4998/J XXIII. GP

Eingelangt am 24.09.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend UVP-Pflicht der Erdgasleitung DN 800 Projekt Südschiene (Gänserndorf in NÖ bis Oberaich in der Stmk) und Novellierung des UVP-G

 

 

 

 

 

 

Wie uns ein betroffener Bauer zur Kenntnis brachte, wurden nunmehr die Bescheide zur Bewilligung der Vorarbeiten für die Erdgasleitung Gänserndorf bis Oberaich nach dem Gaswirtschaftsgesetz zugestellt. Zu diesem Projekt wurde auch ein UVP-Feststellungs­verfahren durchgeführt. Die Gasnetz Steiermark GmbH und die EVN Netz GmbH stellten im Sommer 2007 nach § 3 Abs 7 iVm Anhang 1 Z 13 Spalte 3 lit b) UVP-G den Antrag, die UVP-Pflicht der über 182 km langen Leitung DN 800 (Innen­durchmesser maximal 793 mm) im Einzelfall zu prüfen. Die Stmk Landesregierung und die NÖ Landesregierung hielten in ihren Bescheiden am 22. Oktober 2007 fest, dass keine UVP-Pflicht bestehe.

 

Gemäß Anhang 1 Z 13 Spalte 1 UVP-G sind Erdgasleitungen ab einer Länge von 40 km und mit einem Innenrohrdurchmesser von mindestens 800 mm jedenfalls UVP-pflichtig. Das vorliegende Projekt wird mit einer Nennweite (DN Diameter Nominal) von 800 mm bezeichnet, dabei aber festgehalten, dass der Innen­durchmesser nicht größer als 793 mm sei. Er liegt damit 7mm unter der zwingenden UVP-Schwelle!  Wie das Beispiel zur Erläuterung des Begriffs der Nennwerte auf wikipedia zeigt, dürfte es durchaus Schwankungsbreiten, auch nach oben, geben: „Die Angabe der Nennweite erfolgt nach DIN EN ISO 6708 durch die Bezeichnung DN (engl. Diameter Nominal) gefolgt von einer, ungefähr dem Innendurchmesser in Millimeter entsprechenden, dimensionslosen Zahl. So bezeichnet beispielsweise ein DN 50 Rohr nach DIN 2440 (mittelschwere Gewinderohre), ein Rohr mit dem Außendurchmesser von 60,3 mm und einer Wandstärke von 3,65 mm (Innen­durchmesser somit 53 mm).“

 

Es stellt sich also die Frage, ob seitens der Betreiber bewusst diese Schwankungsbreite ausgenutzt wurde, um die UVP-Pflicht zu umgehen. Weiters stellt sich die Frage, ob dieser Weg rechtmäßig ist. Hätte dieses Projekt nicht unter Spalte 1 (zwingende UVP) eingereiht werden müssen und daher der Feststellungsantrag, ob das Projekt nach Spalte 3 (fakultative UVP-Pflicht für Rohrleitungen mit einem Innendurchmesser von mindestens 500 mm durch ein schützenswertes Gebiet) einer UVP zu unterziehen sei, zurückgewiesen werden müssen? Andernfalls stellt sich die Frage, ob die UVP-Schwelle bei Rohrleitungen in der Spalte 1 treffsicher gewählt ist. Gemäß UVP-RL Anhang 1 Z 16 sind „Öl-, Gas- und Chemikalienpipelines mit einem Durchmesser von mehr als 800 mm und einer Länge von mehr als 40 km“ eine UVP zu unterziehen. Hier wird also nicht zwischen Innen- und Außendurchmesser differenziert.

 

Ein UVP-Prüfungsverfahren bringt gegenüber dem gaswirtschaftlichen Verfahren und allenfalls gesonderten Verfahren nach dem Forstgesetz und dem Wasserrechtsgesetz einen besseren Umweltschutz- und Partizipationsstandard. Aus diesem Grunde sollten möglichst viele Projekte der UVP unterzogen werden, aber jedenfalls die EU-Vorgaben eingehalten werden. Umgehungstricks der BetreiberInnen sollte von der UVP-Behörde wirksam entgegengetreten werden.

 

Die Europäische Kommission hat in Zusammenhang mit dem Kreis der UVP-pflichtigen Projekte zwei Mahnschreiben an Österreich verfasst:

 

a)             Horizontales Verfahren

 

In der Begründeten Stellungnahme vom 27. Juni 2007 meinte die Kommission, ein Großteil der Schwellenwerte sei prohibitiv, dh bestimmte Projektarten seien von vornherein ausgeschlossen; insbesondere machte sie den Vorwurf, dass bei einzelnen Projekten die Schwellenwerte für die verpflichtende UVP zu hoch seien (Spalte 1 der Anlage zum UVP-G), bei nicht allen Projektarten eine Einzelfallprüfung bei niedrigerem Schwellenwert vorgesehen wäre (Spalte 2) und dass auch nicht alle Projekte in Schutzgebieten erfasst seien (Spalte 3). Insgesamt wurden die Schwellenwerte von 32 Projektarten (von insgesamt 88) gerügt.

 

Weiters wurde gerügt, dass in den Schutzgebieten das Weltkulturerbe nicht berücksichtigt sei, wie allgemein „historisch, kulturell oder archäologisch bedeutende Landschaften“.

 

b)             Vertragverletzungsverfahren Flughafen Wien

 

Im Mahnschreiben vom 21. März 2007 meinte die Kommission zum Anhang des UVP-G: „Die nach dem österr. UVP-G vorgesehenen Schwellenwerte bzw Kriterien zur Auslösung einer UVP-Pflicht für Flughafenerweiterungen in Umsetzung der Auswahlkriterien nach Anhang III der Richtlinie dürften zur Erfassung erheblicher Umweltauswirkungen nur bedingt geeignet sein, ..., um weiträumige Auswirkungen von erheblichen Fluglärmsteigerungen zu erfassen. ... das Abstellen alleine auf Gesamtpistenlängen ohne andere wesentliche Verkehrs- und Infrastruktureinrichtungen wie zB Terminals, Rollwege, Abstellflächen, Frachtumschlagsflächen etc zu berücksichtigen, (ist) nicht ausreichend um alle Änderungen mit potenziell signifikanten Umweltauswirkungen zu erfassen.“

 

Bis jetzt wurde seitens des Ministers nicht einmal ein Ministerialentwurf zur Novellierung des UVP-G zur Begutachtung ausgeschickt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1.             Wurde dem Ministerium der Bescheid der Stmk. Landesregierung GZ FA 13A‑11.10‑190/2007-16 betreffend Erdgasleitung Gänserndorf bis Oberaich vom 22. Oktober 2007 und der entsprechende Bescheid der NÖ Landesregierung, womit die UVP-Pflicht der Erdgasleitung verneint wurde, zur Kenntnis gebracht?

 

2.             Ist die Einstufung des Projektes in Anhang 1 Zif 13 Spalte 3 UVP-G korrekt oder hätte nicht ein solcher Antrag zurückgewiesen werden müssen, da bei diesem Rohrdurchmesser und dieser Gesamtlänge ohnehin die UVP von Gesetzes wegen durchzuführen ist?

 

3.             Welche Umweltauswirkungen und welche Größenordnungen hatte die Europäische Union mit Anhang 1 Zif 9 der UVP-RL(„Öl-, Gas- und Chemikalienpipelines mit einem Durchmesser von mehr als 800 mm und einer Länge von mehr als 40 km“) im Auge?

 

4.             Kann es sein, dass 7 mm bei einem 80 cm dicken Rohr wirklich über die UVP-Pflicht eines Projektes entscheiden oder müssten nicht viel mehr alle Bandbreiten der DN 800-Projekte erfasst sein? Maßgeblich für die Umwelt sind doch die Verlegung des Rohres und damit einhergehende Beeinträchtigungen von Wald, Natur, fließende oder stehende Gewässer bzw Grundwässer etc.

 

5.             Welche Nennweiten kamen seit Inkrafttreten des UVP-G beim Ausbau des Gasnetzes zum Einsatz, wie viele km Leitungsnetz mit welchen Nennweiten wurden bisher in einem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren geprüft?

 

6.             Warum wurde den Mahnschreiben der EU betreffend Anhang 1 des UVP-Gesetzes (uvp-pflichtige Projekte) bisher nicht Rechnung getragen und bis jetzt kein Novellierungsentwurf vorgelegt?