Akt“ seien?

15)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass nach Aussage der Sprecherin Michaela Stitz laut dem „ZEIT“-Artikel vom 13.03.2008, Nr. 12, eine Entschädigung für jene 16 infizierten ehemaligen Plasmaspender, die in Niederösterreich krankenversichert sind, angesichts der finanziellen Misere „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“ wären?

16)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass nach Mitteilung der Hepatitis C-Selbsthilfegruppen fast alle an Hepatitis C erkrankten Blutplasmaspendeopfer zumindest bereits eine einjährige antivirale Therapie erhielten, die für die Dauer der Behandlung mit ATS 1.000.000,-- (ca. € 70.000,-) zu Buche schlägt?

17)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass ausgehend von den unter Punkt 16) dargestellten Behandlungskosten allein der NÖGKK ca. ATS 16.000.000,-- (ca. € 1.162.000,--) erwachsen sind, die die NÖGKK offensichtlich bis heute nicht bereit ist, im Regresswege gegenüber dem Hoechst-Aventis Konzern geltend zu machen? Dies fällt umso schwerer ins Gewicht als es gängige Praxis der Gebietskrankenkassen ist, bei selbst geringfügigen Rückständen Klein- und Kleinstgewerbetreibende durch äußerste Härte, um nicht zu sagen Brutalität, in den Konkurs zu treiben.


18)    Ist dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger bekannt, dass nach Mitteilung der Hepatitis C-Selbsthilfegruppen für eine Lebertransplantation von an Hepatitis C erkrankten Blutplasmaspendeopfern Kosten von ca. ATS 4.000.000,-- (ca. € 290.690,--) zu Buche schlagen?

19)    Ist der Hauptverband der Sozialversicherungsträger tatsächlich nicht in der Lage, die Kosten für die Behandlung der infizierten Blutplasmaspender festzustellen, wie dies der Pflegeombudsmann Dr. Werner Vogt in seinem Gastkommentar im „Kurier“ vom 20.08.2007 als unglaubwürdige Ausrede charakterisiert hat?

20)    Ist Ihnen bekannt, dass nach Aussage des Herrn MinRat Siegfried Wötzelmayr laut „ZEIT“-Artikel vom 13.03.2008, Nr. 12, es die Möglichkeiten des Ministeriums übersteigen würde, „259 Fälle mit allen Unterlagen zu überprüfen“?

21)    Aus welchen Gründen würde es die Möglichkeiten des Gesundheitsministeriums übersteigen, „259 Fälle mit allen Unterlagen zu überprüfen“ insbesondere angesichts eines potentiellen Regressvolumens gegenüber dem Hoechst-Aventis Konzern von ca. € 72.000.000.--?

22)    Ist Ihnen bekannt, dass sich der Opferanwalt Dr. Hans Otto Schmidt und seine Mitarbeiter Dr. Helene Schmidt-Levar und Mag. Gerhard Schöller im Vergleich vom 05.04.2004 auch gegenüber dem Hoechst-Aventis Konzern endgültig verpflichten mussten, in Zukunft keine gerichtliche Vertretung für Hepatitis C-Opfer, die durch Plasmaspenden bei der Seroplas GmbH mit Hepatitis C infiziert worden waren, mehr durchzuführen, obwohl dies dem Grundsatz der freien Anwaltswahl widerspricht?

23)    Ist Ihnen bekannt, dass die Hepatitis C-Opfer das Vergleichsanbot der Wiener Städtischen Versicherung vom 05.12.2000 mit den darin angeführten Entschädigungsbeträgen schriftlich angenommen haben, die Wiener Städtische Versicherung in Folge jedoch mit der Begründung, dass der Haftungsfonds durch das Anwachsen der Zahl der Hepatitis C-Opfer erschöpft sei, auf einer 20 %igen Kürzung der angebotenen Vergleichsbeträge bestand?

24)    Ist Ihnen bekannt, dass es im Nachtragsvergleich vom 05.04.2004 mit der Wiener Städtischen Versicherung für weitere 65 Hepatitis C-Opfer zu einer unverhältnismäßigen Kürzung der Entschädigungsbeträge verglichen mit den ursprünglich gebotenen und 2001 auch tatsächlich geleisteten Beträgen für die Hepatitis C-Opfer gekommen ist?