4899/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.07.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Vermischung von privaten und dienstlichen Angelegenheiten beim Lainzer Tunnel?

 

 

 

 

Gerade bei großen Eisenbahnprojekten ist es im Sinne des geltenden Rechts auf europäischer und innerstaatlicher Ebene besonders wichtig, dass die Durchführung der Bewilligungsverfahren hundertprozentig objektiv erfolgt und nicht der Eindruck von Vermischungen zwischen privaten und dienstlichen Angelegenheiten zB bei beteiligten Spitzenbeamten entstehen kann. Wenn die Bescheiderstellung in diesen Genehmigungsverfahren wie beim Lainzer Tunnel ungewöhnliche Wege geht und Nachtragsbescheide mit hunderten Seiten plötzlich übers Wochenende im Sinne des antragstellenden Eisenbahnunternehmens ÖBB-Infrastruktur Bau AG erstellt werden, ist besondere Aufmerksamkeit angebracht.

 

Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass Verwandte des im Genehmigungsverfahren des Lainzer Tunnels federführenden Mitarbeiter Ihres Ressorts zeitnahe zu den für die ÖBB-Infrastruktur Bau AG sehr wichtigen Verfahrensentscheidungen jeweils gut dotierte Posten in der ÖBB-Infrastruktur Bau AG bekommen haben. Der Vorgesetzte dieses im Genehmigungsverfahren federführend tätigen Spitzenbeamten hat überhaupt gleich die Fronten gewechselt und noch während des laufenden Genehmigungsverfahrens einen fliegenden Wechsel von der Genehmigungsbehörde zum Genehmigungswerber ÖBB-Infrastruktur Bau AG vorgenommen.

 

Das macht alles keine besonders schöne Optik. Dennoch hat das BMVIT Fragen über die Abgrenzung der dienstlichen und privaten Angelegenheiten von Mitarbeitern des BMVIT bei der Genehmigung des Lainzer Tunnels sowohl in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 24.07.2007 (GZ. BMVIT-10.000/0024-I/PR3/2007) als auch in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 25.04.2008 (GZ. BMVIT-10.000/0011-I/PR3/2008) unvollständig und zurückhaltend beantwortet.

 

Das ist umso unverständlicher, als gerade jüngst von Justizministerin und der damals noch zuständigen Staatssekretärin im Bundeskanzleramt eine mediale Offensive für die Sauberkeit in der Verwaltung gestartet wurde und die diesbezüglichen Bestimmungen sogar noch verschärft werden sollen. Umfangreiche Berichte darüber waren bereits in prominenten Medien (Zeit im Bild, Presse) zu bewundern, besonders über das so genannte „Anfüttern“ von Bediensteten in der Verwaltung.

 

Eine entsprechende Transparenz bei der Trennung von dienstlichen und privaten Angelegenheiten sollte daher spätestens angesichts dieser Aktivitäten wohl auch im BMVIT selbstverständlich sein und sollten hier keine Parallelwelten aufgezogen oder geduldet werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1)          Halten Sie es weiterhin für erforderlich, dass im Sinne des geltenden Rechts auf europäischer und innerstaatlicher Ebene jeder Eindruck vermieden werden sollte, dass die ÖBB-Infrastruktur Bau AG im Vergleich zu anderen Unternehmen in irgendeiner Form bevorzugt behandelt wird?

 

2)          Während in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 24.7.2007 entsprechende Fragen noch in einem kleinen Nebensatz abgewimmelt wurden, gab es in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 25.4.2008 doch noch Informationen über die Karriere der beiden Söhne Ihres im Lainzer-Tunnel-Genehmigungsverfahren federführend tätigen Ressortmitarbeiters bei der ÖBB-Infrastruktur Bau AG.

Welche Informationen lagen Ihnen bei der Beantwortung am 24.7.2007 noch nicht vor, die Ihnen bei der Beantwortung am 25.04.2008 endlich vorlagen?

Weshalb konnte nicht schon am 24.7.2007 eine vollständige Beantwortung übermittelt werden?

 

3)          Zum ersten Sohn des erwähnten Ressortmitarbeiters geht aus Ihrer nunmehrigen Beantwortung hervor, dass dieser zeitnah zur Wiedererstellung des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsbescheides Ende 2002 erfolgt ist.

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass derartige zeitliche (fast zeitgleiche) Verknüpfungen zwischen Verfahrensgegnern gegenüber Dritten wohl eher kein gutes Bild machen?

 

4)          Zum zweiten Sohn des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten geht aus Ihrer Beantwortung hervor:

a)              Im März 2007 wurde für den zweiten Sohn des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten ein Dienstvertrag bei der ÖBB-Infrastruktur Bau AG abgeschlossen.

b)              Im Mai 2007 wurde der zweite Genehmigungsbescheid aufgehoben und anschließend vom federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten gleich übers Wochenende wieder neu erlassen.

c)              Im Sommer 2007 hat der zweite Sohn des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten seinen Dienst bei der ÖBB-Infrastruktur Bau AG aufgenommen.

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass derartige zeitliche (fast zeitgleiche) Verknüpfungen zwischen Verfahrensgegnern gegenüber Dritten wohl eher kein gutes Bild machen?

 

5)          Trifft es zu, dass die beiden Söhne des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten in der ÖBB-Infrastruktur Bau AG besoldungsrechtlich besser gestellt sind als zu etwa der gleichen Zeit angestellte gleichqualifizierte andere Mitarbeiter bei der ÖBB-Infrastruktur Bau AG, und über Dienstverträge verfügen, die zusätzlich noch ein kleines finanzielles Zubrot zum sonst üblichen Gehalt sichern?

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass dadurch ein noch schlechteres Bild entstehen könnte?

 

6)          Trifft es zu, dass der erste Sohn des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten von der ÖBB-Infrastruktur Bau AG in jener Rechtsabteilung eingesetzt wird, die Rechtsstandpunkte für Genehmigungsverfahren der ÖBB-Infrastruktur Bau AG formuliert, sodass die Rechtsstandpunkte des Sohnes dann praktischerweise gleich vom Vater in der Eisenbahnbehörde behandelt werden?

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass dadurch ein noch schlechteres Bild entstehen könnte?

 

7)          Trifft es zu, dass der zweite Sohn des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten von der ÖBB-Infrastruktur Bau AG in einer technischen Abteilung eingesetzt wird, die für die Erstellung von Projekten zuständig ist, die dann praktischerweise gleich von seinem Vater in der Eisenbahnbehörde behandelt werden?

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass dadurch ein noch schlechteres Bild entstehen könnte?

 

8)          Im Herbst des Vorjahres hat der Vorgesetzte des federführend tätigen Spitzenbeamten im Genehmigungsverfahren, der Leiter der Eisenbahnbehörde im Verkehrsministerium, überhaupt gleich die Fronten gewechselt und noch während des laufenden Genehmigungsverfahrens für den Lainzer Tunnel einen fliegenden Wechsel von der Genehmigungsbehörde zum Genehmigungswerber ÖBB-Infrastruktur Bau AG als Generalmanager für den Wiener Zentralbahnhof vorgenommen.

Trifft es somit zu, dass daher seit einigen Monaten der ehemalige Leiter der Eisenbahnbehörde bei seinen ehemaligen Untergebenen, Kollegen und Freunden von der Eisenbahnbehörde das wichtigste Eisenbahnprojekt der ÖBB-Infrastruktur Bau AG federführend vertritt?

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass derartige zeitliche (fast zeitgleiche) Verknüpfungen zwischen Verfahrensgegnern gegenüber Dritten wohl eher kein gutes Bild machen?

 

9)          In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 25.04.2008 fällt auf, dass Sie in einigen Fragen offensichtlich die Distanz zu Ihrem Ressort und zur ÖBB-Infrastruktur Bau AG suchen. So schränken Sie Ihre Antworten sehr auffällig immer wieder durch diesbezügliche Vorbehalte ein („wie mir mein Ressort und die ÖBB mitteilt ...“, „wie mir mein Ressort mitteilt“).

Halten Sie das für eine gute Optik oder meinen Sie, dass dadurch ein noch schlechteres Bild entstehen könnte?

Ist die sprachliche Distanz in Ihren Antworten zufällig entstanden oder wollen Sie sich damit von Vorgängen distanzieren, die Sie nicht für richtig halten?

Teilen Sie den Standpunkt, dass unabhängig davon, wer Ihnen etwas mitgeteilt hat, eine unteilbare Ministerverantwortlichkeit für die angeführten Vorgänge in Zusammenhang mit Ihrem Ressort besteht?

 

10)      Zur Optik, dass es im Rahmen der Genehmigung des Lainzer Tunnels zeitnahe zu heiklen Genehmigungsbescheiden gute Jobs bei der Antrag stellenden ÖBB-Infrastruktur Bau AG für Familienmitglieder des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten und für dessen Vorgesetzten gibt, verweisen Sie auf das Recht eines jeden Menschen auf freie Berufswahl und meinen, dass eine Restriktion aus der Anstellung der Eltern für einen jungen Menschen nicht verständlich wäre.

Teilen Sie die Auffassung, dass hier wohl das genaue Gegenteil einer „Restriktion“ vorliegt und diese Argumentation daher völlig unverständlich ist?

Teilen Sie die Auffassung, dass diese Argumentation für Dritte, die keine Verwandten bei der Eisenbahnbehörde haben und keine so guten Jobs bei der ÖBB-Infrastruktur Bau AG (mit Zusatzvereinbarung) ergattern können, eine glatte Provokation darstellen muss?

 

11)      Eine wichtige Funktion zur Wahrung sauberer Verhältnisse in der öffentlichen Verwaltung haben die Vorgesetzten und die Dienstbehörde (Dienstaufsicht) der betroffenen Beamten. Dessen ungeachtet ist gerade das eine jener Fragen, die auch noch bei der parlamentarischen Anfrage am 24.7.2008 überhaupt nicht beantwortet wurde, sodass diese Frage wiederholt werden muss.

Wie weit wussten die zuständigen Vorgesetzten des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten über die Job-Avancements der Söhne Bescheid?

Wie viel wusste der unmittelbare Vorgesetzte, nämlich der Leiter der Eisenbahnbehörde?

 

12)      Was hat der unmittelbare Vorgesetzte, nämlich der Leiter der Eisenbahnbehörde, unternommen, sobald ihm der Sachverhalt bekannt wurde?

Wie viel wusste der nächste Vorgesetzte, nämlich der zuständige Sektionschef für diesen Aufgabenbereich?

Was hat der nächste Vorgesetzte, nämlich der zuständige Sektionschef, unternommen, sobald ihm der Sachverhalt bekannt wurde?

Was wurde Ihnen in dieser Angelegenheit bisher vom zuständigen Sektionschef für diesen Aufgabenbereich berichtet?

 

13)      In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 25.4.2008 weisen Sie nur darauf hin, dass das Büro Ihres Vorgängers seit August 2004 informiert war. Spätestens seit der parlamentarischen Anfrage des Vorjahres sind aber auch Sie darüber informiert.

Haben Sie seither etwas in der Angelegenheit unternommen?

Falls ja, was haben Sie unternommen?

Falls nein, sind Sie der Auffassung, dass ohnehin alles in bester Ordnung ist?

 

14)      Haben Sie die diesbezüglichen Vorgänge überprüfen oder untersuchen lassen?

Falls ja, welches Ergebnis ergaben diese Überprüfungen/Untersuchungen?

 

15)      Haben Sie der Dienstbehörde in der Angelegenheit irgendwelche Anweisungen gegeben?

Falls ja, was haben Sie angewiesen?

Falls nein, sind Sie der Auffassung, dass ohnehin alles in bester Ordnung ist?

 

16)      Wurde eine mögliche, oben dargestellte Befangenheit des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten geprüft?

 

17)      Falls die Befangenheit des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten geprüft wurde, was hat diese Überprüfung ergeben?

 

18)      Falls die Befangenheit des federführend involvierten BMVIT-Spitzenbeamten nicht geprüft wurde,, weshalb halten Sie das für nicht erforderlich?