4854/J XXIII. GP

Eingelangt am 15.07.2008
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend Rektorswahl an der Akademie der bildenden Künste

 

 

Am 27.3.2007 hat der Universitätsrat an der Akademie der bildenden Künste den bisherigen Rektor Dr. Stephan Schmidt-Wulffen für eine weitere Amtsperiode (2007 bis 2011) bestellt. Die Bewerbung von Dr.in Clementine Deliss wurde trotz hoher Qualifizierung und klarer Stimmenmehrheit im Senat (sie ist mit 17 von 23 Stimmen in den Dreiervorschlag des Senats für die Auswahl des Rektors / der Rektorin aufgenommen worden) nicht berücksichtigt. Ohne sie zu einem Hearing vor dem Universitätsrat einzuladen, hat sie die Nachricht erhalten, dass der amtierende Rektor Dr. Schmidt-Wulffen wieder bestellt worden ist. Auf Grund dieses Verdachtes auf Diskriminierung erging am 3. Mai 2007 an Bundesminister Hahn eine Aufsichtsbeschwerde, in der die UnterzeichnerInnen die Aufhebung der Wahl anregen und deren Rechtswidrigkeit anhand von vier Punkten erläutern:

 

  1. Beim Senat, der über die Erstellung des Dreiervorschlags entschieden hat, handelt es sich um ein nicht richtig zusammengesetztes Kollegialorgan, weil an der Wahl der Vorsitzenden an sich nicht wahlberechtigte VertreterInnen der Studierenden (zu diesem Zeitpunkt gab es keine ordnungsgemäß zusammengesetzte studentische Vertretung) teilgenommen haben.
  2. Bei der Durchführung des Verfahrens der Rektorswahl wurden gravierende Verfahrensfehler begangen, deren Vermeidung zu einem anderen Ausgang hätte führen können (fehlender Satzungsvorschlag des Rektorats an den Senat bezüglich eines verbindlich geregelten Vorgehens bei der Erstellung des Dreiervorschlages – in  der Satzung ist kein Verfahren festgelegt, obwohl dies nach UG 2002 vorgesehen ist; nicht rechtsmäßige Beiziehung einer Person; kein Vorliegen eines abgestimmten und beschlossenen Protokolls des Senats für die Entscheidung im Unirat;).
  3. Die ohne jegliche Begründung erfolgte Entscheidung für einen allenfalls gleich qualifizierten Mann verstößt gegen das in § 41 UG 2002 verankerte Frauenfördergebot.
  4. Das Verfahren ist durch die Häufung der Fehler insgesamt fehlerhaft und rechtswidrig - und somit aufzuheben.

 

 

Am 18. Mai 2007 hat das Ministerium ein Aufsichtsverfahren eröffnet und einen Stopp aller weiteren Verfahrensschritte verfügt. In den Aufforderungsschreiben an Senat und Universitätsrat werden die Gremien implizit davon in Kenntnis gesetzt, dass die erhobenen Vorwürfe durchaus relevant seien.

Trotz Verfahrensstopp schließt der Vorsitzende des Universitätsrates Dr. Kahane mit Dr. Schmidt-Wulffen einen Arbeitsvertrag ab.

 

Am 8.11.2007 teilt das Ministerium der Akademie der bildenden Künste mit, dass „für eine Weiterführung des aufsichtsbehördlichen Verfahrens gemäß § 45 des UG 2002 kein Anlass mehr gesehen wird. Das aufsichtsbehördliche Verfahren wird eingestellt.“

 

 

Am 29. Mai 2008 hat die Bundes-Gleichbehandlungskommission ein Gutachten ausgefertigt, in dem festgestellt wird, dass durch das Verfahren zur Bestellung des Rektors / der Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien Dr.in Clementine Deliss vom damals amtierenden Universitätsrat auf Grund des Geschlechts diskriminiert wurde. Sie wird auf die schadenersatzrechtliche Regelung des § 17 Bundesgleichbehandlungsgesetz verwiesen. Es komme bei dieser Angelegenheit zwar nicht das Frauenförderungsgebot zur Anwendung, da es nur eine Funktion Rektor/Rektorin gibt und eine Quotenregelung daher ausgeschlossen ist. Dem Protokoll der Sitzung des Universitätsrates zur Auswahl des Rektors / der Rektorin sei aber nicht zu entnehmen, welche Erwägungen in Bezug auf die Erfüllung des Anforderungsprofils herangezogen worden und welche Kriterien konkret als erfüllt erkannt worden seien. Die Vorwürfe der Diskriminierung konnten daher nicht entkräftet werden. Aus dem Umstand, dass seitens des Universitätsrates weder schriftlich noch mündlich dargelegt worden sei, welche Anforderungen konkret Dr. Schmidt-Wulffen im Vergleich zu Dr.in Deliss in höherem Maße erfülle, könne nur geschlossen werden, dass der Universitätsrat unabhängig von den Qualifikationen der Bewerberin von Anfang an eine eindeutige Präferenz für Dr. Schmidt-Wulffen gehabt habe. Das vom Universitätsrat vorgebrachte Argument der Einhaltung des Entwicklungsplanes und Gewährleistung der Kontinuität für die Bestellung von Dr. Schmidt-Wulffen, ohne dass auf die Erfüllung der übrigen Anforderungen eingegangen worden sei, sei nicht geeignet, die Bundes-Gleichbehandlungskommission davon zu überzeugen, dass die Auswahlentscheidung nach rein sachlichen (und eben nicht geschlechtsspezifischen) Erwägungen getroffen wurde. Zusätzlich wird darauf verwiesen, dass es wohl keinem Bewerber / keiner Bewerberin möglich sei, den Entwicklungsplan so zu präsentieren wie der bisherige Rektor und ein starres Festhalten am ursprünglichen Konzept nicht zielführend sei (noch im November 2007 wurde der Entwicklungsplan von Dr. Schmidt-Wulffen selbst geändert). Die Bundes-Gleichbehandlungskommission stellt zudem fest, dass die Beurteilungen des Senats nicht außer Acht gelassen hätten werden sollen – vor allem dann nicht, wenn ein/e Bewerber/in eine so deutliche Stimmenmehrheit erzielt habe. Dazu ist außerdem anzumerken, dass erst nach dem Hearing des Senats festgelegt worden ist, ob der Dreiervorschlag gereiht wird oder nicht bzw. ob dem Universitätsrat die Stimmenanzahl bekannt gegeben wird.

 

Nach einem Bericht von der Presse (diepresse.com, 16.6.08) sieht Wissenschaftsminister Hahn trotz Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission kein Genderproblem. Es sei hier vielmehr eine „Strategiedebatte“ gelaufen – der Universitätsrat sei anderer Ansicht gewesen als der Senat, deswegen sei die Entscheidung für Dr. Schmidt-Wulffen gefallen. Der neue Universitätsratsvorsitzende Brogyányi geht noch weiter: das Gutachten sei ein Beweismittel wie jedes andere auch. Der Rat habe die Wahl rechtens durchgeführt, die Wahl sei gültig.

 

Der/die WissenschaftsministerIn müsste nach dem Universitätsgesetz 2002, § 45 Abs. 3 und 4  die Wahl des Rektors / der Rektorin aufheben, wenn einer oder mehrere Schritte des Verfahrens rechtswidrig waren. Die AufsichtsbeschwerdeführerInnen monieren sogar mehrere schwerwiegende Gründe, die allesamt und jeder Grund für sich zu einer Aufhebung des Verfahrens führen hätten müssen. Bundesminister Hahn hat im Falle der behördlichen Feststellung der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts an der Akademie für bildende Künste bei der Rektorswahl 2007 jedoch weder einen Grund gesehen, der Aufsichtsbeschwerde recht zu geben, noch nimmt er das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission ernst und zieht auch keine Konsequenzen daraus.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Am 3. Mai 2007 erging an Sie eine Aufsichtsbeschwerde, in der die UnterzeichnerInnen die Aufhebung der Rektorswahl 2007 an der Akademie der bildenden Künste anregen und deren Rechtswidrigkeit anhand von vier Punkten erläutern.

 

1a)  Warum haben Sie ein Aufsichtsverfahren eröffnet und dann beschlossen, die Aufsichtsbeschwerde nicht zu behandeln?

 

1b) Sind Ihnen die zentralen Argumente, die für eine Diskriminierung und für eine Rechtswidrigkeit des Verfahrens der Rektorswahl sprechen, bekannt?

 

1c) Wenn ja: wie stehen Sie zu den Vorwürfen im Einzelnen und wie begründen Sie juristisch die von Ihnen offenbar jeweils festgestellte Irrelevanz der Sachverhalte, die eine Beendigung des Verfahrens ohne Aufhebungsbescheid rechtfertigt?

 

 

  1.  Ist Ihnen Ihre gesetzliche Verpflichtung nach Universitätsgesetz 2002, § 45 Abs. 3 und 4,  die Wahl des Rektors / der Rektorin aufzuheben, wenn einer oder mehrere Schritte des Verfahrens rechtswidrig sind, bekannt?

 

2a) Wenn ja: warum haben Sie dennoch das Aufsichtsverfahren aufgrund der Aufsichtsbeschwerde, die am 3. Mai bei Ihnen eingetroffen ist, eingestellt?

 

2b) Warum sind Sie trotz festgestellter Diskriminierung durch die Bundes-Gleichbehandlungskommission nicht bereit Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzugehen, die Wahl des Rektors / der Rektorin aufzuheben, wenn einer oder mehrer Schritte des Verfahrens rechtswidrig waren?

 

  1. Am 8.11.2007 haben Sie der Akademie der bildenden Künste mitgeteilt, dass für eine Weiterführung des aufsichtsbehördlichen Verfahrens gemäß § 45 des UG 2002 kein Anlass mehr gesehen wird. Das aufsichtsbehördliche Verfahren wird eingestellt.

 

3a) Wie stehen Sie heute zu diesem Beschluss?

 

3b) Wie beurteilen Sie heute die von Ihnen initiierte Einstellung des Verfahrens in Hinblick auf das Gutachten der Bundes-Gleichbehandlungskommission, das die  Diskriminierung der Rektorskandidatin Dr.in Clementine Deliss aufgrund ihres Geschlechts feststellte?

 

  1. Auf Grund des Gutachtens der Bundes-Gleichbehandlungskommission ist klar belegt, dass Dr.in Clementine Deliss durch das im Jahr 2007 stattfindende Verfahren zur Bestellung des Rektors / der Rektorin der Akademie der bildenden Künste Wien vom damals amtierenden Universitätsrat auf Grund des Geschlechts diskriminiert wurde.

 

4a) Wie stehen Sie zu diesem Gutachten?

 

4b) Werden Sie Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Universitätsgesetz 2002, § 45 Abs. 3 und 4,  die Wahl des Rektors / der Rektorin aufzuheben, wenn einer oder mehrere Schritte des Verfahrens rechtswidrig waren, nachkommen?

 

4c) Warum sind Sie bisher nicht Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Universitätsgesetz 2002, § 45 Abs. 3 und 4,  die Wahl des Rektors / der Rektorin aufzuheben, wenn einer oder mehrere Schritte des Verfahrens rechtswidrig waren, nachgekommen?

 

  1. Die weitere Steigerung des Frauenanteils im wissenschaftlichen Bereich, insbesondere auch in führenden Positionen ist Ziel des Regierungsübereinkommens.

 

5a) Ist es für die Erreichung des oben genannten Ziels Ihrer Meinung nach notwendig, bei vorliegender Diskriminierung auf Grund des Geschlechts im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einzugreifen?

 

5b) Wenn ja: warum haben Sie dann die Aufsichtsbeschwerde gegen die Rektorswahl an der Akademie der bildenden Künste abgewiesen?

 

5c) Wenn Sie es für die Erreichung des oben genannten Ziels als notwendig erachten, bei vorliegender Diskriminierung auf Grund des Geschlechts im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten einzugreifen: Warum sind Sie bisher nicht Ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach Universitätsgesetz 2002, § 45 Abs. 3 und 4,  die Wahl des Rektors / der Rektorin aufzuheben, wenn einer oder mehrere Schritte des Verfahrens rechtswidrig waren, nachgekommen?

 

5d) Welche Maßnehmen werden Sie künftig setzen, um das im Regierungsübereinkommen formulierte Ziel (Steigerung des Frauenanteils im wissenschaftlichen Bereich, insbesondere auch in führenden Positionen) zu erreichen?

 

 

  1. Der Universitätsrat unter Vorsitz Dr. Kahane hat trotz des verfügten Stopps im Zuge des Aufsichtsverfahrens mit Dr. Schmidt-Wulffen einen Arbeitsvertrag geschlossen – und Dr. Schmidt-Wulffen wiederum seinerseits Arbeitsverträge mit seinen VizerektorInnen.

 

Damit haben sowohl der Uniratsvorsitzende Dr. Kahane wie auch der Rektor Dr. Schmidt-Wulffen gegen das Universitätsgesetz 2002, § 45(5) verstoßen.

 

6a) Warum dulden Sie evidenten Rechtsbruch durch Universitätsräte und Rektoren?

 

6b) War der Grund für die Einstellung des Aufsichtsverfahrens die Tatsache, dass bereits haftungsrelevante Rechtsbrüche seitens Unirat und Rektorat begangen wurden?

 

6c) Sind Sie der Ansicht, dass eine Ministerin / ein Minister bei offenkundig begangenem Rechtsbruch im Bereich der eigenen Materiengesetze nicht einzuschreiten hat?

 

6d) Wenn ja, welche Gründe würden die Verletzung der normierten, ministeriellen Aufsichtspflicht rechtsstaatlich rechtfertigen?

 

6e) Sind Sie der Ansicht, dass die Einhaltung der Gesetze ein noch verteidigungswürdiges rechtsstaatliches Prinzip ist ?

 

  1. Bekannt wurde Ihr Statement, dass es bei der umstrittenen Rektorswahl nicht um Gender-Fragen, sondern vielmehr um Strategie- – und Strukturfragen ging.

 

7a) Woher nehmen Sie diese Gewissheit, und ist Ihnen bekannt, dass die Modernisierung der Akademie der bildenden Künste mit einem Rückbau des alten „Meisterklassenprinzips“ bereits vor Jahren unter Rektor Pruscha eingeleitet wurde, während derzeit unter dem umstrittenen Rektor Dr. Schmidt-Wulffen das alte Klassenprinzip wieder „frühliche Urstände“ feiert?