38/JPR XXIII. GP

Eingelangt am 19.05.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an die Präsidentin des Nationalrats

 

betreffend Offenlegungspflichten

 

Nach § 9 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre haben Sie als Präsidentin des Nationalrates eine „öffentlich aufzulegende Liste zu führen“, in die Abgeordnete  einzutragen haben, von welchen Rechtsträgern sie Einkommen beziehen,  die jährlich mehr als 14 % des monatlichen Ausgangsbetrages nach § 1  ausmachen.

Sie haben die Öffentlichkeit dieser Liste dadurch hergestellt, dass die Liste seit 2008 online über die Homepage des Parlaments abrufbar und so für die BürgerInnen einsehbar ist.

 

Trotz dieser Öffentlichkeit gibt es jedoch noch erhebliche Mängel, die teilweise in den unklaren Bestimmungen des § 9 begründet sind, teilweise aber auch ohne Novellierung behebbar scheinen.

 

·        So wird die Liste offensichtlich laufend aktualisiert, es fehlen aber jegliche historische Daten: aus der Liste ist nicht erkennbar, wann die jeweiligen Abgeordneten ihre Einkommen gemeldet haben bzw. wann sie Tätigkeiten aufgenommen (oder auch beendet) haben, aus denen sie meldepflichtige Einkommen oder Einkünfte beziehen. Hat ein Abgeordneter beispielsweise im Jahr 2007  ein meldepflichtiges Einkommen bezogen, im Jahr 2008 aber nicht mehr, so gibt die online geführte Liste keinerlei Hinweis auf das Einkommen bzw. die Tätigkeit im Jahr 2007 (gleiches gilt für den umgekehrten Fall)!

·        Haben Abgeordnete in zurückliegenden Gesetzgebungsperioden Tätigkeiten ausgeübt und daraus meldepflichtige Einkommen bzw. Einkünfte erzielt, so ist ebenfalls nicht mehr feststellbar, ob diese Abgeordneten ihrer Pflicht zur Offenlegung nachgekommen sind. So hat Christof Zernatto, der im Jahr 2000 Abgeordneter zum Nationalrat war, in einer schriftlichen Aussage im BAWAG-Prozess offengelegt, dass er im Jahre 2000 auch als Lobbyist der BAWAG tätig gewesen ist, um vor der Übernahme der PSK durch die BAWAG die Stimmung in der ÖVP-FPÖ -Koalitionsregierung „auszuloten“. Für diese Tätigkeit war laut Aussage Zernattos ursprünglich ein Honorar von 10 Millionen ATS vereinbart worden. Ausbezahlt bzw. eingefordert wurden allerdings „nur“  ATS 240.000,-. Jedenfalls ist im Jahr 2000 ein Honorar in dieser Größenordnung an den Abgeordneten Zernatto durch die BAWAG bezahlt worden.  Da es heute keine öffentlich aufliegenden Listen für das Jahr 2000 gibt, kann nicht festgestellt werden, ob diese Einkünfte, besser: die Tätigkeit, aus der sie bezogen wurden, gemeldet wurden.

·        Neben dem Nationalrat, für den Sie die Liste führen, hat auch der Bundesrat eine Liste gemäss § 9 online gestellt. § 9 Abs. 3 verpflichtet auch die Landtage bzw. deren Präsidenten zum Führen einer entsprechenden Liste, die „öffentlich aufzulegen“ ist. Dieser Verpflichtung zur Öffentlichkeit der Listen ist bisher unseres Wissens nur der Vorarlberger Landtag nachgekommen – der Salzburger Landtag hat vor wenigen Wochen ebenfalls einen entsprechenden Beschluss gefasst. Von allen anderen Landtagen bzw. deren Präsidien fehlen selbst Hinweise darauf, dass Listen geführt werden bzw. wo sie für die BürgerInnen einsehbar sind. Da wir annehmen, dass zumindest die Listen erstellt werden, bleibt somit nur die Frage offen, wo die Listen versteckt werden.

·        § 9 des Bezügebegrenzungsgesetzes legt in Absatz 2 fest, dass Einkünfte, die im Rahmen einer Berufsberechtigung aus selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit erzielt werden, nicht gesondert ausgewiesen werden müssen, sondern – wie bei land- und forstwirtschaftlichen Einkünften -  lediglich der Beruf anzugeben ist. Weiters heißt es: „Wird ein solches Einkommen im Rahmen einer Gesellschaft oder juristischen Person erzielt, ist auch diese anzugeben“.  Wenn wir beim Beispiel Zernatto–Honorar bleiben, so müsste dies wohl  bedeuten, dass der Abgeordnete , wenn er sein Honorar nicht aus einer Berufsberechtigung erzielt hat,  dieses bzw. die Tätigkeit als Berater oder Lobbyist gesondert hätte ausweisen  müssen.. 

·        Die Bestimmungen des § 9 Bezügebegrenzungsgesetz haben nicht nur den Mangel, dass sie in entscheidenden Passagen vage bleiben, sondern auch keine weiteren Bestimmungen über den Vollzug bzw. Nichtvollzug enthalten. So verfügt § 12 (Vollziehung), dass Sie bzw. die Bundesregierung  mit der Vollziehung beauftragt sind. Wer im Falle eines fehlenden Vollzugs des § 9, auch des Absatzes 3 (Offenlegungspflicht für Landtagsabgeordnete und öffentlich aufzulegende Liste durch die Präsidenten der Landtage) tätig werden kann, bleibt unklar.

 

Der Parlamentarismus braucht auch in Österreich klare Transparenzregelungen. Die WählerInnen sollen sich mit Hilfe von Informationen über mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten, Interessensverflechtungen und Einkünfte, die aus (beruflichen) Tätigkeiten oder Zuwendungen erzielt werden, ein besseres Urteil über die Abgeordneten bilden können.

 

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 4.7.2007 festgehalten: „Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem – und in welcher Größenordnung – seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen.“

 

Der deutsche Bundestag hat sich deshalb mit dem Abgeordnetengesetz und den Verfahrensregeln der Geschäftsordnung ebenso wie die Schweizer Bundes-versammlung mit ihrem Parlamentsgesetz klare Offenlegungsverpflichtungen auferlegt.

 

 

Geradezu vorbildlich sind die Offenlegungsregeln, die sich das britische Parlament gegeben hat und in seinem „Register of Members’ Interests“ laufend publiziert.

 

Die Offenlegungs- und Unvereinbarkeitsregelungen in Österreich hinken diesen modernen parlamentarischen Standards weit hinterher.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1). Können BürgerInnen derzeit auch Listen gem. § 9 BezBegrBVG aus Jahren vor der laufenden Legislaturperiode bzw. seit Inkrafttreten des Bezügebegrenzungs-gesetzes einsehen? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht?

 

 

 

2). Gemäß § 9 BezBegrBVG haben der Präsident des Nationalrates und der Präsident des Bundesrates jeweils eine öffentlich aufzulegende Liste zu führen, in die jeder Abgeordnete zum Nationalrat und zum Bundesrat eintragen zu lassen hat, von welchen Rechtsträgern er ein Einkommen bezieht, das jährlich höher als 14% des monatlichen Ausgangsbetrages nach § 1 ist. Dem Wortlaut des Gesetzes folgend ist es nicht zwingend vorgesehen, dass nur eine Liste mit den „aktuellen“ Meldungen geführt wird. Eine Verpflichtung, „ältere“ Meldungen nicht mehr offengelegt zu lassen, ist dem Gesetz ebenfalls nicht zu entnehmen. Werden Sie demzufolge im Sinne der gebotenen Transparenz dafür Sorge tragen, dass künftig auch „ältere“ Meldungen der Öffentlichkeit zugänglich sind?

 

3). Das „Register of Members’ Interests“ des britischen Unterhauses (House of Commons), das sehr detaillierte Regelungen enthält, wird in einer schriftlichen und in einer Internet-Edition geführt. Letztere wird durch laufende Updates komplett aktualisiert. Wer einen „newsletter“ abonniert, erhält zudem die jeweiligen Änderungen per e-mail.  Das Register ist in der Internet-Version bis zum Jahr 1997 verfügbar, also weit über die jeweilige Legislatur-Periode hinaus. Können Sie sich vorstellen, die Liste gemäss § 9 in einer vergleichbaren Art und Weise ins Internet zu stellen, sodass allfällige Veränderungen sichtbar werden?

 

4). Können Sie sich vorstellen, die Liste so zu führen, dass auch der Zeitpunkt der Eintragung durch die Abgeordneten sichtbar wird?

 

5). Müssen Abgeordnete, die für eine Beratungs- oder Lobbyistentätigkeit ein Honorar erhalten, das den Ausgangsbetrag nach § 9 übersteigt, den konkreten Inhalt der Beratungstätigkeit und den Vertragspartner angeben, wenn diese Beratungstätigkeit nicht im Rahmen einer Berufsberechtigung stattfindet?

 

 

 

 

 

 

6). Was müssen Abgeordnete, die für eine Beratungs- oder Lobbyistentätigkeit für einen Dritten  im Rahmen eines Beratungsunternehmens bezahlt werden, melden, wenn sie diese Tätigkeit

a)     selbständig oder freiberuflich

b)     unselbständig ausüben?

 

7). Müssen Abgeordnete, die eine derartige Tätigkeit nach Frage 5) ausüben, auch den Namen des Dritten nennen?

 

8). Gemäß § 9 (3) sind auch die Landtage bzw. deren PräsidentInnen verpflichtet, offenzulegen bzw. die „öffentlich aufzulegende Liste“ zu führen. An wen können sich BürgerInnen wenden, wenn keine öffentlichen Hinweise erhältlich sind, wo die Listen  öffentlich aufliegen?

 

9). Wodurch kann die Öffentlichkeit der Listen hergestellt werden?

 

10). Wodurch kann derzeit sichergestellt werden, dass Abgeordnete ihrer Offenlegungspflicht nach dem Bezügebegrenzungsgesetz nachkommen?

 

11). Wie kann derzeit überprüft werden, ob die Meldungen der Abgeordneten vollständig sind?

 

12). Wie kann derzeit von wem überprüft werden, dass die Beschränkung des § 4 BezBegrBVG eingehalten wird, wonach nicht mehr als zwei „öffentliche“ Bezüge bezogen werden dürfen?