4997/J XXIII. GP

Eingelangt am 24.09.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Schrottverwertungsanlage in Wien-Liesing

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Abfallrechtliches Genehmigungsverfahren

 

Wegen erwünschter Verlegung des Betriebsstandortes der Schrottverwertungs­anlage der KH Recycling GmbH von derzeit Sobotagasse 18 -20 auf Grawatsch­gasse 7-9, beide Parallelstraßen zur Triester Straße in Wien-Liesing, läuft das abfallrechtliche Genehmigungsverfahren, nun schon über drei Jahre. Die Nachbarn und Nachbarinnen wenden sich gegen das Projekt, weil das Projekt nur 12 Meter entfernt von den Wohnhäusern verwirklicht werden soll und daher mit massiven Lärm- und Feinstaubbelastungen zu rechnen ist.

 

Das aktuelle Betriebsgelände ist ca. 4.000 qm groß. Es wird täglich Alteisen mit drei eigenen Container-LKWs und Fremdautos, meist Klein- LKWs, angeliefert. Das Alteisen wird angehäuft - die Haufen erreichen die Höhe von Einfamilienhäusern - dann zerkleinert und in Eisenbahnwaggons verladen. Lärm erzeugt vor allem die Abladung der Container-LKWs (Abrutschen der Eisenteile) die allgemeine Manipulation der Kräne mit Schrott und das Beladen der Waggons (der Greifer schlägt andauernd auf den geladenen Schrott um die Ladung zu komprimieren). Es werden permanent schussähnliche Lärmspitzen erzeugt. Betriebszeit: 6 - 20 Uhr. Derzeit werden täglich 4 Waggons beladen. Fassungsvermögen eines Waggons ca. 40 t, das ergibt eine Jahreskapazität von schätzungsweise 25.000 Tonnen. Das neue Areal ist viermal so groß. In den Einreichunterlagen ist aber nach wie vor von einer Kapazität von 24.000 Tonnen die Rede. Hinzu kommt, dass neuer Projektbestandteil eine Schrottschere ist, die eine Kapazität von 50 Tonnen in der Stunde hat. Es ist daher realistischerweise mit einer Jahreskapazität von 125.000 Tonnen zu rechnen.

 

Das zunächst erstellte Amtsgutachten kam zu dem Schluss, dass der Lärm für die Nachbarn und Nachbarinnen unzumutbar sei. Daraufhin wurde Univ. Prof. Dr. med. Christian Vutuc von der Medizinischen Universität Wien beauftragt. Die Feststellung von Univ.-Prof. Dr. Vutuc, die Luft-Messstation Liesing würde  durch die Umsiedlung der Schrottanlage "etwas abnehmen bzw. mit Sicherheit nicht zunehmen" ist für die Nachbarn und Nachbarinnen nicht nachvollziehbar. Diese Messstation befindet sich nämlich ca. 2,5 km westlich der Nachbarn und Nachbarinnen. Bei überwiegendem Westwind wird hauptsächlich die Breitenfurterstraße, bei Südostwind die Brunner- bzw. Siebenhirtenstraße erfasst. Die Emissionen von der Grawatschgasse kann sie niemals erfassen. Trotzdem wird dieses Gutachten von der MA 39 als "schlüssig und nachvollziehbar" betrachtet, statt sich durch eine mobile Messung von den tatsächlichen Werten vor Ort zu überzeugen. Hinzu kommen die täglichen 40-minütigen Diesellokfahrten zehn Meter vor den Schlafzimmern der AnrainerInnnen. Für die AnrainerInnen der Triesterstraße 220-224, die ihre Lebensräume nach rückwärts ausgerichtet haben, entsteht ein gewaltiger "Lärmtrichter". Links die Rückwand der Fa. Quester, vorne und rechts Lärmschutzwände. Ist das auch zumutbar für diese Menschen, 70 dB Dauerlärm zu ertragen und täglich Luft einzuatmen, die der eines verrauchten Lokals entspricht?

 

 

2. Feinstaub- und NO2-Messungen in Liesing und Aktionspläne

 

Feinstaub: Liesing gehört zu den am meisten belasteten Messstationen in Wien.

 

Feinstaub, Anzahl der Überschreitungstage an der Messstation Liesing (von der EU tolerierte Anzahl an Überschreitungstagen derzeit: 35)

 

2002

2003

2004

2005

2006

2007

57

66

40

78

60

51

 

Höchste Konzentrationen - TMW in µg/ m3 (Grenzwert: 50µg/m3)

 

2002

2003

2004

2005

2006

2007

108

160

142

151

140

89

 

Quellen: Jahresberichte der Stadt Wien und des Umweltbundesamtes

 

NO2: Die einzige verkehrsnah eingerichtete Messstelle in Wien liegt am Hietzinger Kai. Seit 2003 werden dort maßgebliche Überschreitungen des NO2-Grenzwerts für Halbstundenmittelwerte gemessen (2003-25x, 2004-22x, 2005 – 68x, 2006 – 59x, 2007 – 31x). Im Jahre 2007 wurde ein Jahresmittelwert von 71 µg/m3 gemessen, der zulässige Grenzwert beträgt 40 µg/m3. Die Statuserhebung NO2 2006 schreibt: „Die Messstelle Hietzinger Kai repräsentiert die Luftgüte-Situation für Anrainer an stark befahrenen Straßenzügen oder Häuserschluchten im Ballungsraum Wien, die nur wenige Meter von der nächstgelegenen Fahrbahn entfernt leben oder arbeiten.“

 

Die Triester Straße ist noch stärker befahren als der Hietzinger Kai. Aufgrund der hohen Vorbelastung durch NO2 und Feinstaub in Liesing sind zusätzliche Emissionen nur bedingt zulässig. Auf der anderen Seite müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die bestehenden Emissionen zu reduzieren. Die UBA-Untersuchung „Fachgrundlagen für eine Statuserhebung zur PM10-Belastung in Wien“, 2004, S 243 ff, macht vorwiegend gewerbliche Verursacher für die Feinstaubbelastung in Liesing verantwortlich:

 

 

 

3. Altlast Grawatschgasse 7-9

 

Das Grundstück Grawatschgasse 7 – 9 ist im Besitz der Rhenus Immobilien GmbH.  Die Kontamination des Grundstücks wurde von Sachverständigen untersucht und 2002 darüber ein Gutachten erstellt. Es wird behauptet, dass das Erdreich ausgetauscht worden sei (64 Tonnen), was aber von den Nachbarn und Nachbarinnen nie beobachtet werden konnte.

 

Da der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft oberste Behörde in der Vollziehung des Abfallwirtschaftsgesetzes, des Immissionsschutzgesetzes-Luft und des Altlastensanierungsgesetzes ist, stellen

die unterfertigten Abgeordneten folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.             a)     Ab welchem Schwellenwert wäre das ggst Einreichprojekt für die Schrottverwertungsanlage UVP-pflichtig?

 

b)            Wie werden Sie sicherstellen, dass dieses Projekt nur genehmigt wird, wenn eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn und Nachbarinnen ausgeschlossen ist und sichergestellt ist, dass es nicht zu unzumutbarem Lärm kommt?

 

c)             Ist eine Erhöhung der Kapazität der Schrottverwertungsanlage überhaupt möglich, wo doch die Feinstaubbelastung in Liesing bereits deutlich über dem laut Luftqualitätsrichtlinie zulässigem Maß liegt und gerade Betriebsanlagen zu dieser Feinstaubbelastung wesentlich beitragen?

 

d)            Inwiefern wird das abfallrechtliche Bewilligungsverfahren auf die Vorbelastung des Standorts durch Verkehrsemissionen (von Straße und Bahn) eingehen, eine weitere Belastung der AnrainerInnen am geplanten Standort Grawatschgasse kann doch wohl nicht zumutbar sein?

 

e)            Entspricht die Situierung der Messstellen für Feinstaub und NO2 in Liesing der Messkonzeptverordnung des Ministeriums, welche Gesichtspunkte waren für die Situierung maßgeblich?

 

2.             a)     Werden Sie sicherstellen, dass zur Reduktion der spezifisch aus Betriebsanlagen stammenden Feinstaubbelastung in Liesing (siehe oben die zitierte Untersuchung des Umweltbundesamtes) durch den Landeshauptmann bzw das zuständige Landesregierungsmitglied, ein Aktionsplan mit Reduktionsmaßnahmen erlassen wird?

 

b)            Welche verkehrsberuhigenden Maßnahmen müsste ein derartiger Aktionsplan umfassen, um die Feinstaub- und NO2-Emissionen aus dem Verkehr in Liesing zu reduzieren, sodass eine Gesundheitsgefährdung der Liesinger Bevölkerung ausgeschlossen wird?

 

3.             a)     Ist das Grundstück Grawatschgasse 7 – 9 im Verdachtsflächenkataster aufgenommen oder dem BMLFUW als Verdachtsfläche gemeldet worden?

 

b)            Welche Informationen liegen dem Bundesministerium über diese Kontamination vor, insbesondere welche Gefährdungen gehen von der Kontamination aus?

 

c)             Welche Informationen liegen dem BMLFUW zur Sanierung dies Grundstücks vor?