1/JPR XXIII. GP

Eingelangt am 14.12.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Kollegen

an die Präsidentin des Nationalrats

betreffend  Teilnahme  der  Dritten  Präsidentin   des  Nationalrats  an   einer  nicht

angemeldeten und damit illegalen Demonstration

Demonstrationen - Versammlungen" nach dem Versammlungsgesetz 1953 – sind gestattet, müssen aber mindestens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung (Einlangen bei der Behörde) unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde schriftlich angezeigt werden. „Für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung haben zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen." Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde zu untersagen und nach Umständen aufzulösen." „Übertretungen dieses Gesetzes sind .... mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden."

Bereits am 30. November 2006 wurde in der APA der Ministerratstermin vom 5. Dezember angekündigt.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Dr. Glawischnig und die Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Stoisits hielten am 30. November eine Pressekonferenz ab, die sich dem Thema des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld für neugeborene Kinder von Ausländern widmete.

In den folgenden Tagen wurde laufend öffentlich darüber debattiert, ob ein die Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes gesetzeskonform um- setzender Erlass des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz oder das Gesetz selbst zu ändern wären, wenn man eine Auszahlung von Familienleistungen auch für den Zeitraum der Prüfung der Aufenthaltsberechtigung eines Neugeborenen ermöglichen will.

Nach Medienberichten samt Fotografien haben am 5. Dezember zum angekündigten Termin des Ministerrates (zumindest) folgende Personen vor dem Bundeskanzleramt eine nicht angemeldete - und damit illegale - Demonstration abgehalten: die Dritte Nationalratspräsidentin Dr. Glawischnig, die Klubobfrau der Grünen im niederöster- reichischen Landtag Dr. Petrovic, die Klubobfrau der Grünen im Wiener Landtag Mag. Vassilakou, die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stoisits und Mag. Wein- zinger sowie die Wiener Gemeinderätin Mag. Alev Korun. Alle genannten Demonstrantinnen haben bei ihrer Angelobung als Abgeordnete eine Landtags oder des Nationalrats die stete und volle Beobachtung der Gesetze gelobt.

Die Dritte Nationalratspräsidentin bestätigte der APA selbst, dass es sich um eine de facto unangemeldete Versammlung" handle (APA 134 vom 5. Dezember 2006). Im OTS057 vom 5. Dezember 2006 der Grünen begründet sie sogar selbst die Aktion", hat sie also nach aller Wahrscheinlichkeit selbst organisiert, zumindest aber gutgeheißen und sich daran ohne Bedenken beteiligt.

 


Die Präsidenten des Nationalrates haben in der Republik Österreich nach dem Bundespräsidenten die zweithöchste Position inne. Entsprechende Bedeutung kommt ihren Handlungen, entsprechende Aufmerksamkeit und Beispielswirkungen aber auch ihren Verfehlungen zu. Die bewusste Missachtung von Gesetzen zu- gunsten einer parteipolitisch motivierten Aktion durch eine Präsidentin des National- rats nur wenige Wochen, nachdem sie ihre stete und getreue Einhaltung öffentlich gelobt hatte, lässt erhebliche Zweifel an ihrem Amtsverständnis aufkommen. Sie untergräbt zudem die Gesetzestreue der Bürger. Die Anfragesteller sind daher der Auffassung, dass diese Vorkommnisse jedenfalls einer öffentlichen Aufklärung, wenn nicht des Rücktritts der Dritten Nationalratspräsidentin bedürfen. Die österreichische Bundesverfassung geht nämlich vom Prinzip aus, dass alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind und sieht keine Vorrechte für Nationalratspräsidenten vor.

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Präsidentin des Nationalrats nachstehende

Anfrage:

1.             Wie beurteilen Sie die bewusste Beteiligung wenn  nicht Organisation einer unangemeldeten Demonstration durch die Dritte Präsidentin des Nationalrats Dr. Glawischnig im Hinblick auf die Würde das Hauses und die Stellung eines Nationalratspräsidenten?

2.             Werden Sie mit der Dritten Nationalratspräsidentin das Gespräch suchen, um sie zum Rücktritt oder zur Einhaltung ihres Gelöbnisses aufzufordern, die Gesetze der Republik Österreich stets und voll zu beobachten?

3.             Wie   beurteilen   Sie   die   Beispielswirkung   einer   derartigen   Missachtung   der Gesetze durch höchste Repräsentanten des Staates auf die Bevölkerung?

Wien, den 14. November 2006